Montag, 15. Oktober 2018

Wer weist uns den Weg?


„Kann ich Ihnen helfen?“ Was für eine Frage. Auch wenn sich mir an schlechten Tagen der Eindruck aufdrängt, dass mir nicht mehr zu helfen sei, klingt dieser Satz doch fast so schön, wie: „Der Kaffee ist fertig!“ „Das hast du gut gemacht“oder: „Ich hab‘ dich lieb!“

Die unverhofft wohlklingende und wohltuende Frage überraschte mich, weil sie im Hauptbahnhof an mein Ohr drang und von einem freundlichen Mann ausgesprochen wurde, dessen Dienstkleidung ihn als Mitarbeiter der Deutschen Bahn auswies.

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die Deutsche Bahn, von der man als verspätungs- und ausfallgeplagter Fahrgast nichts mehr erwartet, außer ihre nächste unverdiente Fahrpreiserhöhung oder vielleicht die Erhöhung ihrer Vorstandsgehälter, fragt ihre Kunden persönlich, ob sie ihnen helfen kann.



Natürlich hätte ich den freundlichen und hilfsbereiten Mann von der Bahn bitten können, für preiswertere, dichtere und pünktlichere Zugverbindungen und für bescheidenere Vorstandsgehälter bei seinem Arbeitgeber zu sorgen. Doch ich wollte die angenehme Gesprächsatmosphäre im Vorbeigehen nicht vergiften, zumal der arme Mann, sicher nicht zu den Bahn-Mitarbeitern gehörte, die sich qua Amt und Gehaltsstufe mit der Beantwortung dieser Fragen beschäftigen müssen.



So beließ ich es angesichts der Tatsache, dass unsere Stadt aufgrund der Streckensperrungen und Bauarbeiten in den kommenden Herbstferientagen zur bahntechnischen Sackgasse degradiert wird, bei der naheliegenden Frage, wie ich, wenn es denn sein muss, nach Essen und Duisburg komme. Der Wegweiser machte seinem Namen alle Ehre und klärte mich darüber auf, welcher Schienenersatzbus bis zum 29. Oktober am Nordausgang des Hauptbahnhofes, wohin fährt. Die zielführenden Auskünfte des freundlichen Bahnmitarbeiters ließen in mir einen Hauch von Zuversicht und Orientierung aufkommen. Vielleicht sollten wir das Rathaus auch mal als politisch blockierte Dauerbaustelle mit rot-weißem Flatterband absperren und unsere Kommunalpolitiker per Schienenersatzverkehr in besser und wegweisender regierte Städte bringen lassen. Vielleicht könnten ihnen dort freundliche Kollegen als Wegweiser mal zeigen, wie man eine Stadt aus der Sackgasse herausführt. 



Dieser Text erschien am 15. Oktober 2018 in der NRZ




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