Sonntag, 6. März 2016

Hoch motiviert und hilfsbereit: Die Realschule Stadtmitte ehrte jetzt unter anderem zwei "Seiteneinsteiger", die mit ihrer Integrationsbereitschaft ein gutes Beispiel für gleichaltrige Flüchtlinge und Zuwanderer geben

Die 1929 als Mittelschule eröffnete
Realschule Stadtmitte an der
Oberstraße
„Wir haben Kinder oft nur dann im Blick, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Zu selten loben wir sie, wenn sie etwas gut gemacht haben“, sagt Sabine Dilbat.
Deshalb haben die Rektorin der Realschule Stadtmitte und ihre 50 Lehrerkollegen jetzt Schüler eingeladen und mit einer Rose und einem kleinen Präsent geehrt, weil sie etwas richtig gut gemacht haben – als Schulsanitäter, erfolgreiche Wettbewerbsteilnehmer oder als Teilnehmer einer Arbeitsgemeinschaft, die mit einem Handwerksmeister am Ruhrufer lebensrettende Hinweis-Schilder für die Feuerwehr aufgestellt haben.

Unter den Geehrten sind diesmal auch zwei „Aufsteiger des Jahres“: die 15-jährige Ermina-Maria aus Rumänien und der 13-jährige Karam aus dem Irak. Die beiden Schüler, die erst seit wenigen Monaten die Realschule Stadtmitte besuchen, „sind sehr motiviert und hilfsbereit. Sie sind nicht nur fleißig und haben rasche Sprachfortschritte gemacht, sondern sie haben auch immer ihre Mitschüler im Blick“, berichtet Christoph Weßkamp.

Internationale Vorbereitungsklasse

Er ist einer von sechs Lehrern, die mit einer entsprechenden Qualifikation in der Internationalen Vorbereitungsklasse Deutsch als Zweitsprache unterri
chten. „Wir haben es mit ganz unterschiedlichen Kindern und Jugendlichen zu tun. Das Spektrum reicht vom Analphabeten bis zum Schüler, der bereits eine erfolgreiche Schulkarriere hinter sich hat“, schildert Rektorin Dilbat die Situation in der Klasse, in der 36 Schüler aus zehn Nationen mit zwölf Wochenstunden Deutsch an den Regelunterricht herangeführt werden.


„In Mülheim ist alles gut“, sagen Ermina-Maria und Karam und strahlen dabei über das ganze Gesicht. „Dass die Lehrer uns helfen und nicht schlagen, wenn wir einen Fehler gemacht haben“, finden sie ganz toll. Besonders gerne erinnert sich Karam daran, dass ihn seine deutschen Mitschüler in ein Schnellrestaurant eingeladen und ihm ein Lesebuch geschenkt haben, mit dem er jetzt seine Deutsch-Kenntnisse trainiert. Ermina-Maria lernt mit einem Geschichtsbuch. 


Beide helfen regelmäßig zugewanderten Mitschülern, die im Schulalltag noch nicht so gut zurecht kommen, wie sie. Mit großem Ernst und Verantwortungsgefühl hat Karam die Aufgabe des Klassenbuchführers übernommen. Großartig findet es der jesidische Junge, der in der Nähe von Mossul aufgewachsen ist, dass er ganz ruhig über die Straße gehen kann, ohne Angst vor einem Bombenanschlag zu haben. Allerdings bedrückt ihn, dass sein Vater noch in Mossul und er mit seiner Mutter in Saarn lebt. Zwei bis dreimal pro Woche erzählt Karam seinem Vater via Skype-Bildtelefon von seinen schulischen Fortschritten und hofft, ihn bald wieder in die Arme nehmen zu können. 

Anders, als seine Mitschülerin Ermina-Maria, die es liebt, mit ihren Eltern und ihrem sechsjährigen Bruder an der Ruhr spazieren zu gehen, weiß Karam schon genau, warum er so fleißig in der Schule ist: „Ich will Arzt werden“, sagt der 13-Jährige.

„Angesichts der belastenden und unsicheren Situation, in der die Kinder leben, ist ihre Lern- und Integrationsleistung besonders hoch zu bewerten“, unterstreicht Schulleiterin Sabine Dilbat. Ermina-Maria, Karam und die anderen Schüler, die geehrt wurden, können sich über Gutscheine für Bücher und fürs Kino freuen – gestiftet vom Förderverein der Schule.



Dieser Text erschien am 4. März 2016 in der NRZ und in der WAZ

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