Donnerstag, 30. September 2021

Mit Farbe und Poesie

 Mit seinem 34. Jahreskalender "Gerne leben hilft!" und seinem neuen quadratischen, praktischen und guten Büchlein "Denk einfach, so ist das Leben - Denk, so einfach ist das Leben" zeigt sich der Olle Hansen auch mit seinen neuesten Vitaminspritzen für die Seele als Meister der kleinen Lebenshilfe. 

Sein großformatiger Jahreskalender 2022 kommt farbenfroh und poetisch daher. Seine literarische Miniatur wirkt auf den ersten Blick eher puristisch. Aber seine Schwarz-Weiß-Motive, die Petoschu diesmal ganz nachhaltig auf Packpapier gemalt hat, entfalten eine einfach schöne Ästhetik, die der Olle Hansen mit seinen lebensweisen Aphorismen zu einem kleinen Meisterwerk abrundet, dass man immer wieder gerne in die Hand nimmt, anschaut und mit Wort und Bild als Alltagserfrischung mit Aha-Effekt in sein Herz hineinlässt. 
 

Kunst als Lebenshilfe

"Nix passt immer. Alles passt nie." oder: "Nimm's leicht und wunder dich", lässt uns Petoschu in seinem wunderbar illustrierten literarischen Überlebenspäckchen wissen. Die mit einem Augenzwinkern und dem Spaß am doppelten Boden gemalten Motive, können die Fans des Ollen Hansen und die, die es noch werden wollen, bei Petoschu in seinem Atelier am Saarner Klostermarkt auch als gerahmten Original kaufen. Am ersten Samstag im Oktober lädt der Olle Hansen wieder zu einem Tag des offenen Ateliers. "Daran muss man die Leute nach der langen Corona-Zeit erst wieder gewöhnen", sagt Schulz.

Er blättert seinen 2022-Kalender auf,  greift von dem er sagt, "dass er vielleicht mein letzter sein wird." Aber wenn man die Ausdrucks- und Anziehungskraft seiner Illustrationen und ihrer poetischen Unterschriften sieht, hofft man, dass der 77-jährige Lebens-Künstler auch im nächsten Jahr wieder zu Pinsel, Feder, Bunt- und Tuschestift  greift und sich auch für 2023 etwas ausdenkt, was uns zum Schauen, Schönfinden, Schmunzeln  und Nachdenken anregt. Etwas, wie zum Beispiel auf dem Januar-Blatt seines aktuellen Kalenders. Auf dem sieht man einen mit Buntstiften bestückten Kladdeneinband und liest: "Vermutung. Ich bin wie ich bei Dir. Du bist wie du bei mir. Jeder ist in seiner Spur. Wir kreuzen uns nur. Um zu werden, die wir waren, in der Zeit und all den Jahren."

Wer Petoschus Wege kreuzen möchte, sollte sich jeweils am ersten Samstag des Monats, zwischen 11 Uhr und 16 Uhr auf den Weg in sein Atelier am Klostermarkt in Saarn  machen. Dort kann man auch sein neues Buch (für 13 Euro) und seinen neuen großformatigen, farbenfrohen und hochwertig gedruckten Kalender 2022 (für 30 Euro) erwerben. Das Atelier am Klostermarkt ist auch montags bis mittwochs zwischen 10 und 17 Uhr für Besucher geöffnet oder telefonisch unter: 0208/461411 zu erreichen.

MW/LK/MH, 29.09.2021

Mittwoch, 29. September 2021

Besetzte Leben

 Wer die Petrikirche besucht, kann dort bis zum 24. Oktober in ein fernes und fremdes Leben schauen. „Besetzte Leben“ heißt die Fotoausstellung, mit der der Ruhrpreisträger Heiner Schmitz 16 palästinensische Beduinenfamilien aus dem Westjordanland porträtiert.

„Auch wenn die großformatigen Fotos auf den ersten Blick romantisch wirken, dürfen wir nicht übersehen, dass diese Familien in Armut und Unfreiheit leben“, sagt der Fotograf mit Blick auf seine 2019 entstanden Bilder. Seit er als Professor an der Fachhochschule Dortmund 1997 ein Praxisfreisemester für eine Fotoexkursion nach Israel und Palästina nutzte, hat ihn das Schicksal der Menschen im Nahen Osten nicht mehr losgelassen.

Auch wenn Schmitz „große Sympathie für den modernen und demokratischen Staat Israel“ bekundet, lässt er doch ebenso wenig Zweifel an seiner Solidarität mit den Palästinensern, „die ein besetztes Leben führen müssen“, weil die israelische Regierung gegenüber den Palästinensern in den sogenannten palästinensischen Autonomiegebieten, westlich des Jordans eine menschenrechtswidrige Politik der Eingrenzung, des Mauerbaus, der militärischen Repression und der geduldeten Übergriffe sogenannter israelischer Siedler auf ihre palästinensischen Nachbarn im Westjordanland zulässt.

Gerne sähe es Schmitz, der dem Mülheimer Städtepartnerschaftsverein und dem Deutsch-Palästinensischen Freundeskreis angehört, wenn die bis 2000 vom Städtepartnerschaftsverein initiierten Bemühungen um eine trilaterale Partnerschaft zwischen Mülheim, Kfar Saba und dessen palästinensischen Nachbarstadt Qalqiliya wieder aufgenommen würde.

Mit seinem Plädoyer für eine gleichberechtigte israelisch-palästinensische Partnerschaft und Nachbarschaft, die allen Menschen in Israel und Palästina mehr Frieden, mehr Sicherheit, mehr Freiheit und damit auch mehr Lebensqualität und Lebensperspektiven bringen würde, weiß sich Schmitz mit seinem im Januar 2021 verstorbenen Freund Gadi Reich einig. Und mit einem weiteren israelischen Freund, der sich als Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation um die im israelisch-palästinensischen Grenzgebiet eingeschlossenen Beduinenfamilien kümmert. Sie können ihre traditionelle Lebensweise nicht mehr aufrechterhalten.

Dieser Freund, der der arabischen Sprache mächtig ist, war es auch, der Schmitz bei seiner Fotoexkursion 2019 den Zugang zu den 16 palästinensischen Familien ermöglicht hat. Die Gespräche, die Schmitz mit seiner Hilfe führen konnte, haben ihm Leidensgeschichten von Gewalt, Tod und Perspektivlosigkeit offenbart, die in seinen Ausstellungskatalog „Besetzte Leben“ eingeflossen sind.

