Donnerstag, 28. Februar 2019

Ansichten einer Prinzessin


Stadtprinzessin Martina I., hier
mit Stadtprinz Johannes II.
in der Karnevalsmesse in
St. Engelbert
Als Stadtprinzessin führen Sie heute ab 11.11 Uhr den Möhnensturm aufs Rathaus an und werden mit den Stadtschlüsseln symbolisch die Macht erobern. Was würden Sie mit dieser Macht in Mülheim anfangen, wenn Sie sie wirklich hätten?

Martina Ising: Ich würde die Innenstadt beleben und zu einem Ort mit interessanten Geschäften, Restaurants und Cafès machen, in denen man nette Verkäufer und Kellner trifft und sich so einfach wohlfühlt.

Und was würden Sie gerne durchsetzen, wenn Sie mit den Möhnen das Kanzleramt stürmen könnten?

Martina Ising: Ich würde dafür sorgen, dass Krankenhäuser, Pflegeheime und  beschützende Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung personell besser ausgestattet werden, damit die dort geleistete Arbeit auf mehr Schultern verteilt und besser bezahlt werden kann, damit die dort lebenden Menschen besser versorgt werden.

Worüber können Sie lachen und wo hört für Sie der Spaß auf?
Martina Ising: An Altweiber kann ich vor allem darüber lachen, wenn die Männer aufs Korn genommen werden. Außerdem freue ich mich darüber, wenn Menschen nicht nur im Karneval lockerer werden und das Leben nicht so bierernst sehen. Worüber ich gar nicht lachen kann, ist die Tatsache, dass viele Menschen nicht mehr miteinander sprechen können und nur noch über Whats App, Smartphones und Handys miteinander kommunizieren.



Dieser Text erschien am 28. Februar 2019 in NRZ &b WAZ

Mittwoch, 27. Februar 2019

Welches Kostüm darf es denn sein?

So bunt geht es selten zu, im Altenhof, dem Haus der Evangelischen Kirche. Dort dominieren im Alltag die gedeckten Töne des normalen Straßenzivils. Doch am Samstag tummelte sich dort bei der Roten-Funken-Sitzung ein ganz buntes Völkchen. Biene und blauer Hund schunkelten sich dort ebenso in gute Laune wie Knastbruder und Mönch, Pirat und Matrose oder Cowboy und Indianer. Der Karneval macht es möglich, dass graue Normalos plötzlich den farbenfrohen Narren in sich entdecken und rauslassen. Das ist ein schönes Vor-Bild fürs Leben, dass viel öfter ein Fest als ein Jammertal sein sollte. Vielleicht zieht es ja in diesen Tagen auch deshalb so viele Menschen zu den Narren, weil sie in ihrer Gesellschaft keine Angst davor haben müssen, aus der Reihe zu tanzen und mal der oder die zu sein, der oder die man ist oder gerne wäre. Vielleicht würde es in unserer Gesellschaft friedlicher und fröhlicher zugehen, wenn wir auch zwischen Aschermittwoch und dem Elften im Elften Farbe bekennen und einsehen würden, dass jeder Jeck anders ist. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich so mancher auch jenseits der Fünften Jahreszeit mit aller Konsequenz gerne kostümieren würde. Dann würde uns unser Stadtkämmerer vielleicht als Sterntaler, als Krösus oder als Panzerknacker begegnen. Nur als eines möchte dies- und jenseits der Fünften Jahreszeit wohl niemand gehen, als Dukatenesel.

Dieser Text erschien am 25. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 26. Februar 2019

Johannes Brands: Zum Achtzigsten


Johannes Brands
Am 22, Februar konnte der ehemalige CDU-Fraktionschef, Johannes Brands, seinen 80. Geburtstag feiern. „Demokratie kann nur mit Kompromissen funktionieren. Und Privat kann nicht alles besser als Öffentlich“, so beschreibt der ehemalige Stadtrat und Grundschulrektor eine wichtige Einsicht seines politischen Lebens. Die CDU würdigt ihren ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Jahre 1994 bis 2004 als „Architekten und Manager des neuen schwarz-grünen  Rathaus-Bündnisses“ und als „Mann des Ausgleichs“.
 Der Dümptener, der zwischen 1979 und 2009 dem Rat der Stadt angehörte, erlebte die Hochzeit seiner kommunalpolitischen Karriere, als CDU und Grüne die bis dahin mit absoluter Mehrheit regierende SPD nach der Kommunalwahl vom 16. Oktober 1994 ablösen konnten. Damals wurde Hans-Georg Specht als zweiter Christdemokrat (nach Wilhelm Diederichs in den Jahren 1946-1948) zum Oberbürgermeister der Stadt gewählt. Gemeinsam sorgten CDU und Grüne damals für die Einrichtung kommunaler Eigenbetriebe und für die Gründung der Mülheimer Energiedienstleistungs GmbH. 
Auch die Eröffnung des Kulturzentrums Ringlokschuppen und die Schließung des 1912 eröffneten Stadtbades fiel in die Zeit der schwarz-grünen Zusammenarbeit, an der Johannes Brands federführend mitwirkte. Er selbst sprach im Rückblick auf die schwarz-grüne Kooperation von einer "sehr harmonische Arbeitsgemeinschaft". Der Pädagoge und aktive Katholik fand 1972 den Weg zur CDU, die er auch in der auch im Parlament des Regionalverbandes Ruhr vertrat. Im Rat der Stadt gehörte Brands unter anderem dem Haupt- und Finanzausschuss, dem Betriebeausschuss und dem Ältestenrat des Stadtparlaments an.

Dieser Text erschien am 26. Februar 2019 in NRZ/WAZ

Montag, 25. Februar 2019

Ohne Frauen ist kein Staat zu machen

Demografisch sind die Frauen in der Mehrheit. 50,4 Prozent der Deutschen sind Frauen. Doch im Deutschen Bundestag sind Frauen mit einem Mandatsanteil von 30,9 Prozent eine Minderheit. Seinen höchsten Frauenanteil hatte der Bundestag zwischen 2013 und 2017, als 36,5 Prozent seiner Abgeordneten weiblich waren. Noch schlechter sieht es in unserer Stadt aus. Von den 55 Ratsmitglieder sind nur 11 Frauen. Das entspricht einem Mandatsanteil von 20 Prozent, während 51,3 Prozent aller Mülheimer weiblich sind.

