Johannes XIII. ist als der
Papst des 2. Vatikanischen Konzils in die Geschichte eingegangen.
„Die katholische Kirche muss im 20. Jahrhundert ankommen. Wir
müssen den Unheilspropheten, die Gegenwart verdammen und behaupten,
dass früher alles besser gewesen sei, entgegentreten, um die
Lebendigkeit und Aktualität der frohen christlichen Botschaft in
unserer Zeit zu entfalten“, sagt der 261. Papst auf dem Stuhl
Petri, den seine Zeitgenossen als „den guten Papst“ bezeichnen.
Am 25. November 1881 wird
Angelo Guiseppe Roncalli in Sotto il Monte, einem Dorf in der Nähe
von Bergamo in der Lombardei geboren. Seine Elterm Giovanni und
Mariana sind Bauern und schenken zwölf Kindern das Leben.
Ein Großonkel und der
Dorfpfarrer entdecken früh das Talent des Bauernsohns und überzeugen
den skeptischen Vater, seinem Sohn eine höhere Schulbildung zukommen
zu lassen. 1892 tritt Angelo in das Priestervorbereitungsseminar ein.
Nach dem Abitur absolviert er den einjährigen Militärdienst und
studiert anschließend in Bergamo und Rom Theologie und
Kirchengeschichte. 1904 schließt er sein Studium als Dr. theol ab
und wird zum Priestergeweiht. Als Neupriester wird er auch dem
damaligen Papst Pius X. vorgestellt. Der Bischof von Bergamo beruft
den jungen Priester zu seinem Sekretär und zum Professor für
Kirchengeschichte berufe.
Nach dem Kriegseintritt
Italiens wird der junge Priester Sanitätssoldat und Militärkaplan.
Später erinnert er sich: „Die Schreie der Verwundeten werde ich
nie vergessen. Oft konnte ich in Angesicht ihres Leides nur auf die
Knie fallen und wie ein Kind weinen.“
Nach dem Ersten Weltkrieg
steigt Angelo Roncalli in der Kirchenhierarchie auf. Papst Benedikt
XV. beruft ihn 1921 zum Präsidenten des Missionswerkes für Italien.
In dieser Funktion baut Roncalli unter anderem die katholische
Studentenseelsorge auf und reist auch nach Deutschland, wo er unter
anderem Aachen und Köln besucht. Der Vorplatz des Kölner Doms heißt
heute Roncalli-Platz. 1925 ernennt Papst Pius XI. Roncalli zum
Bischof von Bergamo und beruft ihn in den frühen 1930er Jahren in
den Diplomatischen Dienst des Vatikans. Als katholischer Visitator in
Bulgarien, der Türkei und Griechenland, erkennt der die
Notwendigkeit des ökumenischen Dialogs und der Aussöhnung zwischen
Staat und Kirche.
Mit Hilfe von diplomatischen
Transitvisa kann Roncalli 1944 zahlreiche Juden im von der deutschen
Wehrmacht besetzten Ungarn, die Flucht nach Palästina ermöglichen
und so vor dem sicheren Tod bewahren. 1945 beruft ihn Papst Pius XII.
aufgrund seines besonderen diplomatischen Geschicks zum Nuntius für
Frankreich. Dort muss er das Ansehen der katholischen Kirche
wiederaufbauen und eine Dialog-Basis mit der neuen Regierung des
Generals Charles de Gaulles aufbauen, nach dem viele Priester und
Bischöfe während der deutschen Besatzung in den Jahren 1940 bis
1944 mit Hitler-Deutschland und seiner Statthalterregierung des
Generals Philippe Petain in Vichy zusammengearbeitet haben. In 27 von
30 strittigen Fällen kann er die Absetzung von Bischöfen
verhindern.
1953 erhebt Pius XII. Roncalli
in den Kardinalsstand und beruft ihn zum Patriarchen von Venedig.
Schon als Bischof von Venedig zeichnet er sich durch seine Volksnähe
aus. Er ist oft in der Stadt unterwegs und geht vorurteilsfrei auf
alle Menschen vom Gondoliere bis zum Künstler, Professor und
Unternehmer zu. Der Dialog und seine Herzenswärme sind seine Stärke
und machen ihn populär.
Nach dem Tod Pius XII. wird
Angelo Roncalli am 28. Oktober 1958 zum neuen Papst gewählt. Im
Konklave erhält er im elften Wahlgang 33 von 58 Stimmen. Mit
Johannes XXIII. Wählt er den Namen eines Gegenpapstes, der im frühen
13. Jahrhundert vom Konstanz Konzil abgesetzt wurde. Die Namenswahl
Giovanni/Johannes ist allerdings dem Vornamen seines Vaters
geschuldet.
