Montag, 23. Januar 2017

Ein Mann macht den Weg frei: Unterwegs mit Olaf Vier

MEG-Mitarbeiter Olaf Vier
Normalerweise kehrt Olaf Vier von der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft (MEG) die Straßen und leert Abfallbehälter. Doch jetzt ist der 47-Jährige in Sachen Streudienst unterwegs. Wenn das Thermometer auf unter Null Grad sinkt und Glätte auf Straßen und Brücken droht, hat der Familienvater Bereitschaft. Dann beginnt sein Dienst morgens um 3 statt um 7 Uhr.

An eiskalten Wintertagen lässt er seinen Kehrwagen an der Pilgerstraße stehen und betankt einen Spezialcontainer an einem Silo auf dem MEG-Gelände mit Streusalz und Sole. Der Container, der etwa sechs Kubikmeter Streugut fasst, wird auf die Karosserie eines Müllladers montiert, der an weniger eisigen Tagen Großraumcontainer für den Hausmüll trägt.

Auch wenn Vier einräumt, dass die winterbedingte Frühschicht zwischen 3 und 11 Uhr seinem Bio-Rhythmus zusetzt, „weil ich einfach nicht einschlafen kann, wenn ich vor 22 Uhr ins Bett gehe“, reizt ihn die anspruchsvolle und lebensnotwendige Aufgabe des Winterdienstes. Ab 3 Uhr steuert Vier seinen, samt Streugut, 20 Tonnen schweren Koloss über die vereisten, manchmal auch schneebedeckten Hauptstraßen und Brücken der Rechts-Ruhr-Stadtteile Stadtmitte, Heißen, Heimaterde, Styrum, Dümpten und Winkhausen, damit der ab 6 Uhr einsetzende Berufsverkehr ins Rollen kommen kann.

„Das ist schon Abenteuer pur“, sagt Vier über seine nächtliche Fahrt über glattem Grund. Dabei muss er nicht nur beim Lenken, Gegenlenken und Kuppeln seine ganze Fahrkunst aufbieten, um den MEG-Laster in der Spur zu halten, sondern auch den am Fahrzeugkühler montierten, Schneeflug und den Verteilteller steuern, der am Heck, je nach Straßenzustand 5 bis 40 Gramm pro Quadratmeter Streugut auf die Fahrbahn wirft. „Manchmal wundere ich mich, wenn ich auf eisglatter Straßenfläche von nächtlichen Verkehrsteilnehmern mit 80 oder 90 km/h rechts überholt werde“, berichtet Vier.

Er fährt nie schneller als 60 km/h. Vor Jahren hatten er sich einmal bei einem Streueinsatz mit einer abschüssigen Kurve vertan und dabei ein am Straßenrand parkendes Auto beschädigt. Das war ihm eine Lehre. Vorsicht ist die Mutter des Winterdienstes. „Wenn ich abschüssige Straßen streuen muss, fahre ich sie heute rückwärts hoch und wenn es auf einer Straße eng wird, die an beiden Seiten beparkt wird, klingele ich im Zweifel den Fahrzeughalter aus dem Schlaf“, berichtet Vier.

Wenn es besonders eisig wird und zum Glatteis auch noch Schnee kommt, muss Vier auch schon mal zum MEG-Hauptquartier an der Pilgerstraße zurückkehren, um wieder neues Streugut aufzunehmen. Und an Tagen mit extremer Eis- und Schneelage, wie etwa Heiligabend 2010 können Vier und sein für die Linksruhr-Stadtteile zuständiger Kollege auch bis zu 14 Kollegen und sechs Fahrzeuge aus der Bereitschaftsreserve anfordern. Doch mit solchen Winterwetterlagen, bei denen das Streugut knapp werden kann, werden die Streudienstleute der MEG nur selten konfrontiert. „Nachdem wir 2010 eine solche Situation schon mal erleben mussten, haben wir unsere Lagerbestände jetzt verdreifacht, so dass wir drei Wochen mit Eis und Schnee durchhalten können, ohne bei unserem Lieferanten nachbestellen zu müssen“, erklärt Viers Vorgesetzter, Jörg Smet, die Streugutlage.

Da alle Streugutfahrzeuge mit GPS ausgestattet sind, kann Smet auch am PC in seinem Büro verfolgen, wie, wo und wer im Auftrag der MEG eisglatte Straßen befahrbar macht. „Das hat weniger mit der Kontrolle der Fahrer als damit zu tun, dass wir einen auch gerichtsverwertbaren Beweis haben, wenn uns Bürger belangen und Schadenersatz fordern, weil wir angeblich an einer bestimmten Stelle nicht gestreut haben sollen. Dann kann ich genau belegen, wann wir wo gestreut haben.“ Und natürlich hat der MEG-Disponent per Handy, SMS und E-Mail in diesen Wintertagen einen kurzen Draht zum Wetterdienst, der ihm stündliche Prognosen liefert und damit die Entscheidungsgrundlage liefert, ob Olaf Vier oder seine Kollegen auf die nächtliche Eispiste müssen.

Um dort fit und sicher unterwegs sein zu können, trainieren Vier und seine Kollegen aus dem Winterdienst regelmäßig am Nürburgring das Fahren auf eisglatten und verschneiten Flächen. Dabei stellen sie immer wieder fest: „Dass man beim Winterdienst an einem nicht sparen darf, an den Allwetterreifen.“ Auch an Ruhephasen spart Vier nach Dienstschluss, nicht. „Um die wichtige Arbeit, die wir für die Bürger auf Mülheims Straßen leisten, tun zu können, muss man immer wieder seine Akkus auftanken, um fit zu bleiben“, sagt Vier, der früher im Fitnessstudio und heute daheim auf der Couch mit einer guten Tasse Tee entspannt.


Dieser Text erschien am 21. Januar 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

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