100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechtes in Deutschland hat der brandenburgische Landtag ein Gesetz verabschiedet, wonach die Wahllisten aller Parteien, die künftig zu Landtagswahlen antreten paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein müssen. Der Deutsche Frauenrat und die Bundeskonferenz der deutschen Gleichstellungsbeauftragten sehen in diesem ostdeutschen Landesgesetz auch ein wegweisendes Vorbild für den Bund.

Auch Mülheims Gleichstellungsbeauftragte Antje Buck sagt: „Wir sollten diesen Versuch. Das hätte eine positive Strahlkraft. Es würde das Vertrauen in unsere Demokratie und deren Repräsentativität stärken, weil es gut ist, wenn möglich viele unterschiedliche Frauen und Männer ihre biografischen Erfahrungen in die politische Arbeit einbringen.“ Buck ist zuversichtlich, dass sich mit einem solchen politischen Rückenwind auch mehr Frauen für die parlamentarische Arbeit gewinnen ließen. Die seit 20 Jahren in ihrem Amt aktive Gleichstellungsbeauftragte weist darauf hin, dass regionale Quotierungen in Parlamenten und Parteien längst gang und gebe seien. Darüber hinaus wüscht sich Buck eine selbstkritische Reflektion erstarrter und zeitraubender Parlamentsrituale, die der Tatsache Rechnung trage, „dass die Sitzungszeiten im Parlamentsbetrieb immer auch Lebenszeit sind.“

Bürgermeisterin Margarete Wietelmann (SPD) sieht das genauso wie Buck. Auch wenn sie keine begeisterte Verfechterin von Frauenquoten ist, sieht die Sozialdemokratin, „eine gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterparität ein notwendiges Vehikel, um mehr Frauen in die Parlamente zu bringen.“ Grundsätzlich sieht sie die politischen Parteien vor der Herausforderung mehr junge Menschen an die Politik und die Parlamente heranzuführen. Wietelmanns Amtskollegin Ursula Schröder sagt dagegen: „Ich bin keine Quotenfrau“. Sie ist davon überzeugt, dass Frauen auch ohne Quotierung Mandate gewinnen und ausfüllen können. Allerdings sieht sie, dass vor allem jüngere Frauen, die noch mit der Familien- und Existenzgründung beschäftigt seien, oft keine Zeit für die aktive Politik in Parteien und Parlamenten hätten.

Die Fraktionssprecherin der Grünen, Franziska Krumwiede-Steiener sagt: „Das Partitégesetz, wie es in Brandenburg eingeführt worden ist und in weiteren Bundesländern aktuell diskutiert wird, begrüße ich voll und ganz. Nur so wird sich der Frauenanteil in den Parlamenten verbessern.“ Ein Paritätsgesetz für die Parlamente wird nach Ansicht Krumwiedes die Parteien dazu zwingen, nach qualifizierten  Frauen zu suchen, Sitzungen effizienter zu gestalten und Männerseilschaften zu öffnen. Eine rein männliche Verwaltungsspitze wie sie derzeit in Mülheim amtiert ist für die Grüne ein „No Go“.

Für die Vize-Vorsitzende der Mülheimer FDP, Meike Maass, die bis 2017 dem Rat der Stadt angehörte, ist das brandenburgische Paritätsgesetz verfassungswidrig. Die Liberale warnt vor einer Geschlechterteilung des Wahlvolkes und vor einem Angriff auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Gleichzeitig hält Maass hält einen „höheren Frauenanteil in den Parlament für wünschenswert und angezeigt“.- Dies hält die Büroleiterin der NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer aber nur für erreichbar, wenn Parteien und Parlamente ihre Arbeitsabläufe zeitlich so gestalten, „dass sie familienfreundlicher werden.“ 

Mülheims erste Parlamentarierinnen


 
Die Lehrerin Maria Büßmeyer und die Hausfrauen Katharina Havermann und Luise Blumberg zogen vor 100 Jahren als erste Frauen in den Mülheimer Stadtrat ein. Büßmeyer und Blumberg gehörten der katholischen Zentrumspartei und Blumberg der liberalen Deutschen Volkspartei an. Mit ihnen saßen 1919 69 Männer im Stadtparlament. Unter den 39 Stadtverordneten, die am 13. Oktober 1946 in den ersten Nachkriegsstadtrat gewählt worden, waren mit den Christdemokratinnen Anna Maria Rodenbüsch und Maria Riebartsch und den Sozialdemokratinnen Katharina Meyer, Luise Foshagen, Änne Kleinbekes fünf Frauen. 1953 wurde mit der Christdemokratin Gisela Prätorius erstmals eine Frau für Mülheim in den Bundestag gewählt. Ihr sollten 1967 die Christdemokratin Helga Wex und 1998 die Liberale Ulrike Flach nachfolgen. Vor Nordrhein-Westfalens erster Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und der NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) wurde Mülheim bereits in den 1960er Jahren von der Christdemokratin Anni Seelbach im Landtag vertreten. Mit der Sozialdemokratin Eleonore Güllenstern wurde 1982 erstmals eine Oberbürgermeisterin gewählt. Ihr sollte 2003 ihre Parteifreundin Dagmar Mühlenfeld (als Nachfolger des Christdemokraten Jens Baganz) in dieses Amt folgen.
Dieser Text erschien am 25. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 24. Februar 2019

