Samstag, 3. Oktober 2009

Von Thüringen an die Ruhr oder: Wenn die Einheit durch den Magen geht


Wenn man nach Erfolgsgeschichten der deutschen Einheit sucht, kann man im Ratskeller und im Bürgergarten fündig werden. Beide Traditiongaststätten werden heute von Jörg und Janet Thon geführt. Der Fall der Mauer machte es möglich, dass die Beiden 1990 aus Gera nach Mülheim kamen.

Als die Mauer am 9. November 1989 fiel, reparierte der angehende Koch Jörg Thom im Keller seines Elternhauses gerade sein Motorrad. "Ich konnte erst gar nicht glauben, was ich da hörte", erinnert er sich an seine erste Reaktion auf die Nachrichten von der neuen Reisefreiheit. Jetzt konnte er ganz selbstverständlich Tante und Onkel in Speldorf besuchen, die dort einen Friseursalon betrieben.

Diese Familienbande nutzte er, als er im Januar 1990 erfuhr, dass seine Meisterausbildung, die er als Koch in Jena und Gera absolvierte, im neuen Deutschland wohl nicht anerkannt würde. In Speldorf fragte er nach Arbeit und Wohnung und wurde schnell fündig. Nicht nur er selbst, sondern auch seine spätere Frau fanden im Tannenhof eine erste Anstellung.

Auch wenn es am Anfang die eine oder andere Ossi-Wessi-Frotzelei gab, staunt Thon rückblickend darüber, "wie freundlich und aufgeschlossen die Menschen mich hier aufgenommen haben." Nach ersten Stationen im Tannenhof und im Wasserbahnhof übernahmen die Thons 1993 die Leitung des Ratskellers und in diesem Jahr auch die des Bürgergartens.

Was bedeutet ihm die Wiedervereinigung Deutschlands? Er formuliert es so: "Ich sehe Deutschland trotz aller Schwierigkeiten politisch und wirtschaftlich auf dem richtigen Weg. Und wir sollten unser Potenzial nicht schlechter reden, als es ist." Die deutsche Einheit ermöglichte den Thons eine erstaunliche Erfolgesgeschichte und die Freiheit, dass sagen zu können, was man denkt. Doch der Erfolg hat auch seinen Preis. Denn ihr Beruf lässt ihnen nur wenig Zeit und "Reisefreiheit" für den Urlaub in Holland oder Südtirol oder für den Familienbesuch in Thüringen. Und so wird auch der heutige Feiertag für sich "ein ganz normaler Arbeitstag, an dem wir hoffen, ein gutes Geschäft zu haben."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Menschen bewegen Menschen

  Beim Thema Seelsorge denkt man nicht ans Radfahren. Und "Radfahrern", die nach unten treten, aber nach oben buckeln, ist alles z...