Montag, 30. April 2018

Gönnen wir uns allen etwas

Gestern hatten wir Sonntag. In der Kirche hörte ich von der Nächstenliebe. Im Fernsehen sah ich eine Diskussion über die christliche Leitkultur unserer Gesellschaft. Und in der Zeitung las ich davon, dass fast 18 Prozent der sozialversicherten und vollzeitbeschäftigten Menschen in Deutschland monatlich brutto weniger als 2000 Euro verdienen.

Das verdient angesichts der aktuellen Diskussion über die christliche Leitkultur  in unserem Land einen Moment des Innehaltens. Müssen wir, siehe Markus Söder, in unseren Amtsstuben wieder Kreuze aufhängen und öfter in die Kirche gehen, um etwas mehr christliche Nächstenliebe in unserer Gesellschaft zu spüren?

Oder müssen wir nicht einfach einsehen, dass Geiz, allen anders lautenden Werbeparolen zum Trotz eben nicht geil, sondern genau das Gegenteil davon ist.

Wenn wir im Rahmen unserer Möglichkeiten mit Geld, Zeit, Zuwendung, Tatkraft und Liebe geizen, werden wir unser Leben nicht reicher, sondern am Ende in jeder Hinsicht nur billiger machen.

Wir sollten uns als Menschen, Verbraucher, Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht nur in Sonntagsreden mehr wert sein und uns allen etwas gönnen.

Dieser Text erschien am 30. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 29. April 2018

Wie verhindert man Kirchenschließungen?

Josef  Hovenjürgen beim Frühlingsempfang in der Stadthalle
Beim Frühlingsempfang der örtlichen CDU berichtete der Generalsekretär der NRW-CDU, Josef Hovenjürgen, darüber, dass er im Ruhrgebiet immer öfter darauf angesprochen werde, was denn die CDU-geführte Landesregierung dagegen tun wolle, dass das Ruhrbistum immer mehr Kirchen schließe. Dazu stellte der Haltener Landtagsabgeordnete und bekennende Katholik (Jahrgang 1963) fest: "Wenn wir wollen, dass Kirchen erhalten bleiben, sollten wir mal öfter hingehen und nicht nach der Politik rufen. Wenn ich einen Gottesdienst besuche, gehöre ich meistens zu den Jüngsten. Und Platzprobleme gibt es in der Kirche nur an Ostern und Weihnachten. Was für die Kirchen gilt, gilt auch für unsere gesamte Gesellschaft. Wenn wir mehr sozialen Zusammenhalt wollen, müssen wir nicht zuerst nach der Politik rufen, sondern in unserer Nachbarschaft selbst aktiv werden."

Dieser Text erschien am 20. April 2018 im Neuen Ruhrwort

Samstag, 28. April 2018

Wird es eine neue Ruhrtalbrücke geben? - Heinrich Krosse konstruierte in den 60er Jahren für Krupp die Ruhrtalbrücke: Jetzt fürchtet seine Tochter Sigrid Krosse um das bautechnische Erbe ihres Vaters, das sich in die Landschaft einfügt


Heinrich Krosse im Jahr 1970
Foto: privat
Als Sigrid Krosse jetzt las, dass das Land den Abriss der Ruhrtalbrücke prüft, versetzte ihr das einen Stich. „Mein Vater hat die Brücke in den 1960er Jahren mit viel Aufwand und einer filigranen Architektur geplant. Er legte Wert darauf, dass sie sich unaufdringlich in das schöne Ruhrtal einfügen sollte. Denn er war in seinem Herzen nicht nur ein Bauingenieur, sondern auch ein Künstler und Architekt“, sagt Heinrich Krosses Tochter.

Der Ingenieur, der im November 2017 im Alter von 98 Jahren verstorben ist, hatte die damals bundesweit als wegweisend gelobte Brücke, über die heute die Autobahn A52 verläuft, als Brückenbauer des Krupp-Konzerns konstruiert. Bei dem 100-Millionen-D-Mark-Projekt wurden 150.000 Tonnen Stahl und Beton verbaut. Sigrid Krosse kann sich noch an eine Führung im Sommer 1963 erinnern, bei der ihr Vater damals Bürgern erklärte, wie die Brückenteile ineinander geschoben wurden.

Der 1919 in Styrum geborene und an der RWTH Aachen ausgebildete Ingenieur war auch für den Bau der heutigen Schloßbrücke verantwortlich, die 1960 für den Verkehr frei gegeben wurde. Bis zur Pensionierung (1979) realisierte er für seinen Arbeitgeber Krupp weltweit Brückenprojekte.
Jetzt prüft der Landesbetrieb Straßen NRW den Abriss der Ruhrtalbrücke, um die A 52 sechsspurig ausbauen zu können. Das Projekt einer sechspurigen A 52 auf einer neuen Ruhrtalbrücke wird von vielen Verkehrsexperten und Umweltschützern als nicht zeitgemäß kritisiert, da so immer mehr Autoverkehr in den Ballungsraum Ruhrgebiet gezogen würde.

Als die 65 Meter hohe und 1830 Meter lange Ruhrtalbrücke 1966 in Betrieb genommen wurde, wurde sie täglich von rund 20.000 Autos befahren. Heute sind es, laut Straßen NRW, vier mal so viele.

Das Bundesverkehrsministerium geht von einem weiter ansteigenden Autoverkehr aus und prognostiziert, dass die 28 Meter breite Ruhrtalbrücke spätestens in zehn Jahren ihre Kapazitätsgrenze erreichen werde.

Dieser Text erschien am 28. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 27. April 2018

Ganz schön maßlos

Wir sind alle ganz schön dick in den Miesen. Sie nicht? Das denken Sie nur, wenn sie vielleicht Ihre Spargroschen, wie Generationen vor Ihnen, auf die hohe Kante gelegt haben.

„Spare bei der Zeit. Dann hast du in der Not.“ So habe auch ich es noch von meinen Eltern und Großeltern gelernt. Dabei haben meine Großeltern und Urgroßeltern gleich zweimal, 1923 und 1948, durch die Hyper-Inflation und die Währungsreform die Entwertung ihrer Spargroschen erleben müssen.  Sparsamkeit und finanzielles Maß halten scheinen heute allerdings aus der Mode gekommen zu sein. Erst gestern las ich in der Zeitung, dass der Internationale Währungsfonds in seinem aktuellen Finanzmonitoring festgestellt hat, dass die weltweite Verschuldung der Staaten, der Unternehmen und der privaten Haushalte inzwischen auf 225 Prozent der tatsächlichen Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Irgend jemand scheint da kräftig über seine Verhältnisse zu leben. Sind Sie es vielleicht? Ich bin es ganz sicher nicht. Ist es unsere inzwischen mit fast 1,6 Milliarden Euro und rund 9200 Euro pro Bürger verschuldete Stadt, die jetzt auch noch das Gehalts-Plus im öffentlichen Dienst bezahlen muss?! Nicht nur.

Als ich jetzt ein Mädchen seiner Freundin voller Stolz erzählen hörte: „Für eine Eins in Mathe bekomme ich eine Smartphone!“ dachte ich spontan: Ihre Eltern hätten in Mathe eine Sechs verdient. Was machen diese Milchmädchen-Rechner eigentlich, wenn ihr Kind das Abitur schafft?

Dieser Text erschien am 26. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 26. April 2018

Max Schmitz will mit seinem Engagement etwas zurückgeben

Diesmal stellen die Mülheimer Woche und das Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) den ehrenamtlichen CBE-Mitarbeiter Max Schmitz vor. Der 21-jährige Maschinenbau-Student ist ein ungewöhnlicher Ehrenamtlicher. Denn anders, als die meisten seiner Kollegen steht er noch nicht am Ende, sondern erst am Anfang seines Berufslebens.
„Ich habe mich von meiner Mutter inspirieren lassen, die sich ehrenamtlich in der Klassen- und in der Schulpflegschaft engagiert hat. Deshalb habe ich mich während meiner Schulzeit in der Schülervertretung engagiert“, schildert Schmitz seine ersten Erfahrungen mit ehrenamtlicher Arbeit. „Man knüpft interessante Kontakte und lernt etwas fürs Leben“, beschreibt er den Mehrwert seines aktuellen Engagements am Schulstandort Bruchstraße. Dort werden Flüchtlingskinder, sogenannte Seiteneinsteiger, an den regulären deutschen Schulunterricht herangeführt.

Spielerischer Physikunterricht

Teil ihres Unterrichtes ist zumindest für die sprachlich fortgeschrittenen Schüler auch ein spielerisch, experimentell und niederschwellig angelegter Physikunterricht. Immer wieder mittwochs unterrichtet Max Schmitz, der in seiner Schulzeit Mathematik und Physik als Leistungsfächer gewählt hatte, dort vier Stunden Physik. Er tut dies nicht allein, sondern zusammen mit einer Lehrerin und anderen Ehrenamtlichen. „Die 12- bis 15-jährigen Schüler sind sprachlich noch nicht so weit, dass man ihnen die physikalische Theorie vermitteln könnte. Aber wenn wir zum Beispiel Schaltkreise bauen oder mit Hilfe eines Prismas das Licht in seine Spektralfarben zerlegen, lernen die Schüler schon eine Menge an Basiswissen, auf das sie später im regulären Physikunterricht zurückgreifen können“, beschreibt der 21-jährige Student den pädagogischen Ansatz der „Physik für Flüchtlinge.“

Das Programm, das das CBE für Mülheim aufgegriffen hat, ist von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft entwickelt worden und wird von dieser mit Materialkisten unterstützt.