Frohe Botschaft, mal ganz fröhlich

Prinzessin Martina I., Prinz Johannes II., Hofmarschall Heino Passmann,
Hauptausschuss-Präsident Markus Uferkamp und Pfarrer Michael Manu
beim Karnevalsgottesdienst in der Immanuelkirche 
So voll ist die Immanuelkirche an der Kaiser-Wilhelm-Straße sonst nur an Weihnachten. Doch es ist ein Karnevalssonntag. Die kostümierten Gemeindemitglieder, Tanzmariechen, Musikzüge und Tollitäten zeigen es. Der karnevalsbegeisterte Pfarrer Michael Manz zieht alle Register und schlüpft bei seiner Büttenpredigt in die Rolles des Liebesgottes Amor: „Am liebsten würde ich ja nicht nur einen großen Pfeil, sondern ganz viele kleine Pfeile abschießen, damit sich ganz viele Menschen, auch die im Rat unserer Stadt ein bisschen mehr lieb haben“, sagt Manz.
Von der Liebe ist auch die Rede in den Karnevalsschlagern „Viva Colonia“ und „Die Liebe gewinnt“. Die Höhner und die Brinks lassen grüßen. Das „Viva Colonia“ wird in „Viva Lukania“ abgewandelt. Wir sind ja in der Evangelischen Lukaskirchengemeinde. "Und deshalb lassen wir den Dom nicht in Köln, sondern in Styrum stehen", betont Pfarrer Manz. Nicht nur die kleinen und großen Tollitäten, sondern auch die keinen und großen Tanzmariechen der Ersten Großen Mülheimer Karnevalsgesellschaft zeigen, dass sie ihre Kunst auch unter den räumlichen Bedingungen einer gut 125 Jahre alten Kirche beherrschen. „Das hat schon fast Sitzungscharakter und ist ein toller Höhepunkt unserer Session“, freut sich der Präsident des Hauptausschusses Groß Mülheimer Karneval, Markus Uferkamp, am Ende des zweistündigen, aber dennoch kurzweiligen Karnevalsgottesdienstes. Ausdrücklich lädt er die Gemeinde zum Rosenmontagszug ein, der am 4. März ab 14 Uhr mit den Pfarrern Michael Manz, Michael Clemens und Michael Janßen an Bord, durch die Innenstadt rollen wird. „Ich habe schon als Kind gerne Hans-Joachim Kuhlenkampf gesehen. Das hat mich geprägt“, entschuldigt sich der Pfarrer für seine Überziehung und schenkt allen Gottedienstbesuchern zum Abschied ein Los der Rosenmontagstombola.
Tatsächlich hat sich der der karnevalistische Gottesdienst in die Länge gezogen. Doch auch ein Narrenspiel, in dem Manz und seine Presbyteriumskollegen darüber grübeln wie sie die närrischen Vorgaben ihrer Landeskirche während des Karnevals umsetzen können, ein Geburtstagsständchen für Ex-Prinz Klaus Groth und die Prämierung der besten Kostüme brauchen ihren Zeit im Karnevalsgottesdienst. Und so können sich am Ende zwei „Glocken“-Damen, zwei „Köchinnen“ und eine Hippie-Frau über Konzertkarten, eine Karnevals-CD und einen Cartoon-Band des Karikaturisten Thomas Plaßmann freuen.
Dieser Text erschien am 17. Februar 2019 im Lokalkompass

Samstag, 23. Februar 2019

Karneval unter dem Hakenkreuz


Anzeige aus der Mülheimer Zeitung vom 14.02.1939
Die älteste Karnevalsgesellschaft, die MüKaGe, trägt das Jahr 1937 im Namen. Diese Jahreszahl weist in eine Zeit, in der viele Menschen in Deutschland nichts zu lachen hatten. Wie feierten die Mülheimer, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 und vor dem Beginn des 2. Weltkrieges 1939 die Fünfte Jahreszeit? Ein Blick in Zeitungen und Festschriften aus dem Stadtarchiv zeigen es.

Aus Berichten der von der NSDAP gleichgeschalteten Mülheimer Zeitung erfahren wir unter der Überschrift „Närrisches Volk“, dass sich in der Session 1937/38 die Erste Mülheimer Karnevalsgesellschaft gebildet habe, deren Karnevalssitzungen in Gaststätte des Saarners Ernst Rosendahl „sich auch bei Dorffremden“ zunehmender Beliebtheit erfreuen. Von Büttenreden, Tanz und Schunkelliedern ist die Rede. Die Büttenredner würden vom Präsidenten Willi Enaux und vom Vorsitzenden  Paul Eneke aus dem Publikum heraus auf die Bühne gebeten.

Das Wort Büttenreden lässt aufhorchen. Denn das Dritte Reich kannte keine Meinungsfreiheit. Und so überrascht es nicht, wenn man weiterliest, dass die Büttenredner Anekdoten aus ihrer Kindheit und Jugend oder auch aus der Stadtgeschichte zum Besten gegeben hätten. „Echter volkstümlicher Humor verletzt niemanden!“ heißt es denn auch vielsagend in einem anderen Mülheimer Zeitungsbericht aus der Session 1937/38. Dort wird unter der Überschrift: „Ruhrische Karnevalsbilanzen“ festgehalten, dass  auch Regierungsbeamte, Behördenleiter, führende Parteigenossen und Wehrmachtsgeneräle im Karneval gerne mitfeierten „und sich sogar bützen“ ließen. Den Karneval feiert die Mülheimer Zeitung damals als „Jubeltage des Brauchtums“, an denen „die völkischen Kameradschaft, die Lebensbejahung und der eiserne Wille, für die Heimat einzustehen“ zum Ausdruck komme.

Die in Mülheim von Karl Kamphausen angeführte NSDAP überlässt den Karneval nicht dem kleinen Häuflein der Saarner Karnevalisten. In den Tollen Tagen der Session 1938/39, die mit dem Rosenmontag am 20. Februar 1939 ihren Höhepunkt erreichten, lud die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ 1500 Mülheimer zu einer Karnevalssitzung, die unter dem Motto „Köln grüßt Mülheim“ in der Stadthalle über die Bühne ging. „Wie auf Kommando“, wird in der Lokalpresse berichtet, seien närrischen Volkgenossen, „von ihren Sitzen aufgesprungen“ und der Sitzungspräsident habe „donnernde Klatschmärsche aus den Kulissen geholt“. Wer weiß wie die Geschichte am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen weiterging, liest diese Zeilen ebenso beklommen wie den Zeitungsbericht über die Karnevalskirmes auf dem Viktoriaplatz, an dem .zuvor, auf Geheiß der NS-Machthaber die dort 1907 errichtete Synagoge der Jüdischen Gemeinde niedergebrannt worden war.

Doch davon und von der drohenden Kriegsgefahr wollen die Mülheimer nichts wissen, die sich damals in zahlreichen Gaststätten und Hotels bei Kappenfesten, Karnevalskonzerten, Altweiber- und Maskenbällen einfach nur vergnügen wollen. Für die MüKaGe-Mitglieder Josef Behrend, Karl Pitschel und Willi Lünnig wird es der letzte Karneval ihres Lebens sein. Sie gehören zu den 3500 Mülheimern, die als Soldaten der Wehrmacht im 2. Weltkrieg fallen. 

Nicht die erste Karnevalsgesellschaft Mülheims


Die Erste Große Mülheimer Karnevalsgesellschaft (MüKaGe) von 1937 ist nicht die erste Karnevalsgesellschaft der Stadtgeschichte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten sich in Mülheim immer wieder Karnevalsgesellschaften wie etwa die Aula, die Spaßigen Lüt, der Saarner Klumpen Klubb oder die Alhambra. Doch diese Gesellschaften haben die Stürme der Zeit nicht überstanden. Die 1928 in Styrum gegründete KG Mölm Boowenaan wurde 1955 neu gegründet. Die MüKaGe konnte 1946 bei Rosendahl in Saarn ihre erste Nachkriegssitzung feiern. Ihr Gründungspräsident Willi Enaux stand noch bis 1957 an der Spitze der Ersten Großen Mülheimer Karnevalsgesellschaft.