Roncalli, der mit 77 Jahren
der bis dahin älteste gewählte Papst der Geschichte ist, gilt als
alter und frommer Kompromisskandidat, mit dem Konservative und
Kirchenreformer in der Kurie leben können.
Doch schon bald erweist sich
Johannes XXIII. als reformwillig. Er schafft den Kniefall und den
Fußkuss ab, ernennt erstmals (seit 1944) wieder einen
Kardinalstaatssekretär und erhöht die Gehälter der
Vatikan-Angestellten, vor allem die seiner Träger. Bevor er als
neuer Papst die Diplomaten im Vatikan empfängt, feiert er mit den
Gärtnern, Reinigungskräften und Hauswirtschafterinnen des Vatikans
eine Heilige Messe. „Ich bin Josef, euer Bruder!“ sagt der Papst
mit Blick auf seinen zweiten Vornamen Guiseppe nicht nur bei dieser
Gelegenheit.
Nach fast 100 Jahren ist
Johannes XXIII. Der erste Papst der den Vatikan verlässt und unter
anderem zum Grab des heiligen Franz von Assisi pilgert. Auch als
Papst ist Johannes oft ohne Polizeieskorte in Rom unterwegs, sucht
das Gespräch mit den ganz normalen Menschen, segnet, umarmt und
küsst sie. Großes öffentliches Aufsehen erregt der Papst mit
seinem Besuch in der Strafvollzugsanstalt von Rom, wo er mit den
Gefangenen betet und von seinem Onkel erzählt, der wegen Wilderei
ins Gefängnis gehen musste.
Im Januar 1959 gibt Johannes
XXIII. Vor Bischöfen in Rom die Einberufung eines 2. Vatikanischen
Konzils bekannt, an dem nicht nur Bischöfe und katholische
Theologen, sondern auch Laien und Vertreter anderer
Religionsgemeinschaften als Beobachter teilnehmen sollen. Neben dem
Theologie-Professor und späten Papst Benedikt XV. nimmt auch der
erste Ruhrbischof und spätere Kardinal Franz Hengsbach. Sein
Konzilssitz steht bis heute in der Katholischen Akademie Die
Wolfsburg. Am 11. Oktober 1962, damals weiß der Papst bereits, dass
er an Magenkrebs leidet, eröffnet Johannes XXIII. Das 2.
Vatikanische Konzil. Diente das von Pius IX. einberufene 1.
Vatikanische Konzil (1869/70) noch der Festschreibung der päpstlichen
Unfehlbarkeit, zeigt Johannes XIII. in seinen Konzilsansprachen und
in seinen 1961 und 1963 veröffentlichten Enzykliken „Mutter und
Lehrerin“ & „Friede auf Erden“ die Richtung auf, in der die
katholische Kirche mit der Zeit gehen soll. Seine Grundsätze lauten:
- Die Katholische Kirche muss den Dialog und die Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens suchen, unabhängig von ihrem Glaubensbekenntnis
- Die Kirche und ihre Institutionen sind kein Selbstzweck. Sie dienen allein den Menschen, die Gott suchen. Sie soll den Geist der Frohen Christlichen Botschaft mit Barmherzigkeit und Liebe statt mit Gesetzesstrenge verkünden und leben.
- Die Religionsfreiheit gilt für alle Menschen, unabhängig von ihrem Glaubensbekenntnis.
- Die Trennung von Kirche und Staat ist sinnvoll, wenn der Staat die religiöse Dimension des Lebens anerkennt.
- Es gibt keinen gerechten Krieg, der religiös zu rechtfertigen wäre.
- Die Katholische Kirche bekennt sich zu den Prinzipien der freiheitlichen und christlich geleiteten Demokratie.
- Autoritäre Regime sind ebenso wenig zu rechtfertigen wie die generelle Exkommunizierung aktiver Kommunisten.
- Sozial Ungerechtigkeit schafft Gewalt. Deshalb muss die Katholische Kirche Partei für gerechte Entlohnung, Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer ergreifen.
- Die christlichen Gemeinschaften sollen sich im Zuge eines ökumenischen Dialogs miteinander aussöhnen und unter dem Dach der christlich-katholischen Kirche wieder den Platz einnehmen, der ihnen zusteht.
- Die Mitwirkungsrechte der Ortsbischöfe und der Laien sollen gestärkt und die Gottesdienste in der jeweiligen Landessprache gefeiert werden.
- Der Priester soll den Gottesdienst im Angesicht der Gemeinde und nicht abgewandt von ihr feiern.
- Konfessionelle Mischehen sollen akzeptiert werden.