„Heiner Schmitz zeigt mit seinen berührenden Fotos, was Menschen Menschen antun können, aber auch, welches Friedenspotenzial in einer Menschlichkeit steckt, bei der man andere Menschen so behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte“, sagt Pfarrer Justus Cohen von der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde. Die Ausstellung sei in der Petrikirche am richtigen Ort. Cohen: „Wo sollte man solche Fotos, die für mehr Menschlichkeit werben, zeigen, wenn nicht in der Kirche.“


NRZ/WAZ, 15.09.2021

Samstag, 25. September 2021

"Soziale Inklusion ist keine Einbahnstraße. Sie tut uns allen gut."

 Der Integrationsrat und seine Kooperationspartner laden vom 27. bis 3. Oktober zu einer Interkulturellen Woche, die mit Gesprächen, Vorträgen, Kulturveranstaltungen oder mit kulinarischen und sportlichen Begegnungen Lust auf die Entdeckung des bunten Mülheims macht, in dem heute Menschen aus mehr als 140 Nationen, mal besser, mal schlechter zusammenleben. Im Vorfeld der Interkulturellen Wochen, deren Programm sich auf der städtischen Internetseite: www.muelheim-ruhr.de findet, sprach die stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates und CBE-Mitarbeiterin, Gilberte Raymonde Driesen über, dass, was die Macher der Interkulturellen Woche an- und umtreibt. Die Pädagogin ist außerdem Vorsitzende des interkulturellen Bildungsverein Axatin, mit dem sie eine Brücke zwischen ihrem Geburtsland Senegal und ihrer Wahlheimat Deutschland schlägt.

Was will die Interkulturelle Woche?
Driesen: Sie will, dass wir uns begegnen und uns kennen lernen, Deshalb ist diese Veranstaltungsreihe etwas für uns alle und nicht nur etwas für die Zuwanderer. Wichtig ist, dass wir alle ermutigt werden, uns zu begegnen und uns auszutauschen und so ein Miteinander erleben. Das ist wichtig für unsere Stadtgesellschaft. Das tut uns allen gut. 

Was sind diesmal die Veranstaltungsschwerpunkte?
Driesen: Es gibt eigentlich ganz viele unterschiedliche Veranstaltungen, von denen ich keine hervorheben möchte. Wir stellen mit den Veranstaltungen eine Plattform zur Verfügung, auf der wir den  jeweils anderen  und dessen Hintergrund entdecken und verstehen können. Da gibt es Tanz, Musik, Film und Kinderprogramme, aber auch ein gemeinsames Kochen und Frauenfrühstück. Es gibt aber auch Diskussionsveranstaltungen, bei denen es um Bildung, Inklusion, Politik und um die Überwindung von Rassismus und Diskriminierung gehen wird. Wichtig ist: Alle Interessierten sind eingeladen, sowohl Mülheimer ohne als auch mit einer Zuwanderungsgeschichte.

Wo und wie erleben Sie im Alltag Rassismus und Diskriminierung?
Driesen: Rassismus und Diskriminierung gibt es überall, wo Menschen bei der Arbeits- und Wohnungssuche oder auch in der Schule aussortiert werden, weil sie anders aussehen, wo anders geboren sind  und keinen deutschen Namen haben. Wir bieten Familien mit Zuwanderungsgeschichte ehrenamtliche Beratung an und hören jeden Tag Erfahrungsberichte von erlebtem Rassismus.

Wie kann die Interkulturelle Woche helfen?
Driesen: Wir begegnen und tauschen uns aus und so überwinden wir Vorurteile und Stereotype. Wir machen uns gegenseitig Mut, keine Parallelgesellschaften zu bilden, sondern aufeinander zuzugehen. Das ist ein Prozess, der mit Arbeit verbunden ist und Zeit braucht. Aber wir haben in Mülheim auch gute Ansätze, wenn ich zum Beispiel an den Integrationsrat, das Centrum für bürgerschaftliches Engagement, an die lokalen Bildungsnetzwerke, an die Sozialverbände und an die Talentwerkstätten denke, in denen Begegnung und gemeinsame Arbeit an der Zukunft unserer multikulturellen Stadtgesellschaft geleistet wird.

Vielen Menschen macht Zuwanderung Angst. Wie kann da soziale Inklusion gelingen?
Driesen: Wir brauchen in der Diskussion einen Perspektivwechsel. Das Mülheim von heute ist nicht mehr das Mülheim von vor zehn Jahren. Angesichts einer alten deutschen Gesellschaft ist die Zuwanderung junger Menschen und Familien auch eine Chance für den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme. Auch dafür will die Interkulturelle Woche das Bewusstsein schaffen. Wir wollen deutlich machen: Inklusion betrifft alle Menschen in unserer Gesellschaft. Sie ist keine Einbahnstraße Und wir haben deshalb ein gemeinsames Interesse daran, dass sich diese gesellschaftliche Vielfalt auch in Parlamenten, Verwaltungen, Bildungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen  widerspiegelt.


Mülheimer Woche, 25.09.2021

Mittwoch, 22. September 2021

Der Netztechniker

 Die Digitalisierung kostet Arbeitsplätze. Sie schafft aber auch welche. Zum Beispiel die bei der NETZTECHNIK Schiffmann GmbH, die seit 1999 am Bühlsbach in Saarn ansässig ist und aufgrund ihrer Expansion seit 2018 einen zweiten Unternehmensstandort in Essen eröffnet hat.

Gerald Schiffmann gründete das Unternehmen, das heute 25 Mitarbeiter beschäftigt und bundesweit 220.000 Kunden vom Häuslebauer bis zum Dax-Konzern mit individuell zugeschnittenen Kommunikationsnetzen ausgestattet, im Jahr 1990. Damals war der Mülheimer 22 Jahre jung und studierte nach seinem Abitur am Otto-Pankok-Gymnasium in der Nachbarstadt Essen Wirtschaftswissenschaften.


„Ich habe schon als kleiner Junge bei uns zuhause den Kühlschrank repariert. Außerdem begeisterte ich mich für Modellbau und Segelflug und habe meinen Vater schon als Schüler technisch und kaufmännisch in seinem Unternehmen für Lichttechnik unterstützt“, schildert Schiffmann das biografische Fundament seiner Technikaffinität.


