Samstag, 31. März 2018

Lassen wir uns nicht begrenzen

Rosrot glänzte der Mobilfunk-Werbeprospekt, der jetzt in meinem Briefkasten steckte. Gut, wir haben Ostern und in Zeiten, in denen wir uns bunt gefärbte Eier schmecken lassen, will die Werbewirtschaft auch farbenfroh auftrumpfen. „No Limits“ prankte auf dem Handy-Angebot, das ob seiner Farbgestaltung die rosarote Brille überflüssig machte. „No  limits!“ also: „Keine Grenzen!“ Das hört sich nach der  großen Freiheit an: Wer möchte heute schon begrenzt sein, zumal wenn es um seine Kommunikationsfähigkeit geht.

Dabei habe ich manchmal den Eindruck, dass wir gerade in dem Maße an zwischenmenschlicher Kommunikationsfähigkeit einbüßen und begrenzter werden, je grenzenloser unsere technischen Kommunikationsmittel, a´la E-Mail, SMS, Twitter, Whatsapp und Co werden. Gilt noch das gesprochene Wort, wie es auf so manchem Redemanuskript heißt. Tatsächlich hat man bei einer gewissen Sorte von politisch und wirtschaftlich mächtigen, aber menschlich und ethisch begrenzten Zeitgenossen, das Gefühl, dass sie das Blaue vom Himmel reden, aber doch nichts zu sagen haben. Da lobe ich mir mein buntes Osterei, gewürzt mit Salz und einem guten Frühstücksgespräch.

Dieser Text erschien am 31. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 30. März 2018

Handfeste Nächstenliebe

Der demografische Wandel fordert seinen Tribut. Nicht nur  auf der Straße, auch in der Kirche. Das fiel mir am Palmsonntag beim Besuch der Heiligen Messe auf. Nach dem Gottesdienst durften sich die Gläubigen Palmenzweige mit nach Hause nehmen. Dummerweise wurden die Körbe mit den begehrten Zweigen auf den Altarstufen aufgestellt.  Erst, als die  Körbe schon fast leer waren, fiel auf, dass der Zugang zu den Palmenzweigen gerade für die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkten Senioren alles andere, als barrierefrei war. Um ein Haar hätte es für einige Gottesdienstbesucher buchstäblich „Hals und Beinbruch“ geheißen! Doch so weit kam es nicht. 

Gott sei Dank dachten einige jüngere und mobilere Gottesdienstbesucher mit und begannen in Form einer kleinen Menschenkette Palmzweige die Altarstufen herunter zu reichen, so dass die unten wartenden Gottesdienstbesucher auch zu ihrem Recht kamen, ohne ihre körperliche Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Am nächsten Palmensonntag werden die Körbe sofort ebenerdig im Kirchenschiff aufgestellt. Diesmal half auf jeden Fall die praktische Nächstenliebe weiter, so dass niemand auf die Palme gehen musste. Den Chef wird’s freuen.

Dieser Text erschien am 29. Mörz 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 29. März 2018

Es ist was ins Rollen gekommen

Gegenverkehr. Den haben Autofahrer und Radfahrer. Aber nicht nur. Heute kann man ihn auch in den Fußgängerzonen der Innenstadt beobachten. Er kommt auch dann, wenn dort keine eiligen Radfahrer oder Lieferwagenfahrer die Verkehrssicherheit der Fußgänger gefährden. Gestern kamen mir gleich drei  Rollatorfahrer auf breiter Front entgegen, überholt von einem  allzu flotten Elektrorollstuhlfahrer. Erstaunlich, wie viel Fahrt auch diese Elektromobile aufnehmen können, wenn sich bei ihren meist männlichen Fahrern das Prinzip durchsetzt: „Ich will Spaß. Ich gebe Gas. Denn als freier Bürger habe ich schon lange das Recht auf freie Fahrt, das sich die Autofahrer auch herausnehmen.“

Während ich noch überlegte, welchem Rolli ich jetzt wie Vorfahrt gewähren sollte, um als Fußgänger nicht unter die Räder zu kommen, fiel mir ein, dass ich als Junge auf meinen Wegen durch Mülheim keine Elektrorollstühle oder Rollatoren gesehen habe. Wo waren die Menschen, die schon damals solche Mobilitätshilfen gut hätten gebrauchen können? Auf jeden Fall nicht unterwegs. Der Fortschritt ist eben manchmal eine Schnecke. Aber er kommt, und sei es als der 1978 von der Schwedin Aina Wifalk erfundene Rollator. 

Dieser Text erschien am 27. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 28. März 2018

Lieber viele kleine als ein zu großer Schritt: Bei den Essener Gesprächen über das Verhältnis von Kirche und Staat diskutierten Theologen, Politiker und Juristen über die Rolle der Islam-Verbände und den islamischen Religionsunterricht in Deutschland

Auf dem Podium (von links): Paul Kirchhof, Michael Schlagheck, Malu Dreyer und
Franz-Josef Overbeck

Mit Blick auf die bedenkliche politische Entwicklung in der Türkei stoppte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Mal Dreyer 2016 in ihrem Bundesland die Verhandlungen mit den Islamverbänden, die zu einem Rahmenvertrag über die Erteilung des islamischen Religionsunterrichtes an den Schulen des Landes führen sollte, bis auf weiteres gestoppt. Obwohl ein Gutachten der Landesregierung bestätigt hatte, dass der von der türkischen Regierung finanzierte Dachverband der deutsch-türkischen Moschee-Gemeinden (Ditib) ein politisch unbedenklicher Verband sei, sah sich Dreyer unter dem Eindruck der politischen Zuspitzung in der Türkei des autokratisch regierenden Staatspräsidenten Erdogan dazu gezwungen, die Vertragsgespräche mit den Islam-Verbänden so lange auf Eis zu legen, bis ein noch ausstehendes Gutachten die Staatsnähe oder Staatsferne der islamischen Ditib-Gemeinden untersucht hat. Denn die bundesweit 900 Moschee-Vereine des 1984 in Köln gegründeten Dachverbandes unterstehen der Kontrolle des staatlichen türkischen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten und damit auch der Kontrolle durch die türkische Regierung.
Vor diesem Hintergrund war Malu Dreyer jetzt bei den Essener Gesprächen über das Verhältnis von Staat und Kirche den Juristen, Politikern und Theologen, die in der Katholischen Akademie Die Wolfsburg über die Rolle diskutierten, die die Islam-Verbände heute in unserem demokratischen Rechtsstaat spielen, als Gesprächspartner willkommen.
Auch wenn die Rahmenbedingungen schwieriger geworden sind wollen wir auch den muslimischen Schülern Räume geben, um ihre Religion auszuleben. Zwar macht das Fremde Menschen Angst, aber wir wissen aus den Erfahrungen unseres Dialogs, dass man diese Ängste, die von der AfD politisch geschürt werden. nehmen kann, wenn man Begegnungsräume schafft, in denen sich Christen und Muslime kennenlernen können. Wenn sich heute Politiker für einen Moschee-Besuch kritisieren lassen müssen, zeigt das, dass wir mit unseren Bemühungen um einen Dialog wieder in ein besseres Fahrwasser kommen müssen“, sagte Dreyer am Montagabend im vollbesetzten Auditorium der Katholischen Akademie.
Auch wenn eine übergreifende staatsrechtliche Lösung noch nicht in Sicht ist, wies Dreyer auf gute Erfahrungen mit lokalen Kooperationspartnern aus der islamischen Gemeinschaft hin, die an einigen Modellschulen bereits zu fest vereinbarten Rahmenbedingungen für einen durch islamwissenschaftlich gebildete Lehrer geführt habe. „Diese Vereinbarungen haben den Vorteil, dass sie beide Seiten zur Vertragstreue zwingen und allen Beteiligten deutlich machen, was man voneinander erwarten kann“, unterstrich die Ministerpräsidentin. Sie zeigte sich entschlossen, den Gesprächsfaden mit den islamischen Verbänden nicht abreißen zu lassen, aber auch im Interesse der islamischen Gemeindemitglieder „auf einer organisatorischen Entflechtung bei Ditib“ zu bestehen und eine politische Beeinflussung der Gemeinden durch den türkischen Staat zu verhindern. Dreyer bekannte sich zur Rücksichtnahme auf islamische Feiertage, lehnte die Einführung islamischer Feiertage in Deutschland jedoch ab.
Unterstützung für ihr Modell einer klein-schrittige Vertragslösung im Verhältnis zwischen den islamischen Gemeinden und dem deutschen Staat erhielt Dreyer vom Rechtswissenschaftler und ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof. Auch wenn Kirchhof die politisch motivierte Gleichsetzung von Islam und Islamismus kritisierte, stellte er doch klar: „Der Islam der Gegenwart stellt für unsere Gesellschaft insbesondere aufgrund der großen Zahl von jungen, alleinstehenden, männlichen und muslimischen Zuwanderern, ein Problem dar, weil gerade diese jungen muslimischen Männer, die zum Teil direkt aus den Kriegsgebieten kommen, sich erst mal an unsere freie, friedliche, gleichberechtige und großzügige Gesellschaft anpassen müssen.“
In Kirchhofs Augen würde eine rasche rechtliche Gleichstellung der islamischen Gemeinden und der christlichen Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechtes sowohl die sehr heterogene islamische Gemeinschaft, als auch die deutsche Gesellschaft überfordern und deshalb kontraproduktiv wirken. Deshalb plädiert der ehemalige Verfassungsrichter für einen schrittweisen Prozess, in dem „die menschliche Anerkennung der juristischen Anerkennung vorausgeht.“ Derzeit sieht Kirchhof vor allem das Problem, „dass es eben nicht den einen Islam mit einer personellen und organisatorischen Stetigkeit gibt, den eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes haben muss.“
Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck unterstützte ausdrücklich Kirchhofs Forderung nach einem verbindlichen islamischen Bekenntnis „zu den drei Fs unseres demokratischen Rechtsstaates: Freiheit, Frieden und Frauen-Gleichberechtigung!“
Overbeck stellte aber auch klar: „Die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit gilt für alle und damit auch für die fünf Millionen Muslime in Deutschland. Unabhängig von allen religiösen, kulturellen und sozialen Unterschieden, gehören wir als Gesellschaft zusammen und dürfen uns nicht spalten lassen.“ Unter dem Eindruck seiner Erfahrungen in der Krankenhaus- und Militärseelsorge sagte der Bischof: „Wir sind als katholische Kirche für alle da, wenn es zum Beispiel um religionsunabhängige Fragen, wie Familie, Erziehung, Trennung und Pflege alter Angehöriger geht. Auch viele islamische Menschen, die in Deutschland leben, verstehen sich, wie insgesamt etwa 40 Prozent der deutschen Bevölkerung als säkular.“