Dieser Text erschien am 23. Februar 2019 in NRZ & WAZ

Freitag, 22. Februar 2019

Inklusion heißt: Dicke Bretter bohren

Inklusion, dass barrierefreie Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung wird im Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) schon seit 30 Jahren gelebt. Am morgigen Freitag, 22. Februar, lädt der VBGS in Zusammenarbeit mit der Mülheimer Stadtwache und dem städtischen Kulturbetrieb zur 5. Inklusiven Musik- und Tanzveranstaltung „Grenzenlos“ in den Festsaal der Stadthalle ein. Der Vorsitzende des VBGS, Alfred Beyer, erwartet 450 Gäste aus Mülheim und seinen Nachbarstädten. Auch die mölmschen Tollitäten, das Tanzcorps „Mehlsäck“ und integrative Tanzgruppen aus Duisburg und Essen haben sich zu der dreistündigen Veranstaltung angesagt, die um 19 Uhr beginnt.

„Leider klappt es mit der Inklusion im schulischen und beruflichen Bereich nicht so gut wie in den Bereichen Freizeit, Sport und Kultur,“ sagt Alfred Beyer, der auch Vorsitzender der örtlichen Arbeitsgemeinschaft der in der Behindertenarbeit tätigen Organisationen ist. Mehr Ausweichräume für die pädagogische Binnendifferenzierung, kleinere Klassen und mehr qualifizierte Integrationshelfer und Sozialarbeiter zur Entlastung der Lehrer wären in Beyers Augen sinnvoll, um die Inklusion in der Schule zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Besonders dicke Bretter muss die Agentur für Arbeit bohren, um zum Beispiel mit Hilfe von Qualifikationstrainern und Lohnkostenzuschüssen schwerbehinderte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Denn selbst gut qualifizierte und hoch motivierte Arbeitnehmer haben bei der Stellensuche  immer noch einen schweren Stand. Viele Arbeitgeber zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe, als – wie gesetzlich vorgeschrieben – 6 Prozent ihrer Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen. Zum Jahreswechsel waren bei der örtlichen Arbeitsagentur 300 Mülheimer mit Handicap als arbeitssuchend gemeldet. Mehr als 50 Prozent von ihnen konnten eine qualifizierte Berufsausbildung vorweisen.

Dieser Text erschien am 21. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 20. Februar 2019

Närrischer Nachwuchs: 3 Fragen an Filip Fischer

Beim Jubiläumsempfang der Roten
Funken: Filip Fischer und Bürgermeisterin
Margarete Wietelmann.
Sie sind 22 und studieren Soziale Arbeit. Warum engagieren Sie sich als Vizepräsident der Prinzengarde Rote Funken im Karneval?

Der Karneval ist für mich ein Stück kulturelle Identifikation mit unserer Region an Rhein und Ruhr. Da gehört der Karneval einfach dazu wie das Oktoberfest zu Bayern. Für mich ist der Karneval ein Stück Lebensfreude. Hier kann man Gemeinschaft, Geselligkeit, Musik und Tanz erleben und ausleben. Das macht einfach Spaß.

Wie können Karnevalisten junge Leute für den Frohsinn gewinnen?

Der Karneval muss seine Brauchtumstraditionen bewahren, aber auch in die Zukunft schauen. Er muss sehen, dass junge Leute heute aufgrund der allgemeinen Arbeits- und Freizeitverdichtung weniger Zeit haben, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Deshalb lassen sie sich nicht langfristig, aber vielleicht auf Zeit und projektbezogen für die Mitarbeit gewinnen. Bei der Veranstaltungsplanung müssen Gesellschaften verstärkt auf eine Balance zwischen dem traditionellen Sitzungskarneval und dem vor allem Jugendliche ansprechenden Partykarneval finden. Über letzteres kann man junge Leute dann auch an ersteres heranführen.

Welche soziale und pädagogischen Mehrwert sehen Sie im Karneval?

Musik und Tanz verbindet junge Leute im Karneval. Hier können sie gemeinsam etwas für andere tun und zugleich so etwas wie Selbstwirksamkeit und Persönlichkeitsentwicklung erfahren. Insofern verbinden sich im Karneval Sinn und Spaß an der Freude.

Dieser Text erschien am 20. Februar 2019 in NRZ & WAZ

Dienstag, 19. Februar 2019

Von den Hausfrauen kann man nur lernen

Renate Enaux
Drei Fragen an die Leiterin der MüKaGe-Müttergarde Renate Enaux zum Närrischen Hausfrauennachmittag am Mittwoch, 20.02.2019



Wer steht hinter der Müttergarde der MüKaGe, die am Mittwoch (20. Februar) um 16.30 Uhr zum Närrischen Hausfrauennachmittag in den Altenhof an der Kaiserstraße 6 einlädt?

Die Müttergarde der MüKaGe, die den Elferrat des Närrischen Hausfrauennachmittags entstand in den 1970er Jahren aus den Müttern, die ihre Kinder zum Tanztraining brachten und sich dabei anfreundeten und auf die Idee kamen: Wir könnten doch auch mal aktiv werden. Deshalb laden wir nicht nur zum Hausfrauennachmittag ein, sondern unterstützen als Catering-Team auch das Karnevalstanzturnier unserer Gesellschaft.

Ist der Begriff Hausfrauennachmittag nicht von gestern?

Er ist gut eingebürgert und grenzt unsere Veranstaltung von der Mädchensitzung der Roten Funken ab. Warum sollen wir einen bekannten Namen ändern? Außerdem sollte man die Hausfrauen nicht schlecht machen. Denn es sind doch in aller Regel, die Frauen, die in ihren Familien den Haushalt schmeißen und die Übersicht behalten, auch wenn es mal eng wird. Insofern kann man von den Hausfrauen nur lernen.

Und was können Männer von Frauen lernen, wenn es ums Karnevalfeiern geht?