Neben dem Reformanstoß, den
Johannes XXIII. Der römisch-katholischen Kirche mit dem 2.
Vatikanischen Konzil gab, macht er sich im Herbst 1962 auch als
Vermittler in der Kuba-Krise mit direkten Gesprächen mit dem ersten
katholischen Präsidenten John F. Kennedy und dem Schwiegersohn des
sowjetischen Staats- und Parteichefs, Nikita Chruschtschow um die
Erhaltung des Weltfriedens verdient. Dabei wischte er auch alle
Bedenken seiner Berater, direkt mit einem Abgesandten des
kommunistischen Sowjetregimes zu verhandeln vom Tisch.
Als Johannes XXIII. Am 3. Juni
1963 seinem Krebsleiden erlag, war diue Trauer weltweit groß. Er
wurde nach seiner Aufbahrung im Petersdom dort unter dem Altar des
Hl. Hironimus beigesetzt. 2005 musste sein Sarg dem des verstorbenen
Papst Johannes Paul II. weichen und wurde im Kellergewölbe der
Grotte des Vatikans beigesetzt.
Mit seinem Pontifikat hat
Johannes XXIII. Das Ansehen und die Dynamik der katholischen Kirche
gemehrt. Anders, als sein Vorgänger Pius XII., der vor allem durch
seine zwiespältige Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus in der
Kritik stand, setzte Johannes XXIII. Auf eine weltoffene,
dialogbereite, barmherzige und weniger zentralistische Kirche.
Als Paul VI. trat der
Erzbischof von Mailand, Batista Montini 1963 die Nachfolge Johannes
XXIII.‘ an. Er führte das Konzil im Geiste seines Vorgängers bis
1965 fort, versuchte aber stärker, als sein Vorgänger auch die
konservativen Kardinäle einzubinden. So stützte er sich mit seiner
Enzyklika Humanae Vitae, die die künstliche Geburtenkontrolle
verbietet ausdrücklich auf das Votum einer konservativen Minderheit
unter den Kardinälen. Andererseits konnte und wollte der weniger
charismatische und volksnahe Papst Paul VI. auch nicht die
ökumenischen und politischen Reformen seines Vorgängers nicht
zurückdrehen. Außerdem setzte er mit seinen vielbeachteten Reisen,
etwa ins Heilige Land und in die USA den Kurs der Weltöffnung
konsequent fort.
Die Nachwirkung, die Papst
Johannes XXIII. Bis heute entfaltet, wird unter anderem durch seine
Seligsprechung im Jahr 2000 und durch seine Heiligsprechung im Jahr
2014 dokumentiert. Im Falle seiner Heiligsprechung verzichtete Papst
Franziskus auf den Nachweis eines Roncalli zugeschriebenen Wunders.
In seiner Amtsführung
erinnert Papst Franziskus, der vor seiner Wahl auch mit dem Gedanken
gespielt haben soll, den Papst-Namen Johannes XXIV. Anzunehmen, an
Johannes XXIII. Die Tatsache, dass Jose George Bergolio im Jahr der
Papstwahl Johannes XXIII. 1958 dem Jesuitenorden beigetreten ist,
zeigt, dass auch er vom Vorbild Roncallis mitgeprägt worden ist. Wie
Roncalli, verbindet auch Bergolio, wertkonservative
Moralvorstellungen mit gesellschaftspolitisch fortschrittlichen
Ideen.
Sein bescheidenes und den
Menschen zugewandtes Auftreten und seine Aussagen erinnern an
Johannes XXIII.
So fordert Franziskus im
Geiste seines Namenspatrons „eine konsequente Option für die
Armen“, eine „barmherzige Kirche, die bis an die Ränder Welt und
des menschlichen Lebens geht“ und dabei einer „Globalisierung der
Gleichgültigkeit“ und einem turbo-kapitalistischen „System, das
tötet entgegentritt.
Wie Johannes XXIII., hat auch
Franziskus keine Berühungsängste gegenüber einfachen und armen
Menschen, egal, ob er die Flüchtlingslager auf Lampedusa besucht,
mit Bewohnern einer Favela in Rio Gottesdienst feiert oder
Strafgefangenen am Gründonnerstag im Petersdom die Füße wäscht.
Wie Johannes, so geht es auch Franziskus darum, neue Glaubwürdigkeit
und Ausstrahlungskraft für eine kriselnde und durch moralische
Verwerfungen, wie die Missbrauchskandale im Priesteramt, untergrabene
Kirche zu gewinnen und ihre frohe christliche Botschaft zeitgemäß
zu leben und zu verkünden.
Vortrag bei der KAB St. Barbara in Mülheim-Dümpten am 15. Mai 2017
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