Mittwoch, 4. August 2010

Altenpfleger sind mehr den je gefragt, aber immer noch stark belastet und nicht gut bezahlt

Welcher Beruf bietet mir eine gute und möglichst krisensichere Zukunft? Vor dieser Frage stehen derzeit Schulabgänger, die eine Berufsausbildung beginnen wollen oder Arbeitssuchende, die sich beruflich neu orientieren müssen.

Eine Antwort könnte für sie die Ausbildung zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger sein. Denn mit dem Alterungsprozess unserer Gesellschaft wird diese Berufsgruppe tendenziell immer wichtiger. Schon heute sind 23,8 Prozent aller Mülheimer 65 Jahre und älter.Dass das Stellenangebot in diesem Bereich größer ist als die Anzahl der Bewerber, sieht die Sprecherin der Agentur für Arbeit, Katja Hübner, daran, dass derzeit bei der Agentur 20 freie Altenpflegerstellen bei ambulanten Pflegediensten und Altenheimen, aber nur zehn Stellenbewerber gemeldet sind. Und das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein, weil viele Altenheime ihre Stellen ausschreiben, ohne sie der Agentur zu melden.

Fachleute aus dem Bereich der Altenpflege beklagen schon jetzt einen Fachkräftemangel, verbunden mit einer Überalterung der aktiven Pflegerschaft und einer tendenziell weiter ansteigenden Zahl der Pflegefälle. Welche arbeitsmarktpolitische Bedeutung die Altenpflege schon heute hat, zeigen die Zahlen des Sozialamtes und des Kommunalen Stabes Stadtentwicklung und Stadtforschung.

Nach ihren Angaben gibt es in Mülheim 29 ambulante Pflegedienste und 17 stationäre Einrichtungen , also Altenheime, mit insgesamt 1861 Pflegeplätzen .Folgt man der aktuellsten verfügbaren Erhebung aus dem Jahr 2007, so arbeiteten in Mülheim 636 Altenpfleger bei ambulanten Pflegediensten und 1 376 Altenpfleger in Altenheimen. Doch wie wird man Altenpflegerin oder Altenpfleger? Und was muss man können?Die auf drei Jahre angelegte Ausbildung ist seit 2003 bundeseinheitlich durch den Gesetzgeber geregelt. Bewerber sollten mindestens einen qualifizierten Hauptschulabschluss haben und Eigenschaften, wie Verantwortungsbewusstsein, Kontaktbereitschaft, Einfühlungsvermögen und psychische Belastbarkeit sowie Interesse an sozialen, wirtschaftlichen und musischen Themen mitbringen.Laut Arbeitsagentur verdienen Ausbildende in der Altenpflege im ersten Ausbildungsjahr monatlich netto 807 Euro, im zweiten Ausbildungsjahr 867 Euro und im dritten Ausbildungsjahr 955 Euro.

In diesem Zusammenhang weist Agentur-Sprecherin Hübner darauf hin, dass ab August in der Altenpflege ein gesetzlicher Mindeststundenlohn von 8,50 Euro in West- und 7,50 Euro in Ostdeutschland gilt und dass mit Bildungsgutscheinen bis 2013 landesweit 1000 neue Ausbildungsplätze in der Altenpflege geschaffen werden sollen.Das gerade erst angelaufene Angebot wird laut Hübner gut angenommen. Neben ihrer praktischen Berufsausbildung bei ambulanten Pflegediensten, in Altenheimen, Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken oder Kurzeitpflegeeinrichtungen absolvieren angehende Altenpfleger auch eine theoretische Ausbildung.

Diese wird zum Beispiel im Mülheimer Seminarhaus der Theodor-Fliedner-Stiftung angeboten.Der stellvertretende Leiter des Seminarhauses, Andreas Johann, der selbst als Intensivpfleger gearbeitet hat, ehe er nach einer Zusatzausbildung in den Altenpflegelehre wechselte, weist darauf hin, dass seine Bildungseinrichtung ab Oktober erstmals mit zwei Ausbildungskursen startet, um dem wachsenden Fachkräftebedarf in der Altenpflege Rechnung zu tragen. An jedem Ausbildungskurs können maximal 28 angehende Altenpfleger teilnehmen. In Form von Blockseminaren absolvieren sie während ihrer dreijährigen Ausbildung insgesamt 2100 Unterrichtsstunden. In denen vermitteln die fünf festangestellten Altenpflegelehrer zusammen mit externen Honorar- und Fachdozenten zum Beispiel Pflegetechniken, medizinische und medikamentenkundliche Kenntnisse, aber auch die Fähigkeit mit demenziell veränderten Menschen umgehen zu können und in der Pflegepraxis alten Menschen eine sinnvolle Tagesstruktur zu schaffen.

Aufgrund seiner praktischen Erfahrungen schätzt Johann, dass etwa zehn Prozent der Auszubildenden ihre Ausbildung abbrechen werden. Dass auch ausgebildete Altenpfleger nicht immer dauerhaft in ihrem Beruf arbeiten, führt er unter anderem auf die belastenden Arbeitsbedingungen und die mehr als bescheidene Bezahlung zurück. Das monatliche Nettogehalt eines ausgebildeten Altenpflegers bewegt sich, laut Johann, in einer Größenordnung von 1200 Euro. Nach mehreren Jahren Berufserfahrung könne es vielleicht auf 1500 oder 1600 Euro steigen. Die einzige Chance, als Altenpfleger mehr zu verdienen sieht er in zusätzlich belastenden Überstunden und Nachtschichten oder in einer Zusatzqualifikation, die zur Übernahme verantwortungsvoller Leitungsfunktionen in der Altenpflege befähige.

Dieser Text erschien am 27. Juli 2010 in der NRZ

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