Maria Jantke hat viel erlebt. Kein Wunder. Morgen feiert sie ihren 107. Geburtstag und ist damit Mülheims älteste Bürgerin. Wie hat sie es geschafft, so alt zu werden? "Ich bin ein sehr gottgläubiger und zufriedener Mensch, der nie viel gegrübelt hat", sagt sie.
Bis ins letzte Jahr hinein hat sie noch in ihrer eigenen Wohnung an der Kreuzstraße gelebt und ihren Alltag mit Hilfe ihres Sohnes Rudi und ihrer Tochter Hildegard selbstständig bewältigt. Erst ein Sturz, bei dem sie sich den Oberschenkelhals brach, zwang sie zum Umzug in den Engelbertusstift an der Seiler Straße.
Jetzt sitzt sie dort in ihrem Zimmer und erinnert sich an ihr Leben. Angefangen hat alles am 18. Oktober 1902, als Maria als Tochter eines Landarbeiters im westpreußischen Kreis Marienburg zur Welt kam. Sie erinnert sich daran, dass sie als Kind barfuß über die Felder ihres Heimatdorfes Stadtfelde und in Holzschuhen zur Schule gegangen ist. Der Weg in die Kreisstadt Marienburg war weit, eine Stunde hin und eine zurück. "Der Kaiser ist ein lieber Mann", zitiert Maria eine Liedzeile aus ihrer Kindheit. Wilhelm II. hat sie in guter Erinnerung behalten: An seinem Geburtstag, dem 27. Januar, hatte sie immer schulfrei.
"Wir sind streng katholisch erzogen worden", erinnert sich Jantke. Kraft und Gottvertrauen brauchte ihre Mutter, nachdem der Vater im Ersten Weltkrieg gefallen war und acht Kinder durchgebracht werden mussten. Nach der Volksschule machte Maria in einer großen Gärtnerei eine Lehre als Floristin und konnte damit zum Familieneinkommen beitragen. Von dieser Zeit schwärmt die naturverbundene Jubilarin noch heute. Ihr Sohn Rudi bescheinigt seiner Mutter denn auch einen grünen Daumen.
Doch als Maria ihren Artur kennen und lieben lernte, zog sie zu Hause aus und zu Artur. Der war Berufssoldat in einer Fahrradkompanie der Reichswehr und wohnte in der Marienburger Kaserne. 1927 wurde geheiratet. Und in den beiden Folgejahren kamen die Töchter Traute und Hildegard zur Welt. 1932 wechselte Artur von der Reichswehr auf einen Posten bei der Reichspost, der die junge Familie von Westpreußen nach Mülheim führte, wo 1936 Sohn Rudi das Licht der Welt erblickte. "Das war damals noch richtiger Kohlenpott hier, mit Zechen, Zementfabrik und Hochöfen. Und nach dem Krieg haben wir in den Trümmern gespielt", erinnert sich Rudi Jantke, der später auch bei der Post arbeiten sollte, an seine Kindheit.
Seine Mutter beschreibt er als eine sehr starke und lebensfrohe Frau. Viel Kraft brauchte sie, um die Kinder durch die Kriegs- und Nachkriegszeit zu bringen. Ihr Artur war 1939 zur Wehrmacht eingezogen worden. Mit ihren Kindern floh sie vor den Bomben nach Görlitz und später wieder auf abenteuerlichen Wegen mit Kohlenzügen zurück nach Mülheim. Nach dem Krieg musste man in der Wohnung an der Kreuzstraße Ausgebombte aufnehmen und teilte sich mit neun Personen vier Räume.
Noch lebhaft erinnert sich Maria Jantke an ihre Hamsterfahrten ins Sauerland. Bis heute ist sie dem Pfarrer dankbar, der ihr dort seinen Kartoffelvorrat und seinen Pflaumenbaum zum Abpflücken überließ. "Ich habe im Leben immer wieder Menschen gefunden, die mir geholfen haben", sagt Jantke.
Auch nach dem frühen Tod ihres Mannes (1956) behielt Jantke ihr Leben in der Hand, arbeitete bei Stinnes und in einem Möbelhaus, "weil ich immer gerne mit Menschen zu tun hatte." Das selbstverdiente Geld ermöglichte ihr manch schöne Reise durch Deutschland und Österreich. Das Reiseziel Amerika blieb aber für sie ein Traum.
Wenn man Maria Jantke nach einem Geburtstagswunsch fragt, dann sagt sie: "Meine Gesundheit ist mein höchstes Gut. Hoffentlich bleibt sie mir noch lange erhalten." Ihr Sohn Rudi ist zuversichtlich, auch wenn seine Mutter nicht von den Gebrechen des Alters verschont geblieben ist: "Sie war bis zu ihrem Sturz nie ernstlich krank und brauchte nie einen Hausarzt. Jetzt plant sie schon ihren 110. Geburtstag." Bis dahin telefoniert Maria Jantke täglich mit ihren drei Kindern und lässt sich über das aktuelle Geschehen in Mülheim und der Welt auf dem Laufenden halten.
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