Zur Person: Die Juristin Maria Anna Luise (Malu) Dreyer (Jahrgang 1961) ist seit 2013 Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Zuvor war die Sozialdemokratin und bekennende katholische Christin, die dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken angehört, Sozialministerin des Landes Rheinland-Pfalz, Sozialdezernentin der Landeshauptstadt Mainz und Bürgermeisterin von Bad Kreuznach. Dreyer, bei der 1994 Multiple Sklerose diagnostiziert wurde, engagiert sich unter anderem als Schirmherrin für eine Selbsthilfeinitiative von Multiple-Sklerose-Erkrankten in Trier. Zusammen mit ihrem Ehemann Klaus Jensen lebt Dreyer in einem inklusiven und generationsübergreifenden Wohnprojekt der Benediktinerabtei St. Matthias in der Nähe von Trier. Für ihren politischen Einsatz zur Verbesserung der Pflegesituation in ihrem Bundesland wurde die Ministerpräsidentin vom Deutschen Pflegerat 2015 mit dem Deutschen Pflegepreis aus gezeichnet.

Dieser Text erschien am 16. März 2018 im Neuen Ruhrwort

Montag, 26. März 2018

Alb-Träume eines Fußgänger

Moving your Way steht auf dem Lieferwagen, der den Gehweg blockiert.

Und der blockierte Fußgänger, der mit seinem vollbeladenen Hackenporsche seiner Wege gehen möchte, muss auf die Fahrbahn ausweichen. Doch Vorsicht. Da kommt auch schon, dass nächste Taxi von hinten herangerauscht, das eine Senioren (vielleicht zum Arzt oder auch zum Friseur oder zum Café chauffiert.  Da tut der Fußgänger gut daran, sich erst mal gar nicht zu bewegen, um nicht unter die Räder und dann mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus zu kommen. An der nächsten Ampel scheint ihm das Glück dann hold. Grün wird ihm angezeigt. 

Doch der Fußgänger tat gut daran vorsichtshalber noch einmal nach links zu schauen. Denn auch ein Autofahrer wähnte sich auf der Grünen Welle und kommt mit seiner Limousine erst hinter der Ampel und damit auf dem Fußgängerüberweg zum Stehen. Manchmal kommt man als Fußgänger nur mit einem Heer von Schutzengeln heil nach Hause und hätte nichts gegen den einen oder anderen autofreien Tag.

Dieser Text erschien am 22, März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 24. März 2018

Innere Uhr contra Zeitumstellung: Mediziner des St. Marien Hospitals raten ihren Mitbürgern zu einem regelmäßigen Schlafrhythmus, um die verlorene Stunde wieder einzuholen

Professor Dr. Heinrich Wieneke
Samstagnacht ist es wieder so weit. Dann werden die Uhren um 2 Uhr eine Stunde vorgestellt.

Der Chef-Kardiologe des St. Marien Hospitals, Heinrich Wieneke und seine in der Psychiatrie tätige Facharzt-Kollegin Ina Hofstadt raten mit Blick auf die aus ihrer Sicht entbehrliche Zeitumstellung dazu, die innere Uhr durch einen regelmäßigen Schlafrhythmus mit der neuen Sommerzeit zu synchronisieren.

„Man sollte grundsätzlich auch am Wochenende immer zur selben Zeit schlafen gehen und am anderen Morgen zur gleichen Zeit wieder aufstehen“, sagt Wieneke. Und Hofstadt ergänzt: „Das bedeutet, auch wenn einem am Sonntagmorgen umstellungsbedingt eine Stunde fehlt, sollte man zur gleichen Uhrzeit aufstehen und anschließend einen kurzen Spaziergang machen, um frischer in den Tag zu kommen. Die verlorene Stunde holt man dann wieder ein, wenn man am Sonntagabend zur selben Uhrzeit, wie sonst und damit defacto eine Stunde früher zu Bett geht.“

Der Kardiologe des St. Marien-Hospitals weiß aus der medizinischen Forschung, dass die Zeitumstellung den Stresspegel und damit auch die Zahl der Herzinfarkte und der Verkehrsunfälle, zumindest im Promillebereich ansteigen lässt.

Dennoch will der Mediziner nicht so weit gehen, die Abschaffung der Ende der 1970er Jahre eingeführten mitteleuropäischen Sommer- und Winterzeit zu fordern. „Denn dann müsste man auch die Fußball-Weltmeisterschaften abschaffen, bei denen man ähnliche Effekte wie bei der Sommer- und Winterzeit-Umstellung feststellen kann.“

Unabhängig  von der Zeitumstellung rät die Psychiaterin und Psychotherapeutin Ina Hofstadt dazu, sich möglichst sieben bis acht Stunden Schlaf, nicht weniger, aber auch nicht mehr zu gönnen. Außerdem warnt sie davor, sofort nach dem Fernsehen oder der Arbeit am Computer- oder am Smartphonebildschirm ins Bett zu gehen. Denn das Blaulicht der Bildschirme und Displays kann zu einem unruhigen Schlaf führen. Perfekt ist es aus ihrer Sicht, kurz vor dem Schlafen zu lesen, sich zu unterhalten oder einen kurzen Spaziergang zu unternehmen, weil die Zwirbeldrüse so zur Produktion des Schlafhormons Melatonin angeregt werde. 

Menschen, die unter Schlafstörungen leiden, empfiehlt die Psychiaterin und Psychotherapeutin Ina Hofstadt die Lektüre der Internetseite: www.schlafgestoert.de Ausdrücklich warnt sie vor einer längeren Einnahme von Schlafmitteln, da diese Medikamente mit einem hohen Abhängikeitsrisiko verbunden seien.

Freitag, 23. März 2018

Der Preis des Fortschritts

Das kleine Schwarze kannten früher nur Damen als ein Kleidungsstück für besondere Gelegenheiten. Heute hat es jeder, nicht das Kleidungsstück, sondern den kleinen, schmalen und oft schwarzen USB-Stick. Das kleine Wunderding, das übringens Dov Moran aus Mülheims israelischer Partnerstadt Kfar Saba erfunden hat, ist eine EDV-Datenbank im  Taschenformat.  So fühlt sich  Fortschritt an. Wofür man früher  einen Raum brauchte, dafür reicht heute eine Tasche. Aber welche? Und wo ist das verfluchte Ding? Schwarz auf Schwarz.

Das hat was existenzialistisches und treibt nicht nur dem suchenden Christenmenschen die Schweißperlen auf die Stirn, wenn er die Mini-Datenbank mit maximalen Zeitdruck sucht, weil auf ihr die Präsentation des Vortrages gespeichert ist, den er gleich halten soll. Gut, wenn die etwas größere Datenbank im eigenen Kopf noch so gut funktioniert, dass es auch noch ohne USB-Stick weitergeht. Aber es ist Zeit, dass Dov Moran einen USB-Stick erfindet, den man anklingeln kann, so wie das Handy, das man verlegt hat.

Dieser Text erschien am 23. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 22. März 2018

Nach dem Gemeindevotum beginnt nun auch in St. Mariä Himmelfahrt die Detailarbeit am Zukunftskonzept der Linksruhr-Pfarrei

Der Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Mariä Himmelfahrt, Manuel Gatz,
erläuterte bei der Gemeindeversammlung im Treffpunkt an der Landsberger
Straße das Gemeindevotum zum Pfarreientwicklungsprozess.

