Harald Schaal kann sich künftig öfter in den Ohrensessel setzen. |
Seine Lebensreise führte ihn von seiner saarländischen Heimat nach Schwaben und Westafrika über den Niederrhein ins Ruhrgebiet. Auch seine Berufsbiografie war bewegt. Sie begann mit einer Kaufmannslehre in einer Brauerei, ging weiter mit einer Krankenpflegeausbildung und einer Karriere als Stations- und Pflegedienstleiter in verschiedenen Kliniken.
Doch irgendwann nervte ihn der hierarchische Klinikalltag: „Ich wollte immer etwas selbst machen und ich wollte es gut machen“, formuliert er sein Lebensmotto. Das führte ihn in den 80er Jahren ins westafrikanische Benin, wo er als medizinischer Entwicklungshelfer Gesundheitsstationen, Apotheken und Operationssäle aufbaute und einrichtete. „Damals habe ich begriffen, dass wir hier in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau klagen, aber für unseren Wohlstand auch mit einem sehr hektischen Lebensstil bezahlen, der die Menschen hier weniger zufrieden macht, als die mit einem enormen Lebensmut ausgestatten Menschen in Westafrika.“
Ende der 80er Jahre kehrte Schaal nach Deutschland zurück, arbeitete zunächst wieder im medizinischen Klinikbetrieb, machte sich dann aber als Pflegeberater und Pflegetrainer selbstständig und richtete seine Aufmerksamkeit verstärkt auf die Altenpflege. Per Abendschule entsprechend weiter qualifiziert, übernahm er 1995 die Leitung eines Essener Altenheims, ehe er 2003 zum Wohnstift Raadt nach Mülheim wechselte. Sein Lebenselixier, „als Mensch etwas mit anderen zusammen selbstständig zu gestalten und damit ein positives Steinchen im Leben seiner Mitmenschen zu sein“, trieb ihn auch an, vor sieben Jahren nicht den Arbeitgeber Evangelisches Krankenhaus, aber doch seine Arbeitsstelle zu wechseln.
Obwohl die Altenpflege in Zeiten der Pflegeversicherung und der Zunahme von demenziell veränderten und gesundheitlich mehrfach eingeschränkten Altenheimbewohnern, den Alltag der Altenpflege nicht leichter gemacht hat, sagt Schaal seinen 90 Mitarbeitern im Wohnstift Dichterviertel immer wieder: „Wir haben den schönsten Beruf der Welt. Denn das, was wir hier an menschlicher Wärme und Dankbarkeit von den Bewohnern bekommen, ist etwas, das man an keiner Werkbank und in keinem Büro bekommen kann.“
101 Bewohner leben im Wohnstift Dichterviertel. Besonders stolz ist Schaal darauf, dass es unter seiner Leitung gelungen ist, das Wohnstift mit Veranstaltungen, wie dem begehbaren Adventskalender, mit Konzerte und Lesungen oder mit der langen Nacht der Nähnadel, einem Frühlingsmarkt und einem Sommerfest nicht nur ins Dichterviertel hinein für alle Generationen zu öffnen.
Allerdings sieht Schaal angesichts des demografischen Wandels und der viel zu schwachen politischen Lobby von alten und pflegebedürftigen Menschen skeptisch in die Zukunft: „Ich bin froh, dass ich diese Entscheidungen nicht mehr in die Tat umsetzen muss“, sagt er etwa mit Blick auf die von der Bundesregierung geplante Zusammenlegung der Alten,- Kranken- und Kinderkrankenpflege. Schaal stellt fest: „Wenn drei Berufsausbildungen von je drei Jahren in eine gemeinsame Berufsausbildung von drei Jahren überführt werden, muss etwas von der Qualität und dem Fachwissen der jeweiligen Profession auf der Strecke bleiben.“
Dieser Text erschien am 23. März 2016 in NRZ und WAZ
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