Sonntag, 16. August 2015

Reicher, aber nicht glücklicher: Pastor Constant Leke aus Kamerun berichtet darüber, welche Erfahrungen er als seelsorgerischer Entwicklungshelfer im Ruhrbistum gemacht hat.


Pastor Constant Leke
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Mülheim an der Ruhr ist multikulturell. Hier leben Menschen aus mehr als 100 Nationen zusammen. Da passt ein katholischer Pastor aus Kamerun ins Bild. Seit fast zwei Jahren leitet Pastor Constant Leke nicht nur die Styrumer Gemeinde St. Mariae Rosenkranz, sondern auch die englischsprachige kamerunische Gemeinde des Bistums, die ihre Gottesdienste in der Styrumer Marienkirche feiert und die französischsprachige Gemeinde, für die St. Gertrud in Essen zur Heimat geworden ist. Im Gespräch mit dem Neuen Ruhrwort berichtet der 36-jährige Geistliche von seinen Erfahrungen als Seelsorger in Deutschland.

??? Sie wurden vor zwei Jahren vom Bischof ihrer Heimatdiözese Mamfe nach Mülheim geschickt, um hier in St. Mariae Rosenkranz die Nachfolge Pastor Norbert Dudek anzutreten, der als Pfarrer nach St. Marien in Schwelm wechseln musste. Obwohl sie vorher noch nie in Deutschland waren und kein Wort Deutsch sprachen, beherrschen Sie, dank intensiver Sprachkurse, inzwischen nicht nur die englische und französische, sondern auch die deutsche Sprache. Wie gut fühlen Sie sich in Ihrer neuen Gemeinde integriert?

!!! Ich fühle mich hier inzwischen sehr wohl und habe keine Probleme mehr. Der Anfang war schwer und die Integration in die Gemeinde ging zunächst nur sehr langsam Schritt für Schritt voran. Doch je besser ich die für mich schwere deutsche Sprache sprechen und verstehen kann, ist auch meine Integration in die Gemeinde gewachsen, weil ich jetzt mit ihnen sprechen und sie verstehen kann.

??? Als Seelsorger arbeitet man vor allem mit dem Wort. Fällt es Ihnen heute leicht in deutscher Sprache zu predigen oder ein seelsorgerisches Gespräch zu führen?

!!! Mein Deutsch ist noch nicht perfekt und ich arbeite jeden Tag daran, dass es noch besser wird. Ich kann inzwischen deutsch predigen und auch meine Lesungen in deutscher Sprache halten. Meine Predigten schreibe ich immer noch in englischer Sprache und übersetze sie dann ins Deutsche. Das funktioniert ganz gut, vor allem dann, wenn ich betont langsam spreche. Ich habe auch kein Problem mehr damit, Tauf,- Trau- und Trauergespräche zu führen. Das Feed Back, das ich bekomme, zeigt mir, dass die Leute mich auch dann verstehen, wenn mein Deutsch noch nicht perfekt ist. Aber es gibt auch einige Gemeindemitglieder, die sich für ein Gespräch über ihre speziellen persönlichen Anliegen einen deutschen Priester wünschen, der natürlich besser deutsch spricht, als ich das kann.

??? Zu welchem Ergebnis kommen Sie, wenn Sie ihre Erfahrungen als Seelsorger in Kamerun und Deutschland miteinander vergleichen?

!!! Die Lebenswirklichkeit in Kamerun ist eine ganz andere, als in Deutschland. Sie haben kein Problem mit dem Glauben. Denn Afrika ist ein sehr glaubensstarker Kontinent. Die Menschen in Kamerun haben aber ein Problem damit, dass viele von ihnen an die Existenz des Teufels glauben und deshalb davon ausgehen, dass bei den schlechten Dingen, die ihnen im Leben widerfahren, egal, ob sie krank sind oder nachts nicht schlafen können, der Teufel sein Hand im Spiel gehabt hat. Dann kommen sie zum Priester und bitten ihn, für sie zu beten. In Deutschland habe ich noch von niemandem gehört, dass er an die Existenz des Teufels, der für ihre Probleme verantwortlich sein könnte. In Deutschland sind die Menschen aber nicht sicher in ihrem Glauben an Gott. Viele Menschen sagen mir in Gesprächen, dass sie nicht sicher sind, ob Gott überhaupt existiert.

??? Woher kommen diese Glaubenszweifel?

!!! Die Gesellschaft in Deutschland ist sehr stark säkularisiert. Viele Kinder wachsen ohne Religion und Gottesdienste auf. Sie sind von der Kirche getrennt oder gehen nur selten in die Gottesdienste, so dass ihr Glaube von Anfang an nicht stark ist. Außerdem geht es den Menschen in Deutschland, anders, als den Menschen in Kamerun materiell sehr gut. Sie haben weniger materielle Probleme. Deshalb denken sie nicht so viel an Gott. Das ist eine menschliche Erfahrung. Wer wohlhabend wird und keine existenziellen Probleme hat, denkt und glaubt weniger an Gott. Dagegen können Krankheit und Not Menschen zum Glauben an Gott bringen.

??? Aber auch in Deutschland haben Menschen Probleme und nicht alle sind hier wohlhabend.

!!! Ja, natürlich. Aber sie glauben nicht an Gott, sondern an Fachleute, die ihre Probleme lösen. In Deutschland sind viele Menschen depressiv. Aber sie gehen mit ihren Problemen zu einem Psychologen und nicht zu einem Priester. In Kamerun gehen die Menschen mit solchen seelischen Problemen immer zuerst zu einem Priester.

