Mittwoch, 31. Oktober 2018

Frauen helfen Frauen professionell

Hilfe für Frauen e.V. Auf diese Bezeichnung legt Nicole Weyers wert. "Wir sind rechtlich ein eingetragener Verein. Aber wir sind eben nicht irgendein Verein, sondern ein sozialer und qualifizierter Träger", sagt die Aus- und Fortbildungspädagogin, die im Mai zusammen mit der Sozialwissenschaftlerin Annette Lostermann-DeNil den Vorsitz von Hilfe für Frauen e.V. übernommen hat.

Seitdem hat sich viel getan: Neue Mitarbeiterinnen, neue Bürotechnik und Fortbildung für das hauptamtliche Team, das neben dem Frauenhaus, eine allgemeine Frauenberatungsstelle, eine Beratungsstelle zur Vorbeugung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt und das 1994 eingerichtete Frauenhaus betreibt.

"Wir sind ein professioneller sozialer Dienstleister mit elf sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, von denen sieben eine pädagogische Fachausbildung haben", sagt Nicole Weyers. Sie freut sich, dass Hilfe für Frauen e.V. ab November auch von einer Juristin unterstützt wird. Denn wenn Frauen mit ihren Kindern der häuslichen Gewalt entfliehen hat das oft auch juristische Folgen.

"Hilfe für Frauen ist Teil der kommunalen Daseinsvorsorge und das sowohl in sozialer wie in wirtschaftlicher Hinsicht", unterstreicht  Annette Lostermann-DeNil. Und Nicole Weyers betont: "Wir sind Teil eines kommunalen und sozialen Netzwerkes, das Frauen Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht."

Mit seinen Kooperationspartnern sorgt Hilfe für Frauen durch umfassende Beratungsstrukturen dafür, das Frauen und Kinder, die durch häusliche Gewalt traumatisiert worden sind, stabilisiert werden können.

Dass sich die Zahl der Frauen, die sich an Beratungsstellen, wie Hilfe für Frauen, gewandt haben seit 2007 landesweit von etwa 7000 auf rund 11.000 angestiegen ist und allein 2017 66 Frauen und 68 Kinder Zuflucht im Frauenhaus finden mussten, unterstreicht die traurige Aktualität der Arbeit, die Hilfe für Frauen leisten muss. Ausgesprochen dankbar ist Nicole Weyers, "das Rat und Verwaltung unsere Arbeit auch in finanzpolitisch schwierigen Zeiten mit großer Zugewandheit begleiten."

Die Mitarbeiterinnen von Hilfe für Frauen e.V. verstehen ihr haupt- und ehrenamtliches Engagement, wie Nicole Weyers sagt, als "parteilich für die Frauen" verstehen und dabei auch die Jungs und jungen Männer im Blick haben. Denn sie, so fordern Lostermann-DeNil und Weyers, müssten durch vorbeugende Bildung zu einem selbstbewussten und selbstverantwortlichen Rollenverständnis in Partnerschaft und Familie erzogen werden, damit es erst gar nicht zu häuslicher und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder kommt. Wer sich für die Arbeit von Hilfe für Frauen e.V. interessiert findet mehr zum Thema im Internet unter: www.hilfe-fuer-frauen-ev.de

Dieser Text erschien am 29. Oktober 2018 in NRZ & WAZ

Dienstag, 30. Oktober 2018

Seelsorge wie gedruckt

Was machen Sie eigentlich beruflich? Das ist die klassische Gesprächseröffnung, wenn man mit seiner neuen Tisch-Bekanntschaft nicht gerade über das Wetter reden will. Jetzt überraschte mich meine Tischnachbarin bei einem Hochzeitsmahl mit der Feststellung: "Ich habe sie doch schon öfter in St. Barbara gesehen!" Als ich diesen Eindruck bestätigte, schob meine Tischdame die Frage nach: "Sind Sie da der Pfarrer?" "Nein, ich bin nicht der Pfarrer. Ich bin Journalist, aber des Öfteren dort zu Gast", klärte ich meine Gesprächspartnerin auf.
Dennoch schmeichelte mir der offensichtlich vertrauenerweckende Eindruck, für einen Pfarrer gehalten zu werden. "Wollen Sie beichten, meine Tochter oder soll ich Sie ins Gebet nehmen?" Doch dann wurde mir klar, dass ein guter Journalist, genau wie ein Seelsorger, die Fähigkeit des gezielten Fragens und Zuhörens und des Vertrauenschaffens haben muss, damit sich Menschen im Gespräch öffnen, um ihre Geschichte nicht nur dem Journalisten, sondern mit seiner Hilfe auch ihren Mitmenschen zu erzählen und so vielleicht positive Impulse in unsere Gemeinschaft hineinzugeben, die im besten Fall gemeinsame Herausforderungen und Lösungen aufzeigen können. Denn nur redenden Menschen kann geholfen werden, wenn ihnen ihre Mitmenschen zuhören.

Dieser Text erschien am 30. Oktober 2018 in der NRZ

Montag, 29. Oktober 2018

Ganz schön plakativ

Gestern fiel mir in der Stadt ein Werbeplakat ins Auge. Dass ich das Plakat etwas genauer betrachtete, hatte mit seinem Fotomotiv und mit meiner Fleischeslust zu tun. Es ging gar nicht um das, was Sie jetzt vielleicht denken, sondern um lecker anzuschauendes Schnitzel-Gericht, mit dem ein Restaurant für seine Schnitzeltage warb.