Ich stelle immer wieder fest, dass Frauen viel lockerer und ausgelassener feiern, vor allem dann, wenn Sie wie beim Närrischen Hausfrauennachmittag unter sich feiern. Probieren geht über Studieren. Es sind noch Karten da. Der Eintritt ins närrische Vergnügen mit einem sehens- und hörenswerten Bühnenprogramm ist für 15 Euro zu haben. 
Text erschien am 18. Februar 2019 in NRZ $ WAZ

Montag, 18. Februar 2019

Das Wort vom Sonntag

Ach, du lieber Gott die Narren sind los und das in der Kirche. Wo auch sonst und warum auch nicht? Darauf wies gestern der Styrumer Pfarrer Michael Manz hin. Beim Karnevalsgottesdienst in der vollbesetzten Immanuel-Kirche waren nicht nur Gottesdienstbesucher, sondern auch der Pfarrer (als Liebesgott Armor) verkleidet. Inspiriert vom gemeinsam gesungenen Schlager der Kölner Band Brinks „Die Liebe gewinnt“, der auch inhaltlich im Gotteshaus der Frohen Botschaft als Kirchenlied locker durchging, wie Michael Amor Manz darauf hin, dass Helau und Halleluja nicht von ungefähr sprachgeschichtlich miteinander verwandt seien. Als Amor, so Manz, wolle er lieber ganz viele kleine als einen ganz großen Pfeil der Liebe verschießen, damit sich möglichst viele Menschen, „auch die im Rat unserer Stadt zumindest etwas mehr liebhaben.“ Der Zeitungsleser hört den frommen Wunsch, allein im fehlt der Glaube. Und doch wünscht er sich insgeheim ein Wunder, dass dazu führen möge, dass unsere Stadtmütter und Stadtväter ihren Namen liebevoll Ehre machen und mit Herz und Verstand dafür sorgen, dass wir als Stadtfamilie nicht nur ein blaues Wunder nach dem nächsten erleben. Zurecht hat der närrisch angehauchte Pfarrer Manz liebevoll darauf hingewiesen, dass unser künftiger Sozialdezernent Marc Buchholz aus dem Wallfahrtsort Kevelaer kommt. Der Mann sitzt also direkt an der Quelle, wenn es darum geht für uns alle zu beten und eine Kerze aufzusetzen. Und wie es derzeit aussieht, fängt Herr Buchholz am besten noch vor seinem Amtsantritt im hiesigen Rathaus damit an. „Heiland, hilf. Schmeiß Geld, Herz und Verstand herunter, auf dass der Heilige Geist in unsere Stadtmütter und Stadtväter fahre. Uss, Mölm helau und halleluja!“

Dieser Text erschien am 18. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 17. Februar 2019

Alles im Fluss


„Ich traue mich nicht, ein Bier zu bestellen“, sagt der Kommunalpolitiker, der sich abends mit einem Bürger zum Hintergrundgespräch trifft. „Ich traue mich nicht, das Glas Wein in die Hand zu nehmen“, sagt ein anderer, der sich mit Freunden zum Mittagessen trifft.

Seit Bewirtungskosten dafür gesorgt haben, dass dem Oberbürgermeister das Wasser politisch bis zum Hals steht, ist man im Dunstkreis des Rathauses ernüchtert.

Tatsächlich lässt uns Bürger die jüngste Haushaltsberichterstattung mit Stichworten, wie Grundsteuererhöhungen, Erhöhung der Kindertagesstätten-Gebühren und Einsparungen beim Öffentlichen Personennahverkehr und beim Mitarbeitereinsatz in den offenen Ganztagsgrundschulen ahnen, dass wir bald alle in unserer Stadt am Fluss auf dem Trockenen sitzen könnten, egal, ob wir nun auf Bier und Wein oder auf Mineralwasser schwören.

Wenn es stimmt, dass im Wein die Wahrheit liegt, dürfen unsere Ratsmitglieder von mir aus auch bei der nächsten Haushaltsberatung auch mit Rot- oder Weißwein anstoßen, wenn sie dadurch zu Lösungen der kommunalen Finanzmisere inspiriert würden und damit verhindern könnten, dass wir als Bürger dieser Stadt auch in Zukunft nicht Schwarz sehen und unseren Mut sinken lassen müssten. Denn nüchtern betrachtet, geht die Stadt am Fluss baden, wenn wir als ihre Bürger uns nicht über Wasser halten können.

Dieser Text erschien in der Mülheimer NRZ    

Samstag, 16. Februar 2019

Plastisch gesehen

Gestern las ich, dass unser Bundespräsident beim Besuch der Galapagos-Inseln uns Deutsche und unsere europäischen Nachbarn zu einem bewussteren Umgang mit Plastikmüll aufgerufen hat. Wir sollen zum Beispiel auf Plastiktüten, Plastikbecher und Plastikflaschen verzichten, die unter anderen bei den Galapagosinseln im Pazifik millionenfach angeschwemmt werden und dort die Vogel- und Pflanzenwelt bedrohen. „Sehr gut und sehr richtig gesagt, Herr Bundespräsident!“ Doch als ich gestern in den Supermarktregalen fast ausschließlich Getränke in Plastikflaschen sah und mir aus meine Briefkasten unterverlangte und in Plastikfolie eingeschweißte Werbeprospekte entgegenfielen, kam mir der Gedanke, dass unser Bundespräsident zunächst mal im eigenen Land die schrägen Vögel ins Gebet nehmen sollte, die allen Umweltlippenbekenntnissen allzu bedenkenlos gutes Geld mit der Plastikflut verdienen, ehe er (eher nicht umweltfreundlich) mit seinem Dienstjet zu den Galapagos-Inseln abgedüst ist. Darauf nehme ich erst mal einen Schluck aus meiner Wasserflasche, die selbstverständlich eine Pfandflasche aus Glas ist. Soviel Umweltschutz kann und muss sein, hoffentlich auch bei Bundespräsidentens daheim und unterwegs.

