Montag, 16. August 2010

Auch in den den Sommerferien macht die Mülheimer Politik nicht nur Pause: Eine Umschau

Der Begriff Stallwache kommt aus der Zeit, als es beim Militär noch eine Kavallerie gab und die Stallwächter Tag und Nacht darauf achten mussten, dass es den Armeepferden an nichts fehlte. Heute kennen wir die Stallwache vor allem als Bezeichnung für die Menschen, die in der parlamentarischen Sommerpause dafür sorgen, dass der Politikbetrieb weiterläuft. Auch in Mülheim gibt es sie, die politischen Stallwächter. Die NRZ sprach mit einigen von ihnen.

Bei der SPD: halten derzeit Fraktionsgeschäftsführer Claus Schindler und sein Chef Dieter Wiechering Stallwache. Schindler ist derzeit unter anderem dabei, Ortstermine zu organisieren, bei denen sich die Fachpolitiker der Fraktion in den Sommerferien ein eigenes Bild machen, zum Beispiel von der Berufsbildungswerkstatt oder vom Café Light und der drogenmedizinischen Ambulanz der Arbeiterwohlfahrt. „Dabei spielen natürlich auch die anstehenden Haushaltsberatungen eine Rolle, wenn man die Frage beantworten muss, welcher Träger was wie optimal bewerkstelligen kann und welche Zuschüsse die Stadt leisten kann und muss“, sagt Schindler. Fest im Blick hat er deshalb auch die Vorbereitung der Haushaltsklausur in der letzten Ferienwoche, bei der er aber „nichts sensationell Neues erwartet“, weil das Haushaltssicherungskonzept ja bereits stehe und im Rahmen des Doppelhaushaltes fortgeschrieben werde. Natürlich nutzt Schindler die Sommerpause auch dazu, sein Büro im Gerd-Müller-Haus an der Auerstraße aufzuräumen und Akten zu studieren, die bei ihm auf Wiedervorlage liegen, etwa zum Thema Flughafen. Neben solch schwerer Kost gönnt sich der Sozialdemokrat aber auch politisch inspirierende Lektüre, wie das Buch „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“, in dem der ZEIT-Chefredakteur und der Alt-Kanzler die politische, wirtschaftliche und soziale Lage „sehr selbstkritisch reflektieren“.

Bei der CDU: In der CDU-Geschäftsstelle an der Bahnstraße stehen Partei-Geschäftsführerin Astrid Timmermann-Fechter und die stellvertretende Fraktionschefin Ramona Baßfeld bei der Stallwache vor dem Stabwechsel. Heute verabschiedet sich Timmermann-Fechter in den Urlaub nach Mecklenburg-Vorpommern.Veranstaltungen vorbereiten, Ortstermine abstimmen, Anfragen beantworten und Einladungen verschicken. „Dieses Tagesgeschäft geht auch während der Sommerpause durch“, betont Timmermann-Fechter. „Ich habe meinen Schreibtisch voll“, betont Baßfeld mit Blick auf die Buchhaltung der knapp 800 Mitglieder zählenden Kreispartei, um die sich die Betriebsleiterin jetzt verstärkt kümmert. Als Vize-Chefin der Ratsfraktion trifft sich Baßfeld am kommenden Freitag mit ihrem Amtskollegen Henner Tilgner und Fraktionschef Wolfgang Michels zur politischen Lagebesprechung. Und am 30. August steht die Haushaltsklausur der CDU-Fraktion auf ihrem Terminplan. „Wir waren aber schon fleißig und haben unsere Hausaufgaben gemacht“, sagt Baßfeld angesichts des Doppelhaushaltes, dessen Beratung nach der Sommerpause ansteht.