„Auch wenn man sich schon mal durchsetzen muss, damit des im Klassenraum nicht zu laut wird, sind aller Schüler motiviert, experimentierfreudig und wissbegierig“, schildert Schmidt seine pädagogischen Erfahrungen. Der junge Mann, der sich eine berufliche Zukunft als Hochschullehrer vorstellen kann, findet es spannend, „physikalisches Zusammenhänge und Gesetze so herunter zu brechen, dass sie auch von Kindern mit eingeschränkten Deutsch-Kenntnis nachvollzogen werden können. Max Schmitz begreift sein ehrenamtliches Engagement beim CBE aber auch „als eine Möglichkeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.“ Denn die Tatsache, dass seine Eltern in der Lage sind, ihm sein Studium zu finanzieren, so dass er nicht darauf angewiesen ist, neben dem Studium zu arbeiten, empfindet der 21-Jährige „als ein echtes Privileg.“

Dieser Text erschien am 25. Februar 2018 in der Mülheimer Woche

Mittwoch, 25. April 2018

Heiland schmeiße Geld herunter

Gestern erschrak ich bei der Zeitungslektüre fast zu Tode. Da sollen die Grabstätten und ihre Pflege auf den städtischen Friedhöfen aus Kostengründen in die Innenbereiche verlegt werden, während die sterblichen Überreste der Verstorbenen auf den dann sich selbst überlassenen Außenbereichen verbleiben. Die Hinterbliebenen  würden dann also an Grabstätten ihren  Vorfahren gedenken, in denen diese gar nicht mehr liegen. Da drehen sich die Verstorbenen todsicher im Grab um und ihre Hinterbliebenen können es nicht glauben, welche Blüten die Haushaltskonsolidierung auf dem Friedhof treibt.

Dass es auch nach dem Tod ums Geld geht und man sich das Sterben kaum noch leisten kann, lässt die christliche Hoffnung auf das Ewige Leben als Kontrastprogramm zum Jammertal des irdischen Materialismus in ganz neuem Licht erscheinen.

Dieser Text erschien am 25. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 24. April 2018

Schüler sollen von Schülern digital lernen: 150 Berufsschüler des Berufskollegs Stadtmitte machten mit und stellten ihre Berufs-Videos bei einem Workshoptag an der Kluse jetzt 160 Pädagogen und der NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer vor

Nur 13 Prozent der Schulen im Land haben schnelles Internet: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer  (hier zu Gast am Berufskolleg Stadtmitte) will mit sechs Milliarden Euro dafür sorgen, dass es 100 Prozent werden.
Lernen. Das hieß früher Lesen, dem Lehrer zuhören und aufschreiben. „Wenn ich mich heute über die Grundregeln der Hygienewissenschaft oder über die Krankheitsbilder von Diabetes oder Neurodermitis informieren möchte, rufe ich im Internet entsprechende Lehrvideos auf“, berichtet die angehende Krankenpflegerin Lena Märi Hellriegel. Ihre Mitschülerin und Kollegin Fiona Littmann schreibt sich lieber entsprechende Textstellen aus dem Internet heraus, während sich die angehende Sozialarbeiterin Kim Lorena-Gertsen mathematische Formeln auch gerne per Lehrvideo aus dem Internet erklären lässt.

Die drei jungen Frauen, die das Berufskolleg Stadtmitte besuchen, haben sich zusammen mit 147 Mitschülern an dem von der Europäischen Union geförderten Lernprojekt Digital Insights – World of Work beteiligt. Mit Unterstützung der Techniker ihrer Schule haben sie ein Drei-Minuten-Video über das Thema Pünktlichkeit gedreht. Ihr Video war nur einer von 20 Kurzfilmen, die jetzt bei einem Workshoptag am Berufskolleg Stadtmitte interessierten Pädagogen und NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer vorgestellt wurden und zeitgleich auf die neue Internetplattform workXplorer.net  eingestellt worden sind. Die neue Internetplattform, auf der man nicht nur Kurzfilme, sondern auch Texte und technische Hinweise findet, soll Jugendlichen helfen, sich im Dschungel der derzeit mehr als 350 Ausbildungsberufe zurechtzufinden. „Schüler sollen von Schülern lernen“, beschreibt Lena Märi Hellriegel die Idee, die hinter dem digitalen Lernprojekt steht.

„Wir haben uns durch unsere gemeinsame Projektarbeit intensive damit auseinandersetzt, welche Fähigkeiten und Eigenschaften man im Berufsleben braucht“, beschreibt Fiona Littmann ihren Lernprozess. Für die angehende Sozialarbeiterin Kim Lorena-Gertsen war es spannend, sich mal mit dem Thema Filmschnitt, Drehorte, Requisitenbeschaffung und Selbstorganisation auseinanderzusetzen.“
Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit Situationskomik haben die Berufsschüler gearbeitet, um in ihren Kurzfilmen zu zeigen, was Unpünktlichkeit bedeutet, wenn die Operation einer Patientin verschoben werden muss, weil die eingeteilte Krankenschwester auf sich warten lässt, wenn die Dosis eine Medikamentes in der Apotheke falsch berechnet wurde oder ein Manager seinen Geschäftstermin im Ausland verpasst, weil die Mitarbeiterin im Reisebüro seinen Namen falsch geschrieben und entsprechend falsch an die Fluglinie weitergegeben hat. Und auch wenn  Frau Müller in der Patientenkartei unter D landet, weil es die Arzthelferin in der Ordnung nicht so genau nimmt, kann das für die Praxis und ihren Arzt kleine Ursache, große Wirkung bedeuten. „Wir wollen den analogen Unterricht nicht abschaffen, sondern durch individuelles digitales Lernen ergänzen,“ betont Berufsschulleiter Jörg Brodka.


Sie machten Digital Insight World oft Work erst möglich


Jörg Brodka, Elisabeth Mackscheidt, Martin Borges, Judith Dimke-Schrader, Lehrer am Berufskolleg Stadtmitte, haben die Grundlagen für das digitale Lernprojekt zur Erstellung berufsorientierender Videoblogs in einem internationalen Workshop mit Kollegen aus Danzig und Modena erarbeitet.

Das EU-Programm Erasmus stellte für das Projekt Digital Insight World of Work 250 000 Euro zur Verfügung.

Dieser Text erschien am 24. April 2018 in NRZ & WAZ

Montag, 23. April 2018

Viele Wege führen nach Mintard

Es ist die Frage unseres Lebens: Wie komme ich an mein Ziel. Mein Ziel war gestern Mintard. Gar nicht so leicht, wenn man mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist. Nah kann da ja so weit weg sein. Das fand auch die freundliche Dame von der Ruhrbahn, die sich redlich um eine Fahrplanauskunft bemühte. „Ich komme aus Essen und kenne mich in Mülheim nicht aus“, ließ sie mich wissen. Ob ich mein Ziel noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würde? Ihr Rat: Fahren Sie von der Innenstadt mit dem Bus 133 bis Alte Straße oder mit der Bahn 102 bis Broich Friedhof und steigen dann in den Bus 134 nach Mintard um.

 Das einzige Problem: Der 134er fährt aber nur im Stundentakt. Mit dem Prinzip Hoffnung im Gepäck machte ich mich auf den Weg zur Haltestelle in der Stadtmitte. Dort erlebte ich nach wenigen Minuten Wartezeit ein Nahverkehrswunder. Denn es fuhr ein Einsatzbus „Richtung Mintard“ vor. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. „Diese Linie die vormittags- und nachmittags für die Schulkinder fährt, steht auf keinem Fahrplan, so dass sie auch niemand kennt“, ließen mich meine in Sachen Bus und Bahn leidgeprüften Mintarder Gastgeber wissen. Auch unwissend kann man auf Umwegen also zu Ziel kommen.

Dieser Text erschien am 19. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 22. April 2018

Migration als Chance für das Ruhrgebiet?! Die Katholische Akademie und der Initiativkreis Ruhr gaben einen positiven Impuls für die Integrationsdebatte



Auf dem Podium in der Wolfsburg: Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck
und Bärbel Berghoff vom Vorstand der RAG-Stiftung (oben),
Man braucht nur durch die Stadt zu gehen, um zu sehen, das Mülheim bunter wird. Wird das unsere alternde Stadtgesellschaft stärken oder überfordern? Die Katholische Akademie und  der Initiativkreis Ruhr zeigten jetzt mit einer Diskussionsveranstaltung in der Wolfsburg auf, wie Zuwanderung zur Chance für das Ruhrgebiet werden könnte.

Unter den Zuhörern waren auch Oberstufenschüler des Gymnasiums Broich, die sich im Rahmen ihres Erdkundeunterrichtes mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet beschäftigen.

Sie hörten zum Beispiel Ruhrbischof Overbeck, der von der Politik in Bund und Land „einen langen Atem“ bei der Integration und mutige Investitionen in die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur forderte: „Wir brauchen hier neue Straßen und neue Wohnungen und eine Stärkung des Mittelstands, der mit neuen Jobs die Integrationsmaschine Arbeit anwirft“, sagte Overbeck.
Bärbel Berghoff, Vorstand der RAG-Stiftung, sprang ihm bei, in dem sie feststellte: „Wir sehen die Not und wir arbeiten daran. Aber unsere Hilfe, etwa durch Schülerstipendien, kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Wichtig ist, dass das politische Wollen  da ist. Denn alleine werden wir es nicht schaffen.“

Für Jadrinka Thiel, die im NRW-Familienministerium für die integrationspolitische Infrastruktur zuständig ist, gibt es trotz aller Schwierigkeiten beim Thema Integration und Zuwanderung kein Grund zum Schwarzmalen. „Mit  einer großartige Unterstützung durch ehrenamtlich aktive Bürger haben wir nach dem 

Flüchtlingszustrom ab 2015 als Staat alles getan, was man tun kann. Aber wir können heute viele Lehrerstellen nicht besetzen und das dauert mindestens so lange, wie ein Lehramtsstudium, bis sich die Situation der Seiteneinsteiger entspannen kann“, unterstrich Thiel.

Viel wäre aus ihrer Sicht gewonnen, „wenn wir die Potenziale der zum Teil mehrsprachigen, flexiblen und gut ausgebildeten Zuwanderer anerkennen würden. Diese Menschen haben es geschafft, sich in verschiedenen Kulturen zu bewegen und große Probleme zu bewältigen. Von ihrer Flexibilität und Energie können wir profitieren“, findet die Ministerialbeamtin mit kroatischen Wurzeln.