„Wir wollen keine Kirchen schließen. Es geht darum neue, tragfähige Konzepte zu entwickeln, um Kirchen und Gemeindehäuser zu erhalten“, versicherte der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Manuel Gatz immer wieder, als er bei der Gemeindeversammlung von St. Mariä Himmelfahrt das vom Koordinierungsausschuss und vom Kirchenvorstand beschlossene Votum an den Ruhrbischof verteidigte.

Obwohl beiden ehrenamtlichen Gremien Respekt „für eure Arbeit“ gezollt wurde, gab es aus dem Reihen der im Treffpunkt an der Landsberger Straße versammelten Gemeindemitglieder auch Kritik an der vermeintlichen Alternativlosigkeit des Sparkurses. Da wurde auf bundesweit steigende Kirchensteuereinnahmen und auf millionenschwere Rücklagen des Bistums hingewiesen, die jetzt den Pfarreien zugute kommen müssten.

„Das Bistum Essen ist im Vergleich zu den Erzbistümern Köln und Paderborn vergleichsweise arm, weil es keine großen Ländereien und Mietimmobilien besitzt. Außerdem müssen wir angesichts des demografischen Wandels langfristig mit deutlich weniger Geld auskommen“, hielten Gatz und Kirchenvorstand Norbert Wortberg dagegen.

Christoph Rummel, Mitglied im Kirchensteuerrat, verteidigte die Rücklagen als Bistums als Voraussetzung für zukunftsweisende Investitionen in katholische Kindertagesstätten und Schulen. „Die brauchen wir, weil sie eine große Ausstrahlungs- und Anziehungskraft haben“, erklärte Rummel.

Ex-Pfarrgemeinderat Hubert Kaukert forderte eine gemeinsame Überarbeitung und Weiterentwicklung des Pfarrei-Entwicklungsprozess-Votums, über das der Bischof im Sommer entscheiden will. „Das Votum ist noch nicht fertig. Alle Zahlen müssen auf den Tisch, damit wir eine für die Gemeinde richtige und tragfähige Entscheidung treffen können“, sagte Kauker.
„Bleibt das Gemeindezentrum denn nun erhalten oder nicht?“, wollte Gemeindemitglied Paul Heidrich erfahren und wies auf widersprüchliche Formulierungen des Votums zur Zukunft von St. Elisabeth hin. Eine Urnenkirche, eine multifunktionale Nutzung des Kirchenraumes als Gottesdienstraum und als Gemeindezentrum bei gleichzeitiger Aufgabe des Gemeindehauses oder eine gemeinsame Nutzung mit anderen Religionsgemeinschaften. Diese Ideen wurden aus den Reihen der Gemeindemitglieder für den Gemeindestandort am Nachbarsweg vorgebracht. Doch beim Thema Urnenkirche traten Manuel Gatz und Norbert Wortberg auf die Bremse. Sie warnten vor den Folgekosten einer Urnenkirche und davor, „dass wir unserem eigenen Gemeindefriedhof Konkurrenz machen und ihm wirtschaftlich das Wasser abgraben.“

Einige Gemeindemitglieder kritisierten den einseitigen Blick auf Geld und Immobilien. „Wir müssen uns ernsthaft Gedanken machen, wie wir uns als Gemeinde öffnen und unseren Glauben mit Anziehungs- und Ausstrahlungskraft leben“, lautete ihr Plädoyer.
Manuel Gatz warb in diesem Zusammenhang um eine Mitarbeit in den neuen Sachausschüssen, die sich nach der Pfarrgemeinderatswahl im November an den Gemeindestandorten bilden sollen. Pfarrer Pater Josef Prinz, der sich, wie berichtet, in Kürze nach Süddeutschland verabschiedet, appellierte an seine Noch-Gemeinde: „Ich habe mich hier wohlgefühlt. Bitte arbeitet und denkt weiter mit. Es wird auch ohne mich weiter gehen.“ Und Gemeindemitglied Heinz Krogmann-Horn machte deutlich: „Gerade weil unsere Situation perspektivisch schwierig ist, dürfen wir uns jetzt nicht zerfleischen. Wir müssen konstruktiv zusammenarbeiten.“

Dieser Text erschien am 16. und 21. März in der Neuen Ruhr Zeitung und im Neuen Ruhrwort

Mittwoch, 21. März 2018

Die Saubermänner sind unter uns

Ich habe den Eindruck, dass unsere Wirtschaft im Fusionsfieber ist. Überall liest und hört man von Zusammenlegungen und Großunternehmen, die noch größer werden wollen. Ich habe seit gestern erhebliche Zweifel daran, dass Größe ein Qualitätsmerkmal darstellt und die Effektivität erhöht. Denn ich wohne im Haus eines der größten Wohnungsanbieter Deutschlands. „Da läuft ja sicher alles wie geschmiert!“ Denkste. Vor wenigen Tagen erfuhren wir von unserem für mehrere Häuser zuständigen Objektleiter, den Hausmeister hat das große Wohnungsbauunternehmen eingespart, dass die Mieter jetzt selbst das Treppenhaus putzen müssten. „Na, gut!“ dachte ich mir und machte mich vorgestern ans Werk. Wer die Treppe putzt, spart das Fitnessstudio.

Meine Putzlappen waren noch nicht ganz trocken, als mir gestern im Treppenhaus die vor sich hin putzenden Mitarbeiter der Reinigungsfirma begegneten, die eigentlich gar nicht mehr bei uns putzen sollten. Der Vorarbeiter der Putzkolonne wies meine Einwände zurück: „Wir putzen hier solange, bis wir einen schriftlichen Vertragsabgang haben!“ Ich sah ein:  Auch wenn bei uns nicht jeder sauber tickt, sind die Saubermänner doch unter uns.

Dieser Text erschien am 21. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 20. März 2018

Der Kaiserplatz im Wandel der Zeit

Eine Aufnahme aus der Sammlung Udo Burkhard Richters, das dieser in seinem
Historischen Kalender "Mülheim gestern 2018" veröffentlicht hat. Der Kalender
ist auch im örtlichen Buchhandel zu bekommen.
Schön war es auf dem Kaiserplatz anno 1910. Die historische Aufnahme aus Udo Burkhard Richters im örtlichen Buchhandel erhältlichen historischem Kalender „Mülheim gestern 2018“ zeigt es.
  
Links sehen wir das Restaurant Reichskrone, das spätere Generationen als Café und Seniorentagesstätte Rosenhof kannten. Auch heute befindet sich mit der „Kaufbar“ ein Café im Erdgeschoss des Rosenhofes. Auch ein Imbisslokal, ein Wettbüro und ein Friseursalon bieten heute am ihre Dienstleistungen an Kaiserplatz. Seit 1952 wird auf dem Kaiserplatz zwischen Dickswall, Kaiserstraße und Althofstraße nicht mehr flaniert, sondern automobil geparkt.

Der Zug der Zeit führte auch dazu, dass die im Drei-Kaiser-Jahr 1888 so benannte Kaiserstraße in den 1960er Jahren verkehrstechnisch ausgebaut und die Kaiserplatzkreuzung damit zu einer der am stärksten befahrenen Kreuzungen Mülheims wurde. In den 1960er Jahren wollte man das moderne Deutschland und mit ihm auch in Mülheim die autogerechte Stadt schaffen. Denn Kaiser Wilhelm II. hatte sich zu seiner Zeit nicht nur mit seiner Einschätzung: „Das Automobil wird sich nicht durchsetzen“, gründlich geirrt.

Bevor aus dem nach Wilhelm I. benannte Kaiserplatz 1875 zu einem Platz wurde, war er ein Mühlenteich. Das Mülheimer Urkataster von 1821 weist das Gelände als Standort der Altenhofmühle und ein Lohgerberei des Adolf Fellenger aus. Einen unrühmlichen Namen trug der Kaiserplatz in einer furchtbaren Zeit als Platz der SA in den Jahren 1937 bis 1945. Nach dem Krieg sorgten die amerikanische und britische Militärregierung dafür, dass der Kaiserplatz seinen alten Namen zurückbekam.

Dieser Text erschien am 19. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 19. März 2018

Wie gewonnen, so zerronnen

Am eiskalten Samstag konnte ich mich am Anblick eines Webeplakates erwärmen. Es war ein doppelseitiges Plakat und hing an der Haltestelle, an der ich auf meinen Bus wartete. Es war eine Werbung zum Anbeißen. Denn auf den Werbeträgern strahlten mich glückliche Menschen an. Ihr Glücksgefühl kam nicht von ungefähr. Denn vor ihnen stand eine  ansehnliche  Mahlzeit.  Während ich noch darüber nachdachte, welche Mahlzeit ich wohl auf meinem Mittagstisch vorfinden würde und ob sie mir einen Glücksmoment bescheren werde, fiel mein Blick auf die Plakatzeilen: „Deine Zeit!“ und „Unsere Zeit!“

Bei dem köstlich anzuschauenden Plakat handelte es sich offensichtlich um die Werbung für einen Lieferservice, der mir, Ihnen und uns allen Zeit ersparen will. Das ist ja sehr löblich. Doch während ich darüber nachdachte, ob die Mahlzeit nach ihrer Anlieferung bei mir wirklich noch so frisch und lecker aussehen werde, wie auf dem Plakat, wurde mir schlagartig klar. Wahrscheinlich ist es ein Nullsummenspiel, wenn ich auf der einen Seite, dank des Lieferservice, die Zeit der Zubereitung einspare, die ich vorher in meine Arbeitszeit investieren musste, um mir den Service des Lieferdienstes zu verdienen.

