Bärbel Kröner-Beglau äußert sie öffentlich. Weitere Eltern, Erzieherinnen und Kinderärzte wollen namentlich nicht erwähnt werden. Ihre Meinung ist drastisch: „Early Excellence kann man nicht reformieren, sondern nur abschaffen, weil es an Körperverletzung grenzt.“ Die Eltern berichten von überdrehten, schlaflosen, unkonzentrierten und aggressiven Kindern, die Probleme haben, Regeln einzuhalten, Kontakte zu knüpfen und sich in Gruppen zu integrieren. „In der Kita darf ich auch machen, was ich will, hören wir“, erzählen sie. Die Kinder würden sich auch im Vorschulalter schwer tun, Stifte richtig zu benutzen und zu malen. Auch von Kinderärzten oder Grundschullehrern würden sie die Rückmeldung bekommen, ihre Kinder hätten soziale und motorische Entwicklungsdefizite.
„Wir haben unser Kind aus der städtischen Kita genommen und in einer konfessionellen Kita angemeldet, wo die Probleme schon nach wenigen Wochen kein Thema mehr waren. Aber das ist ja keine Option für alle Eltern“, sagt ein Vater. Verärgert sind Eltern und Erzieherinnen darüber, dass ihre Kritik von Kita-Leitungen und Jugendamt abgeblockt worden sei. „Das müssen wir jetzt so machen. Das liegt an ihrem Kind. Das sind Einzelfälle und Anlaufschwierigkeiten“, hörten sie immer wieder.
Bildungsdezernent Ulrich Ernst will „nicht ausschließen, dass es an der einen oder anderen Stelle schon mal haken kann, aber die globale Kritik an dem Konzept, in das wir bisher rund 4 Millionen Euro investiert haben, muss ich zurückweisen“, sagt er. Die bei der Stadt für Early Excellence zuständige Koordinatorin Karin Bode-Brock weist auf eine dreijährige Versuchsphase hin, die der flächendeckenden Einführung von Early Excellence vorausgegangen sei. Erst aufgrund der positiven Resonanz bei Erzieherinnen, Kindern und Eltern habe man 2011 stadtweit mit der Umstellung begonnen und auch danach überwiegend positive Reaktionen bekommen.
Auch wenn Ernst und Bode-Brock einräumen, dass sich einzelne Erzieherinnen mit Early Excellence schwertun, bleiben sie dabei „Early Excellence hat bisher segensreich gewirkt.“ Bode-Brock, die früher selbst eine städtische Kita geleitet hat, lädt die Early-Excellence-Kritiker zum Dialog ein und weist auf Beratungs- und Weiterbildungsangebote hin.
Die Kritik ist auch in der Politik angekommen. Johannes Terkatz (SPD), Heiko Hendricks (CDU) und Franziska Krummwiede (Grüne) bekennen sich zur Early-Excellence-Pädagogik, fordern aber die Verwaltung auf, die Rahmenbedingungen zu überprüfen und die Eltern mit einzubeziehen. Meike Ostermann (FDP) wird deutlich: „Ich höre die Kritik am Early Excellence Konzept von befreundeten Eltern immer wieder. Ich halte es für falsch, wenn das Jugendamt die Kritik abblockt. Damit schafft man kein Vertrauen. Oberste Priorität muss haben, alle Kinder gemäß ihren Begabungen optimal zu fördern. Das gelingt mit diesem Konzept offensichtlich nicht.“ SPD und Grüne wollen über Early Excellence in der nächsten Jugendhilfeausschuss-Sitzung sprechen.
Was bedeutet Early Excellence?
Das Konzept von Early Excellence (frühe Vortrefflichkeit) kommt aus England. 2007/2008 in drei städtischen Kindertagesstätten erprobt, arbeiten heute alle 39 städtische Kitas nach diesem Prinzip, das auf die Stärken der Kinder setzt. Durch Bezugserzieherinnen und mit Hilfe verschiedener Lern- und Themenräume werden Kinder dazu motiviert, ihre Stärken zu entdecken und auszubauen.
Statt der herkömmlichen Kindergartengruppen gibt es täglich 1-2 Gemeinschaftszeiten und regelmäßige gemeinsame Aktionen. Early Excellence setzt aber darauf, dass Kinder selbstbestimmt und selbstständig ihren Kita-Tag planen und nach ihren Vorlieben experimentieren, basteln, sich bewegen, Theaterspielen oder malen. Sie entscheiden, wann sie in welchen Lern- und Themenraum
Dieser Text erschien am 25. September 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung
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