Ähnlich sieht es der in Ost-Anatolien geborene

Sozialwissenschaftler und Hochschulbeamte Suat Yilmaz vom NRW-Zentrum für Talentförderung. „Wir dürfen nicht nur auf die Troublemaker schauen. Wir müssen uns auch um die Toptalente kümmern. Und wir müssen aufhören, alles und jeden in Deutschland kategorisieren zu wollen“, sagt der Mann von der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Gesagt. Getan. Als ihm eine 2012 aus dem Iran geflohene Fachabiturientin von ihren Schwierigkeiten berichtet, eine kaufmännische Lehrstelle zu bekommen, meint Yilmaz nur: „Wir machen gleich einen Termin. Da lässt sich bestimmt was machen.“

Overbeck und Yilmaz sind sich an diesem ertragreichen Abend in der Katholischen Akademie einig, dass es heute in unserem Land nicht um den Gegensatz von Christen und Muslimen oder von Deutschen und Zuwanderern, sondern um „Hoffnung und Lebensperspektiven“ geht, die verhindern, „dass immer mehr Menschen unglücklich werden, in Paralellgesellschaften abtauchen und so Probleme bereiten.“

Für den 17-jährigen Broicher Gymnasiasten Leonard Weier bleibt am Ende des Abends die Erkenntnis: „Wenn wir die Entstehung von Paralellgesellschaften verhindern wollen, müssen wir allen Menschen in unserem Land die gleichen Chancen geben.“ Seine Mitschülerin Jule Hellwig (17) bilanziert den Abend so: „Ich war positiv überrascht, wie viele Menschen an wie vielen Stellen am Thema Integration arbeiten.“ Und ihre Lehrerin Angelika Husemann freut sich, „dass dieser Abend die Botschaft rüber gebracht hat, dass Bildung der Schlüssel für eine gelungene Integration ist, die dazu führt, dass wir friedlich zusammen leben und zusammen arbeiten können.“


Zahlen zur Zuwanderung


Laut Stadtforschung leben in Mülheim aus 140 Nationen zusammen.
15 Prozent der derzeit 173 000 Mülheimer haben keinen deutschen Pass.
8,2 Prozent der Mülheimer haben einen deutschen und einen weiteren Pass.
22,8 Prozent der Mülheimer stammen aus einer Zuwandererfamilie.
Die meisten Mülheimer mit einem Migrationshintergrund stammen aus einer Familie mit türkischen Wurzeln (17,3 Prozent), gefolgt von den polnisch-stämmigen Mülheimern mit 13,9 Prozent und Mülheimern mit familiären Wurzeln in den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens (8,3 Prozent) Auf Platz 4 folgen bereits mit 5,2 Prozent Zuwanderer aus Syrien.
30 Prozent aller neugeborenen Mülheimer haben einen Migrationshintergrund.
Die meisten Mülheimer mit Migrationshintergrund leben in Styrum (35,4 Prozent), Styrum (35,1 Prozen) und  in der Stadtmitte (28,8  Prozent)
14,6 Prozent aller Schüler in Mülheim haben keinen deutschen Pass.

Von den 5 Millionen Einwohnern des Ruhrgebietes haben, laut IT NRW, 24,8 Prozent einen Migrationshintergrund.

Dieser Text erschien am 21. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 21. April 2018

Hundsgemeine Hitze

Straßenbahnfahren kann gefährlich sein. Vor allem dann, wenn dort ein Vierbeiner nach dem eigenen Hosenbein schnappt und aggressiv kläfft.

Ich muss eine tierische Ausstrahlung haben, dass Bello oder Pfiffi, wir haben uns nicht namentlich vorgestellt, so emotional auf meinen Anblick reagiert. Oder hat der Kläffer schon mal schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht, so dass er eine Aversion gegen Journalisten entwickelt hätte?  Dabei bin ich mir keiner Schuld bewusst. Weder habe ich mich in der Zeitung über Hundehaufen beschwert. Noch habe ich an dieser Stelle eine Erhöhung der Hundesteuer oder die Einführung eines Veggie-Days für Hunde gefordert.

Als ich die Straßenbahn verlasse und der Kläffer den nächsten Fahrgast anbellt und nach seinem Hosenbein schnappt, wird mir klar. Es muss die Hitze sein, die dem Hund aufs Gemüt geschlagen ist.

Kein Wunder. Sind Sie mal bei fast 30 Grad in einem Pelzmantel unterwegs. So viel und schnell könnten sie gar nicht hecheln, dass sie wieder auf Normaltemperatur herunterkommen. Allerdings gibt es auch Zweibeiner, die ihre Mitmenschen anbellen, weil ihnen die Affenhitze zu Kopfe gestiegen ist und das ganz ohne Pelzmantel.

Dieser Text erschien am 20. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 20. April 2018

MWB-Jubilare: "Hier wird Zuverlässigkeit noch groß geschrieben!"

Die MWB-Zentrale an der Friedrich-Ebert-Straße
Dass ein Vermieter seine Mieter zu einem Jubilarsfrühstück einlädt, weil sie ihm 60, 50 oder 40 Jahre die Treue gehalten haben, ist auf dem heutigen Wohnungsmarkt ungewöhnlich. Doch die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft (MWB), die vor 120 Jahren von Arbeitern und Handwerkern als Selbsthilfeorganisation zur Behebung der Wohnungsnot gegründet wurde, ist auch kein gewöhnlicher Vermieter. Mit ihren rund 5000 Wohnungen ist die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft, diesen Namen trägt sie seit 1942, heute nach der SWB der zweitgrößte Vermieter der Stadt. 

Aktuell baut die Genossenschaft unter anderem am neuen Stadtquartier Schloßstraße. Unweit dieser Baustelle lud die MWB jetzt zum Jubilarsfrühstück ins Café Leonoardo. „Sie sind bei der Genossenschaft, die sich als eine Vorteilsgemeinschaft versteht, nicht nur Mieter, sondern als Genossen auch Anteilseigner. Und deshalb werden wir als MWB auch in Zukunft weiter dafür arbeiten, dass Menschen bei uns ein schönes Zuhause für faire Mieten bekommen“, versicherte bei dieser Gelegenheit MWB-Vorstand Frank Esser.
Die Erinnerungen, die beim Jubilarsfrühstück auf den Tisch kamen waren, ein Stück erlebte MWB-Gesichte.

Erlebte Geschichte

„Ich bin der glücklichste Mensch, dass ich bei der Genossenschaft wohne. Wenn ich was habe, dauert es höchstens ein halben Tag, bis es wieder gemacht wird. Der Service ist toll und die Miete ist fair. Die Genossenschaft ist für mich einmalig“, berichtete die am Wiescher Weg wohnende MWB-Mieterin Brunhilde Scharfenberger (90).
Der gleichaltrige, aus Westpreußen stammende, Max Frassunke, der seit 1953 MWB-Genosse ist und seit 1955 in einer Genossenschaftswohnung an der Holter Höhe lebt, erinnerte sich: „Flüchtlinge hatten es nach dem Zweiten Weltkrieg auch nicht so leicht. Damals lag ja alles noch in Trümmern. Es gab viele Arbeitslose. Und jetzt kamen die Flüchtlinge. Die waren nicht gerne gesehen. Wir bekamen damals oft zu hören: Ihr nehmt uns die Arbeitsplätze und die Wohnungen weg“

Umso glücklicher war Frassunke, als er damals bei der AEG einen Arbeitsplatz und bei der MWB für sich, seine Frau und seine kleine Tochter eine bezahlbare Wohnung fand. Endlich konnte die Familie aus der Ein-Raum-Notwohnung an Eppinghofer Straße ausziehen. Anders, als dort, hatte die neue Wohnung bei der Genossenschaft ein Badezimmer und eine Kohlenheizung. Für 56 Quadratmeter Wohnraum zahlte er 1955 eine Monatsmiete von 37 D-Mark . Das hört sich wenig an, war es aber angesichts eines Stundenlohns von 1,25 D-Mark, aber nicht.

Ein Zuhause fürs Leben

„Ich wohnte in einem möblierten Zimmer. Und meine Frau wohnte bei meinen Eltern“, erinnerte sich Edgar Herzog (85) an das Jahr 1952, als er der Genossenschaft beitrat, um die Chance auf eine eigene Wohnung zu bekommen. Drei Jahre später war es so weit. Für den Schlosser, der bei Mannesmann damals 1,43 D-Mark pro Stunde verdiente und seine Frau Ingrid konnten in eine 52 Quadratmeter große Genossenschaftswohnung an der Kirchberghöhe einziehen. Die Straße, an der er bis heute wohnt, ist übrigens nach dem Gründer und ersten Geschäftsführer der Genossenschaft, August Kirchberg, benannt.

„Die Genossenschaft ist für mich einmalig, denn Zuverlässigkeit wird bei ihr nicht nur dann großgeschrieben, wenn es um Reparaturen geht“, erklärt der 90-jährige Rolf Glaser, warum er seit 1950 in einer MWB-Wohnung an der Feldstraße zufrieden lebt. In den ersten Jahren teilten sich der Karosseriebauer und seine Frau Käthe die 73 Quadratmeter große Wohnung noch mit der Schwiegermutter und Großmutter. Wie Glaser, schätzt auch Brigitte Lichtenberger (79), die 1955 mit ihren Eltern und Geschwistern in eine Genossenschaftswohnung an der Oberstraße einzog und seit über 50 Jahren in einer 67 Quadratmeter großen MWB-Wohnung am Bottenbruch lebt, die „gute Nachbarschaft der Mülheimer Wohngenossen, in der jeder jeden leben lässt.“ 

Dieser Text erschien am 28. März 2018 im Lokalkompass und in der Mülheimer Woche

Donnerstag, 19. April 2018

Ein Herz für Bienen

Auf diese Nachricht habe ich schon lange gewartet. Im Rathaus bildet sich eine Große Koalition zur Rettung der Bienen.
Haben wir in unserer Stadt keine größeren Probleme, als uns um die Bienen zu kümmern? 

