Mittwoch, 31. Oktober 2012

Die 20 öffentlichen Brunnen der Stadt sollen künftig mit Hilfe von Sponsoren sprudeln: Ihr Betrieb kostet jedes Jahr 90.000 Euro

Mülheim an der Ruhr heißt unsere Stadt. Sie könnte aber auch die Stadt der Brunnen genannt werden. 20 Brunnen findet man in der Stadt, die meisten von ihnen in der City. An sonnigen Tagen kann man immer wieder Kinder beobachten, die zum Beispiel im Rasche-Brunnen auf der Schloßstraße planschen. Seinem Schöpfer wird es gefallen. Denn der Mülheimer Bildhauer, Ernst Rasche, der das Brunnenkunstwerk samt Kugel 1973/74 aus 50 Tonnen Granit und Basalt schuf, sprach schon damals von einem “begehbaren Relief.“ Seine Brunnenlandschaft, die sich mit einem Pflastersteinteppich und Sitz- oder Klettersteinen über 40 Meter erstreckt, sollte als Kunstwerk beachtet und als Treffpunkt begangen und benutzt werden. Dass das Wasser hier aus röhrenähnlichen Säulen sprudelt, kommt nicht von ungefähr. Denn die Brunnenlandschaft wurde seinerzeit zur Einweihung der Fußgängerzone von den Mannesmann-Röhrenwerken gestiftet.


Ein Jahrzehnt später ging 1985 auch die Siemens-Kraftwerkunion unter die Brunnenstifter und ließ Rasche am Rathausmarkt einen 3,35 Meter hohen Brunnen aus Muschelkalkstein und Bronze bauen, der im Volksmund nur Dröppelminna heißt und dessen scheibenförmige Wasserfontäne an den Turbinen- Generatorenbau der Firma Siemens erinnern soll.

Während die beiden Rasche-Brunnen in der Innenstadt allgemein als Kunst im öffentlichen Raum anerkannt und akzeptiert werden, dürfte der auf dem heutigen Synagogenplatz und vor der Alten Post stehende Hajek-Brunnen das wohl umstrittenste Kunstwerk der Stadt sein. Schon vor seiner Einweihung im Juli 1977 wurde der bunte Betonbrunnen, der später vielen Skatern als Trainingsparcours dienen sollte von seinen Gegnern buchstäblich geteert und gefedert. Auch eine Unterschriftenaktion der Jungen Union konnte das von der Sparkasse gestiftete und von Otto Herbert Hajek geschaffene und urheberrechtlich geschützte Kunstwerk 2001 nicht zu Fall bringen. „Auch in diesem Brunnen drückt sich mit dem Zeitgeist der 70er Jahre die Historie der Stadt aus“, sagt der stellvertretende Museumsdirektor Gerhard Ribbrock. Der Kunsthistoriker, der von seinem Arbeitsplatz in der Alten Post jeden Tag auf den Hajek-Brunnen schaut, hat sich eingehend mit der Mülheimer Brunnenkunst beschäftigt und einen unter anderem für Schulen gedachten Diavortrag zu diesem Thema erstellt.

Aus Ribbrocks Sicht sind Brunnen Kunstwerke, zu denen er die Ende der 90er Jahre geschaffenen Spielbrunnen auf der Schloßstraße ausdrücklich nicht zählt, „attraktive Erholungsorte, die das Stadtbild strukturieren und mit ihrem neutralen Anreiz die Gedanken spazieren gehen lassen.“

Umso mehr bedauert der Kunsthistoriker, „dass heute im städtischen Haushalt aufgrund der Finanznot keine Mittel mehr für Kunst im öffentlichen Raum vorhanden sind.“ Wie man mit einem Brunnen auch Stadtgeschichte erzählen kann, sieht Ribbrock an dem Brunnen auf dem Kurt-Schumacher-Platz, der zu dessen Einweihung, Mitte der 80er Jahre, vom Bildhauer Wolfgang Liesen geschaffen wurde und auf einer aus 40 Bronze- und Granit-Reliefs zusammengesetzten Stadtsäule Stationen der Mülheimer Geschichte darstellt. Schloss Broich, Petrikirche und Kloster Saarn sind dort ebenso zu sehen wie in der Mülheimer Industrie schwer arbeitende Menschen, ein Gerichtstag aus dem Jahr 1093, aus dem Mülheims erste urkundliche Erwähnung stammt oder auch die spanischen Soldaten, die 1598 Schloss Broich eroberten und den Broicher Grafen Wirich ermordeten.

Nicht nur für Geschichte, sondern auch für Bürgersinn, steht der mit öffentlichen Fördergeldern und privaten Spenden in einer Gesamthöhe von rund 144.000 Euro wiederaufgebaute Kortum-Brunnen. Der neue Kortum-Brunnen mit der alten Jobssstatue, die über Jahrzehnte an der Friedrichstraße ein Schattendasein fristete, steht genau an der Stelle, an der 1939 der erste Kortum-Brunnen errichtet und im Juni 1943 von alliierten Bomben zerstört wurde. Die Initiative zum neuen Brunnen am alten Ort ging damals vom Verein der Freunde und Förderer der Altstadt um Horst van Emmerich aus.

Etwas kleiner, aber nicht weniger anschaulich erzählt auch der von Bonifatius Stirnberg aus Bronze geschaffene und 1984 auf dem Heißener Marktplatz aufgestellte Brunnen mit seinen Wasserrädern von der Tradition der Mülheimer Wassermühlen. Als historischen Hinweis auf Mülheims zentrale Lage am Handelsweg Hellweg verstand denn auch Otto Almstadt seinen aus Granit geschaffenen Brunnen, der 1989 als „Pferdewagen“ auf dem neugestalteten Berliner Platz aufgestellt wurde. Drei Jahre später sollte auch der nach dem kunstsinnigen Bundespräsidenten Theodor Heuss benannte Platz vor der Stadthalle, die 1957 von Heuss wiedereröffnet worden war, ein modernes Brunnenkunstwerk bekommen. Robert Schad nannte seine Stahlskulptur „Die Gruppe“ und wollte damit Stadthallenbesucher darstellen. Der Mülheimer Volksmund spricht bis heute nur von „Panzersperren“ und zeigt, dass sich auch der Brunnenkunst die Geister manchmal scheiden.

Dieser Text erschien am 19. Oktober 2012 in der NRZ

Was dem Mülheimer Wirtschaftsjournalisten Klemens Kindermann in Zeiten der Staatsschulden- und Eurokrise zum Wandel seiner Zunft einfällt

Klemens Kindermann
Wer den Deutschlandfunk hört, kennt seine Stimme. Der Mülheimer Klemens Kindermann, der mit seiner Familie in Holthausen lebt, berichtet dort regelmäßig über das Börsen- und Wirtschaftsgeschehen. In Zeiten der Staatsschulden- und Eurokrise sind der 49-jährige Wirtschaftsjournalist und seine Kollegen gefragter denn je. Doch was haben sie uns in diesen aufgeregten Zeiten nervöser Finanzmärkte und milliardenschwerer Rettungsschirme, in denen sich Hysterie und Euphorie abwechseln, überhaupt zu sagen? Kindermann sollte es wissen. Seit über 20 Jahren arbeitet er als Wirtschaftsjournalist, zunächst bei der Deutschen Presseagentur, später beim Handelsblatt und seit 2009 als Ressortleiter Wirtschaft und Gesellschaft beim Deutschlandfunk (DLF). Welches Gewicht sein Themenfeld hat, kann man daran ablesen, dass der Mülheimer in diesem Jahr zum stellvertretenden Chefredakteur des Kölner Senders berufen worden ist, der vor 50 Jahren als nationales Rundfunkprogramm ins Leben gerufen wurde.

Ich bin ein großer Zahlenfreund, beschreibt sich Kindermann. Der Wirtschaftsjournalismus reizt ihn deshalb, weil er nicht nur mit Hilfe der Zahlen Entwicklungen klar beschreiben kann und sehr nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen dran ist. Wirtschaftsjournalismus, das ist für ihn nicht nur in Krisenzeiten das Ergründen unserer tatsächlichen Lebensumstände und damit die Antwort auf die Frage, wie es uns eigentlich geht

Kindermann stellt fest, dass sich der Wirtschaftsjournalismus in den letzten 20 Jahren sehr gewandelt hat. Früher hat er sich vor allem auf die Unternehmensberichterstattung konzentriert und sich nur an eine überschaubare Zahl von Mediennutzern gewandt, die an den Aktienmärkten aktiv waren. Heute, so Kindermann, sind 70 oder 80 Prozent der politischen Berichterstattung durch Wirtschaftsthemen dominiert. Deshalb beschäftigen sich heute auch viele Kollegen, die eigentlich keine Wirtschaftsjournalisten sind, mit Ankäufen von Staatsanleihen und Rettungsschirmen. Der Wirtschaftsjournalismus ist nach Kindermanns Ansicht längst aus seinem umgrenzten Sektor herausgetreten und sehr dominierend geworden, weil politische Entscheidungen in Zeiten der Staatsschuldenkrise nur mit Hilfe wirtschaftlicher Analysen zu erklären und zu verstehen sind.