Dieser Text erschien am 16. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 15. Februar 2019

Werbung, Wunsch und Wirklichkeit

Ich habe mich schon als kleiner Junge immer gefragt, warum junge Frauen im Werbefernsehen oder in der Zeitung Werbung für Anti-Faltencreme machten. Ich kannte doch genug alte Frauen und Männer, die mit ihren viel faltigeren Gesichtern viel glaubhafter die Vorteile einer Anti-Faltencreme hätten anpreisen können. Das war der Moment, in dem ich erkannte, dass Werbung in der Regel mehr mit Wünschen als mit Wirklichkeit zu tun hat. Doch gestern erkannte ich bei der Lektüre einer NRZ-Meldung, dass Werbung manchmal Wirklichkeit werden kann. Denn da erfuhr ich von zwei Polizeibeamten, die sich tatkräftig als Freunde und Helfer einer ganz besonderen Bürgerin erwiesen hatten. Denn sie begleiteten eine 99-jährige Dame nach Hause, um dort ihr altes Trimm-Rad wieder in Schwung zu bringen. Damit leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zur Fitness und Lebensqualität der alten Dame, die ihre Geschichte von den freundlichen und hilfreichen Polizisten sicher nicht nur der NRZ erzählt hat. Bleibt nur zu hoffen, dass diese gute Tat den Beamten nicht noch zum Fluch wird, wenn demnächst unter 110 der Notruf eingeht: „Ich habe hier einen tropfenden Wasserhahn und ein verstopftes Rohr. Peter 21, bitte kommen!“ 

Dieser Text erschien am 14. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 14. Februar 2019

Wenn Schüler Theater machen


Schüler machen Theater und das kann sich sehen lassen. Mit ihrer Regie führenden Lehrerin Gabriele Hohlmann bringen 25 Achtklässler der Waldorfschule Otfried Preußlers märchenhaftes Meister- und Gesellenstück „Krabat“ auf die Bühne. Erzählt wird die zeitlose Geschichte vom Widerstreit zwischen Gut und Böse, der sich wie ein roter Faden durch die menschliche Natur zieht.

Am 15. und 16. Februar hebt sich der Vorhang (jeweils um 19.30 Uhr) eintrittsfrei im 500 Zuschauer fassenden Theatersaal der Freien Waldorfschule an der Blumendeller Straße 26. „Das ist für die Schüler eine echte Reifeprüfung, in der sie sich selbst organisieren müssen. Außerdem habe ich das Stück so inszeniert, dass die Hauptrollen einmal nur von den Jungs und einmal nur von den Mädchen gespielt werden, damit die Schüler ihr ganzes Potenzial entfalten können“, sagt Gabriele Hohlmann.

„Wir haben gelernt mehr aufeinander zu achten und sind so als Klassengemeinschaft stärker zusammengewachsen“, eine der „Gesellinnen“ Luise Grewe im Rückblick auf die am Jahresanfang begonnenen Proben für das zweieinhalbstündige Stück. „Die größte Herausforderung war für mich, den gesprochenen Text als Handlung lebendig und spannend herüberzubringen“, sagt „Kantor“ Nils Floryzak.

Aber auch die Eltern der Achtklässler, die zusammen mit Werklehrer Jochen Weber und dem Handarbeitslehrerinnen Sylke Schlagewerth und Natalie Pohl für das Bühnenbild und die Kostüme gesorgt haben, sind durch das vierte von Gabriele Hohlmann inszenierte Klassenspiel zusammengewachsen. Für Beleuchtung und Schminke zeichnen die Oberstufenschüler verantwortlich. „Das Schwierigste war die ernsten Charaktere auch in die Gesichter der Darsteller zu zaubern“, sind sich die Schminkmeisterinnen Maja Floryzal und Meite Kelvin einig. Wer die Jugendlichen auf der Bühne erlebt, spürt wie das gemeinsame Theaterspiel junge Persönlichkeiten fordern und reifen lassen kann.

Dieser Text erschien am 14. Februar 2019 in der NRZ/WAZ

Mittwoch, 13. Februar 2019

Fromm & Fröhlich: Drei Fragen an Pfarrer Michael Manz

Warum sollte man den Karnevalsgottesdienst, zu dem Sie am 17. Februar um 11 Uhr in die Immanuelkirche an der Kaiser-Wilhelm-Straße 21 einladen, auf keinen Fall verpassen?

Der Karnevalsgottesdienst in der Immanuelkirche ist schon fast eine rheinische Institution in unserer Lukaskirchengemeinde. Da kann man aus vollem Herzen Freude erleben, teilen und mal herzlich lachen, auch über sich selbst und über Kirche. Und natürlich wird der Pfarrer auch dieses Jahr in eine besondere Rolle schlüpfen und aus ihr heraus einen Büttenpredigt halten.



Was stimmt Sie als Christ heiter?

Ich freue mich, wenn die Menschen mit Freude durch ihr Leben gehen können, wenn sie etwas finden, das ihnen das Schwere im Leben leichter macht oder es auch für eine Zeit lang vergessen lässt. Wie es Hanns Dieter Hüsch mal geschrieben hat: “Gott will uns heiter sehen.”



Wo hört für Sie als Christ der Spaß auf?

Ich glaube, Gott kann wahrscheinlich über mehr Sachen selber herzlich lachen, als wir uns das eingestehen, gerade als Protestanten. Aber das Ende der Fahnenstange ist für mich  erreicht, wenn der Spaß auf Kosten derer geht, die sowieso schon am Boden liegen. Und es gibt leider Gottes auch in unserer Zeit so einiges, was einem das Lachen im Halse stecken lässt.


Dieser Text erschien am 13. Februar 2019 in  NRZ & WAZ

Dienstag, 12. Februar 2019

Mit Volldampf in die Vergangenheit

Ich traute meinen Augen nicht, als ich einen Zug der Reichsbahn mit Dampflok einfahren sah und ein Schaffner in kaiserblauer Uniform ausstieg. Verspätungen um Jahrzehnte sind selbst für die Deutsche Bahn selten. Die Dampfschwaden, die die Wartenden auf dem Bahnsteig einnebelten stammten noch aus einer Zeit, in der von Feinstaubbelastung noch keine Rede war, weil die meisten Menschen noch mit der Eisenbahn statt mit dem eigenen Auto fuhren. Damals wurden keine Straßen verstopft und  deren Anwohner mit Autoabgasen um ihre Gesundheit gebracht. Da kam es auf die eine oder andere Dampflok nicht an. Waren das die guten alten Zeiten? Nicht wirklich. Denn anno dazumal musste auch so manches arme Schwein im Dritte-Klasse-Abteil der Reichsbahn an die Front fahren und dort vor der Zeit seine Lebensreise beenden. Doch von Dritter Klasse und anderen Irrfahrten der Geschichte war am und im Rauch des Nostalgiezuges nicht zu sehen. Die gute alte Zeit wird eben erst gut, wenn wir die schlechten Erinnerungen ausblenden, damit wir auf unserer Lebensreise von unserer Vergangenheit nicht ausgebremst werden und in Fahrt bleiben, aber bitte nicht ohne ab und zu in den Rückspiegel zu schauen. Sicher ist sicher.

