Jana und Sarah Jabr sind 13 und elf Jahre alt. Angelika Romeik ist 69, Klaus Heienbrok 72 und Peter Mostard 79. Was sie über die Generationsgrenzen hinweg vereint, ist die Erfahrung von Krieg. Alle haben als Kinder erlebt, was Krieg bedeutet. Über ihre Erlebnisse, die zum Teil bis heute nachwirken, berichteten sie jetzt als Zeitzeugen und auf Einladung des Friedensforums im Agenda-Lokal an der Friedrichstraße. Für Jana und Sarah sind ihre Kriegserinnerungen noch sehr frisch. Sie wirken sehr ruhig und gefasst, aber auch ernst und ein wenig in sich gekehrt, als sie von einem israelischen Bombenangriff berichten, den sie im Sommer 2006 während des Libanon-Krieges erlebten. Eben noch hatten sie mit ihren Verwandten Kaffee getrunken. Da fielen Bomben und ließen den Familienbesuch im Sommerurlaub zum Alptraum werden. Jana erinnert sich daran, dass alle weinten. Eine Bombe war in das Nachbarhaus eingeschlagen. Es brannte. Alle liefen um ihr Leben, mussten später in einem Keller übernachten, konnten aber nicht nur in dieser Nacht nicht schlafen. Lange haben Jana und Sarah noch von ihren traumatischen Kriegserlebnissen und ihrer überstürzten Abreise über Syrien und Ägypten, zurück ins friedliche Deutschland geträumt. Jetzt haben sie ihr Trauma scheinbar überwunden. Sogar Silvesterknaller sind für sie kein Problem. Doch wenn Jana im Fernsehen die Kriegsbilder aus Afghanistan und dem Irak sieht, spürt sie wieder diese ohnmächtige Trauer, Angst und Wut von damals. Und wenn sie dann an die Kinder denkt, die immer noch unter Krieg und Bombenterror leiden müssen, kommen ihr manchmal die Tränen.
Angelika Romeik (rechts) zündet sich manchmal gerne eine Kerze an, aber vor offenem Feuer hat sie Angst. Warum das so ist, konnte sie lange nicht begreifen, bis ihre älteren Geschwister sie an jene Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 erinnerten, als Mülheim den schlimmsten Luftangriff des Zweiten Weltkrieges erlebte. Romeik hatte bis dahin keine bewusste Erinnerung an den Feuersturm dieser Nacht. Doch als sie erfuhr, dass sie diesen Luftangriff zusammen mit ihrem Bruder Karl in einem Kinderbett überlebte, weil ein umgekippter Kleiderschrank zum „hölzernen Schutzengel wurde“ und Gesteinsbrocken, Bomben- und Glassplitter von dem Kinderbettchen abhielt. Jetzt wurde Romeik, die damals keine vier Jahre alt war, auch klar, warum sie bis heute immer wieder von ihrer Lieblingspuppe Erika träumt, die ihre Großmutter für sie genäht hatte und die in einem großen Feuer unrettbar verbrannte. Als Kriegskind kann sich Romeik sehr gut vorstellen, wie traumatische Kriegserlebnisse, „Menschen für ihr Leben zeichnen und kaputt machen können.“ Um so wichtiger ist es für sie, offen über das zu sprechen, was im Krieg passiert - und deshalb engagiert sie sich auch konsequent im Friedensforum.
Peter Mostard, (links) der bei Kriegsausbruch neun Jahre alt war, macht in seiner Erinnerung keinen Hehl daraus, dass er als Kind den Krieg auch spannend fand. Er wuchs im linksrheinischen Meerbusch auf, war erst im Jungvolk und später in der Hitler-Jugend. Dort mit Fackeln und Fahnen hinter einem Fanfarenchorps zu marschieren, machte auf den Jungen ebenso Eindruck, wie die kriegsverherrlichende Pflichtlektüre. Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ oder Felix Dahns „Der Kampf um Rom.“ Abenteuerlich fand er es auch, 1940 mit seinen Kameraden für die Wehrmachtstruppen, Spalier zu stehen, die vom Westfeldzug heimkehrten. Mit seinen Altersgenossen begeisterte er sich vor allem für die Waffentechnik, die er sah: Panzer und Kanonen. Dass es auch damals Menschen gab, die mit Hitler und seiner Kriegspolitik nicht einverstanden waren, erlebte er am Beispiel eines Kaplans, der sich nach der Kapitulation Frankreichs weigerte, die Glocken läuten zu lassen. Der Kaplan wurde wenig später zum Gestapo-Verhör abgeholt, kam aber nach einer Woche wieder zurück.Dass Krieg kein Kinderspiel ist, begriff Mostard erst, als er 1944 als Melder im bombardierten Krefeld und später dem Ausheben von Panzersperrgräben in Venlo eingesetzt wurde. Da sah er erstmals brennende Häuser und Tote, hatte den süßlichen Verwesungsgeruch in der Nase und geriet bei Tieffliegerangriffen selbst in Lebensgefahr. Da schlug die kindliche Abenteuerlust in Angst um und das Gefühl: „Wie kommst du hier heil heraus“. Nachdenklich machte ihn der Anblick der abgekämpften Wehrmachtssoldaten, deren Rückzug er im Frühjahr 1945 beobachten konnte; der Bericht eines Schulfreunds, der als Soldat in Kriegsgefangenschaft geraten; die Nachricht von zwei Mitschülern, die in den letzten Tagen des Krieges als Soldaten getötet worden waren. Da begriff er, dass Krieg keine Heldentat ist, sondern ein Verbrechen an der Menschlichkeit.