Aber wie klar sind eigentlich die Zahlen, die Kindermann und Kollegen täglich kommunizieren und kommentieren? Überfordert die Krise, in der sich Otto Normalverbraucher fragt, wie sicher sein Geld und seine wirtschaftliche Zukunft sind, am Ende auch die, die ihre ökonomischen Ursachen und Mechanismen erklären sollen? Wir müssen als Wirtschaftsjournalisten einen Pfad durch das Dickicht der Zahlen schlagen und diese bewerten und Entwicklungen aufzeigen, die für unsere Zuhörer wichtig sind. Das ist keine Überforderung, sondern eine Herausforderung, betont Kindermann. Dabei sieht er die Börse nur als einen Richtungsanzeiger dafür, wohin die Reise des Tages geht. Darüber hinaus, so unterstreicht er, hätten seine Kollegen und er aber schon nach der Lehman-Pleite 2008 auf den hohen Schuldenstand der Industriestaaten und deren langfristigen Folgen hingewiesen. Das ist kein Fischen im Trüben, ist Kindermann mit Blick auf die durch Zahlen und Fakten fundierten Analysen seiner Zunft überzeugt. Die Gretchen-Frage nach der Geldwertstabilität beantwortet der Wirtschaftsjournalist mit einem Sowohl als auch: In den nächsten zwei bis drei Jahren müssen wir uns in Deutschland keine Sorgen um eine Inflation machen aber mittelfristig müssen wir in den nächsten zehn Jahren sehr genau darauf achten, dass die hohe Schuldenaufnahmen nicht die Neigung der Staaten fördert, sich über Inflation zu entschulden.

Das ist seine Prognose. Doch Kindermann räumt ein, dass noch so fundierte Wirtschaftsprognosen langfristige volks- und weltwirtschaftliche Entwicklungen nicht sicher vorhersagen können. Grundsätzlich sieht der Wirtschaftsjournalist Geldanleger dann am besten aufgestellt, wenn sie nicht nur auf eine Anlageform setzten, sondern ihr Vermögen möglichst breit streuen von Immobilien und Gold über Aktien großer Unternehmen bis hin zur oft gescholtenen Staatsanleihe, die nach seiner Ansicht künftig wieder eine größere Bedeutung gewinnen wird. Aber auch bei den zurzeit besonders populären Anlageformen Immobilien und Gold warnt er vor Überbewertungen und hohen Preisen, die Otto Normalverbraucher draufzahlen ließen, wenn er um jeden Preis kaufen würde.

Darf der Staatsbürger, Verbraucher und Geldanleger denn dem politischen Krisenmanagement in der Europäischen Union vertrauen? Sicher verstehen viele in der Politik nicht alles, was auf den Finanzmärkten gemacht wird, glaubt Kindermann.

Dennoch hält er das politische Krisenmanagement für besser als dessen Ruf es vermuten ließe, weil es sich am Ende als richtig erweisen könnte, nicht von Anfang an mit ganz viel Geld überall die großen Brände zu löschen, sonder Schritt für Schritt vorzugehen und erst mal fiskalische Grundregeln und eine europäische Bankenaufsicht aufzustellen, um die Staatsverschuldung einzudämmen.

Denn genau dieses Übel, dass die Staaten mehr Geld ausgeben, als sie haben, wird uns, so glaubt der Mülheimer Wirtschaftsmann vom Deutschlandfunk, noch lange zu schaffen machen. Er befürchtet: Wenn unsere Wirtschaft mal nicht mehr so gut läuft und unsere sozialen Sicherungssysteme vielleicht nicht mehr durch eine relativ niedrige Arbeitslosenzahl entlastet werden, werden wir in in einigen Jahren wieder verstärkt darüber diskutieren, was unser Sozialstaat noch leisten kann.

Dieser Text erschien am 27. Oktober 2012 in der NRZ

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Stefanie Köster: Warum sich eine starke Frau aus dem Ruhrgebiet mit einem Nikolaushaus für Kinder in Afrika stark macht

Es gibt im Leben Zufälle, die so zufällig sind, dass man kaum an Zufall glauben mag. Der Mülheimer Entwicklungshilfeverein U5, der seit über 50 Jahren für Bildungs- und Sozialprojekte in der Dritten Welt unterstützt wurde 2010 durch einen Bischof in Ghana auf eine Frau aus der Nachbarstadt Essen aufmerksam, die sich seit 1999 in Tansania als Sozialarbeiterin engagiert, zunächst im Rahmen einer Ordensgemeinschaft und jetzt ganz selbstständig.


„Ich bin nicht in dieses Land gekommen, weil ich glaube, dass wir den armen Afrikanern helfen müssten, sondern weil mich die Kultur und die noch unverfälschte Menschlichkeit hier fasziniert“, sagt die aus dem Ruhrgebiet stammende Sozialpädagogin über ihre Motivation.

Nichtsdestoweniger hilft sie mit ihrem Nikolaushaus in Kemondo am Viktoriasee in Tansania kleinen Menschen, die es in dem ostafrikanischen Land besonders schwer haben, Kindern mit zum Teil schwersten und mehrfachen Behinderungen.

Als sich Manfred und Jutta Oelsner und Stefanie Köster vor zwei Jahren kennen lernten, war das nach dem Schutzheiligen der Kinder benannte Haus für tansanische Kinder mit Handicap nur eine Idee.

Heute ist es Wirklichkeit, und das auch mit Hilfe der 60 Mülheimer, die als Mitglieder des Unternehmens 5 monatlich mindestens fünf Euro für Entwicklungshilfe übrig haben, meistens aber mehr. Immerhin 28?000 Euro hat U5 für das Nikolaushaus in Kemondo sammeln können, dessen Bau am Ende rund 125?000 Euro gekostet hat. Mit den Mülheimer Menschenfreunden haben sich auch andere großzügige Spender aus Deutschland, den USA und der Schweiz für das Nikolaushaus engagiert.

Hier leben jetzt 16 Kinder zwischen 14 Monaten und 16 Jahren, die sonst sich selbst überlassen worden wären. Weitere sollen kommen. Es sind behinderte Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder aus armen und kranken Familien (Stichwort Aids) stammen, die nicht mehr in der Lage sind, sich um sie zu kümmern.

Während im Nikolaushaus zurzeit bereits sieben angelernte Betreuerinnen arbeiten, sucht Köster derzeit nach Fachkräften. Keine leichte Aufgabe, weil es in Tansania keine Ausbildung für Erzieherinnen oder Heilpädagogen gibt.

Umso dankbarer ist sie für die Unterstützung eines Physiotherapeuten und einer Heilpädagogin, die in einer sogenannten Out-Patient-Clinic auch Kinder betreuen, die nicht im Nikolaushaus leben, aber von ihren Eltern zur ambulanten Versorgung dort hin gebracht werden. Köster hofft, dass sie auch weiterhin großzügige Spender für ihre Projekt findet, da der Betrieb des Nikolaushauses monatlich rund 2500 Euro kostet und sich mittelfristig auch der Bedarf für eine vergleichbare Einrichtung abzeichnet, in der erwachsene Menschen mit mehrfachen und schwersten Behinderungen adäquat betreut werden können.

Weitere Informationen über die Arbeit von Stefanie Köster findet man im Internet unter: www.nikolaushaus.com

Dieser Beitrag erschien am 16. Oktober 2012 in der NRZ

Dienstag, 16. Oktober 2012

So gesehen: Eine Stadt sieht Rot

Als mir mein Kollege jetzt sagte, dass „Rotlichtvergehen“ in Mülheim künftig konsequenter geahndet werden sollen, ließ mich das aufhorchen. Rotlicht in Mülheim? Haben wir so was überhaupt? Und von welchem Viertel war die Rede? Hatte ich etwas verpasst? Natürlich hatte ich nichts verpasst, sondern nur etwas falsch verstanden. Hier ging es um Verstöße im Straßenverkehr und nicht um die ebenfalls lebensnotwendige Verkehrssicherheit in anderen Lebenslagen.

Man(n) kann sich ja mal irren, zumal, wenn man als Fußgänger und Nahverkehrsnutzer nur selten in die Verlegenheit kommt, eine rote Ampel zu überfahren und dafür von der Ordnungsbehörde zur Kasse gebeten zu werden. Natürlich geht es dem Ordnungsamt beim Aufstellen von Blitzgeräten nur um unsere Verkehrssicherheit und nicht um unser Geld für die Stadtkasse. Sonst wären auch schon manche Fußgänger geblitzt worden, die bei Rot die Straße queren. Doch das wäre wohl selbst der klammen Stadt zu abgefahren.

Dieser Text erschien am 10. Oktober 2012 in der NRZ 

Montag, 15. Oktober 2012

Vor 150 Jahren begann in Mülheim das Eisenbahnzeitalter

Eine Stadt, die vorankommen will, muss mobil sein, um Güter und Personen schnell von A nach B zu transportieren. Für die alten Mülheimer war die Ruhr der schnellste Weg, um zum Beispiel Kohle und Stahl zu befördern. 1852 transportierten 5100 Schiffe 556?000 Tonnen Kohle. 1884 waren es nur noch 86 Schiffe mit rund 10?000 Tonnen Kohle.


Der drastische Rückgang hatte mit dem Siegeszug der Eisenbahn zu tun, die Mülheim heute vor 150 Jahren erreichte. Am 1. März 1862 um 7.10 Uhr fuhr der erste Zug der Bergisch Märkischen Eisenbahn am ersten Mülheimer Bahnhof an der heutigen Friedrich-Ebert-Straße ab, die damals noch Froschenteich hieß. Der Mülheimer Haltepunkt war Teil einer Strecke, die von Witten nach Duisburg führte und damit auch Essen und Bochum einschloss. Je nachdem, ob man erster, zweiter, dritter oder vierter Klasse reiste, kostete die Eisenbahnfahrkarte damals zwischen sieben und 13 Silbergroschen.

