Freitag, 20. Januar 2017

Amerika, du hast es nicht besser: Ansichten zum Amstantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump




Ein Blick in die Druckausgabe der MW
Der Journalist und Historiker Dr. Thomas Emons arbeitet auch für die Mülheimer Woche und - was viele nicht wissen - er hat sich in seiner Doktorarbeit intensiv mit amerikanischen Präsidenten beschäftigt. Sie waren Thema seiner Doktorarbeit.
Anlässlich des Amtsantritts von Donald Trump am 20. Januar führte Harald Landgraf ein Interview mit ihm. 
Ein Mülheimer beschäftigte sich mit amerikanischen Präsidenten. Wie passt das zusammen? 

Das hat mit meinem leider viel zu früh verstorbenen Lehrer Axel Schulze zu tun, der mein Interesse für Geschichte und Politik entdeckt und gefördert hat. Ich war 12. Da habe ich 1980 in der Stadtbücherei ein Buch entdeckt, auf dessen Cover ein Mann zu sehen war, der fast genauso aussah, wie mein damaliger Lehrer. Der Mann hieß John F. Kennedy und war der 35. Präsident der USA. Das machte mich neugierig. Ich begann zu lesen und habe später unter anderem Geschichte und Politik studiert. Dabei hat mich das Thema der US-Präsidenten nie losgelassen und später eben auch zu einer Doktorarbeit über die Kommentierung der amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe in Deutschland inspiriert.

In einem Satz: Was war das Ergebnis Ihrer Arbeit? 

Die politische Kultur Deutschland wurde nach 1945 - und das bis heute - viel stärker von den USA und ihren Präsidenten beeinflusst, als wir uns das selbst eingestehen wollen. 

Sie kennen sich also aus mit US-Präsidenten. Wieso fällt Donald Trump vor dem Hintergrund der Geschichte aus der Reihe?

Er ist ein zweifelhafter Geschäftsmann ohne politische Erfahrung. Auch bei der Wahl des vormaligen Schauspielers Ronald Reagan, zum 40. Präsidenten der USA, 1980 gab es in Deutschland extrem starke Vorbehalte gegen seine Person. Aber Reagan brachte als ehemaliger Präsident der amerikanischen Schauspieler-Gewerkschaft und als ehemaliger Gouverneur von Kalifornien doch einige politische Erfahrung mit ins Amt.

Gab es noch andere Paradiesvögel?

Ja, die gab es. Und sie kamen meistens aus den Südstaaten der USA. Ich denke da an die Demokraten Strom Thurmond und George Wallace, die 1948 und 1968 gegen die offiziellen Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei antraten, weil sie an der damals in den Südstaaten noch praktizierten Rassentrennug in Schulen, Hochschulen und Bussen festhalten wollten und deshalb die Bürgerrechtspolitik ihrer eigenen Partei scharf bekämpften. Auch der republikanische Präsidentschaftskandidat Barry M. Goldwater war 1964 nicht nur für viele Amerikaner ein politisches Schreckgespenst, weil er den damaligen Vietnam-Krieg auch mit Atomwaffen gewinnen wollte und als Senator von Arizona auch gegen das 1964 vom Kongress verabschiedete Bürgerrechtsgesetz stimmte, weil er es als eine ungerechtfertigte Einmischung in die Angelegenheiten der US-Bundesstaaten empfand. Aber all diese extremen Kandidaten wurden, ebenso wie der als unabhängiger Anti-Establishment Kandidat auftretende Computer-Milliardär Ross Perot, der 1992 und 1996 Präsident werden wollte, am Ende, anders als Trump, eben nicht gewählt.

In wieweit hat die Wahl Trumps Einfluss auf die Medienwelt, insbesondere auch auf die Medien in Deutschland?

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 1960 gab es zum ersten Mal eine Fernsehdebatte zwischen den damaligen Kandidaten John F. Kennedy und Richard M. Nixon, die nicht nur in den USA als stilbildendes Vorbild wirkte. Der Demokrat Kennedy gewann auch deshalb die Wahl, weil er im TV-Duell die bessere Figur als der Republikaner Nixon machte. Trump gewann auch deshalb die Wahl, weil er mit seinen extremen und alle Tabus brechenden Aussagen von den Medien mehr Aufmerksamkeit bekam, als gut war. Einerseits ließen sich die Medien von Trump als Präsentationsfläche missbrauchen. Andererseits versucht er, zum Teil nicht ungeschickt, mit seinen Twitter-Kurznachrichten, die herkömmlichen Massenmedien zu umgehen und direkt mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Auch die deutschen Medien sind vor der Gefahr nicht gefeit, um der Schlagzeilen, der Einschaltquoten und der vermeintlichen Sensation, politischen Schreihälsen zu viel Raum zu geben und ihnen damit einen viel zu große Bedeutung beizumessen. Man kann nur hoffen, dass das Modell Trump in Deutschland keine Schule macht. Aber es gibt natürlich auch hier populistische Schreihälse, die im Namen des Volkes auftreten.

Wieso war Ihrer Meinung nach der amerikanische Präsident für uns immer von solch hoher Bedeutung? 

In der Zeit der Ost-West-Konfrontation und der deutschen Teilung war der amerikanische Präsident, denken Sie an John F. Kennedys 1963 in Berlin gesprochenen Satz; "Ich bin ein Berliner!" immer so etwas, wie der oberste Schutzheilige der vom Osten her bedrohten Demokratie Westdeutschlands. Im Kalten Krieg war die Bundesrepublik unmittelbar abhängig von den Entscheidungen, die der jeweilige US-Präsident im Weißen Haus traf. Hinzu kommt, dass die Deutschen in der Bundesrepublik, die Westbindung und damit die politische Orientierung an der westlichen Supermacht USA nach 1945 eine neue positive Identität fanden, nachdem die deutschen Großmacht-Phantasien unter Hitler zu einer bis dahin unvorstellbaren moralischen und materiellen Katastrophe geführt hatten.

Wird Trump uns noch viel beschäftigen?

Ganz bestimmt. Denn er ist als US-Präsident nun einmal Staatsoberhaupt, Regierungschef und militärischer Oberbefehlshaber einer wirtschaftlichen, politischen und militärischen Supermacht, mit der wir auf die eine oder andere Weise mehr oder weniger kooperieren müssen. Man kann nur hoffen, dass auch für den extrem auftretenden Wahlkämpfer Trump als Präsidenten gelten wird: "Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand." Doch darauf können wir uns, wie wir aus unserer eigenen Geschichte wissen, leider nicht verlassen. Aber vielleicht sind die Erwartungen an Trump ja so gering, dass er es schafft, uns als Präsident positiv zu überraschen.
Dieser Text erschien am 18. Januar 2017 in der Mülheimer Woche

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