Dieser Text erschien am 19. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 18. März 2018

St. Antonius Abbas: Eine Gemeinde kämpft um ihre Zukunft

Ein Blick auf die Kirche und in die Gemeindeversammlung am
18. Februar 2018 im Gemeindeheim

Essen-Schönebeck. Ein Gefühl wie Weihnachten. An diesem Sonntag (18. Februar) reichen die Sitzplätze in Sankt Antonius Abbas nicht aus, um die 400 Gottesdienstbesucher zu fassen. Der Saal im Gemeindeheim, der für 200 Personen ausgelegt ist quillt über. Viele der Gemeindemitglieder stehen im Flur. Damit sie verfolgen können, was im Saal gesprochen und besprochen wird, müssen dessen Türen geöffnet bleiben.

Die Gemeinderatsvorsitzende Christiane Ebben, Kirchenvorstand Michael Holtwiesche und Architekt Thomas Hengst, die das Wort ergreifen, freuen sich, „das an diesem sonnigen Sonntag so viele Gemeindemitglieder gekommen sind.“
 „Wir brauchen jeden von ihnen. Wir brauchen ihre Unterstützung, ihre Ideen und ihr Engagement“, sagt Michael Holtwiesche. „Wir müssen bis Ende des Jahres Fleisch an den Knochen bekommen“, betont Thomas Hengst.

Alle im Saal wissen, worum es geht. Es geht für die 4000 Mitglieder zählende Gemeinde, die zur Pfarrei St. Josef gehört, „um unsere christliche Heimat, die man uns wegnehmen will.“ Thomas Hengst und Michael Holtwiesche, die sich in der sogenannten G7-Gruppe zusammen mit dem ehemaligen Kämmerer der Gemeinde, Franz Klein, mit Julia Spee, Andreas Hüsgen, Kirchenvorstand Reinhold Schramm und Klaus Diekmann seit Dezember 2016 in den Pfarreientwicklungsprozess von St. Josef eingeschaltet haben, um die vor Belange ihrer vor 119 Jahren gegründeten Gemeinde in der Groß-Pfarrei einzubringen. „Wir haben uns zu spät in den Pfarreientwicklungsprozess eingeschaltet, der 2015 begonnen hat“, geben Hengst und Holtwiesche selbstkritisch zu.
Umso mehr bekommen die G7 bei der Gemeindeversammlung Rückendwind. Noch während die Versammlung läuft, tragen sich viele der Anwesenden in Listen ein, um so ihr Interesse an einer aktiven Mitarbeit im neu gegründeten Sachausschuss St. Antonius Abbas zu dokumentieren.
Eine koordinierte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, etwa mit Hilfe einer Internetseite, eines Newsletters und des guten alten Gemeindeschaukastens, die Schaffung einer festen Anlaufstelle sowie die Erarbeitung von organisatorisch und finanziell tragfähigen Konzepten für die künftige Nutzung der Gemeindehäuser, einschließlich der vom Votum der Pfarrei St. Josef zur Disposition gestellten Gemeindekirche und Pläne für eine pastorale Zukunft, in der das Priestertum aller Gläubigen angesichts des akuten Priestermangels Wirklichkeit werden muss.

„Wir wollen St. Antonius Abbas als kirchlich-pastoralen Ort erhalten. Und wir wissen, dass das auch angesichts von Kirchenaustritten und sinkenden Kirchensteuereinnahmen zumindest auf absehbare Zeit funktionieren kann, weil sich 9000 der 10.000 Schönebecker in christlichen Vereinen engagieren“, sagt Michael Holtwiesche. „Wenn denn so viel am Geld hängt. Dann fahre ich eben nicht mehr in Urlaub und erhöhe meinen Mitgliedsbeitrag für den Förderverein der Gemeinde ab sofort von 30 Euro pro Jahr auf 1000 Euro“, erklärt Dachdeckermeister Leo Klaumman und erntet dafür euphorischen Beifall. Das Wort vom „Prinzip Klaumann“ und die Aufforderung: „Macht es, wie der Leo“ macht danach die Runde. Der Vorsitzende des aktuell 80 Mitglieder zählenden Fördervereins Fritz Brüggemann hört das nur zu gerne und hofft, „dass wir jetzt bald die 100-Mitglieder-Grenze überschreiten können.“

„Wir müssen eine Gemeinde für alle Generationen bleiben und auch die in unserer Informationsarbeit mitnehmen, die keinen Internetanschluss haben, sonst geht es doch hier im ganzen Stadtteil moralisch den Bach runter“, ist aus dem Auditorium zu hören. Thomas Hengst und Michael Holtwiesche machen ihren Nachbarn in der Gemeinde Mut. „Wir haben nicht nur viele aktive Gruppen, sondern sind jetzt mit unseren Anliegen auch vom Pfarrer und vom Pfarrgemeinderat legitimiert. Deshalb sollten wir die jetzt begonnen Gespräche mit den Vertretern der Pfarrgemeinde des Bistums fortführen und dabei jede Polemik außen vor lassen“, weisen sie den Weg in die Zukunft.


Diese Zukunft, so verbleibt man am Ende der zweistündigen Gemeindeversammlung, soll im März mit einer „Kick-Off-Veranstaltung“ des neuen Sachausschusses St. Antonius Abbas und im April mit einer weiteren Gesprächsrunde zwischen Vertretern der Gemeinde, der Pfarrgemeinde und des Bistums beginnen und bis Ende des Jahres zu einer konkreten Handlungsstrategie führen.

Dieser Text erschien am 25. Februar 2018 im Neuen Ruhrwort

Samstag, 17. März 2018

Lehre statt Leere

Ich kann mich noch an Schulausschusssitzungen erinnern, in denen heftig um die Schließung von Schulen gestritten wurde, weil uns was fehlte, Schüler. Jetzt haben wir, was uns gerade noch fehlte, Schüler. Und nun ist es uns auch wieder nicht recht. Wohin mit den Schülern, wenn die vorhandenen Schulen aus allen Nähten platzen? Kein Platz in der Bildungsherberge?! 

Da fällt mir ein: Haben wir nicht genug Leerstände in der Innenstadt. Wo früher dies und das verkauft wurde und jetzt die Ödnis wohnt, könnte doch auch das eine oder andere Klassenzimmer eingerichtet werden. Die soziale Kontrolle wäre in der Schaufensterschule schon allein deshalb gegeben, weil sich Schüler zweimal überlegen, ob sie sich daneben benehmen, wenn sie sich beobachtet fühlen. Und das Umfeld könnte Lehrer und Schüler zu lebensnahen Aufgaben inspirieren. Wirtschaftslehre: Wie schaffe ich es eine monatliche Ladenmiete von 4000 Euro zu bezahlen, wenn ich nur einen Reingewinn von 2000 Euro erwirtschaftet habe?  Sozialwissenschaften und Pädagogik: Wie äußert sich eine jugendliche Subkultur, wenn junge Männer nichts vernünftiges zu tun haben und gemeinsam in der Stadt herumhängen? Biologie: Wir nehmen Wasserproben aus den Brunnen, in die Pfiffi und Bello hineingepinkelt haben. Wir beschäftigen uns mit Grünpflege von Kübelbäumen und Blumenbeeten und zum guten Schluss des Schultages werden wir noch mal sportlich und machen die Innenstadt zum Trainings-Parcours. Hier hochstehende Bodenfliesen oder Geschäftsauslagen und Schilder mitten auf der Straße. Und dort eine vereinsamte Pizzapappe und eine ausgesetzte Bierflasche, die in den nächsten Müllcontainer oder zum nächsten  Leergutautomaten gebracht werden müssen. Schneller und effektiver kann man kein Zirkeltraining aufbauen.

Eine Schnaps-Idee?! Auch gut. Dann wird eben die Wirtschafts AG während der kunden-armen Nachmittagsstunden in die nächste Kneipe verlegt. Und damit auch der praktische Hauswirtschaftsunterricht nicht zu kurz kommt, könnten die Schüler gleich mal lernen, wie man Gläser spült oder wie man gute Buletten und Kartoffelsalat auf den Tisch bringt. Das wäre doch mal Schule zum Anbeißen, die mitten im Leben was fürs Leben lehrt.