Doch bitte, kein  vorschnelles Kopfschütteln. Die Bienen sind klein. Aber ihr ökologischer Wert ist groß. Denn sie produzieren nicht nur Honig, sondern erhalten mit ihrer regen Bestäubungsaktivität auch die Pflanzenvielfalt. Schon die Generalversammlung der Uno hat sich mit den ökologischen und ökonomischen Auswirkungen des weltweiten Bienensterbens beschäftigt. Da wurde es wirklich Zeit, dass sich der Rat der Stadt dieses existenziellen Themas annimmt.

Bei der  Pflege ihrer Grünflächen, so die Idee eines Aktionsplanes, soll die Stadt keine Pestizide mehr einsetzen. Außerdem soll sie darauf achten, künftig mehr insektenfreundliche Pflanzen zu setzen und bienenfreundlichen Gärten mit Nisthilfen für Wildvögel anzulegen. Mir ist nur noch nicht ganz klar, ob auch die flotten Bienen in den städtischen Aktionsplan einbezogen werden sollen. Denn wenn sie aussterben würden, wäre das Leben auf diesem Planeten wirklich nicht mehr lebenswert.

Dieser Text erschien am 19. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 18. April 2018

Konfessionelle Unterschiede: Wen interessiert das heute noch? Ein ökumenisches Gespräch im Haus der Stadtgeschichte

Im Gespräch: Stadtdechant Michael Janßen (links) Superintendent
Gerald Hillebrand und der Journalist Detlef Schönen.
„Was hätte wohl Luther dazu gesagt?“ fragte sich Moderator Detlef Schönen, als er merkte, dass sich Stadtdechant Michael Janßen und Superintendent Gerald Hillebrand duzten, während sich die Repräsentanten der katholischen und evangelischen Stadtkirche ihre Gedanken darüber machten, „ob uns Luther und die Reformation heute noch jucken.“ Dass der Katholik Janßen, die protestantische Predigtkultur lobte und der Protestant Hillebrand die katholische Liturgie würdigte, überraschte nicht wirklich. Es war keine Diskussion, sondern ein Gespräch über den Stand der Kirchenspaltung, zu dem das Stadtarchiv ins Haus der Stadtgeschichte eingeladen hatte. Denn dort kann man noch bis zum 25. April die Ausstellung „Wortreich“ besuchen, die die Geschichte der Reformation in Mülheim erzählt.
Das gut 90-minütige Gespräch zwischen Stadtdechant und Superintendent warf für die Zuhörer am Ende vor allem eine Frage auf: Warum gibt es 500 Jahre nach Luthers 95 Reformationsthesen eigentlich noch eine katholische und eine evangelische und keine gemeinsame christliche Kirche?
Warum laufen Ihnen denn die Menschen weg, wenn sie so viel gemeinsam dafür tun, deren Sehnsucht nach Gemeinschaft, Lebenssinn und Orientierung zu stillen?“ fragte sich Moderator Schönen. Superintendent Hildebrand versuchte eine selbstkritische Antwort. „Die beiden großen christlichen Kirchen haben einen zu großen Überbau und werden deshalb von vielen Menschen als eher abschreckende und lebensferne Religionsbehörden wahrgenommen, während viele Freikirchen vor allem deshalb mehr Zulauf erleben, weil Menschen dort intensive Nähe und Spontanität finden.“

Erstaunlich offen zeigte sich Stadtdechant Janßen für die gemeinsame Nutzung von Kirchen und Gemeindehäusern. „Ich sehe da keinerlei Grenzen und Probleme“, sagte er und verwies auf das Beispiel des ökumenisch genutzten Altenberger Doms. „Ziehen Maria und der Weihrauch dann auch mit um?“ fragte Hillebrand etwas spöttisch nach und machte damit deutlich, dass es an der evangelischen Gemeindebasis auch in Zeiten kleiner werdender Kirchenkassen und größer werdender Ökumene immer noch konfessionelle Befindlichkeiten gebe. „So lieb wie jetzt hatten sie uns noch nie!“ gab Hillebrand den Kommentar einer Mitarbeiterin zum Besten. Gemeint war damit die Tatsache, dass die Ökumene derzeit auch aus finanziellen Gründen vorangetrieben wird. Lehrt Not nicht nur Beten, sondern auch Ökumene? Dem wollten Janßen und Hillebrand nicht widersprechen. Gleichzeitig verschwiegen sie auch weiterhin vorhandene theologische Unterschiede, etwa im geistlichen Amtsverständnis oder in der Frage von Eucharistie und Abendmahl nicht. Doch angesichts der im Luther-Jahr erlebten ökumenischen Gastfreundschaften, etwa bei Gottesdiensten und Prozessionen, sehen Stadtdechant und Superintendent auch in der Theologie keine unüberwindliche Kluft zwischen evangelischen und katholischen Christen. „Katholiken haben heute kein Problem mehr mit dem Kirchenreformer Luther und Protestanten haben heute auch kein Problem mit Papst Franziskus“, machte Stadtdechant Janßen deutlich. Und sein evangelischer Amtsbruder Hillebrand sieht die Unterschiede zwischen den Konfessionen nicht mehr als theologische Existenzfragen, sondern als „liebgewordene Gewohnheiten.“ Angesichts einer starken und heterogenen islamischen Gemeinschaft und der zunehmenden Zahl von Konfessionslosen macht Gerald Hillebrand darauf aufmerksam, „dass die gesellschaftlichen Fronten heute nicht mehr zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche verlaufen.“ Für Janßen und Hillebrand bleiben die christlichen Kirchen auch in einer zunehmend pluralistischen und säkularen Gesellschaft als soziale und ethische Akteure gefragt. Beispiele aus Lateinamerika zeigen Michael Janßen, dass die christlichen Gemeinden auch ohne hauptamtliche Geistliche und ohne große Kirchengebäude Wirkung entfalten können, „wenn sie neben Versammlungsorten auch überzeugte und begeisterte Menschen haben, die andere Menschen von der Frohen Botschaft Jesu begeistern und überzeugen und so das Wort Gottes weitergeben können.“ Für den Journalisten Detlef Schönen ist die Ökumene 2018 auf einem guten Weg, „weil beide Seiten, anders, als zu Luthers Zeiten einen Draht zueinander haben und sich gegenseitig füreinander interessieren.“ Was der ökumenische Gesprächsabend im Haus der Stadtgeschichte leider nicht ansprach, war die Tatsache, dass beide Amtskirchen, aller an der Gemeindebasis bereits selbstverständlich gelebten Ökumene zum Trotz, ein starkes Beharrungsvermögen haben, wenn es um Ämter, Institutionen und Kirchensteuereinnahmen geht.

Dieser Text erschien am 16. März 2018 im Neuen Ruhrwort

Dienstag, 17. April 2018

Von wegen erste Sahne

Gestern wollte ich mir einmal, frei nach Udo Jürgen selig etwas gönnen, eine Kugel Eis, aber bitte mit Sahne. Ich hatte den cremigen Geschmack von Eis und Sahne schon im Mund. Doch kaum hatte ich den Eisbecher in der Hand, da fiel mir die Sahnekugel auf die Erde. Dummerweise hatte ich auch schon meine zwei Euro abgegeben, so dass ich auf keine Ersatzsahne spekulieren konnte. So musste ich, entgegen meiner lustvollen kulinarischen Erwartung, mit der puren Eiskugel Vorlieb nehmen. Wirklich ärgerlich, wenn einem selbst bei der Aussicht auf das kleinste Vergnügen ein Strich durch die Rechnung gemacht wird. Manchmal ist das Leben wirklich ungerecht.

Doch als ich wenig später eine Hose anzog, die mir recht eng saß, obwohl ich vor kurzem noch locker in sie hineinschlüpfen konnte, musste ich einsehen. Manchmal ist das Leben eben auf den zweiten Blick weiser und vorausschauender als meine Wünsche. Vielleicht ist es am Ende ja wirklich so, dass es für uns Menschen nichts Schlimmeres gibt, als wenn sich unsere Wünsche erfüllen. Sahne ist jetzt erst mal gestrichen, bis die Hose wieder angenehm locker sitzt oder in meinem Budget eine neue Hose mit dehnbarem Bund drin sitzt.

Dieser Text erschien am 17. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung


Montag, 16. April 2018

Einkaufen, mal digital, mal analog

An dieser Stelle habe ich schon oft über Handys und Smartphones gelästert. Nicht ganz zu Unrecht, wie Sie zugeben müssen, wenn Sie auf der Straße die digitalen Schlafwandler sehen oder ihnen ausweichen, weil diese Zeitgenossen nur ihr Smartphone im Blick haben. Gestern musste ich mir aber eingestehen, dass die mobile Telekommunikation auch ihre Vorteile hat. Zum Beispiel beim Einkaufen.

Gerade rechtzeitig klingelte mich meine Heimatbasis am auf dem Wochenmarkt an. „Bringst du bitte noch zehn Eier mit.“ Und als mir  zwischen den Supermarktregalen nicht mehr sicher war, ob es die Möhren aus der Dose  oder aus der Tiefkühltruhe sein sollten, reichte ein kurzer Anruf, um meine einkaufstechnische Wissenslücke zu schließen.

Gut. Als ich wieder zuhause war, fielen Mutter und mir noch drei andere Dinge ein, die wir dringend bräuchten, so dass ich dann doch noch mal zur zweiten Einkaufstour aufbrechen musste. Man(n) ist eben nicht perfekt, wenn es ums Einkaufen geht.
Aber im Prinzip können so ein Handy oder Smartphone den Einkauf enorm erleichtern, zumindest solange das Akku reicht. Im Notfall muss dann eben der gute alte Einkaufszettel weiterhelfen.

Dieser Text erschien am 16. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Es war einmal: Die Hubertusburg an der Friedhofstraße in Speldorf

Die Hubertusburg in den 1960er Jahren
Foto: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
www.stadtarchiv-mh.de
Ein Foto aus dem Stadtarchiv lässt uns auf die Hubertusburg an der Friedhofstraße 208 zurückschauen. Wir sehen die 1927 errichtete und 2012 abgerissene Hubertusburg, in der Zeit, als die ehemalige Hotel- und Ausflugsgaststätte zur Altentagesstätte geworden war. Wo Senioren zwischen 1962 und 2011 ihre Freizeit verbrachten, waren im Zweiten Weltkrieg Luftwaffenhelfer stationiert. Nach 1945 diente das Gebäude im Grünen als städtische Notunterkunft für Flüchtlinge aus dem deutschen Osten. 

