Dienstag, 16. Mai 2017

Angelo Guiseppe Roncalli wirkt als Konzils- und Reform-Papst Johannes XXIII. bis heute nach


Johannes XIII. ist als der Papst des 2. Vatikanischen Konzils in die Geschichte eingegangen. „Die katholische Kirche muss im 20. Jahrhundert ankommen. Wir müssen den Unheilspropheten, die Gegenwart verdammen und behaupten, dass früher alles besser gewesen sei, entgegentreten, um die Lebendigkeit und Aktualität der frohen christlichen Botschaft in unserer Zeit zu entfalten“, sagt der 261. Papst auf dem Stuhl Petri, den seine Zeitgenossen als „den guten Papst“ bezeichnen.
Am 25. November 1881 wird Angelo Guiseppe Roncalli in Sotto il Monte, einem Dorf in der Nähe von Bergamo in der Lombardei geboren. Seine Elterm Giovanni und Mariana sind Bauern und schenken zwölf Kindern das Leben.
Ein Großonkel und der Dorfpfarrer entdecken früh das Talent des Bauernsohns und überzeugen den skeptischen Vater, seinem Sohn eine höhere Schulbildung zukommen zu lassen. 1892 tritt Angelo in das Priestervorbereitungsseminar ein. Nach dem Abitur absolviert er den einjährigen Militärdienst und studiert anschließend in Bergamo und Rom Theologie und Kirchengeschichte. 1904 schließt er sein Studium als Dr. theol ab und wird zum Priestergeweiht. Als Neupriester wird er auch dem damaligen Papst Pius X. vorgestellt. Der Bischof von Bergamo beruft den jungen Priester zu seinem Sekretär und zum Professor für Kirchengeschichte berufe.
Nach dem Kriegseintritt Italiens wird der junge Priester Sanitätssoldat und Militärkaplan. Später erinnert er sich: „Die Schreie der Verwundeten werde ich nie vergessen. Oft konnte ich in Angesicht ihres Leides nur auf die Knie fallen und wie ein Kind weinen.“
Nach dem Ersten Weltkrieg steigt Angelo Roncalli in der Kirchenhierarchie auf. Papst Benedikt XV. beruft ihn 1921 zum Präsidenten des Missionswerkes für Italien. In dieser Funktion baut Roncalli unter anderem die katholische Studentenseelsorge auf und reist auch nach Deutschland, wo er unter anderem Aachen und Köln besucht. Der Vorplatz des Kölner Doms heißt heute Roncalli-Platz. 1925 ernennt Papst Pius XI. Roncalli zum Bischof von Bergamo und beruft ihn in den frühen 1930er Jahren in den Diplomatischen Dienst des Vatikans. Als katholischer Visitator in Bulgarien, der Türkei und Griechenland, erkennt der die Notwendigkeit des ökumenischen Dialogs und der Aussöhnung zwischen Staat und Kirche.
Mit Hilfe von diplomatischen Transitvisa kann Roncalli 1944 zahlreiche Juden im von der deutschen Wehrmacht besetzten Ungarn, die Flucht nach Palästina ermöglichen und so vor dem sicheren Tod bewahren. 1945 beruft ihn Papst Pius XII. aufgrund seines besonderen diplomatischen Geschicks zum Nuntius für Frankreich. Dort muss er das Ansehen der katholischen Kirche wiederaufbauen und eine Dialog-Basis mit der neuen Regierung des Generals Charles de Gaulles aufbauen, nach dem viele Priester und Bischöfe während der deutschen Besatzung in den Jahren 1940 bis 1944 mit Hitler-Deutschland und seiner Statthalterregierung des Generals Philippe Petain in Vichy zusammengearbeitet haben. In 27 von 30 strittigen Fällen kann er die Absetzung von Bischöfen verhindern.
1953 erhebt Pius XII. Roncalli in den Kardinalsstand und beruft ihn zum Patriarchen von Venedig. Schon als Bischof von Venedig zeichnet er sich durch seine Volksnähe aus. Er ist oft in der Stadt unterwegs und geht vorurteilsfrei auf alle Menschen vom Gondoliere bis zum Künstler, Professor und Unternehmer zu. Der Dialog und seine Herzenswärme sind seine Stärke und machen ihn populär.
Nach dem Tod Pius XII. wird Angelo Roncalli am 28. Oktober 1958 zum neuen Papst gewählt. Im Konklave erhält er im elften Wahlgang 33 von 58 Stimmen. Mit Johannes XXIII. Wählt er den Namen eines Gegenpapstes, der im frühen 13. Jahrhundert vom Konstanz Konzil abgesetzt wurde. Die Namenswahl Giovanni/Johannes ist allerdings dem Vornamen seines Vaters geschuldet.
