Freitag, 25. September 2015

Immer mehr schulpflichtige Schüler müssen in Mülheim unterrichtet werden: Ist das eine zweite Chance für alte Schulen?


Auch das Schulleben ist eine Baustelle. Bisher ging die Mülheimer Schulentwicklungsplanung vor dem Hintergrund des demografischen Wandels von rückläufigen Schülerzahlen aus. Die Statistiker der Stadt prognostizierten, dass die Zahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen bis 2025 um 8,4 Prozent zurückgehen könnte.

Folge: Schulstandorte wurden aufgegeben, fusioniert oder umgewidmet. Doch jetzt könnte es anders kommen. Denn mit den Flüchtlingsfamilien kommen auch immer mehr Kinder und Jugendliche in die Stadt. „Derzeit werden an den 36 Mülheimer Schulstandorten 656 Seiteneinsteiger unterrichtet. Bis Ende des Jahres rechnen wir mit 1000 schulpflichtigen Flüchtlingen“, skizziert die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums, Martina Kleinewegen, die absehbare Entwicklung. „Bis Ende des Jahres wird der vorhandene Schulraum aber wohl ausreichen“, glaubt Kleinewegen.

Doch weil die Stadt mit weiter steigenden Flüchtlingszahlen rechnet, prüfen Schulamt und Kommunales Integrationszentrum derzeit weitere Raumressourcen. „Wir arbeiten an einer Beschlussvorlage für die nächste Sitzung des Bildungsausschusses, die am 30. November stattfinden wird“, sagt Kleinewegen.

Weder sie noch Schuldezernent Ulrich Ernst wollen die Reaktivierung auslaufender oder stillgelegter Schulstandorte ausschließen. „Dass die Max-Kölges-Schule an der Bruchstraße, wie vom Rat beschlossen, im Sommer 2016 geschlossen wird, ist erst einmal so. Aber es kann sein, dass wir bestehende Schulstandorte weiter für schulische Zwecke nützen müssen. Und dazu könnte dann auch die heutige Max-Kölges-Schule an der Bruchstraße gehören, vielleicht als Außenstelle einer anderen Schule.“, erklärt Schuldezernent Ernst. In welcher Schulform das auch organisatorisch und rechtlich geschehen könnte, wird von der Stadt jetzt geprüft. „Für die Integration der schulpflichtigen Flüchtlinge gilt, was für die Unterbringung der Flüchtlinge auch gilt: Wir müssen alle uns zur Verfügung stehenden Ressourcen und Räume nutzen“, betont die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums.

Kleinewegen weist darauf hin, dass inzwischen alle Mülheimer Schulstandorte an der Integration der Seiteneinsteiger mitwirken. Sie selbst arbeitet seit fast 30 Jahren in diesem Bereich. „Anders, als bei der Flüchtlingswelle, die uns in den frühen 90er Jahren erreichte, haben wir es heute in fast allen Fällen mit hoch motivierten Schülern zu tun“, weiß Kleinewegen. Neben bereits gut gebildeten Flüchtlingskindern, etwa aus Syrien und Afghanistan, denkt sie dabei auch an einen irakischen Jungen, der in wenigen Monaten alphabetisiert werden konnte und inzwischen sogar am Regelunterricht einer Realschule teilnimmt. „Der Junge wird bestimmt sein Abitur machen“, glaubt Kleinewegen.

Doch weil die Zahl der schulpflichtigen Flüchtlinge, die mit sehr unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen weiter steigt und ein Ende dieser Tendenz nicht absehbar ist, ist man von der sofortigen Integration in den Regelunterricht abgekommen.

Stattdessen sind jetzt internationale Vorbereitungsklassen das Mittel der Wahl. In diesen separaten Klassen können sich Flüchtlingskinder und Jugendliche, angeleitet von speziell qualifizierten Lehrkräften, zunächst ganz auf den Erwerb der deutschen Sprache konzentrieren, bevor sie schrittweise in den Regelunterricht integriert werden.

Weil mit den schulpflichtigen Flüchtlingen die Schülerzahlen steigen, bekommen die Schulen auch mehr Lehrer. Das Schulamt und das kommunale Integrationszentrum beraten die Schulen deshalb nicht nur pädagogisch, sondern auch bei der Antragsstellung an die zuständige Bezirksregierung.

Grundsätzlich gilt: 22 Schüler schaffen das Anrecht auf eine Lehrerstelle und 20 Seiteneinsteiger schaffen das Recht auf eine halbe Lehrerstelle.


Dieser Text erschien am 19. September 2015 in der NRZ

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