Als der Flüchtlingszustrom nach dem Berliner Mauerbau im August 1961 abebbte, sorgten der damalige Oberstadtdirektor Bernhard Witthaus und der damilige Oberbürgermeister Heinrich Thöne dafür, dass die vormalige Notunterkunft für 60 000 D-Mark (Das wären heute etwa 30 000 Euro) zur Altentagesstätte ungebaut wurde. Als die Hubertusburg am 28. Juni 1962 ihrer neuen Bestimmung übergeben wurde, sagte Thöne: „17 Jahre des Wiederaufbaus liegen nun hinter uns. Viel schönes ist in dieser Zeit vor allem für junge Menschen geschaffen worden. Nun wollen wir uns verstärkt den alten Menschen widmen.“ Und Witthaus stellte fest: „Nach 1945 mussten wir materielle Not lindern. Heute stehen wir in der Verpflichtung, den oft vereinsamten alten Menschen aus ihrer seelischen Not herauszuhelfen und ihnen ein Ziel zu geben, dass es lohnt erwandert zu werden. Deshalb wird diese Altentagesstätte keine Eintagsfliege sein, sondern zu einer echten und dauerhaften Stätte der Begegnung und der Freundschaft werden.“

Doch in den 1980er Jahren übergab die Stadt die Hubertusburg der Johanniter Unfallhilfe, die die Hubertusburg auch als Rettungswache nutzte und den Betrieb der Altentagesstätte im Herbst 2011 aufgab.

Dieser Text erschien am 16. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 15. April 2018

Werden wir klug

Zwei Todesanzeigen machten mich gestern nachdenklich. Da stand eine Frau von und zu in der Zeitung neben einem Herrn Prof. Dr. Beide hatten eines gemeinsam. Sie hatten das Zeitliche gesegnet. Auch ihr Adel und ihre akademischen Würden hatten den großen Gleichmacher, namens Tod, nicht davon abgehalten, sie aus dem Leben zu reißen. Ob sie ein reiches Leben geführt haben, an das sich auch Zeitgenossen, Freunde und Familienangehörige gerne erinnern? 

Man weiß es nicht. Sicher ist nur, auch in ihrer eigenen letzten Erinnerung wird sich der Reichtum ihres Lebens nicht an ihren Titeln oder an ihren Kontostand festgemacht haben. Werden wir also lieber heute als morgen klug und gedenken vor der Zeit, dass wir sterblich sind, damit wir nicht nur aus dem heutigen Tag das Beste machen und mit Erlebnissen und Eindrücken Lebenserinnerungen schaffen, an die nicht nur wir uns gerne erinnern, weil sie nicht nur unser eigenes Leben reich und lebenswert gemacht haben. Dann ergibt sich unser Nachruf von selbst: „Danke!“

Dieser Text erschien am 14. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 14. April 2018

Platz in der Herberge Die Speldorferin Imke Alers berichtet über ihre Erfahrungen als Gast-Mutter eines syrischen Flüchtlings

Imke Alers und ihre gastfreundliche Familie
Foto: privat
Imke Alers hält ein schönes Foto in Händen. Gemacht hat es der Fotograf der Duisburger Philharmoniker, bei denen die 56-jährige Speldorferin Oboe spielt. Es zeigt sie zusammen mit dem syrischen Mitt-Zwanziger Mustafa. Es zeigt zwei Menschen, die aus unterschiedlichen Welten kommen und doch vertraut miteinander sind.

Auf dem Foto, das Mustafa mit Rücksicht auf seine noch in Syrien lebenden Eltern ebenso wenig in der Zeitung sehen möchte, wie seinen richtigen Namen, zeigt einen jungen Mann mit freundlichen und ernsten Augen und eine reife Frau, der man ansieht, dass sie weiß, was sie will und wo es im Leben lang geht.

Die Vertrautheit der Beiden hat mit den vier Monaten (von August bis Dezember 2015) zu tun, in denen Mustafa nach seiner Flucht aus Syrien und einer Zwischenstation in Brandenburg bei der Familie Alers am Raffelberg und damit auch in seinem deutschen Exil ankam.

Dass der studierte Pharmazeut, der nicht in Assads Armee kämpfen wollte, drei Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland auf dem besten Weg ist, eine pharmazeutische Berufszulassung für Deutschland zu bekommen, hat er nicht nur, aber auch ganz wesentlich der Tatkraft von Imke Alers und ihrer Familie (Ehemann/Vater und drei inzwischen erwachsene Söhne) zu tun.

Als sie mit ihrer Familie im Sommer 2015 im Fernsehen die Flüchtlingsbilder sah, sagte Imke Alers: „Wir haben doch schon oft Austauschschüler aufgenommen, warum nicht auch einen jungen Flüchtling?“ – „Warum eigentlich nicht?“ fand auch ihre Familie und gab ihre Telefonnummer an eine Bekannte weiter, die sich als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin engagiert. Und schon eine Woche später wurde Mustafa angekündigt. Er hatte nach seiner Flucht zu Lande, in der Luft und auf dem Wasser den Weg nach Brandenburg gefunden und wollte nach seiner Anerkennung als Flüchtling ins Ruhrgebiet, weil seine Tante in Düsseldorf lebt.
„Dann soll er mal kommen“, sagte Imke Alers und holte ihn wenige Tage später am Hauptbahnhof ab.

Der aus einer Akademiker-Familie Familie in Aleppo stammende Mustafa sprach bereits wenige Worte deutsch und sehr gutes Englisch und zog bei Familie Alers ins Gästezimmer unter dem Dach ein. Doch mit Mustafa kamen nicht nur erhellende Einblicke in den syrischen Bürgerkrieg, den islamistischen Terror, das Schlepperwesen, in die arabische Kultur und in die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Weltreligionen Christentum und Islam, sondern auch viel Arbeit ins Haus.
Diese Arbeit, die Imke Alers viel Zeit, Nerven und auch Geld kostete, wurde nicht durch Mustafa, sondern die mit seiner Anwesenheit zu bewältigenden bürokratischen Hürden verursacht. Ein Papierkrieg brach aus. Anmeldung beim Ausländeramt und im Jobcenter der Sozialagentur. Anmeldung und Organisation eines Integrations- und mehrerer aufeinander aufbauender Sprachkurse, Übersetzung und Anerkennung von Mustafas syrischen Zeugnissen, Suche nach Praktika- und Arbeitsstellen, Verhandlungen und Gespräche mit der Apothekerkammer, Gespräche mit Botschaften und Konsulaten, um Mustafas inzwischen ebenfalls aus Syrien geflohener Schwester zu helfen, Bemühungen um ein Stipendium für Mustafa und schließlich (Ende 2015) Suche nach einer eigenen Wohnung für ihn.

„Wenn ich vorher gewusst hätte, was alles auf mich zukommt, hätte ich es vielleicht gar nicht gemacht. Aber heute bin ich froh, dass ich es gemacht habe und wir nicht nur viel an Lebenserfahrung, sondern auch einen syrischen Freund gewonnen haben“, sagt Ilke Alers heute.

Sie und ihre Familie haben durch die Begegnung mit Mustafa nicht nur die Vorzüge der gut gewürzten syrischen Küche und die Vorteile einer gut vernetzten Nachbarschaft und eines starken Freundeskreises kennengelernt. Sie wissen, dass man mehr hilfsbereite Menschen kennenlernt, als man glaubt, wenn man auf Menschen zu geht und mit ihnen spricht und sie fragt. Sie wissen nicht nur, wie man gemeinsam nicht mehr aus dem Lachen herauskommt, wenn man mit seinem syrischen Freund die Filmkomödie „Willkommen bei den Hartmanns“ anschaut und dabei erkennt: „Das ist ja genauso wie bei uns“ oder wie viel Freunde es macht, seinen syrischen Freund in die für ihn neue Welt der klassischen Konzerte einzuführen. Sie wissen aber auch, und das ist wohl die wichtigste Erkenntnis, aus ihrer neuen Freundschaft mit Mustafa, dass das vermeintlich Selbstverständliche alles andere als selbstverständlich und auf Ewigkeit garantiert ist, das Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand. Und wenn Imke Alers heute auf fremdenfeindliche Sprüche über vermeintlich „faule und kriminelle Flüchtlinge“ trifft, kann sie mit ihrem positiven Beispiel dagegenhalten. Dieses positive Beispiel, das Mut macht, wäre aus Alers Sicht perfekt, wenn Mustafa, der aktuell ein Fachseminar an der Universität Düsseldorf absolviert, danach in einer Apotheke eine Praktikumsstelle bekommen und sich so optimal auf die für seine deutsche Berufszulassung nötige Fachkenntnisprüfung bei der Apothekerkammer vorbereiten könnte Dabei macht sich Imke Alers keine Illusionen: „Natürlich kostet die Versorgung und Integration von Flüchtlingen viel Geld und nicht alle sind so fleißig, freundlich, hilfsbereit und integrationswillig wie Mustafa. Aber man darf Menschen nicht über einen Kamm scheren, sondern muss sie in ihrer Persönlichkeit betrachten“, sagt sie und schaut sich noch einmal das Foto an, auf dem sie und Mustafa zusammen stehen. 

Dieser Text erschien am 9. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 13. April 2018

Politik mit Beilage

Viele Menschen sehen Politik als Schwarzbrot an. Manchmal ist sie aber auch mehr. Die CDU bewirtete jetzt die 220 Gäste ihres Frühlingsempfanges mit Gemüsesuppe und Vollkornschnittchen. Sage noch einer, Politik habe keinen Nährwert.

Haushaltsmisere, Flächenmangel, Grund- und Gewerbesteuersätze, Integrationskostenpauschale. Diese schwere Kost wollte die christliche Volkspartei ihren Gästen nicht auf nüchternen Magen zumuten. Sie weiß: Auch christliche Nächstenliebe geht durch den Magen, auch wenn es in diesem Fall nicht die biblische Speisung der 5000 war.