Doch sein Schlüsselerlebnis war eine Reise durch die USA, die er 1990 mit seinem Schulfreund Wulf unternahm. In deren Verlauf lernte er die wunderbare IT- und Kommunikations-Welt des kalifornischen Silicon Valley kennen. Waren für den jungen Mann aus dem gerade erst wiedervereinigten Deutschland Drehscheiben- und Tastentelefone die kommunikationstechnische Normalität und schwergewichtige Telefaxgeräte und Mobilfunkanlagen die Spitze des kommunikationstechnischen Fortschritts, so entdeckte er hier zum Beispiel Mobilfunktelefone und Anrufbeantworter, die nicht nur erheblich handlicher und leichter, sondern auch deutlich leistungsfähiger und preiswerter waren als ihre deutschen Kollegen.


Schiffmann ging auf Shoppingtour und ließ sich dabei nicht nur von dem informationstechnischem Erfindungsgeist der Leute aus dem kalifornischen „Tal des Siliciums“, sondern auch von ihrer Service-Kultur begeistern. „Damals habe ich gelernt, dass der Freie Markt Innovationen fördert, die ein Staatsmonopol, wie das der damaligen Deutschen Post eher verhindert und unterdrückt. Außerdem habe ich begriffen, dass man als Unternehmer nur dann erfolgreich sein kann, wenn man Kunden nicht nur zufriedenstellt, sondern sie auch begeistert, indem man sich um sie kümmert, ihnen zuhört und sich im Gespräch mit ihnen genau anschaut, wie die Lösung ihrer technischen Bedürfnisse aussehen könnte und sollte.“


Jeder, der das Glücksgefühl und Aha-Erlebnis kennt, das sich einstellt, wenn man zum Beispiel mit PC, Tablet, Audioassistentin Alexa, Smartphone und WLAN-Router genauso oder noch besser arbeiten kann, wie und als man es sich vorgestellt hat, weiß, was Gerald Schiffmann meint.


Seinen ersten Großkunden gewann der Mülheimer, der die mobilen und smarten Wunder der amerikanischen Kommunikations- und Informationstechnik zunächst aus der Garage seiner Großmutter am Heelweg in Winkhausen verkauft hatte, Mitte der 1990er Jahre. Den mit seiner Firmenzentrale an der Solinger Straße ansässigen und später von Canon gekauften Kopierer-Hersteller Océ stattete der smarte Jungunternehmer damals mit Mobilfunkgeräten aus, die es Océ ermöglichte, viel Geld und Zeit zu sparen, indem die Service-Techniker des Unternehmens mit Mobilfunkgeräten ausgestattet wurden, auf denen sie kontinuierlich neue Arbeitsaufträge per SMS-Nachricht erhalten konnten. Was heute in Zeiten von WhatsApp und Co banal klingt, war vor 25 Jahren innovativ und eine kommunikationstechnische Revolution.


„Man muss immer spontan und offen für neue Dinge und Entwicklungen sein“, formuliert Gerald Schiffmann sein Credo. Spontanität bewies er zum Beispiel, als er mit einem Techniker in seiner viersitzigen Maschine kurzerhand nach Norderney flog, um dort die Telefonanlage einer Klinik wieder flott zu machen oder als er der Funke-Medien-Gruppe, in der auch diese Zeitung erscheint, über den Jahreswechsel die Notebooks besorgte, die nach einem Cyber-Angriff in großer Zahl benötigt wurden, um den Zeitungsbetrieb aufrechtzuhalten.


NRZ/WAZ, 26.08.2021

Montag, 20. September 2021

Politische Satire!?

 Die Provokation ist offensichtlich. Die Satire-Partei „Die Partei“, die seit der Kommunalwahl 2020 auch im Mülheimer Stadtrat sitzt, wirbt vor der CDU-Geschäftsstelle an der Bahnstraße auf einem Plakat mit einem Porträt des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU). Die Beschriftung des Wahlplakates lässt schlucken: „Sterbehilfe legalisieren! Pflege entlasten“.
Der stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes der „Partei“, Karsten Wusthoff, erklärt zu dieser Aufschrift, die auf den ersten Blick an die menschenverachtende Euthanasie-Politik der Nationalsozialisten erinnert, auf Anfrage dieser Redaktion: „Natürlich steht Die PARTEI auch in Mülheim hinter ihren Plakaten. Die Partei bedient sich des Mittels der Satire. Dass diese manchmal Geschmacksgrenzen auslotet, dabei auch überschreitet, liegt in der Natur der Sache.“


Das Plakat, so Wusthoff weiter, solle „auf die prekäre Lage der Pflegekräfte, die täglich um Menschenleben kämpfen, aufmerksam machen und die unmenschlichen Zustände, unter denen sie auch aufgrund der Bedingungen, für die der auf dem Plakat abgebildete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mitverantwortlich ist, arbeiten müssen, sarkastisch kritisieren. Falls jemand den Inhalt des Plakats missversteht oder sich zu Unrecht angegriffen fühlt, tut uns das leid. Wir nehmen die in Ihrer Anfrage mitschwingende Kritik aber an und überlegen, künftig, wie die anderen Parteien, auf inhaltliche Aussagen zu verzichten und stattdessen nur noch Floskeln wie „Klima retten und Arbeitsplätze schaffen“ zu verwenden.“


Pflegedienstleiter kann über Wahlplakat nicht lachen
Der Mülheimer Altenpfleger Oskar Dierbach, der als Pflegedienstleiter im Haus Ruhrgarten und im Haus Ruhrblick verantwortlich ist, sagt mit Blick auf das Partei-Plakat: „Darüber kann ich nicht lachen, weil das weder witzig noch intelligent ist. Denn es setzt voraus, dass dieses Plakat für alle auf den ersten Blick als Satire erkennbar ist. Das ist hier aber nicht der Fall. Und deshalb befördert dieses Plakat ein menschenverachtendes und sozial-darwinistisches Denken, das leider heute in breiten Kreisen unserer Gesellschaft gedacht und unterstützt, aber nur selten ausgesprochen wird.“
Der an der NRW-Hochschule für Polizei & Verwaltung lehrende Politikwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Piasecki sagt angesichts des provokanten Plakates: „Ich sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Partei zeigt sich als die Monty Pythons unserer Demokratie und weist satirisch zugespitzt auf ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema hin. Aber das Plakat setzt Interpretationskompetenz voraus, die man in unserer heute sozial und kulturell zunehmend heterogenen Gesellschaft vielleicht nicht grundsätzlich voraussetzen kann. Das macht das Plakat möglicherweise missverständlich.“


NRZ/WAZ, 28.08.2021

Samstag, 18. September 2021

In die Wüste geschickt

 Der Mülheimer Schriftsteller Jörg Juretzka kann nicht nur spannende Kriminalromane rund um seinen Privatdetektiv Kristof Kryszinski schreiben. Er kann auch fotografieren, und zwar so, dass es wie gemalt aussieht.


