Sonntag, 28. Oktober 2018

Der menschliche Glutkern

Die Katholische Akademie Die Wolfsburg und die ökumenische Telefonseelsorge luden zu einem vielseitigen Seelen-Gespräch in die Duisburger Kulturkirche Liebfrauen ein.



Die Podiumsteilnehmer
Das Kirchenschiff am König-Heinrich-Platz war gut gefüllt. Wenn es um die Seele geht, geht es für Christen ans Eingemachte. Das Publikum war interessiert und gespannt zugleich, als Olaf Meier von der ökumenischen Telefonseelsorge, der Neurowissenschaftler Michael Huber und der Theologe Pater Elmar Salman zu ihren Impulsreferaten antraten.

Als nach den „Experten“ die Zuhörer zu Wort kamen, war die Ernüchterung mit Händen zu greifen. „Sie haben die Faszination der Seele gar nicht herausgearbeitet.“ „In ihrer Diskussion kam das Wort Gefühl kein einziges Mal vor.“ Und: „Für mich war Ihr Gespräch nicht so erbaulich, wie ich es erhofft hatte“, bekamen die Podiumsteilnehmer zu hören. „Eine Diskussion über die Seele, die nicht zu verorten ist, ist eben nicht immer erbaulich“, räumte Pater Elmar ein. Und Moderator Jens Oboth von der Katholischen Akademie machte deutlich: „Dieser Abend kann keine endgültigen Antworten liefern. Aber er kann Sie zum Weiterdenken inspirieren!“

Das hörte sich nicht wirklich ergiebig an. Und doch war der Abend in der Kulturkirche für seine Besucher nicht vergebens. Aufschlussreich war allein schon die Konfrontation zwischen den katholischen Theologen Meier und Salmann auf der einen Seite und dem Neurowissenschaftler Huber auf der anderen Seite.

Auch wenn der Neurowissenschaftler zugab: „Ohne Gefühl ist unserem Leben alles nichts“, machte er im Namen seiner Zunft doch auch unmissverständlich deutlich: „Wenn jemand im Gehirn den Schalter umlegt und kein Strom mehr fließt, dann ist alles aus.“ Ausgesprochen verblüfft reagierte das Publikum auf die neurowissenschaftliche Erkenntnis, „dass die Neuronen in unserer Gehrinrinde zu 95 Prozent nur mit sich selbst verbunden sind und sich unser Gehirn deshalb zum größten Teil nicht mit der Außenwelt, sondern mit seiner eigenen Innenwelt auseinandersetzt.“ Und es kam noch dicker. Huber wies darauf hin, dass es elektrophysiologisch in unserem Gehirn keinen feststellbaren Unterschied zwischen unseren Wach- und unseren Traum-Zuständen gibt. Der Neurowissenschaftler sprach in diesem Zusammenhang vom menschlichen „Dösen in Wahrnehmungsschleifen.“ Der Normalzustand sei der, dass das Gehirn nur ganz selten die Fenster zur Außenwelt aufmache, es sei denn, wir würden durch traumatisches Erlebnis in allen unseren Sinnen angesprochen und so aus unserem Wach-Traum gerissen.

Na, dann. Gute Nacht? Das wollten die beiden Seelsorger so nicht stehen lassen, ebenso wenig, wie Hubers neurowissenschaftliche Sicht, „dass unser Ich eine Konstruktion unseres Gehirms ist.“

Pater Elmar würdigte unser Gehirn „als unser Beziehungsorgan,“ und unsere Seele, als den nicht zu verortenden Ort, „an dem wir ganz bei uns sind und aus der Leere schöpferische Kreativität erwachsen kann.“

Olaf Meier als „den nicht bestimmbaren, aber deshalb nicht weniger relevanten Ort, an dem wir als Menschen am authentischsten und warmherzigsten sind, weil wir uns mit Gott und den Menschen universell verbunden fühlen und deshalb auch Hoffnung verkörpern können.“ Deshalb wollte Meier für sich auch nicht von der Vision einer ewigen Glückseligkeit im Himmlischen Jerusalem nicht lassen. Seiner aktuell angegriffenen Kirche empfahl Meier denn auch vor dem Hintergrund seiner Telefonseelsorge, die Wiederentdeckung und Stärkung der Seelsorge, „die Menschen wertschätzt, sich für sie Zeit nimmt, mit ihnen zusammen die Widersprüche des Lebens aushält und ihnen so Hoffnung und Halt geben kann.“ Da wollte auch Pater Elmar nicht nachstehen und betonte: „Gute Seelsorge stärkt die Seele, die uns trägt und gemeinsam stark sein lässt, in dem wir uns gegenseitig anregen und bereichern. Seelsorge gibt Menschen den Raum zum Atmen, in dem sie sich selbst und damit in letzter Konsequenz auch Gott auf die Spur kommen.



      Privatdozent Dr. Michael Huber, studierte in den 1970er Jahren Medizin, Psychologie und Philosophie in Münster und Hamburg. Er lebt und arbeitet in Köln und Zürich als medizinischer Gutachter und als Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische, Psychotherapie, Psychoanalyse und Psychotherapie

      Prof. Dr. Pater Elmar Salmann wurde 1948 in Hagen geboren. Er studierte in den 60er und 70er Jahren katholische Theologie und trat in die Benediktinerabtei Gerleve ein. In den 1990er und 2000er Jahren lehrte er als Professor Theologie und Philosophie an den päpstlichen Universitäten in Rom. Bis heute arbeitet der 1972 zum Priester geweihte Theologe als Seelsorger.

      Der Diplom-Theologe und Diplom-Psychologe Olaf Meier leitet die ökumenische Telefonseelsorge, die aktuell von 120 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet wird. Die Telefon-Seelsorge ist rund um die Uhr unter den kostenfreien Rufnummern: 0800-1110111 und: 0800-1110222 erreichbar.

Dieser Text erschien am 13. Oktober 2018 im Neuen Ruhrwort

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