Dieser Text erschien am 17. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 16. März 2018

Vom Gang der Dinge

Gestern wollte ich auf meinen Wegen durch die Innenstadt kurz verschnaufen. Doch ich fand keinen Platz im Forum, zumindest nicht auf der Bank, auf der ich gelegentlich kurz verweile.
Jetzt war diese Bank schon so voll besetzt, dass man auch mit grober Unhöflichkeit die Bank-Besetzer, die mir zuvor gekommen waren, nicht zum „Zusammenrücken“ oder zum“Platz machen“ hätte auffordern können. Haben die Besucher des Forums nach dem Besuch der Schnell-Imbiss-Ecke im Forum etwa so schnell zulegt, dass sie einfach mehr Platz auf der Mall-Bank brauchen? Nein. So schnell wird Fast Food dann doch nicht zum Hüftgold. Tatsächlich sind die Bänke im Erdgeschoss kürzer geworden. Die Botschaft ist klar: Schneller wieder aufstehen, als zu lange zu rasten und damit am Ende zu rosten. So kommt man im Leben weiter, wohin auch immer. Das Forum ist einfach konsequent: Wir sind ja in einem Einkaufszentrum. Und schließlich geht es hier ums Einkaufen gehen und nicht ums Aussitzen und Abwarten, bis die Haushaltskasse wieder stimmt!  

Dieser Text erschien am 14. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 15. März 2018

Ein Styrumer Zeitsprung auf Thyssens Spuren

Die Haukampstraße 1912: Ein Foto aus der Sammlung von Udo Burkhard Richter,
das er in seinem historischen Kalender "Mülheim gestern 2018" veröffentlicht hat.
Dieser Kalender ist auch im örtlichen Buchhandel erhältlich.
Mit einem historischen Kalenderblatt aus der Sammlung des Mülheimers Udo Burkhard Richter schauen wir heute zurück in das Styrum des Jahres 1912 und landen an der wohl namenlosen Brücke an der Hauskampstraße. Am Horizont erkennt man die Schornsteine der Thyssenwerke. Und linkerhand blicken wir auf die 1894 eingeweihte Marienkirche, die wesentlich mit dem Geld des katholischen Industriellen bezahlt wurde. August Thyssen hatte mit Blick auf die 1862 eingerichtete Eisenbahnlinie 1870/71 Styrum als Standort für sein erstes Stahlwerk ausgewählt. Unter dem Einfluss seiner Ansiedlung verdoppelte die 1904 eingemeindete Landbürgermeisterei Styrum ihre Einwohnerzahl innerhalb von drei Jahrzenten. Allein in Styrum waren am Anfang des 20. Jahrhunderts 31.000 Menschen zu Hause und beschäftigt. Thyssen sei Dank. 

Damals konnten die Styrumer noch über die heute starkbefahrene Hauskampstraße und die Siegfriedbrücke gehen. Damals ging man noch zu Fuß, fuhr mit Pferd und Wagen oder mit der 1897 eingeführten elektrischen Straßenbahn. Vom reichen, aber sparsamen August Thyssen, der mit seiner Firma Thyssen und Co im heutigen Haus der Wirtschaft residierte, erzählten sich die Mülheimer, dass er stets zu Fuß über die alte Kettenbrücke ging, um sich das Brückengeld für die Passage mit Pferd und Wagen zu sparen. In Thyssens Todesjahr 1926 beschäftigte sein aus 150 Firmen bestehender Industriekonzern insgesamt 65.000 Menschen.  

Inzwischen ist die Straßenbahn aber Geschichte, die alten Gleise führen noch über die Brücke enden an der Moritzstraße aber im Nichts. Seit zweieinhalb Jahren verkehrt hier Bus der Linie 128 statt der Straßenbahn 110.

Dieser Text erschien am 12. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung 

Mittwoch, 14. März 2018

Das Leben ist immer spannender

Während Vater und Mutter zeitgleich in ihre Smartphones schauen und Kurznachrichten an wen auch immer eintippen, ist ihr kleiner Sohn im Kinderwagen Feuer und Flamme für das richtige Leben, das sich während der U-Bahn-Fahrt im Stadtbahnwagen abspielt. Während seine Eltern auf das Display ihres Smartphones fixiert sind, lässt der Knirps ganz smart seine lachenden Augen von einem Fahrgast zum anderen wandern.

Der Mann, der nicht auf ein Smartphone starrt, sondern in eine Zeitung schaut, bekommt seine  Aufmerksamkeit ebenso geschenkt, wie der Hundehalter, der mit seinem Bello eine ganze Vierer-Sitzgruppe in Beschlag nimmt und die überladene Frau und Mutter, die ihre Einkäufe nach Hause schleppt, damit ihre Lieben, die daheim vielleicht schon in ihr Smartphone schauen, am Ende nicht voreilig per Kurznachricht den für die Haushaltskasse unbekömmlichen, weil zu teuren, Pizzaservice bestellen. Die Smartphoneltern verstehen die Welt nicht mehr, weil ihr Kind partout nicht aus der U-Bahn herausgeschoben werden will, als sie ihre Haltestelle erreicht haben. Wir haben noch Hoffnung, solange es Kinder gibt, die das richtige Leben spannender finden als die virtuelle Welt.

Dieser Text erschien am 13. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 13. März 2018

"Ohne Dialog werden wir die Probleme unserer Welt nicht lösen", sagt der Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille Peter Maffay bei der Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit

Peter Maffay im Gespräch mit Gundula Gause und bei der Verleihung
der Buber-Rosenzweig-Medaille im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen


Der Rockmusiker Peter Maffay ist am Sonntag bei der zentralen Eröffnungsveranstaltung der Woche der Brüderlichkeit mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet worden. Maffay, der sich mit seiner Stiftung für sozial benachteiligte Kinder und für den israelisch-palästinensischen Jugenddialog einsetzt sagte bei der Verleihung im Gespräch mit der ZDF-Moderatorin Gundula Gause: "Ohne Dialog werden wir die Probleme unserer Welt nicht lösen. Israel und Palästina sind ein internationaler Hot Spot. Wenn wir hier etwas erreichen, wird das auch auf andere Regionen der Welt ausstrahlen."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bescheinigte dem sozial und politisch engagierten Musiker im Geiste von Martin Buber zu wirken. "Denn Martin Buber", so Laschet "hat uns mit seiner Ich-Du-Philosophie gezeigt, dass ein Mensch erst Würde und Identität gewinnt, wenn er sich nicht nur um sich selbst dreht, sondern sich auch für das Du des anderen Menschen öffnet, ihn im persönlichen Gespräch bejaht und bestätigt und so in der Lage ist auch Gegensätze menschlich auszutragen." Laschet regtemit Blick auf den 80. Jahrestag der Reichpsogromnacht vom 9. November 1938 eine gemeinsame Erklärung von Christen, Juden und Muslimen gegen Hass, Gewalt und Intoleranz an.

Die Augsburger Fundamentaltheologin Dr. Margaretha Hackebmeier, würdigte Peter Maffay in ihrer Funktion als katholische Ko-Präsidentin des Koordinierungsrates der 84 deutschen Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, als "einen mutigen und beharrlichen Brückenbauer mit seinem Engagement und mit seiner Empathie Angst überwindet und Vertrauen schafft, weil er weiß, dass Angst zur Entmenschlichung unserer Gesellschaft führt."

Der aus Rumänien stammende Peter Maffay, der mit 18 Nummer-Eins-Alben zu den weltweit erfolgreichsten Rockmusikern gehört, ermutigte seine deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger zum aktiven Einsatz für Toleranz und gegen Extremismus, "weil wir zu den weltweit wenigen Gesellschaften gehören, in denen die Demokratie funktioniert und man deshalb keine Angst haben muss, wenn man selbstbestimmt lebt und seine Meinung vertritt." Außerdem wies Maffay darauf hin, "dass dieser Preis, den ich heute bekomme, eigentlich zersägt und an die vielen Impulsgeber verteilt werden müsste, die meine Arbeit und ihren Erfolg erst möglich machen."

Die Moderatorin Gundula Gause nutzte die Eröffnungsveranstaltung der Woche zur Brüderlichkeit auch dazu, um den in der Nacht zum Sonntag verstorbenen Mainzer Alt-Bischof und vormaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, als "einen Brückenbauer der Ökumene und des inter-religiösen Dialogs" zu würdigen. "Der inter-religiöse Dialog ist nicht nur politisch korrekt, sondern gesellschaftlich notwendig", unterstrich die Fernsehjournalistin.

Bericht für die Katholische Nachrichtenagentur vom 11. März 2018

Montag, 12. März 2018

Erinnerung an einen Kardinal

Der Zufall wollte es, dass ich gestern mit einer Rabbinerin im Taxi saß, das uns zur Ruhrfestspielhalle in Recklinghausen brachte, wo die Woche der Brüderlichkeit eröffnet und die Buber-Rosenzweig-Medaille an Peter Maffay verliehen wurde, als wir gemeinsam im Autoradio die Nachricht vom Tod Kardinal Lehmanns hörten. In der christlich-jüdischen Fahrgemeinschaft waren wir uns  einig, dass sich der Mainzer Altbischof und ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz um den interreligiösen Dialog und damit auch um den sozialen Frieden verdient gemacht hatte. Ich erinnerte mich an das Jahr 2003, als ich für diese Zeitung darüber berichten durfte, dass Kardinal Lehmann in der Stadthalle zum Goldenen Schlitzohr gekürt wurde. „Ich? Ein Schlitzohr. Das habe ich mir nicht träumen lassen. Aber andere scheinen einen ja besser zu kennen als man sich selbst.“ sagte der nicht nur gebildete, sondern auch fröhliche und bodenständige Gottesmann, der sein Preisgeld als Goldenes Schlitzohr im Internationalen Club der Schlitzohren dem Netzwerk Leben und damit Müttern und Kindern in Not zur Verfügung stellte. Gott vergelt’s nicht nur den Schlitzohren, sondern auch deinem Diener.