Davon konnten sich jetzt musische Mülheimer bei Juretzkas Lesung und Ausstellungseröffnung in der Ruhrgalerie an der Ruhrstraße 3 überzeugen. Vor der fotografischen gab es dort bei Wein und Salzgebäck eine literarische Werkschau. Der gelernte Tischler und Zimmermann Juretzka, der seit 30 Jahren Kriminalromane zimmert und sich damit eine Fangemeinde erschrieben hat, schickte seinen Protagonisten diesmal auf eine kriminalistische Spurensuche nach Afrika, wo er sich nicht nur mit korrupten Zeitgenossen, sondern auch mit verschwundenen und oft leider auch toten Europäern auseinandersetzen muss. Eine tierisch spannende Geschichte, nicht nur weil der zweibeinige Kriminalist aus dem Ruhrgebiet dabei von seiner vierbeinigen Freundin Bella begleitet wird. O-Ton: Kristof Kryszinski: "Die Wüste kennt keine Gefühle, kein Gestern, Heute oder Morgen. Sie ist fertig. Das Drama unseres Lebens geht ihr am Arsch vorbei und ist so flüchtig wie ihr Sand."  

Juretzka-Zuhörerin und Leserin Doro Jennen sagt über den Mülheimer Autor: "Seine sehr gefühlvolle Sprache trifft meine Empfindungen und setzt bei mir ein Kopfkino in Gang." Was braucht der Autor, um genau das leisten zu können: "Ich habe ein Arbeitszimmer, in das ich mich zurückziehen kann, um mich ins Schreiben zu vertiefen. Am Anfang war bei 'Nomade' nur ein Bild im Kopf: Ein Mann fährt mit seinem Auto durch die Wüste. Dann habe ich einfach mal wild drauf losgeschrieben und mir zwischendurch immer wieder Ideen notiert, die ich nachher in den Handlungsfluss eingebaut habe", beschreibt Juretzka den sechsmonatigen Schreibprozess, an dessen Ende sein neuer Roman steht, der für 19,99 Euro im Buchhandel erhältlich ist.

Die schlechte Nachricht: Wer die Lesung am Sonntagabend (12. September) nicht miterlebt hat, hat etwas verpasst, nicht nur die Möglichkeit, sich das neueste Juretzka-Buch "Nomade" vom Autor signieren zu lassen. Die gute Nachricht: Jörg Juretzka liest auch an den beiden kommenden Sonntagen (19. und 26. September), jeweils ab 19 Uhr in der Ruhrgalerie. Dann kann man dort nicht nur seinen neuen Kristof-Kryszinski-Krimi, sondern auch eines seiner großformatigen Patina-Fotos erwerben, die er mit seiner digitalen Spiegelreflexkamera "an verlorenen Orten", etwa auf Industriebrachen wie der ehemaligen Henrichshütte in Hattingen ins Bild gesetzt hat. Wer mit von der Partie sein will, muss sich Corona-bedingt per Mail an: j.juretzka@cityweb.de beim Autor anmelden. 

NRZ/WAZ, 14.09.2021

Freitag, 17. September 2021

Betreten auf eigene Gefahr

Es gibt noch Abenteuer zu bestehen, in unserer Stadt. Wenn man zum Beispiel als Fußgänger die Mendener Straße oder den unteren Teil des Steinknappens zu passieren versucht, weiß man, was der Wunsch: "Hals und Beinbruch" zu bedeuten hat. Zwar weist mich meine Stadt inzwischen an den besagten Stellen mit rot-weißen Warnschildern und Warnbaken auf den brüchigen Mülheimer Untergrund hin, doch das mindert das Risiko der Passanten auf zwei Beinen und zwei Rädern nicht wirklich. Tatsächlich sagen uns die gut sichtbaren rot-weißen Warnhinweise nur, dass die Stadt, trotz vergleichsweise hoher Steuer- und Gebührensätze, in die roten Zahlen gestolpert ist und nicht wirklich weiß, wie sie finanziell wieder Boden unter die Füße bekommen kann, um unter anderem auch dafür zu sorgen, dass ihre Bürgerinnen und Bürger am Ende nicht den Boden unter den Füßen verlieren. Wenn es mit dem Mülheimer Untergrund so unterirdisch weitergeht, bleibt uns wohl nur, die besonders arg ramponierten Geh- und Fahrwege den Motor-Cross-Fahrern,- den Mountain-Bikern,- den Parcours-Akrobaten, den Military-Reitern und der Bundeswehr als Trainingsgelände zu vermieten, um erst die Löcher in der Stadtkasse und dann vielleicht irgendwann auch die Löcher in Mülheims Straßen schließen zu können. 


NRZ, 17.09.2021

Donnerstag, 16. September 2021

Gar nicht so geheim

 Am Tag des offenen Denkmals öffnete auch die Freimaurerloge Zur verklärten Luise an der Friedrichstraße 38 ihre Türen für interessierte Besucher. "Wir hatten beim Tag des Offenen Denkmals 2019 mehr als 240 Besucher. Aber heute hält sich der Besucherandrang in sehr überschaubaren Grenzen. Wir konnten bisher nur ein interessiertes Ehepaar durch unsere Räume führen", sagte der Vorsitzende der 1839 gegründeten Loge, Alexander Waldhelm,  um die Mittagszeit.


"Die Treffen der Loge sind für mich eine Quelle, aus der ich Kraft für meinen Alltag schöpfe", sagt Waldhelm, den viele Mülheimer als Filmregisseur ("Pottkinder") kennen und der hauptberuflich für ein Forschungszentrum des Landes NRW arbeitet.

Seine Stellvertreter, der Historiker Tristan Tiedtke und Frank Görres stimmen ihm zu und berichten von der Inspiration, die sie aus "Austausch mit Menschen aus unterschiedlichen Berufen und gesellschaftlichen Bereichen für ihre Lebensgestaltung bekommen."

Der Mülheimer Loge gehören aktuell 28 Männer aus allen Generationen an. Dass Freimaurern  etwas Gehembündlerisches und der Verdacht, insgeheim nach der Weltherrschaft zu streben, anhängt, führt Tristan Tiedtke auf die Propaganda der Nationalsozialisten zurück, die im Rahmen ihrer Gleichschaltungspolitik die Freimaurer nach der Machtübernahme 1933 mit diesem Vorwurf verfolgten. 1935 wurde das Logenhaus an der Friedrichstraße, das der 1902 verstorbene Oberbürgermeister Karl von Bock seinen Logenbrüdern vererbt hatte, von der SA beschlagnahmt und die Friedrichstraße in Adolf-Hitler-Straße umbenannt.