Doch die Bürgerinnen und Bürger, die sich am Buffet der politischen Partei labten, sollten sich keinen Illusionen hingeben. Am Ende müssen sie auch als Steuerzahler die Suppe auslöffeln, die ihnen in den politischen Küchenkabinetten eingebrockt worden ist, ob ihnen die politische Rezeptur nun schmeckt oder nicht.

Insofern war das Buffet beim Frühlingsempfang, zu dem die CDU in die Stadthalle eingeladen hatte, nur ein vorgezogener Lastenausgleich.

Dieser Text erschien am 12. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 12. April 2018

Vom Klassenzimmer in den Ratssaal: Sechstklässler der Karl-Ziegler-Schüler debattierten über das Für und Wider des Schwimmens in der Ruhr: Die Entscheidung fiel ihnen am schwersten

Bürgermeisterin Margarete Wietelmann eröffnete und leitete die
Schülerratssitzung zum Thema Schwimmen in der Ruhr - Ja oder Nein?
Soll man in der Ruhr schwimmen dürfen oder nicht? Die Frage, die die Ratsmitglieder noch nicht beantwortet haben, haben 60 Sechstklässler der Karl-Ziegler-Schule gestern bei einem parlamentarischen Planspiel denkbar knapp, nämlich bei Stimmengleichheit abgelehnt.

„Wenn ein Antrag keine Mehrheit bekommen hat, ist er abgelehnt und kann erst nach sechs Monaten erneut beraten werden“, klärte Annette Lostermann-DeNil die Nachwuchsparlamentarier auf. Die Frau, die die „außerordentliche“ Ratssitzung in Sachen Ruhr zusammen mit Bürgermeisterin Margarete Wietelmann und ihren Politik-Lehrer-Kollegen Felix Schwechten leitete, weiß Bescheid. Sie saß viele Jahre für die Grünen im Rat der Stadt.

Die Karl-Ziegler-Schüler gingen gut vorbereitet in ihre Ratssitzung. Praktisch und theoretisch, etwa durch eine Ruhr-Exkursion, hatten sie sich zusammen mit Stefanie Krohn vom Haus Ruhrnatur und mit ihren Lehrer Felix Schwechten (Politik) und Christoph Levering (Biologie) mit dem Für und Wider einer öffentlichen Badestelle an der Ruhr auseinandergesetzt.

Das schlug sich in einer differenzierten Debatte mit vielen Argumenten nieder. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten, die auch der Mikrofonanlage des Ratssaales geschuldet waren, kamen die jungen Stadtverordneten in Diskussionslaune. „Wenn die Bürger in der Ruhr schwimmen wollen, werden sie das ohnehin tun. Dann ist es doch besser, eine öffentliche und durch Schwimmmeister und Rettungsschwimmer gesicherte Badestelle einzurichten, die mit ihren Eintrittsgeldern auch die Stadtkasse füllen könnte“, brachten die Befürworter vor. „Eine öffentliche Badestelle an der Ruhr würde dort zu mehr Müll führen und nicht nur die Umwelt, sondern auch die dort lebenden und brütenden Vögel vertreiben. Außerdem würde der Ausbau einer Badestelle und die Anstellung von Schwimmmeistern die Stadt Geld kosten, das die Stadt nicht hat“, hielten die Gegner dagegen.

Manche Nachwuchsparlamentarier gaben angesichts der profunden Argumente offen zu: „Ich bin unentschieden, ob ich nun für oder gegen das Schwimmen in der Ruhr stimmen soll.“
Die Karl-Ziegler Schüler Jan Lucca Löcken, Judith Beekes, Nicolas Zayko und Rafael Zayko waren sich einig; „Das miteinander Diskutieren hat Spaß gemacht. Aber am Ende eine gute Entscheidung zu treffen, war gar nicht so leicht.“ Vor dem Hintergrund ihrer parlamentarischen Erfahrung schreckten alle vier aus ihrer heutigen Sicht davor zurück, später vielleicht selbst mal kommunalpolitisch aktiv zu werden. Judit Beekes  sprach für ihre drei Mitschüler, als sie feststellte: „Ich kann ganz gut diskutieren. Aber ich bin auch schüchtern und hätte Angst davor eine Entscheidung zu treffen, die sich vielleicht als falsch herausstellen könnte.“ Bürgermeisterin Wietelmann war davon begeistert, „wie sachlich die Schüler miteinander diskutiert haben und das sie bei all ihren Überlegungen immer auch die finanziellen Aspekte ihrer Entscheidung im Auge hatten.“ „Für die Schüler ist Kommunalpolitik ein Stück greifbarer geworden“, freute sich Lehrer Felix Schwechten. Und sein Kollege Christoph Levenig fand: „Sie haben begriffen, dass Biologie und Umwelt einen politische Dimension haben.“

Bewährte Zusammenarbeit: Nicht nur die Karl-Ziegler-Schule, sondern auch die Luisenschule und die Willy-Brandt-Schule kooperieren seit drei Jahren mit dem Haus Ruhrnatur und seiner Mitarbeiterin Stefanie Krohn in Sachen Umweltbildung.
Das 1992 auf der Schleuseninsel betriebene Haus Ruhrnatur wird vom regionalen Wasserversorger RWW betrieben.

Dieser Text erschien am 12. April 2018 in NRZ & WAZ

Mittwoch, 11. April 2018

"Wir müssen das Arbeiten und Wohnen miteinander versöhnen"

Von links: Astrid Timmermann-Fechter, Josef Hovenjürgen
und Christina Kaldenhoff
"Wir wollen mit Ihnen ins Gespräch kommen, weil wir uns als Volkspartei für alle Bürgerinnen und Bürger verantwortlich fühlen", betonte die CDU-Kreisvorsitzende Astrid Timmermann-Fechter beim gut besuchten Frühlingsempfang, zu dem ihre Partei Mülheimer aus allen Bereichen der Bürgerschaft in die Stadthalle eingeladen hatte.
Timmermann-Fechter, die bis zum September letzten Jahres dem Bundestag angehört hatte, lobte die neue Bundesregierung aus Union und SPD dafür, insgesamt 46 Milliarden Euro für den Ausbau der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur bereitgestellt zu haben. Davon profitierten auch die Kommunen.

Generalsekretär als Gastredner

Der Generalsekretär der Landes-CDU, Josef Hovenjürgen und Mülheims CDU-Fraktionschefin waren sich einig darin, dass die Städte im Ruhrgebiet als Wirtschaftsstandort im regionalen Vergleich solange nicht wettbewerbsfähig seien, wie ihre Grund- und Gewerbesteuersätze etwa doppelt so hoch seien wie im Münslerland, obwohl sie Unternehmen nur einen Bruchteil der dort zur Verfügung stehenden Gewerbeflächen anbieten könnten. "Wir brauchen solide Finanzen. Da wir unsere kommunalen Abgaben aber nicht weiter erhöhen können, müssen wir sparen", beschrieb Kaldenhoff die politische Marschrichtung. Die Kommunalpolitikerin lobte die vom Land bereit gestellte Pauschale für die Integrationskosten der Städte als einen Schritt in die richtige Richtung. Hier hatte Gastredner Hovenjürgen eine Gesamtsumme von 100 Millionen Euro genannt.

"Entwicklung braucht Fläche. Und deshalb müssen wir Arbeiten und Wohnen wieder miteinander versöhnen", plädierte der aus Haltern kommende Landtagsabgeordnete Hovenjürgen für eine grundsätzlich neue Richtung in der Raumplanung. Man müsse, so der CDU-Politiker, künftig wieder Gewerbeflächen in Wohngebieten und Außenbereichen zulassen und dürfe Gewerbeflächen nicht weiter reduzieren. Sonst werde man weiter Arbeitsplätze verlieren. Und so würde die Menschen auf der Suche nach Arbeitsplätzen  aus der Region hinaus gezogen.

Vom Ich zum Wir kommen

In diesem Zusammenhang verteidigte der CDU-General auch die von der CDU-geführten Landesregierung auf den Weg gebrachte Abschaffung des Vetorechtes der ernannten Landschaftsbeiräte. Sie dürften, so Hovenjürgen, nicht mehr Rechte haben, als die gewählten Stadtparlamente. "Das war ein Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung und deshalb schaffen wir das ab", machte der Gastredner aus der Landes-CDU deutlich.

Darüber hinaus forderte der Generalsekretär der NRW-CDU seine Mitbürger zu mehr gegenseitiger Achtsamkeit und Hilfsbereitschaft auf: "Wenn wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken wollen, dürfen wir nicht nur nach der Politik rufen, sondern müssen auch selbst aktiv werden. Wir müssen wieder mehr vom Ich zum Wir kommen."


Dieser Text erschien am 10. April 2018 im Lokalkompass und in der Mülheimer Woche

Dienstag, 10. April 2018

Bewährungsprobe Einkauf

Wenn Er und Sie einkaufen gehen, bewegen sich beide in unterschiedlichen Welten. Das konnte ich jetzt miterleben. Während Sie noch ihre Blicke durch die Regalreihen  und über ihren Einkaufszettel schweifen ließ, drängte es Ihn mit seinem halbvollen Einkaufswagen schon zur Kasse. Während Sie in aller Ruhe den Markt der Einkaufsmöglichkeiten scannte, ließ sein gehetzter Blick erkennen, dass er den Einkauf als lästige Pflicht lieber jetzt als gleich hinter sich bringen wollte. „Das ist ja mit dir beim Einkaufen nicht auszuhalten“, ließ Sie ihren Gatten wissen, der sich krampfhaft an seinem Einkaufswagen festhielt. Wenig später sah ich das zerstrittene Einkaufstandem wieder.

 Vom Einkaufsstress befreit, machte Er jetzt einen erheblich gelasseneren Eindruck und warf den jungen Lions, die zwischen zwei Supermärkten Lebensmittel für die Mülheimer Tafel sammelten, bereitwillig eines seiner mühsam ergatterten Einkaufsgüter in den Spendenwagen. Seine bessere Hälfte lächelte ihm milde zu und streichelte ihm über die Wange. Alte Liebe lässt sich eben auch von Einkaufsturbulenzen nicht aus der Bahn bringen, wenn sie einen guten gemeinsamen Nenner hat und über den eigenen Tellerrand hinausblickt.