„So viel, wie du kannst“, lockte die Werbung den Schmecklecker und ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Hinzu kam, dass das bildschöne Schnitzel unter Palmen stand, was nicht nur den Appetit, sondern auch das Urlaubsgefühl weckte.
Dabei weiß ich gar nicht, ob ein Wiener Schnitzel ausgerechnet unter Palmen besser schmeckt, als in Eiche rustikal mit Blick auf die Straße oder mit Blick auf Ruhr.

Als eine Bekannte zuletzt ein Schnitzel unter Palmen gegessen hat, nahm hatte sie später acht Pfund mehr auf dem Rippen. Das lag aber, zugegeben, nicht nur an dem einen Schnitzel unter Palmen, sondern an der 14-tägigen Vollpension auf ihrem Kreuzfahrtschiff. 

Keine Frage. Ein köstliches Menü, genossen in netter Gesellschaft ist wie ein Urlaub vom Alltag. Aber ich weiß trotzdem nicht, ob ich auf das verlockende Angebot: „Soviel wie du willst“,  eingehen soll. Denn am Ende sind meine Augen viel größer als mein Magen und ich gehe, ohne zuvor eine Kreuzfahrt gemacht zu haben, erst auf die Waage und dann auf die Palme. Denn dann bin ich reif bin für einen Kururlaub auf der Insel und das mit Null-Diät.

Dieser Text erschien am 29. Oktober 2018 in der NRZ

Sonntag, 28. Oktober 2018

Der menschliche Glutkern

Die Katholische Akademie Die Wolfsburg und die ökumenische Telefonseelsorge luden zu einem vielseitigen Seelen-Gespräch in die Duisburger Kulturkirche Liebfrauen ein.



Die Podiumsteilnehmer
Das Kirchenschiff am König-Heinrich-Platz war gut gefüllt. Wenn es um die Seele geht, geht es für Christen ans Eingemachte. Das Publikum war interessiert und gespannt zugleich, als Olaf Meier von der ökumenischen Telefonseelsorge, der Neurowissenschaftler Michael Huber und der Theologe Pater Elmar Salman zu ihren Impulsreferaten antraten.

Als nach den „Experten“ die Zuhörer zu Wort kamen, war die Ernüchterung mit Händen zu greifen. „Sie haben die Faszination der Seele gar nicht herausgearbeitet.“ „In ihrer Diskussion kam das Wort Gefühl kein einziges Mal vor.“ Und: „Für mich war Ihr Gespräch nicht so erbaulich, wie ich es erhofft hatte“, bekamen die Podiumsteilnehmer zu hören. „Eine Diskussion über die Seele, die nicht zu verorten ist, ist eben nicht immer erbaulich“, räumte Pater Elmar ein. Und Moderator Jens Oboth von der Katholischen Akademie machte deutlich: „Dieser Abend kann keine endgültigen Antworten liefern. Aber er kann Sie zum Weiterdenken inspirieren!“

Das hörte sich nicht wirklich ergiebig an. Und doch war der Abend in der Kulturkirche für seine Besucher nicht vergebens. Aufschlussreich war allein schon die Konfrontation zwischen den katholischen Theologen Meier und Salmann auf der einen Seite und dem Neurowissenschaftler Huber auf der anderen Seite.

Auch wenn der Neurowissenschaftler zugab: „Ohne Gefühl ist unserem Leben alles nichts“, machte er im Namen seiner Zunft doch auch unmissverständlich deutlich: „Wenn jemand im Gehirn den Schalter umlegt und kein Strom mehr fließt, dann ist alles aus.“ Ausgesprochen verblüfft reagierte das Publikum auf die neurowissenschaftliche Erkenntnis, „dass die Neuronen in unserer Gehrinrinde zu 95 Prozent nur mit sich selbst verbunden sind und sich unser Gehirn deshalb zum größten Teil nicht mit der Außenwelt, sondern mit seiner eigenen Innenwelt auseinandersetzt.“ Und es kam noch dicker. Huber wies darauf hin, dass es elektrophysiologisch in unserem Gehirn keinen feststellbaren Unterschied zwischen unseren Wach- und unseren Traum-Zuständen gibt. Der Neurowissenschaftler sprach in diesem Zusammenhang vom menschlichen „Dösen in Wahrnehmungsschleifen.“ Der Normalzustand sei der, dass das Gehirn nur ganz selten die Fenster zur Außenwelt aufmache, es sei denn, wir würden durch traumatisches Erlebnis in allen unseren Sinnen angesprochen und so aus unserem Wach-Traum gerissen.