Obwohl die preußische Regierung noch 1861 prognostizierte: „Die Ruhrschifffahrt wird ihre Wichtigkeit voraussichtlich auch nach der Ausbreitung des dortigen Eisenbahnnetzes behalten,“ kam es anders. Bereits Ende der 1870er Jahre erreichte der Gütertransport durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn 15,5 Millionen Tonnen.

Kein Wunder, dass es vor allem die starke Lobby der Ruhrschiffer und Ruhr-Reeder war, die sich lange mit Erfolg gegen Mülheims Anschluss an die Eisenbahn wehrte, während das benachbarte Oberhausen bereits 1847 an die Strecke der Köln-Mindener Eisenbahn angeschlossen worden war. Unterstützt wurde das Projekt Eisenbahn dagegen von der Mülheimer Handelskammer und der immer stärker werdenden Industrie. Dass August Thyssen 1871 sein Stahlwerk in Styrum gründete, hatte maßgeblich mit der verkehrsgünstigen Lage, direkt an der Bahn, zu tun.

Dass sich mit der Eisenbahn gutes Geld verdienen ließ, zeigte die Tatsache, dass die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft in Mülheim schon ab 1866 Konkurrenz durch die Rheinische Eisenbahngesellschaft bekam, die eine Strecke zwischen Essen und Osterrath betrieb. Die alten Eisenbahnviadukte in der Innenstadt und die alte Eisenbahnbrücke, die dort seit Mitte der 1860er Jahre über die Ruhr führt, waren Teil dieser rheinischen Bahnstrecke. Die alte Trasse will der Regionalverband Ruhr (RVR) bis 2015 zu einem touristisch reizvollen Rad- und Fußweg ausbauen, der in seiner Endstufe Essen, Mülheim und Duisburg miteinander verbinden wird.

Bis zur Verstaatlichung der Eisenbahn um 1880 lieferten sich die Bergisch-Märkische und die Rheinische Eisenbahngesellschaft, deren Gleise zum Teil parallel verliefen, einen harten Konkurrenzkampf um Fahrgäste und Frachtgebühren. Die Rheinische Bahn, die 1867 den Vorgänger des heutigen Hauptbahnhofes an der Eppinghofer Straße errichtete, gewann zum Beispiel durch die Finanzierung von Werksanschlüssen wichtige Industriekunden. Beide Gesellschaften nannten ihre Bahnhöfe an der Friedrich-Ebert- und der Eppinghofer Straße „Mülheim an der Ruhr“ und versahen sie mit dem Zusatz „Bergisch-Märkisch“ und „Rheinisch“. Eine Verbindung zwischen beiden Gleisstrecken wurde erst in den 1890er Jahren unter staatlicher Regie realisiert.

In ihren ersten Jahrzehnten musste die Eisenbahn ihre Kundschaft aus der Wirtschaft auch noch mit einer Pferdebahn teilen, die seit 1839 für die Essener und Mülheimer Zechen Kohlen zum alten Hafen an der Ruhr transportierte. Doch die alte Pferdebahn war langfristig nicht wettbewerbsfähig und stellte vor allem in den Kreuzungsbereichen der verschiedenen Gleisanlagen ein echtes Verkehrshemmnis und Unfallrisiko dar.

Das galt auch für Eisenbahnschienen, die vor 1910 noch auf der Eppinghofer Straße verliefen, so dass Eisenbahn und andere Verkehrsteilnehmer durch Schranken voneinander getrennt werden mussten, was wiederum zu ärgerlichen Verkehrsbehinderungen, Unfällen und Wartezeiten führte. Erst 1910 nahm der heutige Hauptbahnhof mit seinen hochgelegten Eisenbahntrasse, einer neuen Empfangshalle und einer Fußgängerunterführung Formen an. Den Namen Hauptbahnhof sollte der damalige Bahnhof Eppinghofen erst 1974 erhalten, nachdem man den dortigen Haltepunkt 1955 wegen seiner zentralen Lage bereits Mülheim-Ruhr (Stadt) genannt hatte. Seine Namen wechselten, aber die Zustandsbeschreibungen haben bis heute zig Zeitungsseiten gefüllt und über Generationen Mülheimer Gemüter erhitzt, wie die jüngste Berichterstattung der NRZ zeigt. Nichts neues. Denn auch schon nach 1945 gab es zwischen Bahn und Stadt heftige Kontroversen, weil die Bahn acht Jahre brauchte, um die Kriegsschäden am damaligen Bahnhof Eppinghofen zu beheben.

Dieser Text erschien am 1. März 2012 in der NRZ

Sonntag, 14. Oktober 2012

Wie die Familie Medenblik-Bruck ihren Stadtteil Dümpten erlebt(e) und warum Adele Bruck und Karin Medenblik finden, dass Dümpten Spaß macht

Alteingesessen. Diesen Begriff beziehen Karin Medenblik, gerade 70 geworden, und ihre Adoptivmutter Adele Bruck (93) nur zu gerne auf sich, wenn es um ihren Stadtteil Dümpten geht. „Der Stadtteil macht einfach Spaß. Das Schöne ist, dass hier viele Alteingesessene leben und dass man immer Leute findet, die mitziehen“, sagt Karin Medenblik über den Stadtteil, der bis 1910 eine eigenständige Landbürgermeisterei war und sich in Erinnerung daran bis heute als „Königreich“ betitelt.


Adele Bruck und Karin Medenblik haben in ihrem „Königreich“ eine Menge gemacht. Sie haben das 1871 von Adeles Großmutter Sophie gegründete Hutmachergeschäft am Schildberg, ab 1959 als Textilgeschäft an der Oberheidstraße, fortgeführt, ehe sie es 2004 schlossen. In den 90er Jahren gründete Karin Medenblik die Dümptener Werbegemeinschaft „Wir im Königreich“ und organisierte in den Flüchtlingsunterkünften an der Oberheidstraße Adventsfeiern und Hausaufgabenhilfen. Später hat sie mit den Schülern der Schule am Hexbachtal manches Projekt auf die Beine gestellt, zuletzt ein Buch mit 100 Geschichten aus dem Königreich. „Man hat durch das Geschäft hier schnell viele Leute kennen gelernt und Kontakte geknüpft“, sagt Karins aus den Niederlanden stammender Ehemann Henk. Auch ihn haben Schwiegermutter und Ehefrau zu einem Dümptener gemacht, der ab 1974 für 30 Jahre an der Spitze des Dümptener Turnvereins stand und in dieser Funktion unter anderen den Bau von zwei Vereinsheimen managte. Hinter einem starken Mann stehen in diesem Fall zwei starke Frauen.

Der Dümptener Turnverein ist für Adele Bruck bis heute eine zweite Familie. Bereits als Fünfjährige begann sie unter der Regie des legendären Vereinsvorsitzenden Heinrich Bergmann, der den DTV durch zwei Weltkriege führen sollte, mit dem Turnen. „Mir war es immer wichtig, gelenkig zu bleiben“ sagt Bruck, die trotz mancher altersbedingten Handicaps mit 93 immer noch Vitalität ausstrahlt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie es, die mit ihrer Turnschwester Änne Welsing die Frauenabteilung des Dümptener Turnvereins ins Leben rief.

Bis dahin hatte sie in ihrem Stadtteil bereits einiges erlebt. Ihre erste Erinnerung sind französische Soldaten, die nach der Besetzung des Ruhrgebietes 1923 am Wittkampbusch exerzierten. Als Kind wuchs sie in ein Geschäft hinein, das bis zu dessen Tod von Vater Heinrich geführt wurde. „Mein Vater verkaufte nicht nur Textilien, sondern auch Lebensmittel und Särge“, erinnert sich Adele. Mit ihren 1916 und 1917 geborenen Brüdern Heinz und Friedel spielte sie in der Sargschreinerei des Vaters Verstecken. Einmal musste sie ihren Vater zu einer Familie begleiten, deren Kind gestorben war. „Ich musste die Trauerschleife tragen, die an die Tür des Hauses gehängt wurde. Das Kind wurde im Haus aufgebahrt. Und mein Vater sagte mir: Es ist jetzt ein Engelchen. Du kannst für es beten.“

Der Tod kam auch ins Haus der Familie Bruck. 1934 starb der Vater Heinrich an Krebs. Die Mutter Wilhelmine übernahm nach einer kaufmännischen Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer die Führung des Textilgeschäftes, das damals als einziges Haus im noch ländlichen Oberdümpten über ein Telefon verfügte und so zu einer Art Telefonzelle des Stadtviertels wurde. Eigentlich sollten Adeles Brüder Heinz und Friedel das Familienunternehmen fortführen. Doch beide fielen als Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Und beim großen Luftangriff auf Mülheim wurde auch Textilien Bruck am Schildberg 1943 ein Opfer der Bomben.