Dieser Text erschien am 9. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 9. April 2018

Ein Mülheimer Rückblick auf das Drei-Kaiser-Jahr 1888

Einen interessanten Einblick in das Mülheim des Drei-Kaiser-Jahres 1888 gewährte Stadtarchivar Kai Rawe zum Auftakt der neuen Reihe zur Mülheimer Geschichte. Er konfrontierte seine Zuhörer im Haus der Stadtgeschichte mit einem Personenkult rund um die drei deutschen Kaiser Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II., die 1888 einander auf den Hohenzollernthron folgten, der für heutige Gemüter unvorstellbar anmutet. So begrüßte die Mülheimer Zeitung den neuen Kaiser Wilhelm II., der „Deutschland herrlichen Zeiten entgegenführen wollte“, mit einem Huldigungsgedicht auf ihrer Titelseite. Kaum nachvollziehbar ist auch, dass nach dem Tode der Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. alle Geschäfte schlossen, die Straßenlaternen mit Trauerflor dekoriert wurden und ein 14-tägigiges Trauergeläut, jeweils zwischen 12 und 13 Uhr, angeordnet wurde.

1888, das damalige Adressbuch zeigte es, gab es im etwas mehr als 25.000 Einwohner zählenden Mülheim, erstaunlicherweise 80 Bäcker, 19 Fischhändler, 14 Gastwirte, 10 Ärzte, 11 Hebammen und 22 Friseure. Den Mülheimer Schülern, die vor 130 Jahren ein Gymnasium, eine höhere Töchterschule, 14 Volksschulen und eine Handwerkerschule besuchten, bescherte der dreimalige Thronwechsel drei zusätzliche schulfreie Tage. Mit einem Foto des sehr überschaubaren Abiturjahrgangs 1888 zeigte Rawe, dass höhere Schulbildung im Kaiserreich eine sehr elitäre und teure Angelegenheit war. Immerhin konnten die Volksschulen ab 1888 schulgeldfrei besucht werden. Außerdem wurde im Rathaus die erste öffentliche Stadtbibliothek eingerichtet. Darüber hinaus konnten die Bürger erstmals mit einer Dampf-Straßenbahn von Broich nach Duisburg fahren.

Eine nur wenigen reichen Bürgern vorbehaltene Errungenschaft blieb jedoch vorerst das neue Telefon. 1888 gab es in Mülheim gerade mal 56 Telefonanschlüsse. Die durchschnittliche Telefonrechnung pro Haushalt und Jahr lag 1888 bei 206 Mark. Zum Vergleich: Der Tageslohn eines Arbeiters betrug damals 3,20 Mark. Kein Anschluss unter dieser Nummer also, zumindest für Normalverdiener.

Und ein Blick in Etat des Jahres 1888 zeigte: Auch die guten alten Zeiten waren finanzpolitisch gar nicht so gut, weil die Stadt, die damals vor allem in Schul- und Straßenbau investierte, hatte sie bei einem Etat von 500.000 Mark einen Schuldenberg von 2,2 Millionen Mark angehäuft. 



Dieser Beitrag erschien am 20. März 2018 in NRZ & WAZ 

Sonntag, 8. April 2018

Ein Hauch vom Glück

Gestern erlebte ich ein Hauch vom Glück. Nicht das ich im Lotto gewonnen oder einen lukrativen Auftrag bekommen hätte.

Auf all das kann man unter Umständen lange warten. Aber der Frühling ist jetzt da. Als ich mit meiner Mutter die Schloßstraße bergauf und bergab ging, wärmte uns die Sonne und ein laues Lüftchen fuhr uns durch die Haare, während  wir  uns über ein lachendes Mädchen freuten das uns strahlend entgegenkam und in einem Schaufenster den letzten Osterhasen begutachteten, der inmitten einer Terrassenausstattung auf seinen Abtransport wartete. Nicht nur Osterfeiertage gehen so schnell vorbei. Zeit, die Zeit zu nutzen, um zu genießen, was uns gratis von der Natur und von den freundlicheren und fröhlicheren Zeitgenossen unter unseren Mitmenschen geboten wird. Das fühlt sich nach echtem Leben an, wenn man mit offenen Augen und wachsen Sinn durch das ganz normale Leben geht, das gerade in seinen Kleinigkeiten großartig sein kann.

Das große Glück der kleinen schönen, weil lebendigen, Augenblicke wünsche ich uns nicht für den heutigen Tag, verbunden mit der Einsicht, dass wir nicht im Gestern oder im Morgen, sondern immer nur im Heute leben können.

Dieser Text erschien am 7. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 7. April 2018

Wo die Mieter heute der Schuh drückt Mieterschutz-Anwalt Harald Bartnik sieht einen Wandel des Wohungsmarktes zugunsten der Vermieter

Harald Bartnik an seinem Arbeitsplatz
100 Jahre nach der Gründung des ersten Mülheimer Mieterschutzvereins, fragen wir den Geschäftsführer des an der Schloßstraße 26 ansässigen Mieterschutzbundes, Rechtsanwalt Harald Bartnik, welche mietrechtlichen Probleme er heute für seine aktuell 8000 Vereinsmitglieder zu bearbeiten hat.

Wo drückt ihre Mitglieder der Schuh?
Bartnik: Der Klassiker sind die Nebenkostenabrechnungen für Strom, Wasser und Heizung. Hinzu kommen Feuchtigkeitsschäden, die vor allem dadurch entstehen, dass Hauseingentümer ihre in den 50er, 60er und 70er Jahren errichteten Häuser energetisch nicht modernisieren können oder nicht modernisieren wollen. Aber auch ungerechtfertigte Mieterhöhungen jenseits der Grenzen des örtlichen Mietspiegels und Wohnungskündigungen wegen vermeintlichen Eigenbedarfs sorgen regelmäßig für Ärger.

Haben wir derzeit einen Mieter- oder einen Vermietermarkt?
Bartnik: Das kippt gerade. Bisher hatten wir viele leerstehende Wohnungen. Da konnten Mieter Druck machen und mit ihren Vermietern verhandeln. Das ist jetzt vor allem durch den Zuzug von Flüchtlingen und Zuwanderern vorbei. Wer jetzt eine neue und vor allem bezahlbare Wohnung mit einer Miete von 5 bis 6 Euro pro Quadratmter sucht, hat es schwer. Wir brauchen wieder mehr öffentllich geförderten Wohnraum.

Werden die Mieten steigen?
Bartnik: Davon muss man ausgehen. Langfristig könnte auch in Mülheim die Mietpreisbremse eine Rolle spielen, die bisher nur in Metropolen, wie Köln, Düsseldorf, München oder Berlin von Bedeutung ist.

Muss man jede Mieterhöhung akzeptieren?
Bartnik: Nein. Man hat zwei Monate Zeit, um sich beraten zu lassen, ehe man der Mieterhöhung schriftlich zustimmt oder gegen sie klagt. Leider unterschreiben vor allem ältere Leute viel zu schnell, weil sie zu Unrecht glauben, dass sie gekündigt werden können, wenn sie der Mieterhöhung nicht sofort zustimmen. Dabei kann der Vermieter einen Mieter nur auf seine Zustimmung zur Mieterhöhung verklagen, ihn deshalb aber nicht kündigen.

Wann müssen Mieter mit einer Wohnungskündigung rechnen?
Bartnik: Nur dann, wenn sie mit einer Mietzahlung mehr als zwei Monate im Rückstand sind und diese nicht ausgleichen können. Deshalb raten wir Mietern, die zum Beispiel wegen eines Heizungsausfalls oder eines defekten Aufzugs ihre Miete mindern immer dazu, höchstens 20 bis 30 Prozent der Miete zu mindern, nie aber eine ganze  Monatsmiete einzubehalten. Leider geistern im Internet abenteuerliche Mietminderungsquoten herum, die die Mieter in die Irre führen.

Welche Vermieter machen Ihnen die meiste Arbeit?
Bartnik: Das sind zum Beipsiel Immobilienfonds, die ihre Häuser von Hausverwaltungsfirmen managen lassen und nur Geld verdienen wollen, aber keine Reparaturen durchführen und oft auch für uns kaum erreichbar sind, weil sie viele Immobilien, aber wenig ansprechbares Personal haben. Leider gibt es auch private Hauseigentümer, die unter der Missachtung des Mülheimer Mietspiegels, des Quadratmeterpreise, je nach Lage, zwischen 5,37 Euro und 7,88 Euro schwanken, Mieterhöhungen durchdrücken wollen. Hinzu kommen private Vermieter, die Häuser auf Pump kaufen und dann kein Geld haben, um den Abschlag für Wasser, Strom und Heizung zu bezahlen, so dass Mieter in Vorkasse treten müssen, um nicht ohne Wasser, Strom und Heizung dazustehen.

Was können Mieter machen, wenn Vermieter notwendige Reparaturen nicht leisten?
Bartnik: Sie können diese schriftlich anmahnen und Fristen setzen, in denen die Reperaturen zu erfolgen haben. Üblich sind Zwei-Wochen-Fristen. Das hängt vom Umfan der zu leistenden Arbeiten ab. Reagiert der Vermieter nicht, kann man eine zweite 14-tages-Frist setzen, nach deren Vertreichen man dann in Aussicht stellt, die Schäden auf eigene Kosten zu beheben und die selbst getragenen Kosten mit der Miete zu verrechnen oder sie notfalls auch beim Vermieter einzuklagen.