Na, dann. Gute Nacht? Das wollten die beiden Seelsorger so nicht stehen lassen, ebenso wenig, wie Hubers neurowissenschaftliche Sicht, „dass unser Ich eine Konstruktion unseres Gehirms ist.“

Pater Elmar würdigte unser Gehirn „als unser Beziehungsorgan,“ und unsere Seele, als den nicht zu verortenden Ort, „an dem wir ganz bei uns sind und aus der Leere schöpferische Kreativität erwachsen kann.“

Olaf Meier als „den nicht bestimmbaren, aber deshalb nicht weniger relevanten Ort, an dem wir als Menschen am authentischsten und warmherzigsten sind, weil wir uns mit Gott und den Menschen universell verbunden fühlen und deshalb auch Hoffnung verkörpern können.“ Deshalb wollte Meier für sich auch nicht von der Vision einer ewigen Glückseligkeit im Himmlischen Jerusalem nicht lassen. Seiner aktuell angegriffenen Kirche empfahl Meier denn auch vor dem Hintergrund seiner Telefonseelsorge, die Wiederentdeckung und Stärkung der Seelsorge, „die Menschen wertschätzt, sich für sie Zeit nimmt, mit ihnen zusammen die Widersprüche des Lebens aushält und ihnen so Hoffnung und Halt geben kann.“ Da wollte auch Pater Elmar nicht nachstehen und betonte: „Gute Seelsorge stärkt die Seele, die uns trägt und gemeinsam stark sein lässt, in dem wir uns gegenseitig anregen und bereichern. Seelsorge gibt Menschen den Raum zum Atmen, in dem sie sich selbst und damit in letzter Konsequenz auch Gott auf die Spur kommen.



      Privatdozent Dr. Michael Huber, studierte in den 1970er Jahren Medizin, Psychologie und Philosophie in Münster und Hamburg. Er lebt und arbeitet in Köln und Zürich als medizinischer Gutachter und als Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische, Psychotherapie, Psychoanalyse und Psychotherapie

      Prof. Dr. Pater Elmar Salmann wurde 1948 in Hagen geboren. Er studierte in den 60er und 70er Jahren katholische Theologie und trat in die Benediktinerabtei Gerleve ein. In den 1990er und 2000er Jahren lehrte er als Professor Theologie und Philosophie an den päpstlichen Universitäten in Rom. Bis heute arbeitet der 1972 zum Priester geweihte Theologe als Seelsorger.

      Der Diplom-Theologe und Diplom-Psychologe Olaf Meier leitet die ökumenische Telefonseelsorge, die aktuell von 120 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet wird. Die Telefon-Seelsorge ist rund um die Uhr unter den kostenfreien Rufnummern: 0800-1110111 und: 0800-1110222 erreichbar.

Dieser Text erschien am 13. Oktober 2018 im Neuen Ruhrwort

Freitag, 26. Oktober 2018

Ein Zeitsprung an der Leineweberstraße

Heute schauen wir auf einen Teil der Leineweberstraße, auf ihre Kreuzung mit der Friedrich-Ebert-Straße und linkerhand auf den Berliner Platz. Wir springen dabei zurück ins Jahr 1987. Ein Foto unseres Lesers Ralf Bayerlein aus Speldorf macht es möglich.
Die Leineweberstraße, die seit Mitte der 1950er Jahre eine Ost-West-Verkehrsachse durch die Innenstadt schlägt, hatte in den späten 1980er Jahren noch nicht ihren heutigen Alleen-Charakter. Wie man sehen kann, waren die zwischenzeitlich zur Disposition gestellten Bäume, die die Leineweber Straße säumen, noch bei weitem nicht so mächtig, wie wir sie heute kennen. 1987 war bereits ein knappes Jahrzehnt vergangen, seit ein Teil der Leineweberstraße in die bereits in den 1970er Jahren entstandene Fußgängerzone der Innenstadt integriert worden war.

Linkerhand sehen wir 1987 das Caféhaus Moldt, vormals Café Brandt, wo heute ein China-Restaurant seine Gäste bewirtet. An das Caféhaus schließt 1987 noch die Thomas-Apotheke an. Ihre ehemaliges Ladenlokal steht heute zum Teil leer und wir in einem anderen Teil von einem Gold und Silber- An- und Verkauf genutzt.
An der rechten Straßenseite erkennt man vor 31 Jahren einen quadratischen Blumenkübel aus Holz. Einige dieser quadratischen "Blumenkübel" wurden zwischenzeitlich zu "Hundeklos" umfunktioniert. Dieses Experiment im Kampf gegen den Hundekot im öffentlichen Raum wurde aber schon kurz nach seinem Beginn wieder abgebrochen, weil die Vierbeiner, die mit ihrem Häufchen ihr eigenes Revier markieren wollten, diese Hundeklos nicht annahmen.

Auf der linken Bildseite sieht man 1987 auch den Neubau der Sparkasse am Berliner Platz den Neubau der Sparkassen-Zentrale, der 1989 eröffnet werden sollte und 1990 der Veranstaltungsort für die offizielle Feier zum Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde. Nach 82 Jahren am Viktoriaplatz, dem heutigen Synagogenplatz, verlegte die Sparkasse 1989 ihre Hauptgeschäftsstelle an ihren heutigen Standort.

Dieser Text erschien am 22. Oktober 2018 in der NRZ

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Trinkeld und Lehrgeld

Ausgerechnet in einer öffentlichen Bildungseinrichtung habe ich gestern etwas fürs Leben gelernt, wenn auch ungewollt. Weil Flüssigkeitszufuhr das Denkvermögen erhöhen soll, ich aber meine gut gefüllte Trinkflasche zuhause stehen gelassen hatte, musste ich mich in besagter Bildungseinrichtung mit einem öffentlichen Getränkeautomaten auseinandersetzen. Das gestaltete sich schwieriger, als ich vermutet hatte. Denn ich fand  an dem verdammten Automaten einfach keinen Schlitz, in den ich meine geforderte Münze hätte werfen können. Doch dann wähnte ich mich am Ziel und warf mein Kleingeld in eine schlitzähnliche Öffnung des Getränkeautomaten. Die Münze fiel in den Getränkeautomaten. Doch der gab das gewünschte Getränk nicht frei. Auch mein Rütteln am Getränkeschrank half nichts. Ich wusste gar nicht, dass ein Getränke- Automat nicht nur einnehmend, sondern auch noch gemein sein kann.

