Dienstag, 22. November 2016
So gesehen: Ein frommer Wunsch
Es gibt Berufe, die den ganzen Mann fordern. Das gilt auch für die Bestückung des Weihnachtstreffs auf der Schloßstraße, wie ich an diesem Wochenende beobachten konnte. Wer schon mal erlebt hat, wie die Dekoration des heimischen Weihnachtsbaums eine Familienkrise auslösen kann, der muss schon staunen, mit welchem Fingerspitzengefühl und mit welcher Übersicht dieser Mann für die Bestückung des Weihnachtstreffs einen stattlichen Hebekran auf seinen vier dicken Rädern durch das Labyrinth der Wochenmarkt- und Weihnachtsbuden, durch die Freiräume zwischen Brunnen, Bänken und Baumkübeln und immer knapp vorbei an Fußgängern und Lieferwagen zentimetergenau dort hin steuert, wo die Baumkugeln und LED-Leuchten hin müssen.
Doch in meinen Respekt für die präzise und verantwortungsvolle Arbeit des einsamen Mannes auf der Hebebühne mischt sich unvermittelt ein Gedanke aus meiner Kindheit und ein Stück Wehmut.
Denn was dieser Mann heute alleine tut, war früher auf viele Schultern verteilt. Wo sind seine Kollegen geblieben, die früher weniger spektakulär und mit weniger Technik einen sehr viel schöneren und größeren Weihnachtsmarkt in der Innenstadt aufbauten und bestückten? Und mir wird klar. Vielleicht haben ja nicht nur die Probleme unserer Innenstadt damit zu tun, dass es immer weniger Kollegen gibt, die arbeiten, verdienen und deshalb auch einkaufen und sich auf ein wirklich Frohes Fest im Kreise ihrer Lieben freuen können. Ist es heute, noch vor dem ersten Advent zu verwegen, sich zu Weihnachten mehr Kollegen zu wünschen, die keine Almosen brauchen, weil sie Arbeit und Zuversicht haben?
Dieser Text erschien am 21. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung
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