Auch nach dem Krieg, als man in einem Zimmer am Schildberg lebte und verkaufte, blieb die Familie von Schicksalsschlägen nicht verschont. Nachdem der Vater im Krieg gefallen war, verlor Karin 1953 durch einen tragischen Unglücksfall auch ihre leibliche Mutter. Sie war beim Fensterputzen im Haus am Schildberg aus dem ersten Stock auf die Straße gestürzt. Tante Adele wurde ihre Adoptivmutter und auch Opa Grütchen gehörte zur harten Kern der Familie, die jetzt gemeinsam das Weiterleben meisterte. „Dümpten war früher sehr viel ländlicher und dörflicher. Wir hatten hier viele Tante-Emma-Läden“, erinnern sich Adele Bruck und Karin Medenblik. Alte Fotos aus den 30er und späten 40er Jahren, auf denen man die junge Adele bei einem Erntedankumzug und die kleine Karin vor grasenden Schafen an den Denkhauser Höfen sieht, zeigen es eindrucksvoll.

Schon früh wurde Karin in den Geschäftsalltag einbezogen. Wenn die Kladde mit den angeschriebenen Waren zu dick geworden war, musste sie zu säumigen Kunden gehen und Außenstände eintreiben. „Das war meistens freitags. Denn freitags war Zahltag. Da bekamen die meisten Arbeiter und Angestellten ihr Lohntüte. Das war nicht immer angenehm“, erinnert sich Karin an ihre ersten Schritte ins Geschäftsleben.

Angenehmer sind den beiden Ur-Dümptenerinnen ihre Schulzeit an der Evangelischen Volksschule an der Gathestraße in Erinnerung geblieben. Beide erlebten dort Lehrer, „die immer ein offenes Ohr für uns hatten“ und ihnen mal beim gemeinsamen Singen, mal bei kleinen Ausflügen und sogar beim Schönschreiben die Freude am Lernen und Arbeiten vermitteln konnten. Über dem Schulportal stand der Satz, der auch für ihr Leben prägend werden sollte: „Ohne Fleiß kein Preis.“

Dieser Text erschien am 3. September 2012 in der NRZ

Samstag, 13. Oktober 2012

Warum brauchen wir ein nationales Krebsregister? Ein Gespräch, das ich für die NRZ mit Heinz Jochen Gassel, Chefarzt am Evangelischen Krankenhaus Mülheim geführt habe

Die Bundesregierung hat die Einrichtung eines nationalen Krebsregisters beschlossen. Was bringt ein solches Register für Patienten und warum gibt es bis heute Widerstände gegen seine Einrichtung. Darüber sprach ich für die NRZ mit dem Chefarzt des Evangelischen Krenkenhauses, Heinz Jochen Gassel.


Warum brauchen wir ein nationales Krebsregister?

Wenn wir eine Medizin auf der Basis wissenschaftlich belegbarer Erkenntnisse betreiben wollen und das müssen wir, um die Kosten zu rechtfertigen, die damit verbunden sind, dann müssen wir das in ganz Deutchland auf eine gemeinsame wissenschaftlich nachvollziehbare Basis stellen, um zu vermeiden, dass jeder Arzt macht, was er für richtig oder am lukrativsten hält. Ein nationales Krebsregister bildet die Grundlage dafür, optimale Behandlungsstandards zu entwickeln, die dann aber individuell auf den Bedarf des jeweiligen Patienten angepasst werden müssen. Bisher haben wir bei uns nur Krebsregister auf Länderebene. Wir brauchen schon deshalb ein nationales Krebsregister, um unsere Behandlungsstrategien und Ergebnisse international vergleichen zu können.

Warum hinkt Deutschland in diesem Punkt der internationalen Entwicklung hinterher?

In der ehemaligen DDR gab es ein zentrales Krebsregister. Doch nach der Vereinigung beider deutscher Staaten gab es viele Damen und Herren, die der Meinung waren, dass dieses zentralistische Register nicht zu unserer förderalen Denke passen würde. Bis jetzt hat sich da keine Bundesregierung herangetraut und gesagt: Ich möchte, dass wir die vorhandenen Daten länderübergreifend in einem Krebsregister sammeln.

Welche Daten sollen denn im nationalen Krebsregister gesammelt werden?

Es ist überfällig, dass wir bundesweit und natürlich anonymisiert alle Daten über Neuerkrankungen, die vorhandenen Behandlungsformen und deren Ergebnisse sammeln und bewerten.

Warum gibt es bis heute Widerstand dagegen?

Weil damit die Möglichkeit besteht, die Behandlungsqualität einzelner Krankenhäuser und Fachzentren herauszufinden. Damit entsteht für die eine oder andere Behandlungseinrichtung die Gefahr, bei Verhandlungen mit den Krankenkassen, die die Kosten tragen, nicht so gut dasteht wie eine andere Einrichtung. Das könnte im schlimmsten Fall zu Wettbewerbsnachteilen und zum Ausschluss von Leistungen führen.

Profitieren Patienten vom nationalen Krebsregister?

Aus Patientensicht ist ein nationales Krebsregister auf jeden Fall richtig und unbedingt zu fordern. Denn es geht darum, den Bürgern die bestmögliche Behandlung anzubieten und sie zur Vorsorge zu bringen, wo Vorsorge sinnvoll ist, etwa beim Darmkrebs. Dafür braucht man bundesweite belastbare Zahlen, die wir im Moment so nicht haben.

Wie soll das nationale Krebsregister finanziert werden?

Die Krankenkassen befürchten, dass mit der Einführung eines solchen Gesetzes erhebliche Mehrkosten auf sie zukommen. Die Finanzierung ist noch nicht fixiert. Ich gehe von einer Mischfinanzierung und davon aus, dass ein erheblicher Teil der Kosten über die Krankenkassenbeiträge von den Versicherten getragen werden muss.

Wie ist das Evangelische Krankenhaus in der Krebsbehandlung aufgestellt?

Wir haben drei von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierte Fachzentren, nämlich ein Brustkrebs,- das Darmkrebs- und ein Bauchspeicheldrüsenkrebs-Zentrum. Wir erheben unsere Behandlungsdaten, natürlich mit dem Einverständnis der Patienten und leiten sie an die Deutsche Krebsgesellschaft weiter, wo die einzelnen Fachzentren bundesweit miteiander verglichen werden. Das ist eine Vorstufe zum nationalen Krebsregister.

Was wäre dann nach der Einführung eines Nationalen Krebsregisters anders?

Dann würden alle Daten per Gesetz an eine noch nicht benannte Stelle weitergeleitet und ausgewertet. Viele wehren sich vor allem dagegen, dass diese Daten an die Krankenkassen weitergegeben werden, weil sie um die Anonymität und den Datenschutz der Patieten fürchten. In Mülheim sagt mancher, es sei ein Wettbewerbsvorteil für das Evangelische Krankenhaus, über zertifizierte Fachzentren zu verfügen. Aber die Deutsche Krebsgesellschaft weist auf der Basis ihrer Daten darauf hin, dass Behandlungsqualität und Behandlungsergebnisse in den von ihr zertifizierten Einrichtungen eindeutig höher sind, als in den nicht zertifizierten Einrichtungen.

Sind die Befürchtungen um den Datenschutz der Patienten nicht berechtigt?

Das Problem des Datenschutzes ist nicht zu unterschätzen. Obwohl man heute technisch Daten anonymisiert in die richtigen Kanäle schicken kann, wird man Betrug nie ganz ausschließen können. Doch Krebs ist als zweithäufigste Todesursache mit bundesweit 460 000 Neuerkrankungen pro Jahr, so bedrohlich, dass er definitiv in Fachzentren behandelt werden muss.

Steigt die Zahl der Neuerkrankungen?

Die Tendenz ist auf jeden Fall steigend. Das liegt aber auch daran, dass Krebserkrankungen in der Regel heute früher erkannt werden.



Zur Person: Prof. Dr. Heinz Jochen Gassel (52) ist Chefarzt und Ärztlicher Direktor am Evangelischen Krankenhaus. Dort leitet er unter anderem die zertifizierten Fachzentren zur Behandlung von Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Gassel hat in Bochum und Kiel Medizin studiert und anschließend Facharztausbildungen in den Bereichen Chirurgie, Gefäßchirurgie und Bauchchirurgie absolviert. Heute gehört die sogenannte minimalinvasive Schlüssellochchirurgie im Rahmen der Krebsbehandlung zu seinen Arbeitsschwerpunkten. Gassel ist Mitglied der Deutschen Krebsgesellschaft und wurde 2002 mit ihrem Arthur-L-Walpole-Preis für klinische Studien ausgezeichnet. Der Mediziner ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Dieser Text erschien im September 2012 in der NRZ


Donnerstag, 11. Oktober 2012

Was hat uns Willy Brandt 20 Jahre nach seinem Tod noch zu sagen? Ein Gespräch mit Styrumer Willy-Brandt-Schülern

Vor 20 Jahren ist Willy Brandt gestorben. Chantal Schmacke, Niklas Hutmacher, Philip Scheiler, Daniel Landschoof, Felix Wörndl und Julia Schmitz aus der Klasse 9d der Styrumer Willy-Brandt-Schule haben sich im Rahmen der Ausstellung „Mülheim im Wandel“ mit der Biografie ihres Schulpatrons auseinander gesetzt, den sie selbst nur noch als Regierenden Bürgermeister von Berlin, als SPD-Vorsitzenden, Bundesaußenminister und Bundeskanzler aus den Geschichtsbüchern kennen. Ich sprach mit den Willy-Brandt-Schülern darüber, wofür Brandt heute noch steht und was man aus dem Leben des Sozialdemokraten und Friedensnobelpreisträgers, der mit se lernen kann, der als Kanzler mit seinen Landsleuten mehr Demokratie wagen wollte.