Dieser Text erschien am 12. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 11. März 2018

Ökumenische Initiative für den Stadtteil Winkhausen

Bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung für eine Quartiersentwicklung in Winkhausen (von links): Die Gemeinderäte Helmut Schwellenbach und Marcel Wolff, der Pfarrer von St. Barbara Manfred von Schwartzenberg, Pfarrerin Petra Jäger aus der evangelischen Markuskirchengemeinde und der Kirchenbaumeister der Markuskirchengemeinde Heinz-Wilhelm Meßmann
Wie berichtet, verlassen die Pallottinner-Patres die Winkhauser Gemeinde Christ König, die seit 2006 zur Pfarrei St. Barbara gehört. Jetzt machen die Pfarrgemeinde St. Barbara und ihre evangelische Markuskirchengemeinde aus der Not eine Tugend und starten in ihrem Stadtteil eine Quartierswerkstatt.

Als ersten Schritt unterzeichneten der katholische Pfarrer Manfred von Schwartzenberg und seine evangelische Amtskollegin Petra Jäger, die Christ-König-Gemeinderäte Helmut Schwellenbach und Marcel Wolff sowie der Kirchenbaumeister der Markuskirchen-Gemeinde Heinz-Wilhelm Meßmann eine Absichtserklärung. Ziel dieser gemeinsamen Erklärung ist eine Antragsfinanzierung durch das Kuratorium der deutschen Altershilfe und eine anschließende Projektfinanzierung durch die mit der Deutschen Fernsehlotterie zu erhalten.

In einem ersten Schritt werden Dr. Jörg Tauch und seine Mitarbeiterin Martina van Hall vom ortsansässigen Wissenscenter Transfer die Eckdaten des Stadtteils zusammentragen, um die Basis für eine qualifizierte Antragsstellung zu schaffen. Bei einer Bürgerversammlung im evangelischen Gemeindezentrum am Knappenweg beschrieben der Mülheimer Sozialplaner Jörg Marx und der Projektentwickler Kai Zander am Beispiel der Stadt Lindlar und anderer Stadtteile Mülheims ihre Erfahrungen mit Quartierswerkstätten und Quartiersentwicklung. Beide machten deutlich, dass die Aktivierung vorhandener zwischenmenschlicher Beziehungen und die genau Abfrage der tatsächlichen Bürgerbedürfnisse vor Ort die Grundlage einer nachhaltig erfolgreichen Quartiersentwicklung seien.

"Unsere Gemeinde ist jetzt pfarrerlos. Unsere evangelische Nachbargemeinde wird vielleicht schon in wenigen Jahren vor dem selben Problem stehen. Das heißt: Wir kommen ohne eine enge Kooperation nicht mehr klar. Uns muss es im anstehenden Quartiersentwicklungsprozess darum gehen, nicht nur etwas für die Schäfchen unserer Gemeinde, sondern etwas für alle Menschen im Stadtteil zu erreichen", betonte Christ-König-Gemeinderat Helmut Schwellenbach. Der Gemeinderatsvorsitzende von Christ König, Wolf und Presbyter Meßmann sehen die beiden Gemeinden und ihren Stadtteil jetzt auf dem richtigen Weg, um zusammen zu kommen und gemeinsam voranzukommen.

Dieser Text erschien am 28. Januar 2018 im Neuen Ruhrwort

Samstag, 10. März 2018

Werte contra Profit: Ein Wirtschaftswissenschaftler hat eine Petition an die Europäische Union gerichtet, um die ethischen Maßstäbe für Aktiengeschäfte zu stärken

 „Die Europäische Zentralbank hat eine Vorbildfunktion. Deshalb muss sie in ihrer Geschäftspolitik ethische Mindeststandards einhalten“, betont der Bundesvorsitzende der katholischen Unternehmen, Prof. Dr. Ulrich Hemel. Folgerichtig unterstützt er die Petition des Würzburger Wirtschaftswissenschaftler, Prof. Dr. Harald Bölsinger, die dieser bereits im Mai 2017 bei Europäischen Parlament eingereicht hat.

Gestützt auf die Daten der unabhängigen Münchner Nachhaltigkeits-Rating-Agentur Oekon Research AG war Bölsinger im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass 88 Prozent der rund 7200 Aktiengesellschaften, deren Wertpapiere die von Mario Draghi geführte EZB handelt gegen einzelne oder mehrere Bestimmungen der EU-Grundrechtscharta verstoßen. Gemeint sind damit zum Beispiel Verletzung von Menschenrechten, Umweltzerstörung, Korruption, Waffenhandel und Steuerhinterziehung. Die Oekon Research AG prüft seit 1993 kulturelle, soziale und ökologische Standards von Unternehmen, Branchen und Staaten.

 „Natürlich testen Unternehmen Grenzen aus. Aber in den Gesetzen, die das Europäische und die nationalen Parlamente der Europäischen Union beschließen, müssen sich die ethischen Mindeststandards unserer Gesellschaft widerspiegeln“, BKU-Chef Hemel. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die man vor zehn Jahren mit der internationalen Finanzkrise gemacht habe, so der Unternehmer, müsse man dafür sorgen, dass sich die Finanzwirtschaft an die Grundregeln von Fairness und Transparenz halte und sich nicht von der Real-Wirtschaft abkopple. „Langfristig kann man als Unternehmer ohne ethische Mindeststandards nicht erfolgreich sein, wenn man Kunden, Anleger und Fachkräfte an sich binden will“, unterstreicht Ulrich Hemel. Deshalb fragt er selbst Bewerber nicht nur nach ihren Qualifikationen, sondern auch nach ihren Werten. Bölsingers für weitere Unterstützer offene Petition 0429/2017, die man auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments einsehen kann, wird nach Hemels Ansicht die öffentliche Aufmerksamkeit und damit auch den politischen und wirtschaftlichen Handlungsdruck für ethische Mindeststandards in der Real- und Finanzwirtschaft schaffen. Das werde dann auch bei der Europäischen Zentralbank nicht ignoriert werden können.

Dieser Text erschien am 8. Februar 2018 in der Tagespost  

Freitag, 9. März 2018

Ein katholischer kritischer Blick auf den Koalitionsvertrag

Wenn die Mehrheit der 463.000 SPD-Mitglieder zwischen dem 20. Februar und dem 2. März für den von CDU/CSU und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag stimmt, wird es zu einer Neuauflage der Großen Koaltion kommen.

Wenn auch noch nicht alle Ressortbesetzungen feststehen, stehen die politischen Weichenstellungen mit dem 128 Seiten starken Koalitionsvertrag, der mehr Dynamik, Aufbruch und Zusammenhalt in Deutschland und in Europa verspricht, jetzt fest.

So plant die alte und neue Regierungskoalition unter anderem eine Begrenzung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsplätzen, einen höheren Sprechstundenanteil für gesetzlich versicherte Patienten, eine Erhöhung des Kindergeldes und der Mütterrente, die Einführung eines Baukindergeldes, die Rückehr zur paritöätischen Krankenversicherungsfinanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Bekämpfung des Ärztemangels in ländlichen und strukturschwachen Regionen.

Außerdem wollen die Koalitionäre in spe mehr Steuergeld in die Hand nehmen, um die Kinderarmut stärker zu bekämpfen, mehr Sozialwohnungen zu bauen, die berufliche Bildung und die Verkehrsinfrastruktur zu stärken und um den Verteidigungshaushalt, wie von der Nato gefordert, aufzustocken. Gleichzeitig sollen die Steuerzahler durch eine Reduzierung des Solidaritätszuschlages entlastet werden.

Wie sehen die katholischen Sozial- und Wirtschaftsverbände den Koalitionsvertrag? Der Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, Andreas Luttmer-Bensmann, lobt Union und SPD dafür, dass der Koalitionsvertrag wichtige Fragen, wie Digitalisierung, Rente, Pflege, Arbeit, Flucht und Integration aufgreift." Beim Umwelt- und Klimaschutz agieren die Union und SPD aus seiner Sicht zu halbherzig, um Fortschritte auch beim fairen Wirtschaften und bei der Schaffung globaler Gerechtigkeit erreichen zu können.


Für die KAB geht außerdem darum. ein Rentensystem zu schaffen, das "gerecht, verlässlich und armutsvermeidend“ wirkt. Deshalb bietet Luttmer-Besmann der von den Koalitionären geplanten Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ die Mitarbeit seines Verbandes an.