"Obwohl das Haus im 2. Weltkrieg nur leicht beschädigt worden war, hatte man es 1945 nicht wieder aufgebaut und erst 1958 die damals reaktivierten Loge zurückgegeben. Deshalb war das ehemalige Wohnhaus von-Bocks, nach dem auch die Von-Bock-Straße benannt ist, Ende der 1950er Jahre so baufällig, dass es abgerissen und neu gebaut werden musste", berichtet Waldhelm aus der Geschichte der Loge, die Mülheims zweitälteste Vereinigung ist.

Dass nicht nur der erste Oberbürgermeister Von Bock, sondern auch Unternehmer, wie Matthias- und Hugo Stinnes oder Johann Caspar Troost und Ernst Jean Louis Coupienne  zeigt in Tiedtkes Augen, "dass die Loge während des 19. Jahrhunderts eine Vereinigung war, deren Mitgliedschaft zum guten Ton gehörte und die in die Stadtgesellschaft hinein gewirkt hat."

Dass tun die heutigen Logenbrüder, Freimaurerinnen gibt es zumindest in der Mülheimer Loge nicht, auch heute noch. Sie engagieren sich zum Beispiel finanziell für Menschen in Not, für SOS-Kinderdörfer und für das stationäre Hospiz im Nachbarhaus an der Friedrichstraße. "Wenn wir uns in unserem Logenhaus treffen, um miteinander zu sprechen, Musik und Vorträge zu hören, sind Religion und Parteipolitik für uns Tabu", berichtet der Vorsitzende der Loge, der Meister vom Stuhl genannt wird, während seine beiden Stellvertreter "Aufseher" genannt werden.

Diese Titel klingen fremd, gehen aber auf den Ursprung der Freimaurer zurück. Freimaurer. Das waren ursprünglich mittelalterliche Baumeister von Burgen und Kirchen, die im Schutz ihrer Bauhütten und im Kreis ihrer Kollegen eine freie Aussprache pflegten. Sie konnten dabei gewiss sein, von ihren Freimaurerbrüdern nicht an die weltliche oder kirchliche Obrigkeit verraten zu werden. Das war in der Zeit vor der Französischen Revolution 1789 nicht selbstverständlich.

"Neben den Forderungen der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gehören auch Toleranz und Humanität und der Verzicht auf den Anspruch, Menschen missionieren zu wollen, zu unseren Grundwerten", betont Logen-Meister Alexander Waldhelm. Er und seine Brüder nennen ihren Versammlungsraum Tempel. Sie erinnern damit an den Tempel des weisen Königs Salomon. Der Davidstern an der Kopfwand des Raumes, direkt über dem Meisterstuhl, würdigt das Judentum als die erste monotheistische Religion. Die Kerzenleuchter im Freimaurertempel symbolisieren die Suche nach dem Licht der Erkenntnis und der Weisheit. Die Zeichen der Freimaurer, Zirkel und Winkel, stehen für ihr Ideal eines rechtwinkeligen und rechtschaffenden Lebens mit Maß und Mitte. Freimaurer wollen Baumeister ihres Lebens sein und mithilfe ihrer Brüder dafür ein gutes Fundament legen.


INFO: Interessierte Gäste sind den Freimaurern in ihrem Haus an der Friedrichstraße 38 bei ihren öffentlichen Vortrags- und Gesprächs Veranstaltungen herzlich willkommen. Die nächste öffentliche Veranstaltung beginnt dort am Montag, 27. September, um 19.30 Uhr. Mehr Informationen über die Mülheimer Freimaurerloge zur verklärten Luise (der Name erinnert an die preußische Königin Luise, die als junge Prinzessin ihre Großmutter Marie-Luise Albertine von Hessen-Darmstadt und Broich mehrfach auf Schloss Broich besucht hatte.) findet man im Internet unter: www.loge-broich.de. Die Mülheimer Freimaurerloge hat seit ihrer Gründung 1839 insgesamt 595 Logenbrüder gehabt. 1840 nahm die Loge Luises Sohn, den späteren preußischen König und ersten deutschen Kaiser Wilhelm I. als Ehrenmitglied auf.

NRZ/WAZ, 13.09.2021

Mittwoch, 15. September 2021

Mensch bleiben

 Eine junge Polizeibeamtin schaut den Betrachter an. Untertitel des Portraits; "Ich sorge für deine Sicherheit und du zeigst mir den Mittelfinger!" Das ist nur eines der einprägsamen Plakate, mit denen der Deutsche Gewerkschaftsbund, dem in Mülheim etwa 18.000 Arbeitnehmer angehören, für mehr Respekt im Umgang mit Beamten und Angestellten des Öffentlichen Dienstes. "Vergiss nie: Hier Arbeitet ein Mensch!" lautet das Motto der Plakatkampagne.

Ausstellung im Rathaus

Oberbürgermeister Marc Buchholz hat den Ausstellungsort im Ruhrpromenadenfoyer des Rathauses bewusst gewählt. Die Plakate des Deutschen Gewerkschaftsbundes werden bis Ende September im Briefwahllokal gezeigt, in dem Wahlberechtigte seit dem 6. September ihre beiden Stimmen für die Bundestagswahl abgeben können. Denn wir haben nicht nur am 26. September, sondern auch an allen anderen Tagen des Jahres die Wahl, ob wir andere Menschen so behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen.

Die Goldene Regel des menschlichen Umgangs, die sich bereits in der Bergpredigt Jesu oder als philosophisches Postulat beim Aufklärer Immanuel Kant findet ist nicht neu, muss aber angesichts zunehmender verbaler und körperlicher Attacken auf Mitarbeitende des Öffentlichen Dienstes neu in Erinnerung gerufen werden.

NRW: 20.000 Mal wurden Polizeibeamte respektlos attackiert
Heiko Müller von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) nennt allein mit Blick auf Nordrhein-Westfalen im Jahr 2020 die unglaubliche Zahl von 18.140 verbalen und körperlichen Übergriffen auf Polizeibeamte. Aber nicht nur die Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols werden selbst Opfer physischer und psychischer Gewalt. Auch Bus- und Bahnfahrer der Ruhrbahn oder Feuerwehrleute und Rettungssanitäter, die als Helfer in der Not kommen, sehen sich zunehmend unerwarteten Übergriffen ausgesetzt.