Dieser Text erschien am 12. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 11. Februar 2019

Ein Menschenfischer

So voll ist es in St. Mariae Geburt sonst nur an Weihnachten. Doch ihren alten Seelsorger Franz Grave zu feiern, der vor 60 Jahren zum Priester geweiht worden ist, war vielen Freunden und Mitgliedern der katholischen Stadtgemeinde mindestens so wichtig wie Weihnachten. Und Standing Ovation am Ende eines Gottesdienstes. Das gibt es selbst an Weihnachten nicht. So etwas erleben sonst nur Popstars oder Politiker.

Vielleicht hat die spontan und von Herzen kommende Zuneigung, die der vom Alter gebeugte, aber nicht gebrochene Geistlich gerührt genoss ja auch damit zu tun, dass Franz Grave seinen Seelsorgeauftrag immer auch konkret und politisch verstanden hat und wie ein Popstar seiner Kirche das Licht der Öffentlichkeit nie gescheut hat, wenn es darum ging im Sinne der christlichen Botschaft Gesicht zu zeigen und Stellung zu beziehen, egal ob es um Ausbildungs- und Arbeitsplätze bei uns oder um Entwicklungshilfe in Lateinamerika ging. Zu seinem Feiertag passte das gestrige Sonntagsevangelium, in dem Jesus dem Simon Petrus sagt: „Ab jetzt wirst du Menschen fischen.“ Als Menschenfischer weiß Franz Grave, dass der Mensch nicht allein, aber auch vom Brot und von Gottes Wort leben. Beides sind die zwei Seiten der gleichen Medaille. Und er weiß, dass man als Mann der Frohen Botschaft heute und morgen kein frommer Stubenhocker sein darf, wenn man seinem Auftrag gerecht werden und Menschen fischen will.


Dieser Text erschien am 11. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 10. Februar 2019

Übung macht den geraden Ton

Mutter mag Saxophon-Musik. Das erinnert sie an ihre Jugend, als die Jugend noch swingte. Doch als sie jetzt bei ihrem Rundgang durch an einer Straßenecke einen Saxophon-Spieler hörte, stand ihr Urteil fest: Der Mann muss noch viel üben. Ich erinnerte Mutter daran, dass auch ein Gerry Mulligan man mit Straßenmusik angefangen hat. Denn wäre der Mann am Saxophon, den wir gestern im Vorbeigehen hörten, tatsächlich schon ein perfekter Meister seines Instrumentes, dann würde er höchstwahrscheinlich nicht in der Mülheimer Innenstadt, sondern vielleicht Royal-Albert-Hall oder in der Carnegie Hall von sich hören lassen. Das sah Mutter sofort ein und ließ dem unerbittlich am Saxophon trainierenden Musicus einen Groschen in seinen Instrumentenkasten fallen. Denn auch wenn Mutter selbst nie Saxophon gespielt hat, weiß sie doch nach einem langen Leben mit Moll- und Dur-Tonlagen, dass nicht das Anfängen, sondern nur das Durchhalten belohnt wird.

Dieser Text erschien am 1. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 9. Februar 2019

Erleuchtende Erkenntnis

Gestern sah ich an der Straßebahnhaltestelle vor einer Mülheimer Schule ein weinendes Mädchen, das von seinen Klassenkammeraden getröstet werden musste. Offensichtlich war das gerade ausgeteilte Halbjahreszeugnis der Anstoß für ihre Trauer. „Ich bekomme von meinem Vater für mein Zeugnis auch keinen Cent“, ließ sie eine Mitschülerin wissen. „Ich bestimmt auch nicht“, bekräftigte ein Klassenkamerad, der offensichtlich auch weit von der 1,0 entfernt war. Auch ich kenne aus meinem Schülerleben solch bittere Momente, in denen man Schwarz auf Weiß erfährt, dass die eigenen Lernanstrengungen nicht ausreichend waren. Zu Details fragen Sie besser nicht meinen alten Mathematiklehrer. Allen, die gestern ein Zeugnis bekommen haben, dessen Noten ihre Eltern nicht frohlocken lässt, sei die Geschichte des Physikers und Erfinders Thomas Alva Edison (1847-1931) als Trost mit auf den Weg gegeben. Ihm wurde angesichts seiner schlechten Schulnoten von seinem Lehrer bescheinigt, „ein Hohlkopf“ zu sein. Der Mann strafte seinen Lehrer Lügen, in dem er nicht nur mit der Erfindung der Glühbirne, anno 1879, der Menschheit ein Licht aufgehen ließ. 

Dieser Text erschien am 9. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 8. Februar 2019

Was will das Bundesteilhabegesetz?