Doch dann erlöste mich ein in der Automatentechnik bereits fortgeschrittener Besucher der Bildungseinrichtung aus meiner nicht nur nach des Rätsels Lösung dürstenden Unwissenheit. "Sie müssen Ihre Münze in den Schlitz des neben dem Getränkeautomaten stehenden Kaffee-Automaten stecken. Denn die beiden Automaten haben eine gemeinsame Geldzufuhr", klärte mich der freundliche Mitmensch auf. Er hatte auch gleich einen Trost für mich parat. "Sie sind nicht der Erste, der seine Münze in den falschen Schlitz gesteckt hat. Über Ihren verlorenen Groschen freut sich jetzt der Hausmeister, der den Getränkeautomaten regelmäßig öffnet und auffüllt."

So ist das Leben. Augen auf oder Beutel auf. Immerhin habe ich so gestern etwas dazu gelernt und einer mir fremden Person etwas Gutes getan, wenn auch ungewollt. Also kein Grund zur Wut über den verlorenen Groschen.

Dieser Text erschien am 23. Oktober 2018 in der NRZ

Dienstag, 23. Oktober 2018

Ohne einen Funken Spaß an der Freude geht es nicht

Ihren 60. Geburtstag feiert die Prinzengarde Rote Funken mit einem Stadtprinzenpaar aus den eigenen Reihen. Ihr 2. Vorsitzender Johannes Terkatz und Tanzgardentrainerin Martina Ising werden am 11.11. im Festsaal der Stadthalle als Johannes II. und Martina I. zu den närrischen Regenten der Ruhrstadt proklamiert. "Weil der 11.11. diesmal auf einen Sonntag fällt, beginnen wir mit der Prinzenproklamation diesmal schon um 18 Uhr", lässt Chef-Karnevalist Markus Uferkamp wissen.

Der 53-jährige Terkatz und die 51-jährige Ising sind ein kongeniales Prinzenpaar. Er ist als SPD-Stadtverordneter daran gewöhnt, vor Publikum zu reden. Und für sie ist das Tanzen ihre zweite Natur. Das kann ja heiter werden. Und das soll es auch. Dafür wollen auch die Begleiter des designierten Stadtprinzenpaares sorgen. Funken-Präsident und Ex-Prinz Heino Passmann hat sich als Hofmarschall verpflichten lassen, die Tollitäten bis zum Aschermittwoch (6. März 2019) zu 150 Auftritten zu begleiten. Und die tanzende und trainierende Funken-Gardistin Chantal Ising (26), die bereits als Kinderprinzessin auf der Bühne gestanden hat, wird ihrer Mutter in der kommenden Session als Pagin zur Seite stehen. Auch Chantals Mit-Pagin Lisa Brivio (28) hat als Mitglied der legendären Ladykracher schon bewiesen, dass sie auf der Bühne eine gute Figur macht. Seit April trainieren die Tollitäten für ihre Bühnenshow.

"Wir wollen einfach authentisch sein!"

"Wir wollen einfach authentisch sein und die Menschen für den Karneval begeistern", antworten Terkatz und Ising, was sie sich für ihre Zeit als Tollitäten vorgenommen haben. Als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker in Mülheim und als hauptamtlicher Verwaltungswirt beim Oberhausener Jugendamt sowie als Krankenschwester in der Unfall-Chirurgie und Geriatrie des Evangelischen Krankenhauses kennen beide auch die ernsten Seiten des Lebens. Um so mehr schätzen sie den Karneval und seine kreative und fröhliche Gemeinschaft als einen wichtigen Ausgleich zum oft harten Alltag.

Beide Tollitäten in Spe haben ein Herz für die Jugend und erleben in ihrer Gesellschaft immer wieder, "dass man Kindern und Jugendlichen durch eine sinnvolle Freizeitgestaltung in einer starken Gemeinschaft sehr gut helfen kann, ihren Platz im Leben zu finden." Apropos starke Gemeinschaft. Nicht ohne Sorge sieht der Geschäftsführer des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval, Hans Klingels, "dass einige der 13 Mülheimer Karnevalsgesellschaften Mitglieder verloren haben". so dass er derzeit von 1330 aktiven Karnevalisten in Mülheim ausgeht. Davon sind 450 jünger als 18 Jahre. In der Spitze hatte der Mülheimer Karneval auch schon mal 1700 Aktive, von denen 600 jünger als 18 Jahre waren.

"Wir müssen die Jugend mehr für den Karneval gewinnen, in dem wir Jugendliche in den Gesellschaften fördern und sie auch an Leitungsaufgaben heranführen", sind sich der Präsident des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval, Markus Uferkamp und Hofmarschall Heino Passmann einig. Deshalb hat der Hauptausschuss Groß-Mülheimer Karneval jetzt eine neue Jugendabteilung gegründet und in seiner Wagenbauhalle an der Hafenstraße einen Probenraum für Tanzgarden und Musikzüge eingerichtet.