Wutbürger scheinen entfesselt

"Auch ich sah mich in meiner bisherigen Amtszeit in drei Fällen dazu gezwungen, strafrechtlich gegen Beleidigungen und Verleumdungen vorzugehen", berichtet Oberbürgermeister Marc Buchholz. Und er ermutigt alle Mitarbeitende der Stadtverwaltung, die Opfer tätlicher oder verbaler Übergriffe geworden sind, "diese nicht klein zu reden, sondern anzuzeigen, damit die Dimension des Problems sichtbar wird. Buchholz muss einräumen, dass es bei der Stadtverwaltung bisher keine Statistik zu Übergriffen auf Amtspersonen gibt. DGB-Chef Fischer notiert sich in seiner Funktion als SPD-Stadtrat umgehend eine Antragsidee für seine Fraktion.

Fischer und sein DGB-Kollege Hillebrand sehen unter anderem "die soziale Frage eines zunehmenden sozialen Drucks", den viele Menschen in unserer Leistungs- und Konsumgesellschaft spüren und eine zunehmend moralisch entfesselte Wutbürger-Kultur in den Sozialen Medien als Gründe für eine soziale Enthemmung.

"Ich brauche nur meiner Tochter zuzuhören, die als Lehrerin an einer Realschule unterrichtet zuzuhören, um zu begreifen, dass fehlende Bereitschaft, allgemein verbindliche Regeln auch für sich zu akzeptieren, abnimmt und die Bereitschaft zunimmt, Regeln zu hinterfragen und sogar auf dem Rechtsweg dagegen vorzugehen, zunimmt", betont GdP-Mann Heiko Müller. Und Ruhrbahn-Betriebsratschef, Ahmet Avsar findet es erschreckend, "dass wir schon vor einigen Jahren in Bussen Trennscheiben einführen mussten, um Tätlichkeiten gegen Busfahrer zu verhindern, und dass der Stinkefinger für immer mehr Fahrgäste zum normalen Gruß wird, wenn sie sich zum Beispiel über Verspätungen ärgern."


MW/LKMH, 06.09.2021


Sonntag, 12. September 2021

Inklusiv & Innovativ

 Der Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) ist am Freitag (3. September) mit dem Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes Rheinland ausgezeichnet worden. Die mit 1000 Euro verbundene Ehrung würdigt das inklusive Engagement des Vereins.

Der 79-jährige VBGS-Vorsitzende Alfred Beyer, der den Verein seit seiner Gründung im Jahr 1989 führt und mit seinem Engagement prägt, nahm den Rheinlandthaler in der Kölner LVR-Zentrale aus den Händen der stellvertretenden Vorsitzenden der Landschaftsversammlung, Ursula Mahler, entgegen. Beyer ließ in seinen Dankesworten den langen und weiter andauernden Weg Revue passieren, den unsere Gesellschaft zurückgelegt hat und noch vor sich hat. Mahler und Bürgermeister Markus Püll würdigten „die soziale Strahlkraft“, die der Verein in den vergangenen drei Jahrzehnten entwickelt habe, wenn es um eine vorurteilsfreie Begegnung und ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung gehe.

Püll nannte das Engagement des VBGS „menschlich unverzichtbar“. Der Verein bietet nicht nur Sport und ein Skifreizeit für Menschen mit und ohne Behinderung an. Er hat vor dem Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 auch zu einer inklusiven Karnevalsveranstaltung unter dem Motto „Grenzenlos – Mit Musik und Tanz zur Inklusion“ in den Festsaal der Stadthalle eingeladen hat. Das Preisgeld kommt dem VBGS gelegen, weil der Verein für seinen Fahrdienst einen neuen Transporter braucht, der 40.000 Euro kostet.


NRZ/WAZ, 06.09.2021

„Menschlich unverzichtbar“: Ehrung für Mülheimer Verein VBGS - nrz.de

Dienstag, 7. September 2021

Schöner, als bei Markus Lanz

 „Fiedler will's wissen.“ So heißt nicht nur die Wahlkampf Veranstaltungsreihe, mit der SPD-Bundestagskandidat Sebastian Fiedler durch die Stadt tourt. Der Titel der Gesprächsreihe ist auch Programm für die Bundestagswahl am 27. September, bei der rund 134.000 Mülheimer aufgerufen sind ihre Erststimme für den Wahlkreis-Abgeordneten und ihre Zweitstimmen für die Landeslisten und damit für die Mandatsverteilung im 20. Deutschen Bundestag abzugeben. Jetzt lud sich der aus dem 40 Autominuten entfernten Viersen kommende SPD-Kandidat seinen Parteifreund und Gesundheitsexperten Professor Dr. Karl Lauterbach ein. 400 angemeldete Gäste, darunter auch viele SPD-Mitglieder, wollten wissen, was Lauterbach und Fiedler in der Luftschiffhalle am Flughafen über die Coronapandemie, den Katastrophenschutz und die Umweltkriminalität zu sagen hatten.

„Das ist hier schöner als bei Markus Lanz“, lobte der ebenso wie Lauterbach talkshowerfahrene Kripo-Verbandschef Fiedler die tatsächlich beeindruckende Kulisse der Lufschiffhalle mit Luftschiff und Flug-Oldtimer.


Lauterbach und Fiedler nahmen nicht in roten Sesseln, sondern auf Hockern an zwei 2 Stehtischen Platz, um sich in einer Diskussion gegenseitig die Bälle zuzuspielen. Nicht nur die Diskutanten, sondern auch ihre Fragesteller aus dem Publikum waren jeweils über ein großformatiges Wanddisplay in der ganzen Halle gut zu sehen.

Vor der Veranstaltung am Flughafen hatten sich Lauterbach und Fiedler beim Internationale Wasserforschungsinstitut an der Moritzstraße in Styrum  unter anderem darüber schlau machen lassen, wie man mithilfe der Trinikwasseranalyse mit jeweils zwei Wochen Vorlauf die Corona-Iinzidenzen ablesen kann. „Da aber der Übertragungsweg des Corona Virus über das Trinkwasser keine Rolle spielt, hat diese Forschung für uns nur eine nachgeordnete Bedeutung“, betonte David Schwesig.


In der Luftschiffhalle machte Lauterbach, der zum Einschlafen Corona-Studien liest, seinen Zuhörern Mut, „dass wir die Coronakrise Im Laufe des kommenden Jahres mithilfe einer steigenden Impfquote und Auffrischungsimpfungen hinter uns haben könnten.“  Allerdings so Lauterbach werde uns das Virus auch In Zukunft weiter begleiten und die Impf- und Medikamentenforschung intensiv beschäftigen. Außerdem sei im Herbst vor allem unter den Ungeimpften mit hohen Infektionszahlen und mit schweren Krankheitsverläufen zu rechnen.

