Karl Rudolf Korte |
Gefährdet das Erstarken extremistischer Parteien unsere Demokratie? Diese
Frage diskutierten der Politikwissenschaftler Karl Rudolf Korte und
NRZ-Redaktionsleiter Philipp Ortmann an einem Fußballabend, an dem Bayern gegen
Dortmund spielte, mit fast 200 interessierten Mülheimern. Sie waren der
Einladung der Mülheimer Kolpingfamilien in die Sparkasse am Berliner Platz
gefolgt. 1:0 für die Demokratie. Sparkassenchef Martin Weck zitierte zum
Auftakt der Veranstaltung einen Satz aus dem Kommentar, den Ortmann nach dem
Wahlsieg Donald Trumps geschrieben hatte: „Die meisten von uns mussten sich in
ihrem Leben nie Gedanken über die Demokratie machen. Spätestens jetzt sollten
wir damit beginnen.“
Dass sich viele Bürger angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen
in der Türkei, in Frankreich, in den USA, aber auch in Österreich und in den
Niederlanden, auch ihre Gedanken über die Stabilität der deutschen Demokratie
gemacht haben, zeigten die Fragen aus dem Publikum. Kann die politisch
motivierte Gewalt auf der Straße unsere Demokratie gefährden? Müssen Politiker
und Medien die Politik den Bürgern besser erklären? Schüren Sprach- und
Denk-Tabus das Erstarken radikaler Partei und untergraben damit unsere
Demokratie? Schwächt es unsere Demokratie, wenn sich die soziale Schere
zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet?
Politikwissenschaftler Korte, der die Diskussion mit einem kurzweiligen
und anschaulichen Impulsreferat in Schwung gebracht hatte, antwortete mit einem
Sowohl als auch. „Die deutsche Demokratie ist stabiler, als in vielen anderen
europäischen Ländern“, sagte er mit Blick auf die Vergleichszahlen der
Stimmenanteile, die AFD und Linke in Deutschland einerseits und der Front
National und die Linke in Frankreich andererseits errungen haben. Aber Korte,
der an der Universität Duisburg-Essen lehrt, machte auch klar: „Natürlich
können politische Gewalt und extreme soziale Ungerechtigkeit auch unsere
Demokratie langfristig zerstören, wenn es in unserem Land nicht genug
Demokraten gibt, für die Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit ein
Lebensgefühl sind, und die auch bereit sind, ihren Mitbürgern die Vorteile zu
erklären, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Weltoffenheit für unser Land
mit sich bringen.“ Dass man nicht weit schauen muss, um autoritäre
Geisteshaltungen zu entdecken, machte NRZ-Redaktionsleiter Philipp Ortmann mit
erschreckenden Zahlen aus Österreich deutlich. Dort haben Meinungsforscher
zuletzt in einer Studie herausgefunden, dass sich 25 Prozent der Österreicher
einen „starken Führer“ wünschen, „der keine Rücksicht auf Parlamente, Wahlen
und Parteien nehmen muss!“ Vergleichbare Studien, etwa der SPD-nahen
Friedrich-Ebert-Stiftung haben in den vergangenen Jahren für Deutschland
gezeigt, dass hier etwa 15 Prozent der Bevölkerung mit antidemokratischen und
antiparlamentarischen Politikkonzepten sympathisieren.
Politik-Professor Korte, der in Deutschland nicht nur eine
„Politikerverdrossenheit vieler Bürger, sondern auch eine
Bevölkerungsverdrossenheit vieler Politiker“ am Werk sieht, forderte die
wahlkämpfenden Politiker auf, „die Gesprächsstörung zwischen Politikern und
Bürgern zu überwinden“, in dem sie ihre
„souveräne Unschärfe“ zur Seite legten, um die Bürger nicht nur davon zu
überzeugen, „dass sie für vier Jahre gewählt, sondern auch wofür sie gewählt
werden wollen.“ Denn für Korte steht fest, „dass wir Bürger uns nicht nur nach
Sicherheit, sondern auch nach berechtigter Zuversicht und Zukunftsgestaltung
sehnen.“ Am Ende der zweistündigen Veranstaltung waren sich Ortmann und Korte
mit ihrem Publikum einig, „dass unsere Demokratie ein ständiger Prozess ist,
der uns alle täglich fordert.“ Einer, der an diesem demokratischen Prozess als Landtagsabgeordneter
hauptberuflich mitarbeitet, Christdemokrat Heiko Hendriks, saß an diesem Abend
in der ersten Reihe und nahm vor allem zwei Erkenntnisse mit: „Unsere
Demokratie ist im Kern stabil, aber wir müssen daran arbeiten, dass das auch so
bleibt und deshalb mehr für die politische Bildung tun.“
Dieser Text erschien am 27. April 2017 in NRZ/WAZ
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