Keinen Hehl macht Chefkarnevalist Uferkamp auch daraus, dass es immer schwieriger wird, Eintrittskarten für Prunksitzungen an die Frau und den Mann zu bringen. Deshalb haben sich einige Gesellschaft inzwischen dem Party-Trend angeschlossen. Dennoch bleiben Prunksitzungen, in denen nicht nur Musik und Tanz, sondern auch das witzig und spitz gesprochene Wort gelten, für Mülheims Karnevalsorganisatoren ein elementarer Bestandteil der Fünften Jahreszeit. 

Deshalb wird es auch in diesem Jahr wieder einen Prinzenball in der Stadthalle und mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet auch einen prominenten Träger der Spitzen Feder geben. Obwohl es erst am 24. November soweit sein wird, haben die Karnevalisten aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen schon jetzt mit der Kartenvorverkauf begonnen. "Denn wir müssen alle 550 Eintrittskarten, die je nach Sitzplatz 15, 20 oder 25 Euro kosten, verkaufen, um die Saalmiete für den Festsaal der Stadthalle finanzieren zu können", betont Markus Uferkamp. Vorverkaufsstelle ist die telefonisch unter der Rufnummer 0208-471190 erreichbare Tankstelle Stachelhaus an der Sandstraße 128

Dieser Text erschien am 22. Oktober 2018 in der Mülheimer Woche

Montag, 22. Oktober 2018

Neue Töne braucht das Land

Kaum habe ich den Schock verwunden, dass mein süße Schokoladen-Ecke zwischen Wallstraße und Löhberg geschlossen hat, da muss ich in der NRZ lesen, dass Mülheims ältester Chor, der 1852 gegründete Männergesangverein Frohsinn, zum Jahresende seinen letzten Takt verklingen lässt. Gehen uns jetzt nach den Süßigkeiten auch noch die Töne aus, zumindest die, die wir als  Nervennahrung fürs Gemüt in unseren  turbulenten  und  schrillen Zeiten so dringend brauchen? Vielleicht liegt es daran, dass sich das Volk verändert hat, dass eben nicht nur den Volksparteien, sondern auch den Volkschören, die das Volkslied pflegen, die Puste auszugehen scheint.

 „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ spottete schon Bert Brecht.

Vielleicht ist es ja Zeit, mit Demut und Selbstvertrauen neue Töne anzuschlagen, in dem wir uns von großen Tönen und Lautsprechern aller Art verabschieden, die uns das Heil versprechen und statt dessen, jeder für sich und alle für uns zusammen, einen Grundton zu finden, der uns nicht länger aus dem Takt kommen lässt. 

Dieser Text erschien am 22. Oktober 2018 in der NRZ

Sonntag, 21. Oktober 2018

Gutes für Körper und Seele

Das Brautpaar, das an diesem Sonntag am Schloss Broich aus seiner schwarzen Limousine aussteigt, wirkt in seiner festlichen Garderobe und mit seiner glücklichen Ausstrahlung wie bestellte Werbeträger für die Glüxx-Messe, die zeitgleich im Rittersaal und im Wappenzimmer von Schloss Broich Menschen anzieht, die sich wie das Brautpaar ein XXL-Stück vom Glück abschneiden wollen, in dem sie etwas für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden tun. Es fällt auf: Die meisten Messebesucher bewegen sich in der Lebensmitte. Viele tun bereits etwas für ihre Gesundheit. Andere müssen nach einer Erkrankung etwas für ihre Genesung tun.

Eine Duisburgerin in den Fünfzigern interessiert sich „nach einer schweren Erkrankung“ für ein Saftkonzentrat aus über 70 Obst- und Gemüsesorten, das mit Wasser verdünnt getrunken, die Regeneration ihrer Zellen fördern soll. Anders, als ihre bessere Hälfte kann sich die Dame auch für die 20-minütige Trainingseinheit begeistern, die unter Zuhilfenahme von niedrig-frequentem Strom zeitsparend über 90 Prozent der Muskelfasern stimuliert.

Anregungen findet man im Schloss allemal. Wie wäre es mit äthrischen Ölen, die den gestressten Zeitgenossen von der Palme auf den Boden der Tatsachen holen. Auch Astrid Heisig und Taddäus Mildner, die Hand- und Körpermassagen anbieten, mit denen der Blut- und Energiekreislauf wieder in Schwung kommt, haben an diesem Tag alle Hände voll zu tun.

„Ich fühle mich sehr entspannt und warm. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, als habe jemand die Heizung um 15 Grad hochgedreht“, beschreibt eine Mülheimerin mittleren Alters ihr Befinden, nach dem sie 25 Minuten lang von Mildner massiert worden ist.

Ernährungsberaterin Monika Bentele erstaunt ihre Gesprächspartner nicht nur mit dem Hinweis, dass die Lebensmittelindustrie die Zahl unserer „Lebensmittel in den letzten 100 Jahren um 80 Prozent hat ansteigen lassen.“ Auch mit ihren Beuteln voller Zuckerwürfel, mit denen sie die versteckten Zuckeranteile in Lebensmitteln zutage fördert, sorgt sie für nachdenkliche Gesichter. Wer hätte das vermutet? 49 Zuckerklümpchen stecken in der Tüte mit den Gummibärchen und in der Flasche mit dem Tomaten-Ketchup. Der herzhafte Leberkäse, der vorgefertigte Rotkohl aus dem Glas und das vermeintlich gesunde Müsli aus der bunten Supermarktpackung haben es mit 26 Zuckerstücken in sich. Dagegen nimmt sich der Soßenbinder mit 19 Zuckerwürfeln schon fast bescheiden aus.

