Sonntag, 15. August 2010

Wie sparsam geht die Stadt mit unserem Steuergeld um: Ein Gespräch mit der Mülheimerin Bärbel Hildebrand vom Bund der Steuerzahler NRW


Vater Staat und öffentliche Hand. Das hört sich nach milder Gabe an, wenn von der Bezahlung öffentlicher Leistungen die Rede ist. Zu leicht gerät in Vergessenheit, dass der Staat nur ausgeben kann, was vorher erarbeitet wurde. Eigentlich. Tatsächlich belaufen sich die öffentlichen Schulden aller Ebenen auf 1,7 Billionen Euro. Deswegen mahnen die Mülheimerin Bärbel Hildebrand und ihre Kollegen vom Bund der Steuerzahler immer wieder, mit Geld sorgsam umzugehen. Die NRZ sprach mit ihr über Verschwendung, auch am Beispiel Mülheim, in einer Zeit, da man im Rahmen der Haushaltskonsolidierung überlegt, die schon jetzt vergleichsweise hohen Gewerbesteuer- und Grundsteuersätze weiter anzuheben.

Wie kommen Sie an Informationen, die nicht immer gerne preisgegeben werden?Informationen erhalten wir von unseren Mitgliedern und von interessierten Bürgern, aber auch von Journalisten die selbst recherchiert haben und manchmal auch von Politikern oder aus Verwaltungen.

Müssen Sie sich auch mit Mülheimer Steuergeldverschwendungen befassen?
Uns beschäftigt natürlich Ruhrbania. Da erreichten uns viele Zuschriften. Wir haben das Thema recherchiert und auch in unserer Zeitschrift Der Steuerzahler darüber berichtet. Aktuell stellen wir zwar keine Recherchen an, beobachten das Projekt aber weiter.

Was macht Ihnen angesichts von Ruhrbania Bauchschmerzen?
Wir haben die Befürchtung, dass Mülheim sich an diesem Projekt überhebt. Dass die Stadt etwas tun muss, steht außer Frage. Die Stadt geht komplett vor die Hunde, wenn man es nicht schafft, die Innenstadt wieder attraktiver zu machen und die Bürger mit einzubinden. Ob Ruhrbania der richtige Weg ist, wagen wir zu bezweifeln, weil wir uns des Eindrucks nicht erwehren können, dass der Stadt das Ganze aus den Händen gleitet. Der Baubeginn hat sich immer wieder verzögert. Dann hat man immer wieder neu geplant, was dort eigentlich hin soll. Und wir denken, wenn eine Stadt ihre Innenstadt so komplett umkrempeln will, wie das mit Ruhrbania geschehen soll, dann muss sie doch genau wissen, was sie da unten an der Ruhrpromenade haben will. Will ich dort Wohnungen? Will ich Geschäfte? Will ich Büros? Das muss ich mir vorher überlegen und nicht, wenn der Prozess schon angefangen hat. Das kann ich als Stadt auch nicht den Investoren überlassen. Denn ich muss doch als Stadt Stadtplanung betreiben. Wir haben nicht den Eindruck, dass die Stadt weiß, was sie dort haben will, erst ein Hotel, dann das Ärztezentrum. Nichts von allem kommt. Und wenn stattdessen dort noch mehr Wohnebebauung entstehen soll und das alte Stadtbad noch nicht komplett vermietet oder verkauft ist, stellt sich die Frage, wie viel Wohnbebauung verträgt eine Stadt. Das sind alles offene Fragen, von denen wir nicht den Eindruck haben, dass die Stadt Mülheim sie beantworten kann.

Warum kann Ruhrbania den Mülheimer Steuerzahler teuer zu stehen kommen?Das lässt sich schlecht berechnen. Dieser Fall würde nur eintreten, wenn die Stadt auf ihren Grundstücken sitzen bliebe, sie nicht oder nur unter Wert verkaufen könnte und sie selbst bebauen oder bepflanzen müsste. Wenn die Stadt ihre Grundstücke verkauft und damit das Geld einnehmen kann, was sie veranschlagt hat, ist sie finanziell gut heraus und in ihrer Planung. Wenn sie aber Ihr Planungsziel nicht erreicht, die Menschen wieder in die Innenstadt und an die Ruhr zu holen, hätte man sich auch alles schenken können. Dann hätte man die Stadt auch so lassen können, wie sie ist.