Er begrüßt die anvisierte Begrenzung der befristeten Arbeitsverhältnisse und die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung. Auch die angestrebten Lohnerhöhungen für Pflgekräfte und eine damit einher gehende Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen sind sind aus seiner Sicht überfällig.

Der Chef des Bundesverbandes der Katholischen Unternehmer, Ulrich Hemel, unterstreicht: „Der Koalitionsvertrag enthält gute Einzelheiten, aber seine Perspektive ist nicht die der Zukunft und nicht die der jungen Generation. Die steuerlich gute Situation wird nicht zur Entlastung der Bürger genutzt, sondern in die Aufrechterhaltung einer hohen Steuerquote investiert. Dort wo es um steuerliche Entlastung geht wie etwa beim Solidaritätszuschlag, kommen diese spät und halbherzig, obwohl sie schon lange zugesagt waren und fiskalisch möglich sind. Im Grunde ist die einseitige Aufrechterhaltung einer hohen Staatsquote ein Verstoß gegen das Prinzip richtig verstandener Subsidiarität, so wie diese von der Christlichen Soziallehre gefordert wird."

Die katholischen Unternehmer vermissen eine steuerliche Entlastung von Forschung und Entwicklung, aber auch einen verlässlichen Rahmen für einen Umgang mit dem sich abzeichnenden Klimawandel. Hier fehlt ihnen eine Selbstverpflichtung der öffentlichen Hand

Der BKU kritisiert eine überproportionale Belastung der Unternehmen. Durch die Rückkehr zur Parität bei der Krankenversicherung rechnet er mit Kosten von 5 Milliraden Euro und weist darauf hin, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schon heute zur Folge habe, dass Unternehmen mehr als die Hälfte der Gesamtkosten für die Absicherung im Krankheitsfall zahlen. "Dies betrifft kleinere und mittlere Unternehmen überproportional", sagt Hemel und kritisiert, "dass die Erweiterung der Mütterrente zu Lasten der jüngeren Generation geht, weil die dafür nötigen 3 bis 4 Milliarden Euro pro Jahr müssen von den heute Erwerbstätigen aufgebracht werden müssen."

Darin sieht der BKU einen Verstoß gegen das Solidaritätsprinzip der christlichen Soziallehre. Außdrücklich begrüßt der katholische Unternehmerverband dagegen das im Koalitionsvertrag enthaltene Bekenntnis zu vertiefter europäischer Zusammenarbeit, zu einem freien Welthandel, zur Stärkung der dualen beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie zu einem Lohnkostenzuschuss, der die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt erleichtern soll.

Das sich der Bundesverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) noch keine einheitliche Meinung gebildet hat, kann sein Geschäftsführer Joachim Hüpkes nur seine persönliche Meinung zum Koalitionsvertrag äußern. Er sagt:

"In meinen Augen haben sich zu viele Positionen durchgesetzt, die nicht dem Markenkern der CDU und der CSU entsprechen. Die Aufgabe der Schäubelschen Positionen und die Übernahme des Finanzministeriums durch die SPD ist für die Partei, die nur noch gut 20 % gewählt haben, ein schöner Erfolg."

Hüpkes fragt sich: "Wo ist ein Zuwanderungsgesetz?" Er beklagt, dass "große Zukunftsaufgaben für unser Land öffentlichkeitswirksam zugekleistert werden, damit jeder sein Gesicht wahren kann." Angesichts des Unmutes an der Unions-Basis bedauert Hüpkes, dass nicht auch die Mitglieder von CDU und CSU zum Koalitionsvertrag befragt werden und dass sich die Union durch eine zu nachgiebige Verhandlungsführung erpressbar gemacht habe. Die halbherzige Absenkung des Solidaritszuschlags, der 2019 auslaufen sollte und die geplanten Rentenerhöhungen hält er finanzpolitisch für das falsche Signal. "Ich glaube", sagt Hüpkes, "Union und SPD bilden nur deshalb eine Große Koalition, weil sie Angst vor einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen haben." Diese Angst macht aus seiner Ansicht nur die Populisten stark.

Dieser Text erschien in der Tagespost vom 14. Februar 2018 

Donnerstag, 8. März 2018

Nicht jede Farbe macht schöner


Als die Mülheimer Christdemokratin Helga Wex als Nachrückerin für den verstorbenen Altkanzler Konrad Adenauer 1967 in den Bundestag einzog, würdigte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel "die quirlige Dame aus Mülheim" als einen "weiblichen Farbtupfer" in dem vom "grauen Männer-Zwirn dominierten Parlament".

Doch auch die leider (1986) viel zu früh verstorbene Frau Wex, die mit ihren Ideen für eine partnerschaftliche und gleichberechtigte Gesellschaft, Farbe in die Politik brachte, würde sich sicher wundern, wenn sie heute so manche Geschlechtsgenossin durch die Straßen ihrer Wahlheimat gehen sähe.

Denn längst begnügen sich viele Damen und auch einige Herrn nicht mehr mit schwarz, rot, braun oder blond, wenn es darum geht Farbe in ihre Haare zu bringen. 

Violett, grün, gelb, rosa sind längst keine Seltenheit mehr. Jan Kiepura, der 1935 den Schlager "Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau'n" sang, würde angesichts heutiger Farbenkombinationen immer öfter die Höflichkeit des Sängers vorziehen und schweigen.


Ja. Ich höre schon die kritischen Einwürfe der Rot sehenden modebewussten Trendsetter. „Diese Kulturkritik an der Farbenfreude hat doch sicher eine graue Maus oder gar ein Schwarzseher verfasst.“

Ich muss zugeben. Auch bei der Haarpracht lässt sich über Geschmack streiten. Was der eine als Ausdruck individueller Orginalität in die Haare schmieren lässt. lässt dem anderen als Farbenschock die Haare zu Berge stehen.

Aber warum soll es auf dem Kopf so vieler Mitmenschen anders zugehen, als in unserer kleinen und großen Welt, in der es sicher nicht nur mir manchmal zu bunt wird. Immerhin macht die zuweilen haarsträubende Farbenpracht auf so manchem Kopf deutlich, dass wir nicht schwarz sehen müssen. Denn solange es Menschen gibt, die Geld übrig haben, um sich ihre schönen blonden, grauen. schwarzen, braunen oder roten Haare mit allem aufzumotzen, was die Farbpalette hergibt, kann die Armut in unserem Land noch nicht allzu fortgeschritten sein. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Friseur oder ihren Psychiater.

Dieser Text erschien am 8. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 7. März 2018

Ehekomödie mit Tiefgang: Das Artelier Rudziok brachte "Wurst & Wellness" auf die Bühne

Martina und Am Rudziok auf der Bühne
„Humor ist die Voraussetzung für eine gut funktionierende Ehe.“ Diesen Satz bekommt man in Martina Rudzioks Ehe-Komödie „Wurst und Wellness“ öfter zu hören und zu spüren. Rudziok und ihr Mann Armin wissen, wovon sie reden und spielen. Denn sie sind nicht nur auf der Bühne ein gut eingespieltes Paar. Doch ihr Stück über die Szenen einer Ehe zwischen zwei Partnern, die mitten im alten ein neues Leben suchen, ist mehr als flottes Küchentheater. In ihrem kleinen Zimmertheater am Heelweg sorgt das Paar, das nicht nur die Bühnenkunst beherrscht für eine Situationskomik mit Tiefgang.

Dem will und kann sich niemand entziehen. Sie sagt über ihn und seine Geschlechtsgenossen: „Männer werden im Kopf nur neun Jahre alt. Danach wachsen sie nur noch in die Höhe oder in die Breite.“ Er sagt über ihre beste Freundin, die sich immer wieder mit ihren Lebens- und Ernährungstipps in das Leben der Beiden einmischt: „Die Frau ist eine Naturkatastrophe. Wenn die mal stirbt, kommt sie nicht auf den Friedhof, sondern verwelkt auf den Kompost.“ Und so geht es heiter weiter. Erst, nachdem Sie und Er in ihrem Wellness-Urlaub auf Mauritius bis zur völligen Erschöpfung alles ausprobiert haben, was „Frau Dr. Vital“ und ihre geschäftstüchtigen Heilsbeter-Kollegen auf den Markt bringen, kommen sie zu der gemeinsamen Erkenntnis: „Eine leckere Currywurst in Wanne-Eickel ist auch ganz schön.“ Mehr Infos unter:www.artelier-rudziok.de 

Dieser Text erschien am 6. März 2018 in NRZ und WAZ

Dramatische Genesung

Kultur ist ja was schönes. Aber alles hat seine Zeit. Und wenn die Erkältungszeit kommt, sollte man sich wirklich dreimal überlegen. ob man ein Konzert oder eine Thater-Aufführung besuchen muss. Denn irgendwo ist es ja für alle Beteiligten nur bedingt witzig, wenn man die Pointe verhustet oder ins Fortissimo hineinschnauft. Wer sich das Theater ersparen möchte, sollte sich am besten  mit seinen Tuberkeln und Auswürfen hinter die  Kulissen in seine Kissen zurückziehen. Auch das Gastspiel beim Hausarzt sollte sich der angeschlagene Kulturfreund lieber ersparen, wenn ihm seine Genesung und der damit hoffentlich bald wieder unbeschwerte Kulturgenuss lieb sind.