Die gute Nachricht lautet: Wallnüsse haben einen hohen Fettanteil, sind aber wahnsinnig gut fürs Gehirn. Dagegen kann der vitaminreiche Apfel seine energetische und physiologische Wirkung nur dann voll entfalten, wenn er nicht abends, sondern am besten in der ersten Tageshälfte genossen wird.
„Unser auf Schnelligkeit und Leistung getrimmter Lebensstil fordert uns Menschen viel ab und sorgt dafür, dass wir nicht mehr das bekommen, was wir am nötigsten brauchen, nämlich Ruhe und Nährstoffe. Solange die Pharmareferenten eine so starke politische Lobby haben, muss jeder für sich selbst sorgen“, erklärt Messebesucher Thomas Jeschke aus Wuppertal, warum er sich an diesem Sonntag auf den Weg nach Mülheim gemacht hat.

Dieser Text erschien am 21. Oktober 2018 in NRZ & WAZ

Samstag, 20. Oktober 2018

Die Droste lässt grüßen

„Sie war eine Frau, die an Ihrem Glauben und an der theologischen Dogmatik ihrer Kirche zweifelte, aber trotzdem Christin blieb, weil für sie Ehrlichkeit den höchsten Wert darstellte.“ So stellte Rezitator Wolfgang Hausmann bei seiner Freitagslesung im Heißener Kulturzentrum Fünte die westfälisch-katholische Dichterin Annette von Droste-Hülshoff vor. Hausmann erinnerte daran, dass die Droste aufgrund ihrer eigenen naturwissenschaftlichen und geologischen Erkenntnisse der damaligen kirchlichen Auffassung nicht folgen konnte und wollte, dass die Welt etwa 5000 Jahre alt sei. Die aus einem alten Adelsgeschlecht stammende Dichterin der 1842 erschienen „Judenbuche“ starb vor 170 Jahren in ihrer Wahlheimat am Bodensee. „Ihr Gedicht-Zyklus ‚Das geistliche Jahr‘ zählt zu den bedeutendsten Werken der religiösen Dichtung“, betonte Wolfgang Hausmann. So heißt es in ihrer geistlichen Gedichte: “Ich trau auf deine Hand, dass sie mich wohl behüte, weil alle deine Güte und Liebe mir bekannt, und dass ein sicherer Hort das Unheil von mir wende.
O Herr, in deine Hände! Dies sei mein letztes Wort.“


Dieser Text erschien am 18. September 2018 im Neuen Ruhrwort

Freitag, 19. Oktober 2018

Ohne Starthelfer geht es nicht

Heute stellen die Mülheimer Woche und das Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) in ihrer Porträtreihe die ehrenamtlichen Starthelfer Petra Pawelski-Scholz und Wolfgang Messing vor. Beide kommen aus den Linksruhr-Stadtteilen Broich und Speldorf und fahren einmal pro Woche über die Ruhr nach Eppinghofen.
Ihr Ziel ist die Gemeinschaftsgrundschule an der Zunftmeisterstraße. Die Kinder kommen aus über 50 verschiedenen Ländern der  Welt und lernen hier für ein gemeinsames Leben in Mülheim. Nachmittags zwischen 14.30 Uhr und 16 Uhr üben die beiden Ehrenamtler mit Erst- und Zweitklässlern die deutsche Sprache. "Das läuft sehr spielerisch ab. Wir haben uns von einer Logopädin beraten und mit kindgerechten Lernspielen ausstatten lassen", berichtet Messing. Der pensionierte Ingenieur, der durch seinen Beruf viel in der Welt herum gekommen ist, koordiniert das Projekt Eulenkids, das vor drei Jahren von seinem Rotaryclub Mülheim-Uhlenhorst ins Leben gerufen wurde.

Wir können Verstärkung gebrauchen

"Ich wollte nach meiner Berufstätigkeit als Bankkauffrau ehrenamtlich arbeiten. Und die Arbeit mit Kindern reizte mich", erzählt Pawelski-Scholz. Sie gehört inzwischen seit zwei Jahren zum aktuell neunköpfigen Sprachförderpatenteam. "Wir sind derzeit leider knapp besetzt und könnten Verstärkung gebrauchen, damit wir auch weiterhin in möglichst kleinen Gruppen arbeiten können", betont Messing.

Er und seine Mitstreiterin machen klar, dass man als Sprachförderpate bei den Eulenkids Offenheit für andere Kulturen, Geduld und Durchhaltevermögen mitbringen muss. Aber sie lassen sich auch immer wieder von der Begeisterung der Kinder anstecken. "In der Regel kümmern sich zwei bis drei Paten um sieben Kinder", berichtet Pawelski-Scholz. Sprachförderung für die Erst- und Zweitklässler an der Grundschule Zunftmeisterstraße: Das ist kein stures Vokabelpauken. Da entdeckt man die Feinheiten der deutschen Sprache zum Beispiel mit einem Memory-Spiel oder beim gemeinsamen Backen, Basteln und Malen.