"Angst, Bomben, Schreie“, so beschreibt der ehemalige Leiter der Evangelischen Akademie, Klaus Heienbrok, die Erinnerung an seine Soester Kindheit im Krieg. Als der Zweite Weltkrieg 1945 zu Ende ging, war er gerade einmal sieben Jahre alt. 1943 erlebte der Erstklässler seinen ersten Luftangriff. Weil seine Volksschule nicht genug Luftschutzräume hatte, wurde er während des Alarms nach Hause geschickt. Er lief. Doch die Bomber kamen schneller als erwartet. Noch heute sieht er die Haustür vor sich, die sich ihm öffnete und einen Ausweg in einen rettenden Luftschutzkeller frei machte. Es krachte. Es wurde geweint und gebetet. Als er wieder herauskam, brannten draußen die Häuser, lagen Tote auf der Straße. Ähnliches erlebte er beim Großangriff auf Soest am Nikolaustag 1944.Unvergessen ist für ihn auch die Erinnerung an das Kriegsende 1945. Es war Ostern. Der Festtagskuchen stand auf dem Tisch. Da forderten Lautsprecherwagen die Menschen auf, ihre Stadt zu verlassen, damit die sie von der Wehrmacht gegen die anrückenden Amerikaner verteidigt werden könne. Mit Mutter, Bruder, Tante und Vetter lud er ein paar Habseligkeiten auf einen Bollerwagen. Dann begann der lange Marsch aufs Land. Dort fand man Unterschlupf auf einem mit Flüchtlingen überfüllten Bauernhof. Nach zwei Tagen ging der Proviant aus. Die letzten Marmeladengläser waren bei einem Tieffliegerangriff zu Bruch gegangen. Doch dann kamen die Amerikaner und mit ihnen die Freiheit. Mit einem am Bollerwagen festgebundenen weißen Taschentuch, ging es wieder nach Hause - wo noch der Osterkuchen auf dem Tisch stand.Später, 1966, hat Heienbrok auch deshalb als Freiwilliger in einem israelischen Kibbuz gearbeitet, um, wie er selber sagt: „die deutsche Geschichte abzuarbeiten und einen persönlichen Beitrag zum Frieden durch Versöhnung zu leisten.“
Angelika Romeik (rechts) zündet sich manchmal gerne eine Kerze an, aber vor offenem Feuer hat sie Angst. Warum das so ist, konnte sie lange nicht begreifen, bis ihre älteren Geschwister sie an jene Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 erinnerten, als Mülheim den schlimmsten Luftangriff des Zweiten Weltkrieges erlebte. Romeik hatte bis dahin keine bewusste Erinnerung an den Feuersturm dieser Nacht. Doch als sie erfuhr, dass sie diesen Luftangriff zusammen mit ihrem Bruder Karl in einem Kinderbett überlebte, weil ein umgekippter Kleiderschrank zum „hölzernen Schutzengel wurde“ und Gesteinsbrocken, Bomben- und Glassplitter von dem Kinderbettchen abhielt. Jetzt wurde Romeik, die damals keine vier Jahre alt war, auch klar, warum sie bis heute immer wieder von ihrer Lieblingspuppe Erika träumt, die ihre Großmutter für sie genäht hatte und die in einem großen Feuer unrettbar verbrannte. Als Kriegskind kann sich Romeik sehr gut vorstellen, wie traumatische Kriegserlebnisse, „Menschen für ihr Leben zeichnen und kaputt machen können.“ Um so wichtiger ist es für sie, offen über das zu sprechen, was im Krieg passiert - und deshalb engagiert sie sich auch konsequent im Friedensforum.
