Dienstag, 17. August 2010

Laschet oder Röttgen? Das ist bald auch für Mülheims Christdemokraten die Frage: Was meinen die örtlichen Parteispitzen?

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Bald müssen die 798 Mülheimer Christdemokraten in einer Mitgliederbefragung ihren neuen Landesvorsitzenden wählen. Der Fraktionsvize im Landtag, Ex-Integrationsminister Armin Laschet, hatte sich sich bereits erklärt und Bundesumweltminister Norbert Röttgen wird jetzt als sein Gegenkandidat antreten. Für die NRZ fragte ich bei Parteibasis und Parteiführung nach ihren Erwartungen an die neue Landesspitze.

Kreisvorsitzender Andreas Schmidt hält beide Politiker für „gut und fähig“, die Auswahl zwischen zwei Bewerbern und eine Mitgliederbefragung sieht er als den demokratischen Normalfall und wünscht sich vom neuen Landeschef, dass er das Profil der CDU als Großstadtpartei schärft und die Partei als charismatischer Herausforderer der Ministerpräsidentin für „Menschen mit einer modernen Geisteshaltung“ öffnet und attraktiver macht.

Gleich mehrere Ortsverbandsvorsitzende der CDU, wie Markus Püll (Stadtmitte), Heiko Hendriks (Broich), Frank Blum (Saarn), Henner Tilgner (Holthausen) und Carsten Schmidtke (Styrum) glauben, dass der neue Landesvorsitzende vor allem eines tun muss: das konservative Profil der Partei schärfen, um die christdemokratischen Nichtwähler zurückzugewinnen. „Das war ein scharfer Schuss vor den Bug“, sagt Püll. Was heißt hier konservativ? „Der Einzelne muss wieder mehr im Mittelpunkt der Politik stehen“, glaubt Püll. Er empfiehlt seiner Partei, sich auf ihre Grundwerte zu konzentrieren und auch die Steuerpolitik verstärkt in den Blick zu nehmen. Neben der inneren Sicherheit nennen die Befürworter einer konservativen Profilierung auch die Schwerpunkte mittelstandsfreundliche Wirtschaftspolitik und den Kampf gegen eine angebliche Abschaffung des Gymnasiums und die Einführung einer Gemeinschaftsschule, die sie als kontraproduktive „Gleichmacherei“ und Abkehr von der individuellen Talentförderung sehen.

„Wir müssen von der Vorstellung wegkommen, dass der Mensch erst beim Abiturienten anfängt. Wir brauchen nicht nur Menschen, die denken, sondern auch welche, die anpacken“, meint Roland Chrobok aus Dümpten. Was die Personalfrage an der Parteispitze angeht, wollen sich Schmidt und Ursula Schröder (Winkhausen) noch nicht festlegen, während Püll, Blum, Chrobok und Bernd Diekmann (Speldorf) schon aus pragmatischen Gründen zu einer „landespolitischen Lösung“ mit Laschet tendieren, weil sie sich nicht vorstellen können, dass ein Bundespolitiker wie Röttgen stark genug in der Landespolitik verankert sein kann, um der Regierung Paroli zu bieten.

Schmidtke, Hendriks und Henner Tilgner (Holthausen) geben zu, dass sie sowohl bei Laschet als auch bei Röttgen politische Bauchschmerzen haben. Tilgner würde sich einen völligen Neuanfang mit „einem neuen und unverbrauchten Gesicht wünschen“, das nicht unbedingt aus der Politik kommen müsste. Heißens CDU-Chef Eckhart Capitain würde am liebsten für den ehemaligen Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz stimmen, wenn der als konservativ geltende Wirtschafts- und Finanzexperte aus dem Sauerland denn zur Wahl stünde.

Schröder, Püll und Diekmann sind sich einig, dass der neue Vorsitzende der Landes-CDU mit mehr Offenheit die Basis vor Ort stärker einbeziehen muss als bisher, indem er „die Menschen mitnimmt und ihnen seine Politik erklärt“, damit sie sich nicht von der Politik abwenden. „Die Menschen sind sehr frustriert und wollen oft gar nichts mehr von Politik hören“, gibt Schröder ihren Eindruck aus vielen Gesprächen wieder und wünscht sich vom neuen Chef-Christdemokraten an Rhein und Ruhr, „dass er wieder mehr Pepp in die Politik bringt und die Leute aus ihrer Trauer und Lethargie heraus holt.“

Dazu gehört für Diekmann auch die Ehrlichkeit „den Menschen zu sagen, was finanziell geht und was nicht.“ Ganz in diesem Sinne sieht Diplom-Kaufmann Blum „eine Finanzpolitik der neuen Landesregierung, die alles auf Pump verspricht“, als Angriffspunkt für die CDU-Opposition im Landtag.Auch wenn Chrobok und Hendriks durchaus nicht sicher sind, ob eine Urwahl durch alle Parteimitglieder automatisch den besten Kandidaten ins Amt bringt, sind sich die Ortsverbandsspitzen der Mülheimer CDU einig, dass das Instrument einer Mitgliederbefragung zur erwünschten Aktivierung der Parteibasis beitragen und vielleicht auch motivieren kann, selbst politisch wieder mitzuarbeiten.

Dieser Text erschien am 14. August 2010 in der NRZ

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Trüber November

 Für den Evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr und seine sechs Gemeinden ist der November nicht nur klimatisch trübe. Superintendent Michae...