„Eigentlich bräuchten wir heute mal wieder eine Reformation“, sagt der Eckhard
Schwarz, Küster der Speldorfer Lutherkirche. Luthers Kampf gegen den
Ablasshandel der katholischen Kirche anno 1517 ist für den Vater von zwei
erwachsenen Töchtern auch heute noch aktuell. „Denn Luther hat damals klar
gemacht, dass der Wert eines Menschen nicht von seinem Geldbeutel abhängig
ist.“
Doch ganz ohne Geld geht es in
diesem irdischen Leben eben auch nicht. So musste vor einigen Jahren der
gelernte Elektroinstallateur nach einem neuen Arbeitsplatz suchen, nachdem er
feststellen musste, dass er den Wechselschichtdienst in einem Werk, in dem er an
der Herstellung von Elektroplatinen beteiligt war, gesundheitlich nicht mehr
verkraftete. Einer Zeitungsanzeige sei Dank, fand er eine neue Stelle als Küster
der Lutherkirche. Das war 2004. „Ich war Mitglied der evangelischen Kirche und
habe mit meinen Töchtern alle christlichen Feste gefeiert. Aber ich war kein
besonders frommer Kirchgänger“, erzählt Schwarz.
Doch durch seinen neuen
Arbeitsplatz ist er schon von berufs wegen zum Kirchgänger geworden. Was mache
ich Heiligabend und Silvester? Und wo gehe ich sonntags hin? Für Schwarz ist das
keine Frage, natürlich in die Lutherkirche.
„Wenn man am Wochenende nicht
bis in die Puppen feiern kann, kostet das auch schon mal die eine oder andere
Freundschaft“, erzählt der Küster. Doch Schwarz hat durch seinen ganz handfesten
und bodenständigen Job im Dienste des Herrn auch neue Freunde gewonnen. Zu
seinen Aufgaben zählen Kirchenbänke, Tische und Stühle leimen, Kerzen besorgen
und austauschen, defekte Heizungsventile reparieren, Bierzelt-Garnituren fürs
Gemeindefest aufstellen, das Gemeindehaus aufschließen, fürs Kirchencafé und den
Frühstückstreff einkaufen und eindecken oder dafür sorgen, dass die
Mikrofonanlage und der Videobeamer bei der nächsten Veranstaltung im
Gemeindehaus funktionieren.
Gerne stellt er zum Beispiel vor Weihnachten
mit einigen Presbytern den sieben Meter hohen Christbaum in der Lutherkirche
auf. „Das ist immer auch eine gesellige Angelegenheit, bei der wir auch das eine
oder andere Glas Glühwein trinken“, erzählt Eckhard Schwarz.
„Mein
heutiger Beruf hat mich offener und sensibeler gemacht“, sagt der 54-Jährige.
Wenn er in der offenen Kirche an der Duisburger Straße zu tun hat, neue Kerzen
aufstellt, die Licht- und Tontechnik wartet, Gesangbücher auslegt oder den
Altar- und Kanzel-Schmuck erneuert, kommen auch schon mal Menschen in das 135
Jahre alte Gotteshaus, um mit ihm über ihr Leben zu sprechen und das, was sie
beschwert. Natürlich verweist er dann auch immer an die Pfarrer der Gemeinde.
„Ach, Sie sind doch der Küster“, hört er dann und hört erstmal zu. Das gilt
natürlich auch für Menschen, die in die Kirche kommen, weil sie dort heiraten
oder einen Trauergottesdienst abhalten möchten.
In Gesprächen mit
Menschen außerhalb der Kirche merkt er immer wieder: „Für viele Leute ist die
Religion heute bestenfalls zur Nebensache geworden.“ Wenn etwa in
Kneipengesprächen schon mal die Sprache auf seinen Beruf kommt, hört er auch
Sätze, wie: „Was? Du arbeitest für die Himmelskomiker?“
Er selbst hat die
Kirche durch seinen Beruf anders und eben von innen kennen gelernt. Als er
seinen Dienst antrat, setzte er sich auch intensiv mit der Bibel und der
kirchlichen Liturgie auseinander. „Manchmal weiß ich auch nicht, was unsere
Pfarrer noch tun sollen. Sie sind schon sehr modern, kümmern sich auch
persönlich um Menschen und gehen zum Beispiel auch in unterschiedlichen
Themengottesdienste auf ihre Anliegen und Lebenslagen ein“, sagt
Schwarz.
Ob Seniorenmittagstisch, Adventsfeier, Spielenachmittag oder
Kinoabend - wenn Schwarz mit Menschen ins Gespräch kommt, die ins Gemeindehaus
an der Duisburger Straße kommen, das er vom Keller bis zum Dach in Schuss halten
muss, merkt er immer wieder, dass Kirche für sie eine Oase der Gemeinschaft und
der Sinnerfahrung ist.
Wenn der Küster nicht gerade in der Kirche oder im
Gemeindehaus zu tun hat, gibt es für ihn vielleicht etwas im
Gemeindekindergarten oder im Jugendhaus der Gemeinde zu reparieren oder er holt
beim Kirchenamt im Altenhof die Gemeindepost ab und vergisst nicht die letzte
Sonntagskollekte ordnungsgemäß bei der Bank einzuzahlen.
„Meine Arbeit ist sehr vielseitig. Ich kann relativ selbstständig
arbeiten. Und ich komme mit vielen Menschen zusammen“, sagt der Küster während
er die Grünflächen an der Lutherkirche auf Vordermann - und anschließen einen
losen Pflasterstein auf dem Vorplatz der Kirche in Reih und Glied bringt. Und
wenn man den Küster mal länger nicht im Umfeld der Lutherkirche sieht, dann ist
er vielleicht mit seiner Partnerin in Urlaub, etwa auf Lanzarote oder zuletzt in
St. Petersburg.
Dieser Text erschien am 14. Januar 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung
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