Samstag, 31. Oktober 2009

So gesehen: Läuten statt twittern und der Geschmack des Glaubens - Gedanken zum neuen Ruhrbischof und zum Reformationstag



Als Horst Köhler wieder zum Bundespräsidenten gewählt wurde, wurde das Abstimmungsergebnis direkt aus der Bundesversammlung an die weltweite Internet- und Mobifunkgemeinde getwittert. Als Franz-Josef Overbeck gestern vom Papst zum neuen Ruhrbischof ernannt wurde, ließ die katholische Kirche die Glocken läuten. Das eine rauscht durchs World Wide Web, das andere klingt uns in den Ohren. Die Kirche weiß schon seit hunderten von Jahren und damit länger als jede Partei und jedes Medium: Wer auf sich aufmerksam machen will, muss die Glocken läuten lassen. Das hat die Kirche auch nötig. Denn ihre Schäfchen werden weniger. Und deshalb kann sie weniger denn je glauben, ihre Schäfchen im Trockenen zu haben. Wer in dieser Situation die Glocken läuten lässt, pfeift nicht nur im Dunkeln, sondern lässt aufhorchen, wenn er, wie der neue Ruhrbischof, sagt, die Kirche müsse den Menschen zeigen, wo es zu Gott geht. Das klingt himmlisch, wie das Glockengeläut und lässt glauben,dass das einer weiß, wo es lang geht, wenn den Worten Taten folgen, die zeigen, dass Kirche mehr ist als eine Kirchensteuergemeinschaft. Dann würde das Glockengeläut von gestern zur Zukunftsmusik.

Und kaum war der neue Ruhrbischof gewählt, ließ die katholische Kirche die Glocken läuten. Kaum ist Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands gewählt worden, verteilt die Evangelische Kirche in Mülheim am morgigen Samstag auf dem Kurt Schumacher-Platz ab 15 Uhr Bonbons. Zugegeben. Dieser Akt praktizierter Nächstenliebe, der in diesen Herbsttagen jedem rauhen Rachen gut tut, hat nichts mit der Wahl Käßmanns, sondern mit dem Reformationstag zu tun. Aber man sieht, die Protestanten sind Pragmatiker. Sie wissen: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, aber manchmal geht auch der Glaube durch den Magen, wenn uns das Reformationsbonbon an Martin Luthers zentrale These erinnert, nämlich, dass sich der Mensch nicht alles durch eigene Taten verdienen kann, sondern darauf angewiesen bleibt, beschenkt zu werden, sei es mit menschlicher und göttlicher Liebe und Gnade oder auch mit einem leckeren Reformationsbonbon. So schmeckt der Glauben.

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