Bei den Grünen: Während der Betrieb bei den Christdemokraten fast wie gewohnt weiter geht, haben ihre Bahnstraßen-Nachbarn von den Grünen ihre Geschäftsstelle bis zum 22. August geschlossen. Allerdings hört Schatzmeister Axel Hercher, der sich jetzt um die Buchführung kümmert, regelmäßig den Anrufbeantworter ab und checkt die eingegangenen E-Mails.„Ich genieße es, dass ich jetzt abends weniger Termine habe“, gibt Vorstandssprecherin Ingrid Tews zu. Dennoch ist die Sommerpause auch für sie und ihre Parteifreunde nicht politikfrei. Erst am letzten Samstag hatten sie einen Infostand in der City und am 25. August trifft sich der Kreisvorstand, um unter anderem über die Frage zu beraten, ob und welchen Erhöhungen von Grund- und Gewerbesteuer man im Rahmen der Haushaltskonsolidierung zustimmen soll. „Wenn, dann muss das moderat geschehen. Aber ganz ohne wird es wohl nicht abgehen. Dafür ist der Haushalt zu sehr an die Wand gefahren“, meint Tews. Diese zentrale Finanzfrage soll aber auch noch einmal bei einer Mitgliederversammlung, die ebenso vorbereitet werden muss, wie etwa eine Informationsveranstaltung zur Energiepolitik.

Bei der FDP: „Man muss auch mal Urlaub machen, um aufzutanken und neue Frische zu gewinnen. Sonst ist man am Ende ausgepowert“, findet FDP-Fraktionschef Peter Beitz. Dennoch macht er derzeit keinen Urlaub. Natürlich beschäftigt auch ihn in der Sommerpause der Haushalt und die Frage, wie man das Steuergeld der Bürger zielgerichteter „und nicht wie mit dem Schrotgewehr“ investieren kann. Am 25. August trifft sich seine Fraktion zur Haushaltsklausur. Doch Beitz macht sich derzeit ganz grundsätzliche Gedanken über ein Leitbild für Mülheim, das er nicht nur mit seinen Kollegen aus der Politik, sondern mit möglichst vielen Bürgern aus allen Bereichen diskutieren und auf den Weg bringen will, „um nicht nur beim Haushalt mit einem großen Wurf aus dem Klein-Klein herauszukommen“ und die Frage zu beantworten, wo die Stadt in 15 Jahren stehen will.

Bei den MBI: Wie bei der FDP hat man auch bei den Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) die Sommerpause zu Gesprächen mit anderen Ratsfraktionen genutzt, um mit Blick auf die Haushaltsberatungen gemeinsame finanzpolitische Anträge zu sondieren. „Unseren haushaltspolitischen Arbeitskreis haben wir aber nicht aktiviert. Denn es macht keinen Sinn, die selben Sachen noch mal zu besprechen“, sagt MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard angesichts des Doppelhaushaltes und der seit Monaten auf dem Tisch liegenden Konsolidierungsvorschläge des Kämmerers. Stattdessen bereiten Reinhard und seine MBI-Mitstreiter derzeit einen Antrag für die nächste Hauptausschusssitzung vor, der die Stadt die Option regionaler Stadtwerke prüfen lassen will, um sich aus der Abhängigkeit vom Stromriesen RWE zu befreien. Und auch das wird in der MBI-Geschäftsstelle geleistet, die Vorbereitung eines Sommerfestes, das am 28. August rund um den Europa-Pavillon in der Müga gefeiert werden soll.

Bei WIR aus Mülheim: Schon in der heißen Phase angekommen sind diese Vorbereitungen beim Wählerbündnis „Wir aus Mülheim“ (WIR), das bereits am kommenden Sonntag zu seinem Sommerfest in den Styrumer Feldmannpark einlädt. Bereits am Montag hat sich WIR-Bezirksvertreterin Sabine Schweizerhof bei einem Ortstermin am Bottenbruch mit Anwohnern getroffen, die sich eine Wiedereinführung der von der Bezirksvertretung aufgehobenen Einbahnstraßenregelung wünschen, Außerdem bereitet man bei WIR die Eröffnung des neuen Fraktionsbüros an der Oberhausener Straße vor, in dem bereits am 21. August „um die Giftliste des Haushaltes zu wälzen“

Dieser Text erschien am 13. August 2010 in der NRZ

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