Sprachförderung ist grundlegend wichtig

"Die Förderung durch uns ist für die Kinder elementar wichtig, weil sie in der Regel aus Elternhäusern kommen. die sie aufgrund fehlender eigener Sprachkenntnisse nicht selbst in ihrer Kommunikation fördern können", erklärt Wolfgang Messing seine Motivation zum ehrenamtlichen Engagement in der Sprachförderung. Durch seine berufliche Erfahrung ist er mit fremden Kulturen vertraut und hat am eigenen Leibe erfahren, wie es sich anfühlt, in einem Land ein "Ausländer" zu sein.

"Wir müssen das schaffen", sind sich Messing und die als Sportkursleiterin  pädagogisch erprobte Pawelski-Scholz einig, wenn man sie auf Angela Merkels Feststellung: "Wir schaffen das!" anspricht. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen als Starthelfer und Sprachförderer für die Eulenkids von der Zunftmeisterstraße, sind sie zuversichtlich, "dass wir das schaffen, auch wenn das eine noch lange andauernde und schwierige Aufgabe bleibt!"  Voraussetzung dafür, dass die Zuwanderung und Zuflucht am Ende eine Erfolgsgeschichte der gelungenen Integration wird, ist nach ihrer Ansicht die Einsicht, "dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und Zuwanderer aus demografischen Gründen dringend braucht."

Hochachtung vor Lehrern und Engagement

Durch ihre eigene ehrenamtliche Arbeit an der GGS zwischen Stadtmitte und Eppinghofen hat sich bei ihnen eine Hochachtung vor der pädagogischen und menschlichen Leistung eingestellt, die dort täglich von Lehrerinnen und Lehrern erbracht wird. Ihnen würden Pawelski-Scholz und Messing kleinere Klassen und mehr Assistenzkräfte wünschen, um ihre Arbeit zu erleichtern. Mehr Informationen zum Thema findet man unter: www.cbe-mh.de oder persönlich beim CBE an der Wallstraße 7.

Dieser Text erschien am 10. Oktober 2018 in der Mülheimer Woche

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Styrumer Brückenschlag

Baudezernent Peter Vermeulen (r.) und Projektleiter Ralf Grunert
Mittwoch, 17. Oktober, 17 Uhr. Die Bauarbeiter an der Thyssenbrücke gehen in den Feierabend. Die Fraktionsmitglieder der CDU kommen mit dem Baudezernenten Peter Vermeulen und dem städtischen Projektleiter Ralf Grunert vom Amt für Verkehrswesen, um sich über den Stand der Dinge zu informieren.

Vermeulen und Grunert sind sich sicher. Ab dem 29. November wird die Straßenbahnlinie 112 wieder über die Thyssenbrücke fahren können und der Schienenersatzverkehr der Vergangenheit angehören. Bis der Autoverkehr wieder über die neu gebaute Brücke rollen kann, wird es nach ihrer Einschätzung aber noch bis Mai 2019 dauern. Dezernent und Projektleiter erinnerten an die besonderen Probleme, die sich durch Kampfmittelräumung, bis dahin unbekannte Versorgungsleitungen und falsch gelieferte Bauteile für den Neubau der vormals über 100 Jahre alten Brücke ergeben haben. An der Brückenbaustelle zwischen Neustadtstraße und Hauskampstraße sind bis 40 Arbeiter im Einsatz. Das Investitionsvolumen beziffert der Baudezernent mit 29 Millionen Euro, die voraussichtlichen Mehrkosten mit vier Millionen Euro.

Dieser Text erschien am 17. November im Lokalkompass

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Man(n) hört und lernt fürs Leben

Man(n) hört und lernt, zum Beispiel am Sonntagabend im Art-Shop an der Schloßstraße, als Eva Kurowski ihre Ballade vom schönen, aber armen Griechen singt, der bei der schönen, leider aber auch berechnenden Touristin aus Germania, die sich lieber an den dicken und kahlen Günter mit seiner Yacht heranmacht, keine Chance hat. So realistisch und brutal kann Poesie sein.
Ein anderer Poet, Bert Brecht, der uns die „Dreigroschenoper“ geschenkt hat, brachte zeitlos auf den Punkt: „Erst kommt das Fressen und dann kommt die Moral.“

Man(n) muss wohl einsehen, dass man(n) noch so sympathisch, liebenswert und humorvoll sein kann, wie man(n) will. Liebe geht eben nicht nur durch den Magen, sondern auch durch den Geldbeutel. Zu Ursachen, Hintergründen, Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre bessere Hälfte. Oder lassen Sie es lieber sein, wenn Ihnen Ihre Ehe lieb ist. Nehmen Sie es, ob mit oder ohne Yacht, mit Humor und bilden sich ein, dass Ihr Schatz Sie nicht wegen Ihrer Schätze, sondern wegen Ihrer Inneren Werte zu sich genommen hat. Denn wenn es ums Geld geht verstehen gerade die reich verheirateten Männer und Frauen keinen Spaß.