Ein offensichtlicher Seitenhieb auf den NRW Ministerpräsidenten und CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet war die von Lauterbach und Fiedler geteilte Kritik am Krisenmanagement in den Schulen des Landes, die auch nach dem Beginn des neuen Schuljahres und angesichts steigender Infektionszahlen unter Kindern und Jugendlichen immer noch nicht ausreichend mit Lüftungsgeräten ausgestattet seien. „Wir dürfen die Kinder nicht im Stich lassen“, betonte Lauterbach auch mit Blick auf eine medizinisch mögliche und ratsame Coronaimpfung für Zwölf- bis 17-Jährigen. „Ich habe selbst meine 14-jährige Tochter geimpft, weil sie dies auch wollte“, verlieh Lauterbach seiner Forderung Nachdruck.


Mit Blick auf den Klimawandel und Klimaschutz sprachen sich Fiedler und Lauterbach für einen konsequenten und nachhaltigen Schutz der Regenwälder aus. Denn sie seien wichtige Garanten für die Senkung der CO-2-Belastung in der Atmosphäre. „Es kann doch nicht sein, dass wir als Europäische Union mit Brasilien ein Handelsabkommen schließen und gleichzeitig zuschauen, wie der brasilianische Präsident Bolsonaro die Regenwälder brandroden lässt“, sagte Lauterbach.


Und er fügte hinzu: „Wir alle können dadurch einen Beitrag zum Schutz der Regenwälder leisten, indem wir unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren und damit die Notwendigkeit neuer Weideflächen zu schaffen vermindern.“


Ssein Parteifreund Fiedler wies aus seinem Erfahrungsbereich als Bundesvorsitzender der Kriminalpolizeibeamten daraufhin, dass auch in Rumänien Regenwälder von illegalen Abholzungen und Brandrodungen betroffen seien. „Es muss einen Straftatbestand des Ökozids geben, der auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt, verhandelt und verurteilt  werden kann“, unterstrich Sebastian Fiedler.


Am Rande notiert


Am Rande der Veranstaltung mit Sebastian Fiedler und Karl Lauterbach war angesichts der jüngsten Umfrageergebnisse, die die SPD bundesweit mit der CDU auf Augenhöhe oder sogar mit der Nase vorn sehen, so etwas, wie gebremste Euphorie und Aufbruchstimmung zu registrieren. Die Tatsache, dass der SPD-Bundestagskandidat bereits am heutigen Dienstag zu einem weiteren „Fiedler will's wissen“-Termin mit dem ehemaligen SPD vorsitzenden, SPD- Kanzlerkandidaten und EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz und am kommenden Samstag zu einem Wahlkampf-Talk mit dem WDR-Journalisten Jürgen Domian in den Unverpackt-Laden am Löhberg einlädt, zeigt, dass der Bundestagswahlkampf auf Touren kommt und in seine heiße Phase eingetreten ist. 


NRZ/WAZ, 31.08.2021

Montag, 6. September 2021

Wie schützen wir das Klima?

 Die jüngsten Hochwasser- und Waldbrandkatastrophen haben uns gezeigt: Der Klimawandel kommt nicht. Er ist schon da. Deshalb moderierten Dr. Bernhard Leidinger und Dr. Jürgen Zentgraf von der Mülheimer Klimaschutzinitiative am 22. August im Festsaal der Stadthalle eine Podiumsdiskussion, in der die Mülheimer Bundestagskandidaten Farbe bekennen mussten, wie sie es mit dem Klimaschutz halten und was sie als Bundestagsabgeordnete für den Klima- und Umweltschutz tun würden.

Angesichts von 40 Zuhörern im Saal und 60 Livestream-Zuschauern zeigte sich Bernhard Leidinger als Vorsitzender der örtlichen Klimaschutzinitiative mit dem Publikumszuspruch zufrieden. „Wir hatten Corona-bedingt mit weniger Interessenten gerechnet“, sagte Leidinger nach der zweistündigen Veranstaltung. Er lobte, „dass alle Kandidaten, vor allem bei der Frage, was sie ganz persönlich für den Klimaschutz tun, auf den Punkt geantwortet haben und nicht ausgewichen sind oder versucht haben mit anderen Themen zu punkten.“


„Auch wenn ich  grün sozialisiert und in Stoffwindeln gewickelt worden bin, bin ich keine Vertreterin der reinen Lehre und kaufe auch schon mal in Folie eingepackte Champignons beim Discounter“, räumte die Kandidatin der Grünen, Dr. Franziska-Krummwiede-Steiner ein. Aber sie ließ keinen Zweifel daran, dass Kurzstreckenflüge und Kreuzfahrten für sie klimapolitische No-Gos seien. Im Sinne der Müllvermeidung kaufe sie gerne im Unverpacktladen am Löhberg ein. Sie  sei bevorzugt mit Bussen und Bahnen oder mit dem E-Bike unterwegs. Wie ihr SPD-Mit-Bewerber Sebastian Fiedler sprach sich Krumwiede-Steiner dafür aus, im Laufe der kommenden Wahlperiode aus dem einen Mülheimer Windrad im Styrumer Ruhrbogen stadtweit 20 Windkraftanlagen werden zu lassen, um den „Lippenbekenntnissen zum Klimaschutz, konkrete Maßnahmen folgen zu lassen“, wenn es darum gehe, die Versorgung mit erneuerbarer Energie auch in unserer Stadt sicherzustellen. Für den Fall einer Regierungsbeteiligung der Grünen stellte Krumwiede-Steiner umfassende Fördermaßnahmen für den Ausbau der erneuerbaren Energieversorgungsinfrastruktur und massive Investitionen in die Mobilitätswende zugunsten von Rad- und Fußwegen sowie zugunsten des Öffentlichen Personennahverkehrs in Aussicht. Eine Klimaschutzministerium und eine Klimaschutz-Taskforce werde dafür sorgen, dass alle Ressorts, die Forderungen des Pariser Klimaschutzabkommens erfüllten. Darüber hinaus plädierte die Grüne für einen Kohleausstieg bis 2030.