„Willy Brandt hat sich für den Frieden eingesetzt“, sagt Chantal Schmacke . Dass Frieden auch heute keine Selbstverständlichkeit ist, sieht sie nicht nur in der weiten Welt, sondern auch hier vor der Haustür, wenn sie unterwegs ist und Streitereien und Pöbeleien miterlebt. „Das soziale Klima ist etwas rauer geworden“, findet Chantal. Brandts Kniefall vor dem Mahnmal der Opfer des Warschauer Ghettoaufstandes (im Dezember 1970) zeigt ihr, „dass eine ehrlich gemeinte Entschuldigung zu Frieden und Versöhnung führen kann.“

Felix Wörndl findet Brandts Engagement als Vorsitzender einer unabhängigen Nord-Süd-Kommission aktuell, weil er in diesem Zusammenhang bereits vor 35 Jahren ein Grundrecht auf Bildung, Erziehung, Gesundheit und Ernährung formuliert hat. „Das Grundrecht auf Bildung ist bei uns eigentlich ganz gut verwirklicht, weil an unserer Schule nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Schüler gefördert und niemand zurückgelassen wird.“ Beim Thema Ernährung und soziale Chancengleichheit sieht er aber noch Nachholbedarf, wenn er erlebt, „dass es bei uns Schüler gibt, die ein Schulfrühstück von der Mülheimer Tafel bekommen müssen, weil ihnen ihre Eltern kein Pausenbrot mitgeben können.“

Daniel Landschoof findet es besonders beeindruckend, dass Brandt als ehemaliger Widerstandskämpfer und Exilant „nach dem Krieg Vertrauen für Deutschland zurückgewinnen konnte, weil er an seinem eigenen Beispiel zeigen konnte, dass nicht alle Deutschen hinter den Sachen standen, die die Nazis gemacht haben.“ Auch Daniel spürt die Folgen der deutschen Nazi-Vergangenheit daran, „dass sich viele Menschen nicht unbefangen freuen und stolz auf unser Land sein können, wenn wir zum Beispiel bei einer Weltmeisterschaft eine gute Platzierung erringen.“ Er lernt aus Brandts Leben zwischen Diktatur und Demokratie, „dass wir in unserer multikulturellen Gesellschaft jedem einen Platz geben sollten, damit sich niemand an den Rand gedrängt fühlt und glaubt, nicht dazuzugehören.“

Niklas Hutmacher empfindet Brandt als einen faszinierendes Beispiel dafür, „dass man etwas verändern kann, was einem nicht gefällt, wenn man den Mut zu seiner eigenen Meinung hat“. Das macht Niklas unter anderem daran fest, dass Brandt schon mit 16 in der SPD aktiv wurde und die Partei später zwischenzeitlich verließ, weil ihm ihr Kurs nicht mehr passte. „Ja, wenn man sich zum Beispiel unter BVB-Anhängern als Schalke-Fan outet“, antwortet Niklas auf die Frage, ob er sich auch heute Situationen vorstellen kann, in denen man Mut braucht, seine eigene Meinung zu vertreten.

Sein Mitschüler Philip Scheiler hat nach dem Studium der Biografie Brandts den Eindruck, „dass er ein Hoffnungsträger mit extremer Willensstärke war.“ Einen vergleichbaren Hoffnungsträger kann er unter den heutigen Politikern nicht entdecken. Was könnten heutige Politiker von Willy Brandt lernen? „Dass man manchmal viel investieren und ein kalkuliertes Risiko eingehen muss, um Erfolge zu haben“, glaubt Philip und ist sich mit seinem Klassenkamerad Daniel einig, dass dies zum Beispiel auf den Atomausstieg und die Energiewende zutrifft.

Julia Schmitz hat vor allem beeindruckt, dass Brandt schon als Bürgermeister in Berlin Briefe von Kindern bekam und diese beantwortet hat. Nachdem sie seine Briefwechsel und einige seiner Reden gelesen hat, hat sie den Eindruck gewonnen, dass sich Brandt „so klar ausdrücken konnte, dass jeder verstehen konnte, worum es geht.“ Heute hat sie bei politischen Reden den Eindruck, „dass viele Politiker um die Sache, um die es eigentlich geht, so herumreden, dass man am Ende gar nichts versteht.“ Mit Blick auf die Gewalt in Syrien hat Julia den Eindruck, „dass sich die meisten Menschen hier nur dafür interessieren, wie es ihnen in unserem Land geht“ und dass Deutschland derzeit keinen Politiker „mit einer weltweiten Ausstrahlung“ hat, wie sie einst Willy Brandt gehabt habe.

Dieser Beitrag erschien am 8. Oktober 2012 in der NRZ und am 9. Oktober 2012 in der WAZ

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Zwischen Kirchturm und Minarett: Was Mülheimer Christen und Muslimen zum Thema Toleranz einfällt

Der 3. Oktober ist nicht nur der Tag der Deutschen Einheit, sondern auch der Tag der Moschee. Islamischen Gotteshäuser öffnen dann ihre Türen und laden Besucher aller Religionen zur Begegnung und zum Gespräch. Sie tun dies in einer Zeit, in der Schmähkarikaturen und Filme über den islamischen Propheten Mohammed in einigen arabischen Ländern für gewaltsame Proteste und (zuletzt in Nigeria) für islamistisch motivierte Übergriffe auf christliche Gemeinden sorgten. Vor diesem Hintergrund sprach ich für die NRZ mit Mülheimer Christen und Muslimen darüber, wie Toleranz im Alltag gelebt werden kann.


„Die Religionen müssen sich von ihren Dogmen freischwimmen. Wir müssen lernen, unsere Enttäuschung darüber, dass wir nicht eins sind, zu ertragen. Religionsfreiheit heißt auch, Widerspruch zu ertragen“, beschreibt Pastor Meinolf Demmel aus der Styrumer Gemeinde St. Mariae Rosenkranz die Voraussetzung für Toleranz. Er hat das Gefühl, dass die Nachbarschaft zwischen Christen und Muslimen oft auch „mit einer Portion pragmatischer Gleichgültigkeit eigentlich ganz gut funktioniert.“

Für Pfarrer Manfred von Schwartzenberg, aus St. Barbara kann Toleranz „als Lebenselexier des friedlichen Nebeneinanders, das nicht unbedingt ein Miteinander sein muss“ nur auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stattfinden. Bildung und berufliche Integration könnten ein tolerantes Zusammenleben fördern. Die Interkulturelle Woche und gegenseitige Besuche in Kirchen und Moscheen sieht er als „schönes Beispiel für gelebte Toleranz.“ Mit Sorge sieht er aber die „radikalen Kräfte im Keller“ des Islams und die fehlende Religionsfreiheit für Christen in vielen islamisch dominierten Länderm.

Der Vorsitzende des Türkischen Vereins, Fevzi Eraslan, der seit fast 50 Jahren in Mülheim lebt, „wirbt für einen differenzierten Blick auf den Islam, der unsere kulturellen Unterschiede anerkennt und nicht immer das Negative in den Vordergrund stellt.“ Für ihn steht fest: „Terror hat keine Religion und dort, wo ein Machtanspruch ins Spiel kommt, wird Toleranz kaputt gemacht.“ Eraslan sieht Information und gegenseitiges Interesse als Fundament für gelebte Toleranz. Deren Grenzen würden durch unsere Verfassung gesetzt.

„Wir haben einen gemeinsamen Gott. Und Toleranz kann funktionieren, wenn wir aufeinander zugehen und miteinander sprechen und uns über die Gemeinsamkeiten unserer Religionen austauschen“, glaubt der Vorsitzende des Fatih-Moscheevereins, Ergün Öztürk. Dass das funktioniert, hat er bei christlich-muslimischen Begegnungen erlebt. Mit Blick auf die Mohammed-Karikaturen findet er es bedauerlich, dass sich Menschen auf Kosten einer Religion bekannt machen und bereichern. „Was Menschen heilig ist, sollte nicht verunstaltet werden“, findet er.

Für den Vorsitzenden des Integrationsrates, Enver Sen, darf es nicht nur um Toleranz gehen. Für ihn geht es „um Anerkennung und Akzeptanz.“ Sen erinnert daran, „dass auch Moses und Jesus als Propheten im Islam hoch geschätzt werden“ Toleranz entsteht für ihn dort, wo Christen und Muslime ihre Religion ernst nehmen und begreifen, „das Religion das Leben der Menschen organisieren und verbessern will.“

Für Georg Jöres von der katholischen Caritas bedeutet Toleranz, „den jeweils anderen so zu akzeptieren, wie er ist und auch seine Verletzbarkeiten zu kennen und deshalb bestimmte Grenzen nicht zu überschreiten.“ Toleranz erlebt er etwa in Styrumer Grundschulen, wo christliche und muslimische Kinder die Feste ihrer Religion gemeinsam feiern, ohne das irgend jemanden „religiöse Inhalte aufgepfroft werden oder ein Einheitsbrei angerührt würde.“

Der evangelische Pfarrer Michael Manz aus Heißen, erinnert daran, dass die Goldene Regel, wonach man seine Mitmenschen so behandeln solle, wie man selbst behandelt werden möchte, nicht von ungefähr in den heiligen Schriften von Christen, Muslimen und Juden zu finden sei. Er meint mit Blick auf die aktuelle Kontroverse: „Über Karikaturen muss man auch als Religionsgemeinschaft lachen können. Aber den Schmähfilm über Mohammed muss man sich nicht anschauen.“ Dass Toleranz in Mülheim funktioniert, sieht er an christlichen und muslimischen Kindern, die ganz selbstverständlich in seinen Schulgottesdiensten nebeneinander sitzen oder an einem christlich-muslimischen Paar, das er getraut hat. Nicht akzeptieren kann er aber, wenn in mehrheitlich muslimischen Ländern christliche Kirchen überfallen und geplündert werden.