INFO: Der an der Schloßstraße 26 ansässige Mieterschutzbund ist unter der Rufnummer: 0208-37 74 9 30 erreichbar.
Die Mitgliedschaft im Mieterschutzbund kostet 80 Euro pro Jahr. Die Mitglieder werden in ihren Belangen außergerichtlich beraten und im Ernstfall auch auf Klagen vorbereitet. Die anwaltliche Vertretung vor Gericht muss ein niedergelassener Rechtsanwalt übernehmen.
Im Falle eines Rechtsstreites genießen Mitglieder, die dem Mieterschutzbund mindestens drei Monate lang angehören, Rechtsschutz.
Seine Bürozeiten hat der Mieterschutzbund montags bis mittwochs von 9 bis 13 Uhr sowie von 14 bis 17 Uhr. Donnerstags öffnet er sein Büro von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 19 Uhr. Freitags ist sein Büro von 9 bis 13 Uhr erreichbar.
Informationen findet man auch im Internet unter: www.mieterschutzbund.net

Dieser Text erschien am 6. April 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 6. April 2018

Fußball in der Fußgängerzone

Als ich noch in dem Alter war, in dem ich ein Fußballtrikot anzog und mir einen Ball schnappte, um mit meinem Freund Kendrik zu kicken, gab es für uns kein schöneres Fußballfeld als die Wiesen der Ruhranlagen.

Gut. Ein Fußballtor hatten wir dort nicht. Das mussten wir uns zwischen den Bäumen denken oder mit Jacken, Taschen oder Beuteln auf der  Wiese markieren.  Bewegung und frische Luft, Das machte Lust aufs Abendbrot. Heute scheinen viele Kinder und Jugendliche Angst davor zu haben. Wenn sie noch Fußball spielen und nicht mit ihrem Smartphone oder ihrem Computerspiel abhängen, suchen sie sich dafür keine Wiese im Grünen, sondern bevorzugen das harte Pflaster der mehr oder minder belebten Schloßstraße.

Zwischen Fußgängern, Radfahrern und Lieferwagen zu kicken, das wäre uns früher zu blöd gewesen, schon allein wegen der Verletzungsgefahr bei der einen oder anderen Torwart-Parade oder dem einen oder anderen Fallrückzieher.

Sicher. Auch die Straßenkicker, die über ihre Spiel jeden Fußgänger oder Rollatorfahrer vergessen, beleben die Innenstadt, die Bewegung gebrauchen kann, aber eben keinen Hals- und Beinbruch.

Dieser Text erschien am 5. Apruil 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 5. April 2018

Verein für Kinder und Jugendarbeit sorgt für 120 neue Kita-Plätze

Weil die Geburtenzahlen wieder ansteigen, braucht die Stadt mehr Kindertagesstättenplätze. Im Vorjahr musste Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig einräumen, dass nur 42,5 Prozent aller Unter-Drei-Jährigen, die seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben, diesen Anspruch auch tatsächlich erfüllt bekommen konnten.

Mit dem Spatenstich für eine neues Kinderhaus, in dem ab Frühjahr 2019 rund 120 Kinder betreut werden, hat der in Essen und Mülheim aktive Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet (VKJ) ein Signal der Entspannung gesetzt. Der 1970 gegründete Verein hat sich das Ziel gesetzt, die Lebens- und Bildungschancen von Kindern in schwierigen Lebenssituationen zu verbessern.

Viel Platz für die kleinen Stifte

Das Kinderhaus der "Kleinen Stifte", das der Verein jetzt an der Bruchstraße 83 von der Dekon Bau- und Immobilienentwicklungsgesellschaft errichten lässt, wird sein viertes Kinderhaus in Mülheim sein. Dort werden, verteilt auf sechs Grippen,  80 Betreuungsplätze für Über-Dreijährige und 30 Betreuungsplätze für Unter-Dreijährige geschaffen. Den Kindern und ihren Erziehern stehen 1111 Quadratmeter Innenfläche, verteilt auf zwei Etagen, zur Verfügung. Hinzu kommt ein 3000 Quadratmeter großes Außengelände.

Auf dem Außengelände werden die Kinder eine Bobby-Car-Rennstrecke, einen Wasserspielplatz und einen Erlebnisgarten vorfinden. Im Innenbereich wird es unter anderem eine große Küche für die frische Zubereitung der Verpflegung, einen Bewegungsraum und einen Raum für die geplante Elternarbeit geben. Musik und Bewegung haben für die Pädagogik des Vereins eine zentrale Bedeutung. Auch die Zusammenarbeit mit der benachbarten Grundschule am Dichterviertel soll gesucht werden.

Für das Kinderhaus des VKJs, das in Anlehnung an das Dichterviertel den Namen "Kleine Stifte" tragen wird, sucht der Verein auch noch hauptamtliches Personal Interessierte sollten sich unter der Rufnummer 0201-234081 oder per E-Mail vkj@vkj.de an die Geschäftsführerin des Vereins, Vera Luber, wenden. Luber fasste beim Spatenstich am Mittwoch ebenso mit an, wie der VKJ-Vereinsvorsitzende Frank Müller und der künftige Leiter des Kinderhauses, Andreas Spielkamp. Mit an der Schippe waren beim symbolischen Baubeginn an der Bruchstraße auch Kita-Fachberaterin Sandra Neuwaldt, Bezirksbürgermeister Arnold Fessen. der Geschäftsführer der dekon Bau- und Immobilien-Entwicklungsgesellschaft, Raoul Fischer und nicht zu vergessen die Kinder aus dem vom VKJ betriebenen Kinderhaus der "Kleinen Kröten". Auch dieser Einrichtungsname kommt nicht von ungefähr. Denn die "kleinen Kröten" sind im Finanzamt an der Wilhelmstraße zuhause.


Dieser Text erschien am 28. März 2018 in der Mülheimer Woche

Mittwoch, 4. April 2018

CBE: Starthelfer kommen mit Flüchtlingen ins Gespräch

Sie sollen die deutsche Sprache erlernen. Das erwarten Einheimische von den Flüchtlingen. „Es ist gar nicht so leicht, auf fremde Menschen und Gruppen zuzugehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen“ sagt der syrische Abiturient, Yazan Alzoubie, in erstaunlich gutem Deutsch.
Der junge Syrer, der vor einem Jahr nach Mülheim kam, besucht zurzeit einen Sprachkurs und hat gute Chancen, im August eine Ausbildung als Wirtschaftsinformatiker beginnen zu können.

In die Alltagssprache eintauchen

Um ganz praktisch in die deutsche Alltagssprache eintauchen zu können, hat das Centrum für bürgerschaftliches Engagement ihm mit. Markus Wisniewski einen seiner bisher 100 Starthelfer an die Seite gestellt. Der 21-Jährige absolviert seinen Bundesfreiwilligendienst beim CBE. „Es war ein schönes Gefühl, zusammen mit Yazan die Stadt zu erkunden und zum Beispiel das Rathaus und das Fundbüro zu besuchen. Außerdem habe ich bei unseren Gesprächen festgestellt, dass wir trotz aller Unterschiede als Geschwisterkinder sehr ähnlich aufgewachsen sind“, berichtet Wisniewski.

Die 21-jährige Wirtschaftsstudentin, Rena Gulmammadova aus Aserbaidschan,, und ihre gleichaltrige Kommilitonin und Starthelferin, Alena Mühlbauer, kamen beim Besuch des Kunstmuseums Alte Post und beim gemeinsamen Essen, miteinander ins Gespräch. „Ich habe vorher noch nie darüber nachgedacht, wie die Menschen in Aserbaidschan leben“, beschreibt die vor einem Jahr aus Bayern zugezogene Wirtschaftsstudentin Mühlbauer die Horizonterweiterung, die sie durch die 1:1-Gespräche mit Rena erfahren hat.
Rena und Yazan haben ihre Heimatländer verlassen, weil sie nicht in einer Diktatur leben wollten. „Die Treffen und Gespräche mit Alena sind gut für mich, weil ich durch sie die deutsche Kultur kennenlerne. Das ist wichtig für mich, wenn ich hier leben und studieren will“, sagt Gulmammadova. Auch Yazan Alzoubie hat durch seinen deutschen Starthelfer einen Motivationsschub erfahren. Den beschreibt er so: „Ich will auf stehen, um etwas zu machen und zu geben und nicht nur Hilfe zu bekommen.“

Ergänzende Gruppen-Exkursionen

Für CBE-Mitarbeiterin Julia Weber kommt es bei dem 2017 aufgelegten Starthelferprojekt darauf an, „dass die Chemie zwischen den beiden Tadem-Partnern stimmt. Deshalb bringen wir die Beteiligten vor ihren drei gemeinsamen Stadterkundungen, hier im CBE zusammen, damit sie sich in einem von uns moderierten Gespräch kennenlernen können. Danach vereinbaren beide Tandem-Partner ihre Termine selbstständig. Ob es dann bei drei Treffen bleibt, entscheiden sie selbst.

„Um unseren Starthelfer-Tandems Anregungen zu geben, planen wir auch weiterhin zusätzliche Gruppen-Exkursionen, mit denen wir zum Beispiel im Einzelhandel, in der Kita, bei der Feuerwehr, bei der Polizei, am Flughafen, im Amtsgericht oder im Pflegeheim die Berufswelt und ihre Möglichkeiten erkunden.“, erklärt CBE-Projekt-Mitarbeiterin Katharina Wehner.

Für den CBE-Geschäftsführer Max Schüring geht es beim Starthelfer-Projekt darum, „über den reinen Spracherwerb hinaus Flüchtlingen und Zuwanderern eine Perspektive für ihr weiteres Leben in Deutschland aufzuzeigen und auf der anderen Seite Menschen, die sich zeitlich begrenzt engagieren möchten, ein einfaches, aber effektives Angebot machen zu können.

Weitere Starthelfer willkommen

Wer sich für ein ehrenamtliches Engagement als Starthelfer interessiert, sollte unter der Rufnummer 0208-97068213, per-Email an: Katharina.Wehner@cbe-mh.de oder persönlich an der Wallstraße 7 Kontakt mit dem CBE-Team aufnehmen.

Dieser Text erschien am 29. März 2018 im Lokalkompass und in der Mülheimer Woche

Ihre Wiege stand in Mülheim

  Der Mülheimer Heimatforscher Dirk von Eicken liebt Geschichte(n), die nicht jeder kennt. Eine dieser Geschichten hat er für die  Internets...