Statt sich der Röchel-Sinfonie hinzugeben oder sich den Dreiakter „Husten, Schnupfen, Heiserkeit“ anzutun, sollte der ansteckende Kinogänger lieber daheim sein Kopfkino in Gang setzen oder mit heißem Tee und Zitrone seinen Filmriss beträufeln.

Denn nur wer sich mit Geduld in seinem ganz persönlichen Zimmertheater oder Pantoffelkino auskuriert, schafft das richtige Timing beim Gesundwerden und wird sich schon bald über ein heilsames Happy End ohne Nachspiel freuen können.

Dieser Text erschien am 6. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 6. März 2018

Wo, die Alten einkehrten: Ein Zeitsprung zwischen Kaiserstraße und Werdener Weg

So sah es Wilhelm Neuhoff 1953

Und so sieht es sein Sohn Walter 2018
Heute schauen wir mit Fotos von Walter Neuhoff und seinem 1953 verstorbenen Vater Wilhelm auf den Kreuzungsbereich zwischen Kaiserstraße, Lohscheidt, Werdener Weg und Südstraße. „Es war das letzte Foto, das mein Vater gemacht hat“, erinnert sich Walter Neuhoff.

Als das Foto entstand, war er selbst 17 Jahre alt. Damals stand das 1965 eröffnete Südbad noch nicht. Dafür lassen sich im Hintergrund noch die alten Gebäude der 1899 an der Kaiserstraße eröffneten Garnisonskaserne erahnen. In den frühen 1970er Jahren abgerissen, dienten sie bis dahin noch als Wohn- und Verwaltungsgebäude. 

Die Konstante im Bildvergleich ist das (linke) Gebäude an der Kaiserstraße 106, in der sich heute eine Tierarztpraxis befindet. Wer erfahren möchte, was es mit diesem Haus auf sich hat, das offensichtlich zwei Weltkriege überstanden hat, wird bei Bernd Simmerock fündig. Der pensionierte Otto-Pankok-Lehrer hat als Heimatforscher die Geschichte der Mülheimer Gaststätten recherchiert.

Deshalb ist ihm bekannt, dass Gerhard Vinck dort anno 1912 ein Gasthaus eröffnet hat. Eine Wiedereröffnungsanzeige aus der Mülheimer Lokalpresse nennt 1929 Walter Brake und seine Frau als die neuen Gastronomen. Als Walter Neuhoffs Vater Wilhelm 1953 das Haus fotografierte, firmierte das Gasthaus als Hofbräuhaus Acker und lockte seine Gäste unter anderem mit frischen Seemuscheln. Heimatforscher Bernd Simmerock, der sich auch im Geschichtsund Kulturladen an der Oberstraße 27 engagiert, weiß, dass das Hofbräuhaus Acker im Jahr 1956 zur Schloßstraße 24 umzog und dort ab 1974 als „Drei Musketiere“ firmierte. 


Dieser Text erschien am 6. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 5. März 2018

Zu früh gefreut

Was für eine Überraschung. Die Deutsche Fernsehlotterrie schreibt mir. Mein Puls nimmt Fahrt auf. Habe ich gewonnen? Winken mir Millionen? Was könnte ich mit dem Geld alles tun. Weltreise? Eigentumswohnung? Sofortrente? Nie mehr auf Sonderangebote achten? Ich weiß gar nicht, an was ich als erstes denken soll. Doch dann nehme ich mir ein Herz und öffne den Briefumschlag mit dem verheißungsvollen Absender. Was wird wohl Mutter dazu sagen? Und dann erkenne ich: Sie wird über meine voreiligen Sekundenvisionen lachen, so wie ich.

Denn aus dem Umschlag kommt ein Brief hervor, der zwar an mich persönlich, aber wohl nicht nur an mich geschrieben worden ist. In diesem Brief, der auch noch mit einem unverschämt grinsenden Portrait versehen ist, weist mich ein Mann, dessen Name mich nicht im geringsten interessiert darauf hin, dass ein Mega-Los der Deutschen Fernsehlotterie eine Riesen-Chance und ein Schönes Geschenk sei. Geschenkt! Ich muss mich erst mal von meiner Enttäuschung erholen. Und gleich morgen besorge ich mir einen Briefkastenaufkleber: "Werbeeinwurf verboten!" Ich weiß nicht, ob ich damit dafür sorgen kann, dass den unverschämt grinsenden Damen- und Herrn in meiner Werbepost das Grinsen vergeht. Aber ich muss es dann wenigstens nicht mehr mit ansehen!

Dieser Text erschien am 5. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 4. März 2018

Musikalische Zeitreise in die Reformation

Martin Luther war nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch ein Freund der Musik. Deshalb laden Musikschule und Stadtarchiv im Rahmen der Reformationsausstellung „Wortreich“ am kommenden Sonntag, 4. März, um 17 Uhr zu einem zeitgenössischen und eintrittsfreien Konzert ins Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße 37.
Dem Konzert am bundesweiten Tag der Archive gehen ab 14 Uhr halbstündige Führungen durch das Stadtarchiv voraus. Auf dem 75-minütigen Konzertprogramm stehen Kompositionen von Josquin de Prés (1440-1511), Martin Luther (1483-1546), Hans Neusiedler (1508-1563), Michael Altenburg (1584-1640), Tielmann Susato (1515-1570), Pierre Creton (1510-1572), Dario Castello (1590-1658) und Paul Crüger (1598-1662). Unter der musikalischen Leitung von Anne Machowinski und Silvia Bodamer werden Sänger und Instrumentalisten der Musikschule ihre Zuhörer auf eine musikalische Zeitreise in die Epoche der Reformation mitnehmen, in dem sie nicht nur ihren Gesang, sondern auch den weichen Ton des Cembalos, der Blockflöten und Lauten erklingen lassen.

Luther liebte die Musik als Kraftquelle

„Im Gegensatz zu den Calvinisten war Martin Luther ein großer Freund der Musik, die er auch selbst betrieb und schrieb, weil er sie als Kraftquelle, aber auch als Medium der volkstümlichen Glaubensvermittlung schätzte. So entstand auch das Evangelische Gesangbuch, das schon bald auch von der katholischen Kirche mit einem eigenen Gesangbuch von der Reformation übernommen wurde“, erklärt der Leiter des Stadtarchivs, Dr. Kai Rawe, zum historischen Hintergrund des Wortreich-Konzertes, das am 22. April um 18 Uhr in der Petrikirche eine Fortsetzung erleben wird, dann unter der Leitung des Kantors Gijs Burger.

Beide Konzerte sind eintrittsfrei, Spenden zugunsten der Musikschule und der Musikarbeit an der Petrikirche sind aber ausdrücklich erwünscht.

Dieser Text erschien am 1. März 2018 im Lokalkompass und in der Mülheimer Woche

Samstag, 3. März 2018

Ein Zeitsprung am Eppinghofer Kreisel

Blick auf die Eppinghofer Straße 1943
Foto aus der Sammlung Udo Burkhard Richters, das
auch als Kalenderfoto in seinem aktuellen Fotokalender
Mülheimer gestern 2018 erschienen ist. Der Fotokalender
ist im örtlichen Buchhandel erhältlich.
Wir schauen auf ein Bild aus der Sammlung des Mülheimers Udo Burkhard Richter und schauen von der Heißener Straße, in Höhe des heutigen Kreisverkehrs auf die von einem Luftangriff der Alliierten zerstörten Wohn- und Geschäftshäuser an der Eppinghofer Straße. Das Foto, das auch Teil von Burkhards Fotokalender „Mülheim gestern“ ist, entstand vor 75 Jahren. In der Nacht vom 22. Auf den 23. Juni 1943 erlebten Mülheim und seine Bürger den schwersten von 160 Luftangriffen, die die Stadt während des Zweiten Weltkrieges trafen.

Nach dem Angriff hatten 500 Mülheimer ihr Leben verloren. Fast die Hälfte aller Gebäude in der Innenstadt waren zerstört oder beschädigt. Bei Einstellung der Kampfhandlungen zählte man in Mülheim mehr als 1000 zivile Kriegsopfer und fast 900.000 Kubikmeter Trümmerschutt, der auf den Straßen lagerte. Heute ist die Eppinghofer Straße wieder eine lebendige, bunte und geschäftige Straße, die für einen Stadtteil mit Menschen aus über 100 Nationen, aber auch für viel bürgerschaftliches Engagement, das von der an der Heißener Straße ansässigen Stadtteilmanagerin Alexandra Grüter koordiniert wird. So organisierte ein Bürger-Netzwerk erst im vergangenen Sommer ein Fest der Kulturen, dass die Eppinghoferstraße in eine bunte Festmeile verwandelte.

Dieser Text erschien am 26. Februar 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Ihre Wiege stand in Mülheim

  Der Mülheimer Heimatforscher Dirk von Eicken liebt Geschichte(n), die nicht jeder kennt. Eine dieser Geschichten hat er für die  Internets...