??? Hat die Kirche in Deutschland hier etwas falsch gemacht, wenn Menschen mit seelischen Problemen lieber zum Psychologen, als zum Priester gehen?

!!! Ich denke, das Grundproblem ist der fehlende Glaube an die Existenz Gottes. Denn auf diesem Glauben basiert alles. Und erst dieser Glaube und das daraus wachsende Gottvertrauen, wird Menschen in Lebenskrisen auch dazu bringen, den seelsorgerischen Rat eines Priesters zu suchen und seine Hilfe anzunehmen.

??? Aber es gibt ja nicht nur die Glaubenden und die Ungläubigen, sondern auch die Zweifelnden, die glauben wollen.

!!! Ja, und die kann man nur erreichen, wenn man auf sie zu geht und mit ihnen ganz konkret und offensiv mit ihnen über die Grundlagen des christlichen Glaubens spricht und ihnen die Hoffnung vermittelt, die uns als Christen im Leben trägt. Ich tue das, in dem ich in Einzelgesprächen, aber auch in Familien und Gruppen über ihren und meinen Glauben spreche. Aber, dass ist nicht immer leicht und braucht vor allem viel Zeit. Man darf nicht glauben, dass ein oder zwei Gespräche ausreichen würden, um Menschen vom Glauben an Jesus Christus zu überzeugen.

??? Warum tun sich die Menschen in Ihrer Heimat Kamerun so viel leichter zu glauben?

!!! In Kamerun ist die Kirche noch sehr jung und sehr stark. Viele Menschen leben in Dörfern und in starken gewachsenen Traditionen. Es gibt kein Problem mit dem Respekt vor Eltern und Priestern. Deshalb tun sich die Menschen leichter damit, zu glauben, was ihnen Autoritätspersonen, wie ihre Eltern oder ihr Priester sagen. Ganz anders ist das in dem stark technisierten und industrialisierten Deutschland. Hier glauben die Menschen an die Wissenschaft und die Technik. Hier wird jeder und alles in Frage gestellt.

??? Sind die materiell ärmeren Menschen in Kamerun am Ende glücklicher, als die im Weltmaßstab vergleichsweise reichen Deutschen?

!!! Ich glaube, dass die meisten Menschen in Kamerun glücklicher sind, als in Deutschland, obwohl sie materiell betrachtet wesentlich weniger haben. Das liegt daran, dass die meisten Menschen in Kamerun innerhalb Dorfgemeinschaft leben, in der sie ihre Nachbar kennen und leicht miteinander in Kontakt kommen. Es gibt christliche Nachbarschaftgruppen, die sich einmal in der Woche treffen, um gemeinsam zu beten und in der Bibel zu lesen. Der Unterschied besteht darin, dass die Menschen in Kamerun nicht so viel arbeiten wie in Deutschland. Das Leben in Kamerun ist einfacher als in Deutschland und die Menschen haben mehr Freizeit, um sich zu treffen und gemeinsam etwas zu tun. In Deutschland sind viele Menschen sehr einsam. Es ist aber auch schwer, mit Nachbarn in Kontakt zu kommen. In unseren Gemeindegruppen, die sich auch nach den Gottesdiensten treffen, um zum Beispiel gemeinsam zu frühstücken, sehe ich vor allem ältere Frauen, aber nur wenige ältere Männer.

??? Was haben Sie als Priester und Seelsorger aus Kamerun in Deutschland gelernt?

!!! Ich habe gelernt, dass die Menschen hier keine langen Gottesdienste mögen, in denen nicht nur viel gesungen, sondern auch getanzt wird, weil sie wenig Zeit dafür haben. Und ich habe gelernt, das Priester hier keine unangefochtenen Autoritätspersonen sind und deshalb stärker auf Menschen zugehen und nicht alleine bestimmen, sondern mit ihnen zusammenarbeite müssen. Das hat auch Vorteile, weil es so weniger Distanz zwischen dem Priester und seiner Gemeinde gibt und in der Zusammenarbeit so etwas, wie ein Teamgeist entstehen kann.

Als Pastor von St. Mariae-Rosenkranz hat Constant Leke untere anderem ein Gospelchor und das Hilfswerk Mamfe Charity gegründet, das mit Blick auf Schulbildung und Gesundheitsversorgung bedürftige Kinder und Jugendliche in seinem kamerunischen Heimat-Bistum Mamfe unterstützt.

Auch der Erlös seines Buches „Der Himmel auf Erden“, in dem Pastor Leke auf 56 Seiten seine Erfahrungen in Deutschland beschreibt, kommt Mamfe Charity zugute.  Sein Buch ist für 10 Euro bei Burglind Werres (Rufnummer 0177/9276974 oder E-Mail: burglind_we@yahoo.com) zu bestellen. Wer Mamfe Charity unterstützten möchte und Gospel mag, sollte am 18. September um 19 Uhr das Konzert des Gospelchores IN HIS PRESENTS in der Pfarrkirche St. Barbara (am Schildberg 84) in Mülheim-Dümpten besuchen. Weitere Informationen im Internet unter www.barbarakirche.de oder telefonisch im Pfarrbüro unter 0208/71313 sowie bei Burglind Werres.

Dieser Text erschien am 25. Juli 2015 im Neuen Ruhrwort

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