Bei der Infoveranstaltung im Dorfrathaus (von links)
Stiftungsvorstand Carsten Bräumer, MdB Uwe Schummer und 
Paul Heidrich vom Eltern und Betreuerverein der
Thehodor-Fliedner Stiftung
Welches Ziel verfolgt der Gesetzgeber mit dem Bundesteilhabegesetz? Das wollte der Eltern- und Betreuerbeirat der Theodor-Fliedner-Stiftung wissen und lud deshalb des Sozialpolitiker und CDU-Bundestagsabgeordneten Uwe Schummer ins Dorfrathaus ein.
Von diesem Gesetz sind alle Menschen mit Handicap betroffen, die in einer beschützenden Einrichtung wie der Theodor-Fliedner-Stiftung leben. Allein in deren Selbecker Dorf leben derzeit rund 170 Menschen mit einer Behinderung, die dort von Fachkräften betreut werden.
"Das Bundesteilhabegesetz setzt die von Deutschland unterschriebene UN-Menschenrechtskonvention um, die ein gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben fordert", erklärte Schummer den Ausgangspunkt der aktuellen Gesetzgebung. Künftig solle sich die finanzielle Förderung nicht  mehr an den Strukturen der beschützenden Einrichtungen, sondern an den persönlichen Bedürfnissen der Betroffenen orientieren. Diese müssten zum Beispiel die Option und die Wahlfreiheit haben, ob sie in einer beschützenden Werkstatt oder an einem inklusiven Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt berufstätig sein wollten.
Stiftungsmitarbeiter Friedhelm Tissen sprach mit Blick auf das Bundesteilhabegesetz, dass 2020 in Kraft treten soll "von einer großen Unsicherheit unter den gesetzlichen Betreuern und Angehörigen." Tissen forderte eine größere Transparenz bei den finanziellen Förderkriterien. Diese müssten der Tatsache, Rechnung tragen, dass die Teilhabechanchen schwerbehinderter Menschen wesentlichen von den Fachkräften abhingen, die sie täglich betreuten.
"Das hört sich alles gut an. Aber für uns ist entscheidend, ob die Versorgung unserer Kinder am Ende besser oder schlechter wird", brachte es die Mutter auf den Punkt. Und ein Vater, dessen Tochter im Fliednerdorf lebt, stellt vor allem an den Wochenenden einen akuten Personalmangel fest. "Deshalb holen wir unsere Tochter am Wochenende immer nach Hause, damit sie raus und auf die Beine kommt", schilderte der Vater seine persönliche Konsequenz.
Der Vorsitzende des Eltern- und Betreuer-Beirates Paul Heidrich wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vom Bundesteilhabegesetz geforderte Erhöhung der Einzelzimmer-Quote in der Praxis vor Ort zur Bildung neuer Wohngruppen geführt habe, für die jetzt aber kein Personal da sei. "Wir ringen um Fachpersonal und um eine bestmögliche Betreuung der Bewohner, Aber das hat alles natürlich auch seine Grenzen", räumte Stiftungsvorstand Carsten Bräumer ein.
Uwe Schummer, der als Abgeordneter dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales angehört ermutigte seine Zuhörer, über ihre Abgeordneten auf die Gesetzgebung einzuwirken. Er betonte: "Dieses Gesetz ist kein Einsparungsgesetz. Allein in Nordrhein-Westfalen werden vor Ort 500 zusätzliche Teilhabe-Beratungsstellen aufgebaut. Dafür hat der Bund den Kommunen über eine Entlastung bei den Unterbringungskosten und bei der Grundsicherung sowie durch zusätzliche Anteile an den Mehrwertsteuereinnahmen  um insgesamt 5,8 Milliarden Euro entlastet."
Derweil plant der von Paul Heidrich geleitete Eltern- und Betreuerbeirat der Theodor-Fliedner-Stiftung zwei weitere Informationsveranstaltungen zum Bundesteilhabegesetz, zu denen die Behinderten- und Patientenbeauftragte der Landesregierung Claudia Middendorf und der für Mülheim, Essen und Oberhausen zuständige Abteilungsleiter des Landschaftsverbandes Rheinland, Jürgen Langenbucher erwartet werden.

Dieser Text erschien am 6. Februar 2019 in der Mülheimer Woche

Donnerstag, 7. Februar 2019

Einzelhandel auf Probe

Wer Mülheim mag, sollte man bei Jörn Gedig und Kai Op de Beeck vorbeischauen. Der 45-jährige Textilwerbekaufmann und sein Mitarbeiter haben jetzt im ehemaligen Ladenlokal des Team Innenstadt für die kommenden drei Monate ein „Einzelhandelslabor“ eröffnet. Sein Name ist Programm: 4330 Mülheim. Auf 50 Quadratmeter kann man dort in den kommenden drei Monaten T-Shirts, Pullover, Stoffbeutel und Tassen mit lokalpatriotischem Aufdruck wie 4330 Mülheim, I love MH oder Pott People zu moderaten Preisen erwerben.
Der gebürtige Speldorfer, Jörn Gedig, der seit Oktober 2018 in der Altstadt wohnt, hatte seine Mülheim-Stöffchen schon beim Adventsmarkt in der Altstadt mit so viel Erfolg unter die Leute gebracht, dass er sich jetzt auf das zeitlich befristete Einzelhandelsexperiment in der ehemaligen Wertstadt eingelassen hat.

Gedig ist zuversichtlich das seine MH-Marke ihre Kundschaft finden wird und aus dem Einzelhandelsexperiment zwischen Löhberg 35 und Kohlenkamp 34 an einem anderen Ort in der Innenstadt zu einer Dauereinrichtung werden kann. Auch seinen Mitarbeiter Kai Op de Beecke würde das freuen. Der 29-Jährige hofft, dass aus seinem befristeten Job so ein dauerhafter Arbeitsplatz wird.

Fest steht: Am 10. Mai und am 10. August werden Gedig und Op de Beecke aus dem Einzelhandelslabor ausziehen und Platz für ihre Nachfolger machen müssen. Ein City-Store und ein Concept-Shop stehen bereits in den Startlöchern. Und Ende November ist im Ladenlokal zwischen Löhberg und Kohlenkamp endgültig Ladenschluss, weil dann der Mietvertrag ausläuft, den die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mülheim und Business (M&B) für das ehemalige Wertstadtlokal abgeschlossen hat.

Dennoch waren sich Gedig, Innenstadtmanagerin Gesa Delija, M&B-Geschäftsführer Jürgen Schnitzmeier und der Einzelhandelsfachmann der Industrie- und Handelskammer, Guido Zakrzewski, bei der Eröffnung des ersten von drei geplanten Pop-Up-Shops einig, dass das Konzept „Einzelhandelslabor“ auch an anderer Stelle und privatwirtschaftlich organisiert Zukunft haben könnte, „weil Mülheim Kaufkraft und kreatives Potenzial besitzt.“ Allein Gedig kennt in seinem Umfeld eine Handvoll kreativer Köpfe, die derzeit noch im privaten Umfeld ihre Geschäftsideen und Produkte an die Frau und den Mann bringen.
Immerhin stehen derzeit rund elf Prozent der Ladenflächen in der Innenstadt leer. Platz für experimentellen Einzelhandel auf Zeit und Dauer ist da.

Dass sich der inhabergeführte Einzelhandel trotz schwieriger Rahmenbedingungen und massiver Konkurrenz durch große Einkaufszentren, Internethandel und große Oberzentren weiterhin in Mülheim behauptet, zeigt dem selbst in Mülheim wohnenden Guido Zakrzewski, „dass es in unserer Stadt eine breite Kundschaft gibt, die die Vorzüge des inhabergeführten Einzelhandels zu schätzen weiß.“

Jörn Gedig und Jürgen Schnitzmeier ließen die Eröffnung von 4330 Mülheim nicht verstreichen, ohne Gesa Delija und Dominik Schreyer für ihren Einsatz zu danken. Delija leistete die Planungsarbeit für das Projekt und der Leiter der der Upcycling-Möbel-Werkstatt des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur bewerkstelligte mit seinen Kollegen die Einrichtung des des Pop-Up-Shops.

Dieser Text erschien am 1. Februar 2019 in der Mülheimer Woche


Ihre Wiege stand in Mülheim

  Der Mülheimer Heimatforscher Dirk von Eicken liebt Geschichte(n), die nicht jeder kennt. Eine dieser Geschichten hat er für die  Internets...