„Ich verzichte auf Plastiktüten und kaufe stattdessen mit Stoffbeuteln ein. Ich praktiziere eine konsequente Mülltrennung und habe mich von meinem Ehemann von einer gemüsereichen und fleischarmen Ernährung überzeugen lassen“, gab CDU-Kandidatin Astrid Timmermann-Fechter zum persönlichen Klimaprotokoll. Die als Referentin bei der ihrer Landespartei arbeitende Christdemokratin bekannte sich zu den CO2-Reduktionszielen der Bundesregierung, die Deutschland bis 2045 klimaneutral machen sollen. Darüber hinaus machte sie klar, „dass wir einen breiten Energiemix brauchen, unter Einbeziehung des modernen Kohlekraftwerks Datteln IV, um die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität des Wirtschaftsstandortes Deutschland langfristig zu sichern.“ In diesem Zusammenhang wies Timmermann-Fechter darauf hin, dass man zurzeit 3000 Windräder benötige, um einen stillgelegten Hochofen zu ersetzen. Die Christdemokratin erinnerte daran, dass die Klimaschutzmaßnahmen auch sozial und wirtschaftlich ausgewogen und die damit einhergehenden Kosten gerecht verteilt werden müssten. Mit ihrer Grünen Mitbewerberin war sich sich darin einig, dass mehr Frei- und Schwammflächen geschaffen werden müssen, die in der Lage seien auch Starkregenniederschläge aufnehmen und ablaufen zu lassen.


Der noch zur Schule gehende und aus der Fridays-for-Future-Bewegung kommende Bewerber der Linken Eliseo Maugeri bekannte sich zur „klimafreundlichen veganen Ernährung und zur Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs, der ausgebaut werden muss.“ Wie seine Mitbewerber, aber deutlich akzentuierter, sprach sich Maugeri dafür aus, „dass der Klimaschutz mit seinen steigenden Energiekosten sozial abgefedert werden muss und keine Verlierer produzieren darf.“ Der Kandidat der Linken machte deutlich, „dass reiche Menschen den Klimawandel durch ihre Lebensweise erheblich mehr beschleunigen, als arme Menschen, die viel härter von den ökologischen und ökonomischen Folgen des Klimawandels getroffen werden.“ Der Linke forderte, den Ausstoß der Treibhausgase bis 2035 um 80 Prozent zu reduzieren und bis 2030 vollständig aus der Braunkohleverstromung auszusteigen. Außerdem plädierte er für eine massive Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs und eine Reduzierung des Flugverkehrs.



FDP-Kandidat Joachim vom Berg outete sich als Freizeit-Landwirt, der in seinem Garten Kartoffel und Gemüse anbaut, „um meiner kleinen Tochter von Anfang an zu zeigen, dass wir von der Natur leben und deshalb sparsam und verantwortungsvoll umgehen müssen.“ Außerdem wies er darauf hin, dass er im Wahlkampf keine Kunststoffplakate, sondern nur recycelbare Altpapierplakate aufhängen lasse. Grundsätzlich bekannte sich der FDP-Stadtrat, der als einziger Kandidat ohne umweltpolitischen Copiloten auf dem Podium saß, zur gezielten Förderung klimafreundlicher Energietechnik und klimafreundlicher Treibstoffe. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen lehnte er als nicht zielführend ab. Von Berg sprach sich für die Renaturierung von Mooren aus, die CO2-Emissionen aus der Atmosphäre ziehen könnten. Er warnte davor, den Klimaschutz zu einem für Unternehmen und Bürger unbezahlbaren Unterfangen zu machen, das den Wirtschaftsstandort Deutschland destabilisiere. Der FDP-Kandidat begrüßte die Einführung eines marktwirtschaftlich funktionierenden Handels mit Verschmutzungszertifikaten und Investitionen in Aufforstungsprogramme. 


SPD-Kandidat Sebastian Fiedler, seines Zeichens Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter, bekannte sich persönlich zu einer fleischarmen Ernährung. Auch er outete sich als Freizeitlandwirt mit Gemüseanbau und eigenen Hühnern. Außerdem verwies Fiedler auf sein Engagement für den Tierschutz. Als „grotesk“ bezeichnete er es, „dass in der Heimaterde Bürger gegen Denkmalschutzauflagen der Stadt klagen müssen, um auf eigene Kosten Photovoltaikanlagen auf ihren Hausdächern montieren zu können und damit aktiven Klimaschutz zu betreiben. „Hier brauchen wir gesetzliche Veränderungen“, betonte Fiedler. Er wies außerdem auf die Wechselwirkungen zwischen Arten- und Klimaschutz hin und forderte vor diesem Hintergrund „eine verstärkte und international abgestimmte Bekämpfung der Umweltkriminalität, die sich unter anderem in der illegalen Abholzung von Wäldern“ zeige. Der Sozialdemokrat kann sich mit einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen anfreunden, um den CO2-Ausstoß zu vermindern. Außerdem plädiert er für eine sozial gerechte Lastenverteilung der Klimaschutzfolgekosten und tritt dafür ein, nicht nur Versorgungs,- sondern auch die Stromspeicherinfrastruktur schneller als bisher auszubauen. Nur so seine Energie- und Klimawende realistischerweise erreichbar.


Hintergrund 


Die Mülheimer Klimaschutzinitiative hatte den Bundestagskandidaten der AFD, Alexander von Wrese nicht eingeladen, da seine Partei nach ihrer Einschätzung die Notwendigkeit von aktivem Klimaschutz und des menschengemachten Klimawandels bestreite. Im Sinne der fachlich qualifizierten Diskussion wurde jedem Kandidaten ein Tandempartner zugestanden. Nach Angaben der Mülheimer Klimaschutzinitiative (www.klimaschutz-mh.de) konnte der klimaschädliche CO2-Ausstoß in Deutschland seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 um ein Drittel auf etwas weniger als 800.000 Tonnen gesenkt werden. Der CO2-Ausstoß sei zu etwa 90 Prozent für das Entstehen klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich. Einer der Haupttreiber des CO2-Ausstoßes ist der motorisierte Individualverkehr. Die jährlich in Deutschland gefahrenen Kilometer gibt die Klimaschutzinitiative mit 635,13 Millionen an. Dabei würden pro Jahr 47.000 Millionen Liter Benzin und Diesel verbrannt. Ihr nächstes Klimaforum veranstaltet die per Mail an: info@klimaschutz-mh.de erreichbare Initiative am 21. Oktober um 16 Uhr in der Katholischen Akademie Die Wolfsburg am Falkenweg 6


NRZ/WAZ, 23.08.2021


Was Mülheimer Bundestagskandidaten fürs Klima tun wollen - nrz.de

 1929 als Gasbehälter errichtet, dient der 117 Meter hohe Gasometer in Oberhausen seit 30 Jahren als extravaganter Ausstellungsraum. Dieser ...