Welche finanziellen Sündenfälle sind denn, abseits von Ruhrbania an Sie herangetragen worden?
Das waren Dinge, die zum Teil auch mit Ruhrbania zusammenhängen. Der Abriss des Überfliegers an der Konrad-Adenauer-Brücke war ein Punkt. Als wir im Rahmen unserer Ruhrbania-Recherchen im Planungsdezernat nachgefragt haben, hat man uns dort allerdings sehr schlüssig erklärt, dass der Abriss der Überflieger nötig ist, um das neue Ein- und Ausfahrtkonzept für die Innenstadt zu schaffen. Ein davon losgelöster Fall waren die Baumkübel auf der Schloßstraße. Wir haben uns die Kübel angeschaut und bewerten sie nicht als Verschwendung, weil einer Stadt nicht verboten werden kann, ihre Innenstadt attraktiver zu machen und weil ein Pflasterband, wie die Schloßstraße, durch die Bäume unserer Ansicht nach gewinnt.

Mit welchem Fall von Steuergeldverschwendung kam Mülheim zuletzt in Ihr jährlich herausgegebenes Schwarzbuch?
Vor elf Jahren hatten Bürger die City-Toiletten als zu teuer und unangemessen kritisiert. Damals ging es um das vollautomatische Toilettenhaus an der Leineweberstraße. Das kostete 200 000 Mark. Und man hatte erst kurz vorher die Toilettenanlage am Viktoriaplatz für 150 000 Mark saniert. Das erschien uns doppelt gemoppelt. Deshalb haben wir das kritisiert. Aber inzwischen steht außer Frage, dass sie dort stehen und sicher auch genutzt werden.

Wie kann der Bund der Steuerzahler öffentliche Geldverschwendung ahnden? Wir schaffen vor allem Öffentlichkeit. Das schafft Druck. Wer mit einem Verschwendungsfall in unserem Schwarzbuch landet, wird bundesweit durch die Medien gezogen. Wir binden natürlich auch lokale Medien und unsere Mitglieder vor Ort mit ein und veröffentlichen Verschwendungsfälle auf unserer Internetseite. Das gefällt nicht jedem. Wir bekommen dann auch Kritik zurück. Doch damit können wir leben. Denn wir recherchieren unsere Fälle sehr sorgfältig und bitten auch die Betroffenen um Stellungnahme.

Suchen Kommunalpolitiker Ihren Rat , um Verschwendung zu vermeiden?
Auf jeden Fall. Es gibt viele Ratsfraktionen, die unseren Kommunalexperten, einen studierten Volkswirt mit kommunaler Verwaltungserfahrung anfragen, der sich mit dem Thema kommunale Haushalte excellent auskennt. Er erklärt den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern den Aufbau eines kommunalen Haushaltsplanes und zeigt Sparvorschläge auf. Aus Mülheim gab es eine solche Anfrage bisher leider noch nicht. Aber, was nicht ist, kann ja noch werden.

Hintergrund: Die Journalistin Bärbel Hildebrand und ihre Kollegin Andrea Defeld recherchieren für den nordrhein-westfälischen Bund der Steuerzahler Fälle von Steuergeldverschwendung. Der Bund der Steuerzahler ist ein eingetragener Verein mit landesweit 70 000 und bundesweit 300 000 Mitgliedern. Ihm gehören sowohl interessierte Bürger als auch Unternehmen und Gruppen an. Die Einzelmitgliedschaft kostet jährlich 72- und die Unternehmensmitgliedschaft 96 Euro. Der Bund der Steuerzahler setzt sich nicht nur für einen sorgfältigen Umgang mit Steuergeldern, sondern auch für ein einfacheres, gerechteres und an die Lohnentwicklung angekoppeltes Steuersystem ein. Der Bund der Steuerzahler fordert die Abschaffung von Bagatellsteuern, wie Hunde- oder Sektsteuer, deren Erhebung mehr kostet als sie dem Staat einbringen. Die Gewerbesteuer möchte der Bund der Steuerzahler durch einen kommunalen Hebesatz bei der Lohn- und Einkommens sowie bei der Körperschafts- und Umsatzsteuer ersetzen. Außerdem sollte der Spitzensteuersatz nicht schon bei einem Netto-Jahreseinkommen von 53 000 Euro, sondern erst bei 60 000 Euro einsetzen. Bürger können sich unter 02 11/99 175 25 oder per E-Mail an: presse@steuerzahler-nrw.de an den Steuerzahlerbund wenden. Weitere Infos im Internet unter: http://www.steuerzahler-nrw.de/

Dieser Text erschien am 4. August 2010 in der NRZ

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