Helmut Kämpgen, evangelischer Pfarrer in Eppinghofen, sieht das Hauptproblem darin, „dass die Extremisten medial stärker präsent sind, als die große Mehrheit der Menschen, die problemlos und tolerant miteinander leben.“ Er glaubt, „dass wir noch viel mehr miteinander machen müssen, um uns besser kennen zu lernen, weil wir aufeinander angewiesen sind und uns alle brauchen.“ Das Grundgesetz und die deutsche Sprache sind für ihn der Rahmen, in dem Toleranz gelebt wird „und soziale Entwicklungschancen entstehen können.

Ahmed Gassa von der Marokkanischen Gemeinde an der Aktienstraße meint: „Gott sei Dank haben wir in Mülheim keine Extremisten. Und Menschen, die wirklich Ahnung von ihrer Religion haben, haben kein Problem damit ihre christlichen oder jüdischen Nachbarn zu tolerieren. Denn wir treffen uns an vielen Punkten und haben einen Gott, der uns geschaffen hat.“ Als besonders toleranzfördernd empfindet er das Mülheimer Bündnis der Religionen und Begegnungen bei christlichen und muslimischen Festen oder in Kirchen, Moscheen und Synagogen.

Das Abrahamskonzert „Engel der Kulturen“ war für Stadtdechant Michael Janßen ein gutes Beispiel dafür, „dass sich Christen, Muslime und Juden in Mülheim auf den Weg gemacht haben, tolerant miteinander zu leben und im Gespräch zu bleiben.“ Der interreligiöse Dialog könne aber nur dann zur gelebten Toleranz führen, wenn jeder seine eigene Religion wirklich kenne. „Die Anerkennung des Grundgesetzes ist das A und O“, ist Janßen überzeugt und wünscht sich die dort garantierte Religionsfreiheit auch für Christen in allen mehrheitlich muslimischen Ländern.

Cafer Önen vom Styrumer ATIP-Moscheeverein ist sich mit Janßen einig, dass Fundamentalismus und Intoleranz für jede Religion eine Gefahr darstellen, die vor allem durch fehlende Bildung und mangelnde soziale Integration gefördert würden. „Jeder muss erst mal mit sich selbst ins Reine kommen“, beschreibt er die Voraussetzung für gelebte Toleranz. Intoleranz beginnt neginnt für ihn mit dem Gift der Verallgemeinerung. Önen ist davon überzeugt, dass mehr als 95 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime das Grundgesetz vorbehaltlos anerkennen. „Heute“, betont er, „leben 15 Millionen Muslime in Europa. Und damit gehört der Islam genau so zu unserem Kontinent wie das Christentum.“

Dieser Text erschien in der NRZ vom 3. Oktober 2012

Dienstag, 9. Oktober 2012

Dorothea Bertz: Eine Frau mit Tatendrang und Froher Botschaft verstärkt das Pastoralteam der Pfarrgemeinde St. Mariae Geburt

In der katholischen Kirche gibt es keine Frauen im Priesteramt. Mit der neuen Gemeindereferentin Dorothea Bertz gibt es in der Pfarrgemeinde St. Mariae Geburt jetzt aber eine Seelsorgerin.


Die 55-Jährige, die mit ihrer Familie im Bereich der Holthauser Filialkirche Heilig Geist lebt, hat zuletzt zehn Jahre in der Diözesanstelle für geistliche Berufe und in der Informationsstelle des Bistums am Essener Dom gearbeitet. Zuvor war sie bereits als Gemeindereferentin einer Essener Gemeinde tätig.

Neben ihrer hauptberuflichen Erfahrung im kirchlichen Dienst, kann Bertz auch auf ein langjähriges ehrenamtliches Engagement in der Gemeindearbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern sowie im Pfarrgemeinderat zurückblicken.

Als Seelsorgerin in der Pfarrei St. Mariae Geburt, zu der auch die Gemeinde St. Joseph (Heißen) und neben Heilig Geist auch die Filialkirche St. Theresia auf der Heimaterde gehören, wird Bertz unter anderem für die Messdienerarbeit, für den Begräbnisdienst sowie für den Kommunionsunterricht, Krankenkommunion und Hausbesuche zuständig sein. „Ich möchte Menschen in Freud und Leid begleiten, indem ich ihnen meine Zeit und ein offenes Ohr gebe“, betont Bertz.

Bei ihrer Amtseinführung zitierte sie ihren Lieblingspapst Johannes XXIII, der vor 50 Jahren das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet und damit eine Reform der katholischen Kirche eingeleitet hat, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Seine Worte: „Wer Glauben hat, der zittert nicht. Er überstürzt nicht die Ereignisse. Er ist nicht pessimistisch eingestellt. Glauben ist die Heiterkeit, die von Gott kommt“, versteht die Gemeindereferentin und Seelsorgerin als ihr geistliches Leitmotiv.

Auf die Frage nach einem Frauenpriestertum in ihrer Kirche sagt Bertz: „Ich werde noch Diakoninnen, aber wohl keine Priesterinnen erleben. Ich selbst brauche diese Weihen aber nicht, weil ich mich in meiner Kirche auch so als frei und eigenständig empfinde, um das zu tun, was mir wichtig ist, nämlich Menschen von Jesus und seiner Frohen Botschaft zu erzählen.“

Dorothea Bertz hat ihr Büro im Kirchenturm von St. Mariae Geburt an der Althofstraße 5, wo sie für die Menschen unter  der Rufnummer 9413427 erreichbar ist.   Dieser Text erschien am 3. Oktober 2012 in NRZ und WAZ

Sonntag, 7. Oktober 2012

So gesehen: Wie ein leeres Schaufenster zum Hingucker werden kann oder: Ein Denkanstoß am Wegesrand

Not macht erfinderisch. Dehalb haben die Mülheimer Wirtschaftsförderung und die Webegemeinschaft der Innenstadt einen Schaufensterwettbewerb gestartet, um mit kunstvoll gestalteten Schaufenstern die Blicke der Passanten auf sich zu ziehen, die ansonsten in unserer Innenstadt ja viel Tristess zu sehen bekommen.

Doch ausgerechnet bei einem Sonntagsbummel durch die City stieß ich jetzt an der Wallstraße auf ein leeres Schaufenster, dass außer Konkurrenz mit einem plaktiv ausgestellten Aphorismus meiner Ansicht nach den ersten Preis des Schaufensterwettbewerbs verdient hätte.

In kunstvoll geschwungener Schrift stand dort zu lesen:

Logik
Multipliziere deinen Mut
Subtrahiere deine Angst
Teile, was du hast
Addiere das Leben
und resultiere,
was du bist
Liebe.

Sage noch einer, in unserer Innenstadt gäbe es nichts mehr zu sehen und zu erfahren. Die besten Denkanstöße kommen oft unverhofft am Wegesrand vorbei, wo man sie gar nicht vermutet.

Wervoller wurde die Leere eines Ladenschaufensters wohl noch nie gefüllt. Not macht eben erfinderisch und manchmal sogar weise.

Ein Beitrag zu diesem Thema erschien am 25. September 2012 in der NRZ

Samstag, 6. Oktober 2012

Eine sozialpolitisch relevante Schulumfrage zum Tag des Butterbrotes

"Hast uns Stulln jeschnitten un Kaffe jekocht, alles mit deine Hände", hat Kurt Tucholsky 1929 in seinem Loblied über „Mutterns Hände“ gedichtet. Das tägliche Butterbrot, das Mütter und Väter schmierten, ist das Sinnbild für die elterliche Sorge um das leibliche Wohl ihrer lieben Kleinen. Nicht nur am heutigen Tag des Butterbrotes erinnert sich Bäckermeister Peter Hemmerle (50), der von Berufs wegen Brot backt und verkauft, an die liebevoll geschmierten und in Fettpapier eingepackten Butterbrote, die ihm seine Eltern mit auf den Schulweg gaben, der ihn zur katholischen Volksschule an der Eduard-Straße (heute Martin-von Tours-Schule) führte.

Doch wie sieht es heute mit der Wegzehrung für den Schultag aus? Hat das gute alte Butterbrot im Fast-Food-Zeitalter noch die Nase kulinarisch vorn? Hemmerle hat den Eindruck, dass der Brotverzehr eher rückläufig ist und vor allem junge Leute eher zu Brötchen, Stütchen und Croissants greifen.

