Sonntag, 21. Oktober 2018

Gutes für Körper und Seele

Das Brautpaar, das an diesem Sonntag am Schloss Broich aus seiner schwarzen Limousine aussteigt, wirkt in seiner festlichen Garderobe und mit seiner glücklichen Ausstrahlung wie bestellte Werbeträger für die Glüxx-Messe, die zeitgleich im Rittersaal und im Wappenzimmer von Schloss Broich Menschen anzieht, die sich wie das Brautpaar ein XXL-Stück vom Glück abschneiden wollen, in dem sie etwas für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden tun. Es fällt auf: Die meisten Messebesucher bewegen sich in der Lebensmitte. Viele tun bereits etwas für ihre Gesundheit. Andere müssen nach einer Erkrankung etwas für ihre Genesung tun.

Eine Duisburgerin in den Fünfzigern interessiert sich „nach einer schweren Erkrankung“ für ein Saftkonzentrat aus über 70 Obst- und Gemüsesorten, das mit Wasser verdünnt getrunken, die Regeneration ihrer Zellen fördern soll. Anders, als ihre bessere Hälfte kann sich die Dame auch für die 20-minütige Trainingseinheit begeistern, die unter Zuhilfenahme von niedrig-frequentem Strom zeitsparend über 90 Prozent der Muskelfasern stimuliert.

Anregungen findet man im Schloss allemal. Wie wäre es mit äthrischen Ölen, die den gestressten Zeitgenossen von der Palme auf den Boden der Tatsachen holen. Auch Astrid Heisig und Taddäus Mildner, die Hand- und Körpermassagen anbieten, mit denen der Blut- und Energiekreislauf wieder in Schwung kommt, haben an diesem Tag alle Hände voll zu tun.

„Ich fühle mich sehr entspannt und warm. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, als habe jemand die Heizung um 15 Grad hochgedreht“, beschreibt eine Mülheimerin mittleren Alters ihr Befinden, nach dem sie 25 Minuten lang von Mildner massiert worden ist.

Ernährungsberaterin Monika Bentele erstaunt ihre Gesprächspartner nicht nur mit dem Hinweis, dass die Lebensmittelindustrie die Zahl unserer „Lebensmittel in den letzten 100 Jahren um 80 Prozent hat ansteigen lassen.“ Auch mit ihren Beuteln voller Zuckerwürfel, mit denen sie die versteckten Zuckeranteile in Lebensmitteln zutage fördert, sorgt sie für nachdenkliche Gesichter. Wer hätte das vermutet? 49 Zuckerklümpchen stecken in der Tüte mit den Gummibärchen und in der Flasche mit dem Tomaten-Ketchup. Der herzhafte Leberkäse, der vorgefertigte Rotkohl aus dem Glas und das vermeintlich gesunde Müsli aus der bunten Supermarktpackung haben es mit 26 Zuckerstücken in sich. Dagegen nimmt sich der Soßenbinder mit 19 Zuckerwürfeln schon fast bescheiden aus.

Die gute Nachricht lautet: Wallnüsse haben einen hohen Fettanteil, sind aber wahnsinnig gut fürs Gehirn. Dagegen kann der vitaminreiche Apfel seine energetische und physiologische Wirkung nur dann voll entfalten, wenn er nicht abends, sondern am besten in der ersten Tageshälfte genossen wird.
„Unser auf Schnelligkeit und Leistung getrimmter Lebensstil fordert uns Menschen viel ab und sorgt dafür, dass wir nicht mehr das bekommen, was wir am nötigsten brauchen, nämlich Ruhe und Nährstoffe. Solange die Pharmareferenten eine so starke politische Lobby haben, muss jeder für sich selbst sorgen“, erklärt Messebesucher Thomas Jeschke aus Wuppertal, warum er sich an diesem Sonntag auf den Weg nach Mülheim gemacht hat.

Dieser Text erschien am 21. Oktober 2018 in NRZ & WAZ

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