Roncalli, der mit 77 Jahren der bis dahin älteste gewählte Papst der Geschichte ist, gilt als alter und frommer Kompromisskandidat, mit dem Konservative und Kirchenreformer in der Kurie leben können.
Doch schon bald erweist sich Johannes XXIII. als reformwillig. Er schafft den Kniefall und den Fußkuss ab, ernennt erstmals (seit 1944) wieder einen Kardinalstaatssekretär und erhöht die Gehälter der Vatikan-Angestellten, vor allem die seiner Träger. Bevor er als neuer Papst die Diplomaten im Vatikan empfängt, feiert er mit den Gärtnern, Reinigungskräften und Hauswirtschafterinnen des Vatikans eine Heilige Messe. „Ich bin Josef, euer Bruder!“ sagt der Papst mit Blick auf seinen zweiten Vornamen Guiseppe nicht nur bei dieser Gelegenheit.
Nach fast 100 Jahren ist Johannes XXIII. Der erste Papst der den Vatikan verlässt und unter anderem zum Grab des heiligen Franz von Assisi pilgert. Auch als Papst ist Johannes oft ohne Polizeieskorte in Rom unterwegs, sucht das Gespräch mit den ganz normalen Menschen, segnet, umarmt und küsst sie. Großes öffentliches Aufsehen erregt der Papst mit seinem Besuch in der Strafvollzugsanstalt von Rom, wo er mit den Gefangenen betet und von seinem Onkel erzählt, der wegen Wilderei ins Gefängnis gehen musste.
Im Januar 1959 gibt Johannes XXIII. Vor Bischöfen in Rom die Einberufung eines 2. Vatikanischen Konzils bekannt, an dem nicht nur Bischöfe und katholische Theologen, sondern auch Laien und Vertreter anderer Religionsgemeinschaften als Beobachter teilnehmen sollen. Neben dem Theologie-Professor und späten Papst Benedikt XV. nimmt auch der erste Ruhrbischof und spätere Kardinal Franz Hengsbach. Sein Konzilssitz steht bis heute in der Katholischen Akademie Die Wolfsburg. Am 11. Oktober 1962, damals weiß der Papst bereits, dass er an Magenkrebs leidet, eröffnet Johannes XXIII. Das 2. Vatikanische Konzil. Diente das von Pius IX. einberufene 1. Vatikanische Konzil (1869/70) noch der Festschreibung der päpstlichen Unfehlbarkeit, zeigt Johannes XIII. in seinen Konzilsansprachen und in seinen 1961 und 1963 veröffentlichten Enzykliken „Mutter und Lehrerin“ & „Friede auf Erden“ die Richtung auf, in der die katholische Kirche mit der Zeit gehen soll. Seine Grundsätze lauten:
  • Die Katholische Kirche muss den Dialog und die Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens suchen, unabhängig von ihrem Glaubensbekenntnis
  • Die Kirche und ihre Institutionen sind kein Selbstzweck. Sie dienen allein den Menschen, die Gott suchen. Sie soll den Geist der Frohen Christlichen Botschaft mit Barmherzigkeit und Liebe statt mit Gesetzesstrenge verkünden und leben.
  • Die Religionsfreiheit gilt für alle Menschen, unabhängig von ihrem Glaubensbekenntnis.
  • Die Trennung von Kirche und Staat ist sinnvoll, wenn der Staat die religiöse Dimension des Lebens anerkennt.
  • Es gibt keinen gerechten Krieg, der religiös zu rechtfertigen wäre.
  • Die Katholische Kirche bekennt sich zu den Prinzipien der freiheitlichen und christlich geleiteten Demokratie.
  • Autoritäre Regime sind ebenso wenig zu rechtfertigen wie die generelle Exkommunizierung aktiver Kommunisten.
  • Sozial Ungerechtigkeit schafft Gewalt. Deshalb muss die Katholische Kirche Partei für gerechte Entlohnung, Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer ergreifen.
  • Die christlichen Gemeinschaften sollen sich im Zuge eines ökumenischen Dialogs miteinander aussöhnen und unter dem Dach der christlich-katholischen Kirche wieder den Platz einnehmen, der ihnen zusteht.
  • Die Mitwirkungsrechte der Ortsbischöfe und der Laien sollen gestärkt und die Gottesdienste in der jeweiligen Landessprache gefeiert werden.
  • Der Priester soll den Gottesdienst im Angesicht der Gemeinde und nicht abgewandt von ihr feiern.
  • Konfessionelle Mischehen sollen akzeptiert werden.