„Unsere Kinder schätzen das Butterbrot“, weiß Gabriele Ripholz , Rektorin der Barbaraschule in Dümpten. Ihre Grundschüler machen in der 3. Klasse einen „Ernährungsführerschein“. Ergebnis: „Die Kinder bestimmen dann den Einkaufszettel. Die wollen dann, das etwas Gesundes gekauft wird.“ Das hat Folgen für den Brotbelag: Besonders beliebt seien Apfelschnitten. Grundsätzlich sei es bei ihren Kindern noch Standard, dass sie Butterbrote von zu Hause mitbringen. „Es gibt natürlich auch mal eine Ausnahme, aber da reagieren wir dann schnell.“ Die Tatsache, dass an manchen Schulen, etwa über die Schultafel das Frühstück unabhängig von den Eltern organisiert wird, findet Ripholz problematisch: „Ich finde, dass Eltern in der Verantwortung stehen. An sozialen Brennpunkten ist so ein Angebot sicher sehr gut.“

Anders sieht bei der Grundschule an der Zunftmeisterstraße aus. Sie gehört zu den Schulen, die auch von der Diakonie beliefert werden. Jeden Tag wird gemeinsam in der Klasse gefrühstückt. „Das hat den Vorteil, dass wir sicherstellen können, dass wirklich jedes Kind etwas isst“, berichtet Rektorin Ulrike Lueg . Neben den Brötchen von der Diakonie gibt es auch Obst und Gemüse, das je nach Jahreszeit variiert. „Natürlich gibt es auch noch Eltern, die ihren Kindern ein Butterbrot mitgeben, auch mal mit Tomaten garniert. Das ist auch weiterhin erwünscht.“ Aber es gebe eben auch viele Eltern, die damit überfordert seien.

Warum muss die 2001 vom Diakoniewerk gegründete Schülertafel täglich 400 bis 500 Schüler mit einem aus Spenden finanzierten Frühstück versorgen? „Das hat nichts mit finanzieller Armut zu tun. Das ist Ausdruck einer sozialen Versorgungsarmut“, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin des Diakoniewerkes, Anke Werner . Doch sie will sich mit der Suche nach Schuldigen nicht lange aufhalten, „weil es unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass Kinder in der Schule nicht hungrig lernen müssen und deshalb abgehängt werden.“

Auch an der Hauptschule Bruchstraße weiß man Brötchen, Gebäck und Obst von der Schultafel zu schätzen. Ihr Konrektor Norbert Schultheis vermutet, dass nur 20 Prozent seiner Schüler von den Eltern ein Butterbrot mit auf den Schulweg bekommen. „Wenn Schülern früher schlecht wurde, hat man gefragt: Hast du was falsches gegessen? Heute fragt man: Hast du was gegessen?“ Aus Gesprächen weiß Schultheis, „dass viele Eltern nur wenig Zeit haben, weil sie arbeiten und ihren Kindern lieber Geld hinlegen, damit sie sich etwas kaufen können.“

An der Bruchstraße hat man, wie an den zehn anderen Mülheimer Schulen, die von der Schultafel beliefert werden, aus der Not eine Tugend gemacht. Ab 7.30 Uhr wird im Schülerclub der Eppinghofer Hauptschule gemeinsam gefrühstückt. „Das Angebot wird von den Schülern gut angenommen“, weiß Schultheis und schätzt, dass die Küchenfee der Schule täglich 50 bis 60 mit Wurst oder Käse belegte Brötchen für je 30 Cent an die hungrigen Mädchen und Jungen bringt.

Ein Besuch in der Cafeteria der Otto-Pankok-Schule zeigt ein ganz anderes Bild. Joline Quendt und Silija Korell aus der 12. Klasse haben zwar noch gute Erinnerungen an die Butterbrote, die ihnen ihre Eltern früher mit in die Schule gaben, investieren ihr Taschengeld heute aber lieber in Käsebrötchen oder ein Teilchen, die sie sich in der Cafeteria der Schule kaufen.

Ganz anders ihre Mitschüler aus der 6b, die es sich dort mit ihren Butterbrotsdosen gemütlich gemacht haben. Bei ihnen gibt noch der Klassiker Butterbrot mit Obst und Gemüsebeilage den Ton an. „Ein Butterbrot schmeckt einfach lecker und sättigt gut“, sind sich Johanna Christensen und Katharina Franz einig. Der Brotbelag der 6b reicht von der Salami bis zum Frischkäse und bei den Beilagen von Apfelstücken bis zur Möhre. Daniel Bauer kennt das Pausenbrot seit der ersten Klasse und schätzt die Kombination aus Weißbrot und Salami oder Käse, während sich sein Klassenkollege Hermann Schäfer bei seiner Oma den kulinarischen Leckerbissen Räucherlachs und Remoulade kennen und schätzen gelernt hat. Den gibt es natürlich nicht jeden Tag aufs Butterbrot. Heute steht Frischkäse auf dem Speiseplan. „Ich mag besonders Sonnenblumenkernbrot mit Käse oder Salami. Das ist lecker und nicht so fettig wie Pizza“, erzählt Ravi Yaman . Er hat sogar zwei Butterbrotsdosen im Schulrucksack, eine für das Butterbrot und eine für das Obst. Sein Klassenkamerad Philipp Sanders hat sich dagegen „seit der dritten Klasse das Butterbrot abgewöhnt, weil es so trocken schmeckt.“ Stattdessen stärkt er sich in seiner Unterrichtspause lieber mit belegten Brötchen, Käsestangen oder Teilchen.

Otto-Pankok-Lehrerin Birthe Hoffmann , die in den Klassen 5, 6 und 7 Deutsch und Biologie unterrichtet, schätzt, dass „über 50 Prozent der Kinder“ mit Butterbrot, Obst und Gemüse zur Schule kommen. In der Klasse 6 bespricht sie denn auch im Biologieunterricht mit den Schülern das Thema Nährstoffe. „Ich glaube, dass die meisten Schüler sehr behütet aufwachsen und die Eltern einen genauen Blick darauf haben, was ihre Kinder in der Schule essen“, sagt der stellvertretende Otto-Pankok-Schulleiter Ulrich Bender .

Dieser Beitrag, den ich zusammen mit meinem Kollegen Sebastian Sasse recherchiert habe, erschien am 28. September 2012 in der NRZ

Freitag, 5. Oktober 2012

So gesehen: Warum das Theater Mülheimer Spätlese jetzt Theater in eigener Sache machte

Das Theater Mülheimer Spätlese hat Theater und machte deshalb Theater in eigener Sache und zwar am vergangenen Samstag im Forum.


Theaterdonner und viel Lärm um Nichts? Mitnichten. Man ahnt es: Es geht um das alte Lied: Wer soll das bezahlen? Denn das Seniorentheater muss befürchten, alt auszusehen, wenn ihm demnächst die Fördermittel der Leonhard-Stinnes-Stiftung wegbrechen. Da droht der letzte Vorhang ohne Happy End. Ehe es so weit kommt und das Spätlese-Publikum in die Röhre statt auf die Bühne guckt, macht das reife Ensemble um Eckhard Friedl das Forum zur Bühne für seine Sache, um die geneigte Mülheimer Laufkundschaft über seine finanzielle Lage und sein kulturelles und soziales Anliegen zu informieren und um Spenden zu werben. Denn ohne Moos ist auch auf den Brettern, die die Welt bedeuten und unterhalten, nichts los. Man stelle sich vor: Jeder der 168.000 Mülheimer würde den Spätlesern für ihre reife Kulturarbeit nur 50 Cent spendieren, dann hätten wir für mehr als eine ganze Spielzeit was zu lachen, demnächst im Theater Spätlese und wir müssten uns später nicht über kulturelle Verarmung in unserer Stadt beklagen.

Da sollte der Groschen fallen. Es darf auch etwas mehr sein: Denn Zugaben sind nicht nur auf der Theaterbühne gern gesehen.   Dieser Text erschien in seiner Urspringsfassung am 28. September 2012 in der NRZ

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Bühne frei im Forum: Warum das Theater Spätlese im Einkaufszentrum auftrat

Theater im Forum. Edith Brügenhorst, Helgard Schenk, Hannelore Peters und Angela Pott vom Ensemble Spätlese geben alles. „Was machen Sie eigentlich, wenn ihr Fernseher kaputt ist?“ fragen sich die professionellen Hobbyschauspielerinnen in einer Szene aus ihrem Stück „Sprachlos“ und beziehen die Passanten auf der Mall gleich mit ein. Manche reagieren irritiert. Andere sind interessiert.


Zu letzteren gehört die Tanzpädagogin Jenny Große. Sie ist mit ihrer Familie erst vor einem halben Jahr aus Kleve nach Mülheim gezogen und kannte das Theater Spätlese bisher noch nicht. Für sie ist es aber eine Liebe auf den ersten Blick: „Toll, dass es solche Leute gibt, die so authentisch Theater spielen und damit etwas für die Öffentlichkeit leisten. Da kommt so viel Energie rüber. Das bekommt man weder im Fernsehen noch im Kino“, findet Große.

Natürlich nimmt sie eine der 5000 Spendenkarten mit, die 20 Ensemble-Mitglieder an Passanten im Forum verteilen, um damit auf ihre finanzielle Existenzkrise hinzuweisen und um Unterstützung zu werben. Nicht bei jedem haben sie leichtes Spiel. „Das ist schon eine ziemliche Hemmschwelle, mit den Leuten über Sponsoring und Spenden zu sprechen“, gibt Hannelore Peters zu. Aber mit ihren Ensemblekolleginnen Schnek ist sich Peters einig, „dass wir einen Anfang machen müssen, um Aufmerksamkeit zu erregen und die Öffentlichkeit an unserem Schicksal teilnehmen zu lassen.“ Anneliese Hake glaubt, „dass wir die Aktion noch einmal an einem ersten Samstag im Monat wiederholen müssen, wenn die Leute Geld bekommen haben.“ Auch Theaterleiter Eckhard Friedl ist überrascht, dass das Forum an diesem Samstag „nicht noch mehr frequentiert wird.“ Er möchte mit dem Auftritt im Einkaufszentrum „den Menschen zeigen, was das Theater Spätlese als kulturelle und soziale Institution für diese Stadt leistet.“ Neben den Spendenkarten verteilt er auch ein Flugblatt, das zeigt, dass das Ensemble mit seinem ehrenamtlichen Einsatz und seinen Gastspielen, unter anderem auch in Schulen, 55 Prozent seiner Kosten selbst wieder einspielt.