Peter Mostard, (links) der bei Kriegsausbruch neun Jahre alt war, macht in seiner Erinnerung keinen Hehl daraus, dass er als Kind den Krieg auch spannend fand. Er wuchs im linksrheinischen Meerbusch auf, war erst im Jungvolk und später in der Hitler-Jugend. Dort mit Fackeln und Fahnen hinter einem Fanfarenchorps zu marschieren, machte auf den Jungen ebenso Eindruck, wie die kriegsverherrlichende Pflichtlektüre. Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ oder Felix Dahns „Der Kampf um Rom.“ Abenteuerlich fand er es auch, 1940 mit seinen Kameraden für die Wehrmachtstruppen, Spalier zu stehen, die vom Westfeldzug heimkehrten. Mit seinen Altersgenossen begeisterte er sich vor allem für die Waffentechnik, die er sah: Panzer und Kanonen. Dass es auch damals Menschen gab, die mit Hitler und seiner Kriegspolitik nicht einverstanden waren, erlebte er am Beispiel eines Kaplans, der sich nach der Kapitulation Frankreichs weigerte, die Glocken läuten zu lassen. Der Kaplan wurde wenig später zum Gestapo-Verhör abgeholt, kam aber nach einer Woche wieder zurück.Dass Krieg kein Kinderspiel ist, begriff Mostard erst, als er 1944 als Melder im bombardierten Krefeld und später dem Ausheben von Panzersperrgräben in Venlo eingesetzt wurde. Da sah er erstmals brennende Häuser und Tote, hatte den süßlichen Verwesungsgeruch in der Nase und geriet bei Tieffliegerangriffen selbst in Lebensgefahr. Da schlug die kindliche Abenteuerlust in Angst um und das Gefühl: „Wie kommst du hier heil heraus“. Nachdenklich machte ihn der Anblick der abgekämpften Wehrmachtssoldaten, deren Rückzug er im Frühjahr 1945 beobachten konnte; der Bericht eines Schulfreunds, der als Soldat in Kriegsgefangenschaft geraten; die Nachricht von zwei Mitschülern, die in den letzten Tagen des Krieges als Soldaten getötet worden waren. Da begriff er, dass Krieg keine Heldentat ist, sondern ein Verbrechen an der Menschlichkeit.
"Angst, Bomben, Schreie“, so beschreibt der ehemalige Leiter der Evangelischen Akademie, Klaus Heienbrok, die Erinnerung an seine Soester Kindheit im Krieg. Als der Zweite Weltkrieg 1945 zu Ende ging, war er gerade einmal sieben Jahre alt. 1943 erlebte der Erstklässler seinen ersten Luftangriff. Weil seine Volksschule nicht genug Luftschutzräume hatte, wurde er während des Alarms nach Hause geschickt. Er lief. Doch die Bomber kamen schneller als erwartet. Noch heute sieht er die Haustür vor sich, die sich ihm öffnete und einen Ausweg in einen rettenden Luftschutzkeller frei machte. Es krachte. Es wurde geweint und gebetet. Als er wieder herauskam, brannten draußen die Häuser, lagen Tote auf der Straße. Ähnliches erlebte er beim Großangriff auf Soest am Nikolaustag 1944.Unvergessen ist für ihn auch die Erinnerung an das Kriegsende 1945. Es war Ostern. Der Festtagskuchen stand auf dem Tisch. Da forderten Lautsprecherwagen die Menschen auf, ihre Stadt zu verlassen, damit die sie von der Wehrmacht gegen die anrückenden Amerikaner verteidigt werden könne. Mit Mutter, Bruder, Tante und Vetter lud er ein paar Habseligkeiten auf einen Bollerwagen. Dann begann der lange Marsch aufs Land. Dort fand man Unterschlupf auf einem mit Flüchtlingen überfüllten Bauernhof. Nach zwei Tagen ging der Proviant aus. Die letzten Marmeladengläser waren bei einem Tieffliegerangriff zu Bruch gegangen. Doch dann kamen die Amerikaner und mit ihnen die Freiheit. Mit einem am Bollerwagen festgebundenen weißen Taschentuch, ging es wieder nach Hause - wo noch der Osterkuchen auf dem Tisch stand.Später, 1966, hat Heienbrok auch deshalb als Freiwilliger in einem israelischen Kibbuz gearbeitet, um, wie er selber sagt: „die deutsche Geschichte abzuarbeiten und einen persönlichen Beitrag zum Frieden durch Versöhnung zu leisten.“
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