Neben dem Reformanstoß, den Johannes XXIII. Der römisch-katholischen Kirche mit dem 2. Vatikanischen Konzil gab, macht er sich im Herbst 1962 auch als Vermittler in der Kuba-Krise mit direkten Gesprächen mit dem ersten katholischen Präsidenten John F. Kennedy und dem Schwiegersohn des sowjetischen Staats- und Parteichefs, Nikita Chruschtschow um die Erhaltung des Weltfriedens verdient. Dabei wischte er auch alle Bedenken seiner Berater, direkt mit einem Abgesandten des kommunistischen Sowjetregimes zu verhandeln vom Tisch.


Als Johannes XXIII. Am 3. Juni 1963 seinem Krebsleiden erlag, war diue Trauer weltweit groß. Er wurde nach seiner Aufbahrung im Petersdom dort unter dem Altar des Hl. Hironimus beigesetzt. 2005 musste sein Sarg dem des verstorbenen Papst Johannes Paul II. weichen und wurde im Kellergewölbe der Grotte des Vatikans beigesetzt.
Mit seinem Pontifikat hat Johannes XXIII. Das Ansehen und die Dynamik der katholischen Kirche gemehrt. Anders, als sein Vorgänger Pius XII., der vor allem durch seine zwiespältige Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus in der Kritik stand, setzte Johannes XXIII. Auf eine weltoffene, dialogbereite, barmherzige und weniger zentralistische Kirche.


Als Paul VI. trat der Erzbischof von Mailand, Batista Montini 1963 die Nachfolge Johannes XXIII.‘ an. Er führte das Konzil im Geiste seines Vorgängers bis 1965 fort, versuchte aber stärker, als sein Vorgänger auch die konservativen Kardinäle einzubinden. So stützte er sich mit seiner Enzyklika Humanae Vitae, die die künstliche Geburtenkontrolle verbietet ausdrücklich auf das Votum einer konservativen Minderheit unter den Kardinälen. Andererseits konnte und wollte der weniger charismatische und volksnahe Papst Paul VI. auch nicht die ökumenischen und politischen Reformen seines Vorgängers nicht zurückdrehen. Außerdem setzte er mit seinen vielbeachteten Reisen, etwa ins Heilige Land und in die USA den Kurs der Weltöffnung konsequent fort.


Die Nachwirkung, die Papst Johannes XXIII. Bis heute entfaltet, wird unter anderem durch seine Seligsprechung im Jahr 2000 und durch seine Heiligsprechung im Jahr 2014 dokumentiert. Im Falle seiner Heiligsprechung verzichtete Papst Franziskus auf den Nachweis eines Roncalli zugeschriebenen Wunders.

In seiner Amtsführung erinnert Papst Franziskus, der vor seiner Wahl auch mit dem Gedanken gespielt haben soll, den Papst-Namen Johannes XXIV. Anzunehmen, an Johannes XXIII. Die Tatsache, dass Jose George Bergolio im Jahr der Papstwahl Johannes XXIII. 1958 dem Jesuitenorden beigetreten ist, zeigt, dass auch er vom Vorbild Roncallis mitgeprägt worden ist. Wie Roncalli, verbindet auch Bergolio, wertkonservative Moralvorstellungen mit gesellschaftspolitisch fortschrittlichen Ideen.

Sein bescheidenes und den Menschen zugewandtes Auftreten und seine Aussagen erinnern an Johannes XXIII.

So fordert Franziskus im Geiste seines Namenspatrons „eine konsequente Option für die Armen“, eine „barmherzige Kirche, die bis an die Ränder Welt und des menschlichen Lebens geht“ und dabei einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ und einem turbo-kapitalistischen „System, das tötet entgegentritt.

Wie Johannes XXIII., hat auch Franziskus keine Berühungsängste gegenüber einfachen und armen Menschen, egal, ob er die Flüchtlingslager auf Lampedusa besucht, mit Bewohnern einer Favela in Rio Gottesdienst feiert oder Strafgefangenen am Gründonnerstag im Petersdom die Füße wäscht. Wie Johannes, so geht es auch Franziskus darum, neue Glaubwürdigkeit und Ausstrahlungskraft für eine kriselnde und durch moralische Verwerfungen, wie die Missbrauchskandale im Priesteramt, untergrabene Kirche zu gewinnen und ihre frohe christliche Botschaft zeitgemäß zu leben und zu verkünden.

Vortrag bei der KAB St. Barbara in Mülheim-Dümpten am 15. Mai 2017

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