Bei den beiden Forum-Flaneurinnen, Ursula Wild und Annemarie Schlemmer, läuft er mit seinen Argumenten für den Erhalt des Theaters Spätlese offene Türen ein. Beide kennen das Ensemble und finden: „Das ist doch toll, dass ältere Menschen so etwas zustande bringen. Das Theater bringt Probleme mal heiter, mal ernst zur Sprache und regt seine Zuschauer so zum Nachdenken an. Das ist Kultur, die aus der Bevölkerung herauskommt.“

iWeitere Informationen im Internet unter www.thmhsp.de

Dieser Beitrag erschien am 1. Oktober 2012 in der NRZ

Mittwoch, 3. Oktober 2012

So gesehen: Warum wir das Theater Mülheimer Spätlese brauchen

Brauchen wir ein Seniorentheater? Die Stadt muss doch sparen. Sparen heißt: Prioritäten setzen. Wer weiß, dass fast ein Drittel der Mülheimer über 60 ist, erkennt, dass professionelle Kulturarbeit mit und für Senioren Priorität hat. Das Theater Spätlese ist mehr als ein Seniorentheater. Auch wenn seine Schauspieler ehrenamtlich agieren, brauchen sie professionelle Leitung, um die kulturelle und soziale Wirkung zu entfalten, die sie seit 1990 entfaltet haben. Die Spätleser pflegen nicht nur ein Hobby. Sie erfüllen dank der professionellen Inspiration ihres Theaterleiters eine soziale Funktion. Alte Menschen werden aktiviert. Ihre Schul-Arbeit bringt Generationen miteinander ins Gespräch und durch ihre Stücke setzen sie soziale Fragen in Szene und rücken sie in den Blick der Öffentlichkeit. Das stärkt unser Gemeinwesen und sollte uns etwas wert sein. Ob diese Querschnittsaufgabe aus öffentlichen Haushalten oder privaten Stiftungs- und Sponsorentöpfen finanziert wird, ist zweitrangig. Aber im im Zweifel müssen Prioritäten gesetzt - und für den Erhalt des Theaters Spätlese vielleicht die eine oder andere Straßenausbesserung verschoben werden.

Dieser Kommentar erschien am 30. August 2012 in der NRZ

Dienstag, 2. Oktober 2012

Das Theater Mülheimer Spätlese muss um seine Eyistenz fürchten

„Sprachlos“ heißt das Clownspiel, mit dem das Theater Mülheimer Spätlese am 12. September in seine 23. Spielzeit gestartet ist. Wenn es schlecht läuft, könnte das Seniorentheater, das jährlich eine neue Produktion auf die Bühne bringt, 38 Vorstellungen alter und neuer Stücke gibt und darüber hinaus in Schulen Theaterworkshops mit Jugendlichen durchführt, ab dem Sommer 2013 sprachlos bleiben. Der Grund: Die Leonhard-Stinnes-Stiftung, die das ehrenamtliche Ensemble um den hauptamtlichen Theaterpädagogen Eckhard Friedl in seinen ersten 15 Jahren mit jährlich 70.000 Euro zu 100 Prozent gefördert hat, will im kommenden Sommer aussteigen.


Die Stiftung hatte ihre Theaterfinanzierung in den letzten Jahren bereits auf 20?000 Euro pro Jahr reduziert. Die restlichen 50?000 Euro hat sich das Theater Spätlese seit dem mit seinen Schulaufführungen und Workshops aus der städtischen Kulturförderung verdient. Außerdem konnten die Spätleser mit ihrem öffentlichen Theater- Film- und Diskussionsprojekt „Reichtum des Alters“ 100?000 Euro von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW gewinnen und bekam 2009 einen einmaligen Zuschuss der Stadt von 42?500 Euro.

„Es wäre sehr schade, wenn dieses professionell geleitete Theater mit seinen derzeit 35 ehrenamtlichen Schauspielern nicht fortgesetzt werden könnte“, sagt Kulturamtsleiter Frank Baudy, der zugleich auch Vorsitzender des Spätlese-Trägervereins ist. Dieser 50-köpfige Verein erwirtschaftet mit seinen Beiträgen und Eintrittserlösen aber maximal nur 5500 Euro pro Jahr. „Die Stadt wird ihr finanzielles Förderniveau so nicht halten können und man muss der Leonhard-Stinnes-Stiftung dankbar sein, dass sie das Theater Spätlese so lange finanziert hat“, erklärt Baudy die Ausgangslage.

Bereits im März hatten SPD, CDU, FDP, Grüne und MBI die Kulturverwaltung beauftragt, ein Alternativkonzept zu erarbeiten, um den Fortbestand des auch außerhalb Mülheims geschätzten Seniorentheaters zu sichern. Amtsleiter Baudy sagt zum aktuellen Stand dieser Bemühungen im Moment nur so viel: „Wir führen derzeit Gespräche in verschiedene Richtungen.“ Mit konkreten Ergebnissen rechnet er erst im November, wenn der Kulturausschuss über den Etat berät. der am 4. Oktober in den Rat eingebracht wird.

„Das ist ein kulturelles und soziales Leuchtturmprojekt, um das uns viele Städte beneiden“, betont Theaterleiter Eckhard Friedl. „In unserer Theaterarbeit blenden wir das Thema aus. Sonst könnten wir nicht kreativ sein. Aber in den Pausengesprächen wird natürlich gefragt: Wie geht es mit uns weiter? Haben wir noch eine Zukunft?“, schildert er die aktuelle Stimmungslage in seiner Theatertruppe.

Für Sozial- und Kulturdezernent Ulrich Ernst ist und bleibt das Theater Spätlese eine kulturelle Aufgabe, für die er angesichts der Haushaltsauflagen der Bezirksregierung weder im Kultur- noch im Sozialetat zusätzliches Geld sieht. „Da müssen wir einfach nach anderen Lösungen suchen und das tun wir“, unterstreicht Ernst.

Dieser Beitrag ist am 30. August 2012 in der NRZ erschienen.

Montag, 1. Oktober 2012

Heiter bis wolkig und mit farbenfrohen Mülheim-Motiven gut beschirmt: Der Mülheimer Künstler Klaus D. Schiemann macht es möglich

Wo bleibt eigentlich das Positive? Die Frage ist gerade aus Sicht der Zeitungsleser berechtigt. Was Sie derzeit schwarz auf weiß verkraften müssen, kann einem wahrlich die Stimmung verhageln. Nehmen wir die Wirtschaftskrise: Erst gehen uns in der Innenstadt zwei traditionsreiche Eisdielen flöten und jetzt auch noch mit dem Kaufhof das größte Warenhaus. Wer soll da noch auf den Geschmack kommen und die Lust zum Konsumieren bekommen, die wiederum die Konjunktur ankurbeln könnte?


Passend zur Schreckensnachricht des gestrigen Tages weinte auch der Himmel. Da schienen Depression und Trisstess auch klimatisch perfekt. „Keine schönen Aussichten", dachte sich der Schreiber dieser Zeilen, als er durch die verregnete City schlenderte, ehe er seinen vom Künstler Klaus D. Schiemann gestalteten Regenschirm aufspannte, der ihm in hellen freundlichen Farben zeigte, wie schön Mülheim sein kann, ob am Wasserbahnhof an der Ruhr oder an der Camera Obscura in der Müga oder am Schloss Broich. Endlich mal schöne Aussichten – von himmelblau über saftig grün bis rosa rot, zumindest auf seinem Regenschirm.

Der zeigte ihm: Nach Regen kommt auch irgendwann wieder Sonne. Und so entschloss er sich frei nach Erich Kästner „Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es" mit einem Buchkauf die Konjunktur anzukurbeln.

In einer Biografie über Kanzler Konrad Adenauer las er dessen Frage „Wo bleibt das Positive?" Na also. Alles schon mal da gewesen. Adenauer hatte selbst Zerstörung, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder erlebt und wusste als Rheinländer: „Es kommt, wie es kommt und es ist noch immer gut gegangen." Warum also nicht von Adenauer lernen. Soweit sind Ruhr und Rhein ja nicht von einander entfernt und auch, wenn viel Wasser die Ruhr hinabfließt, muss noch lange nicht alles den Bach heruntergehen. So lange Not erfinderisch macht und auch der Euro-Rettungsschirm hält, was er verspricht und der farbenfrohe Schiemann-Schirm bereits leistet, nämlich uns nicht im Regen stehen zu lassen.

Dieser Text erschien am verregneten 13.März 2009 in der NRZ

Ihre Wiege stand in Mülheim

  Der Mülheimer Heimatforscher Dirk von Eicken liebt Geschichte(n), die nicht jeder kennt. Eine dieser Geschichten hat er für die  Internets...