Dieser Text erschien am 16. Oktober 2018 in der NRZ

Dienstag, 16. Oktober 2018

Swingende Poesie

Es wäre zu viel gesagt, wenn man behaupten würde, dass das Art-Obscura-Team mit seinem Art-Shop an der Ecke Löhberg/Schloßstraße für blühende Landschaften gesorgt hätte. Doch nach der Workshop-Phase konnte man sich am Sonntagabend davon überzeugen, dass Bilder, Collagen, Installation und kolorierte Möbel Farbe, Form und Fröhlichkeit in den grauen Ladenleerstand des ehemaligen Waffelwunderlandes gebracht haben.

Dazu passte auch der farbige und fröhliche Abend, den Jazz-Sängerin Eva Kurowski und ihre Begleiter am Klavier, Dirk Balthaus, ihren Zuhörern im Art-Shop bereiteten. Mit toller Stimme, Poesie, Witz und einem Schuss Frivolität begeisterte Kurowski ihr Publikum. Und ihr Pianist, der Kurowski bereits als 16-Jähriger bei ihren Bühnenanfängen begleitet hat, fand immer die richtige musikalische Untermalung, um das gesungene und gesprochene Wort perfekt zu Gehör zu bringen. Mit ihren Jugenderinnerungen „Der liebe Gott schmiert keine Stullen“ nahm Kurowski ihr milde nickendes und lachendes Publikum mit auf ihre Zeitreise in die siebziger Jahre, als ihr musisch-marxistischer Vater noch für die Weltrevolution und den Weltfrieden trompetete und seine Tochter bei der Ostermärschen durchs Ruhrgebiet ihre ersten Gesangsauftritte erlebte. Dass sie, ganz der Vater, auch heute noch auf die Straße geht, um die Welt ein bisschen besser zu machen, unterstrich sie zwischen ihren Liedern über Liebe, Lust, Künstlerleben, Hoffnung, Verzweiflung, Klugheit, Dummheit und andere Lebenslagen mit ihrer Erzählung aus dem Hambacher Forst und den Demonstrationen gegen den Braunkohletagebau.

 „Das war schön da. Ich hatte das Gefühl, dass die Menschheit doch noch mal zu Verstand kommt und ihre Smartphones wegwirft oder zumindest nicht mehr auflädt.“ Die schönen und tragik-komischen Momente des Lebens wusste Kurowski in der zweiten Halbzeit ihres Kleinkunstabends im Art-Shop nicht nur mit Jazz-Balladen, sondern auch mit Aphorismen und Kurzgeschichten, wie der über Frau Papadopolou und ihren Badeanzug, der als vermeintlich fette Beute aus dem Mittelmeer gefischt wird, während seine Besitzerin die Vorzüge des Naktbadens entdeckt.

Dieser Text erschien am 16. Oktober 2018 in NRZ/WAZ

Montag, 15. Oktober 2018

Wer weist uns den Weg?


„Kann ich Ihnen helfen?“ Was für eine Frage. Auch wenn sich mir an schlechten Tagen der Eindruck aufdrängt, dass mir nicht mehr zu helfen sei, klingt dieser Satz doch fast so schön, wie: „Der Kaffee ist fertig!“ „Das hast du gut gemacht“oder: „Ich hab‘ dich lieb!“

Die unverhofft wohlklingende und wohltuende Frage überraschte mich, weil sie im Hauptbahnhof an mein Ohr drang und von einem freundlichen Mann ausgesprochen wurde, dessen Dienstkleidung ihn als Mitarbeiter der Deutschen Bahn auswies.

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die Deutsche Bahn, von der man als verspätungs- und ausfallgeplagter Fahrgast nichts mehr erwartet, außer ihre nächste unverdiente Fahrpreiserhöhung oder vielleicht die Erhöhung ihrer Vorstandsgehälter, fragt ihre Kunden persönlich, ob sie ihnen helfen kann.



Natürlich hätte ich den freundlichen und hilfsbereiten Mann von der Bahn bitten können, für preiswertere, dichtere und pünktlichere Zugverbindungen und für bescheidenere Vorstandsgehälter bei seinem Arbeitgeber zu sorgen. Doch ich wollte die angenehme Gesprächsatmosphäre im Vorbeigehen nicht vergiften, zumal der arme Mann, sicher nicht zu den Bahn-Mitarbeitern gehörte, die sich qua Amt und Gehaltsstufe mit der Beantwortung dieser Fragen beschäftigen müssen.



So beließ ich es angesichts der Tatsache, dass unsere Stadt aufgrund der Streckensperrungen und Bauarbeiten in den kommenden Herbstferientagen zur bahntechnischen Sackgasse degradiert wird, bei der naheliegenden Frage, wie ich, wenn es denn sein muss, nach Essen und Duisburg komme. Der Wegweiser machte seinem Namen alle Ehre und klärte mich darüber auf, welcher Schienenersatzbus bis zum 29. Oktober am Nordausgang des Hauptbahnhofes, wohin fährt. Die zielführenden Auskünfte des freundlichen Bahnmitarbeiters ließen in mir einen Hauch von Zuversicht und Orientierung aufkommen. Vielleicht sollten wir das Rathaus auch mal als politisch blockierte Dauerbaustelle mit rot-weißem Flatterband absperren und unsere Kommunalpolitiker per Schienenersatzverkehr in besser und wegweisender regierte Städte bringen lassen. Vielleicht könnten ihnen dort freundliche Kollegen als Wegweiser mal zeigen, wie man eine Stadt aus der Sackgasse herausführt. 



Dieser Text erschien am 15. Oktober 2018 in der NRZ




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