Freitag, 30. Oktober 2009

Warum man bei den Caritas Sozialdiensten die höchstrichterliche Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder begrüßt



Reicht der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich jetzt das Bundesverfassungsgericht. Gleich zu Beginn des Prozesses äußerten die Verfassungsrichter deutliche Zweifel an der Methode, mit der die Hartz-IV-Regelsätze errechnet werden. Eine genaue Prüfung soll nun folgen.

Experten gehen davon aus, dass das Gericht die Ermittlung des Regelsatzes beanstanden wird. 4644 Mülheimer Kinder und Jugendliche, die derzeit nach Angaben der Stadtverwaltung vom Arbeitslosengeld-II-Bezug ihrer Eltern abhängig sind, könnten nach einem höchstrichterlichen Urteil, das im kommenden Jahr erwartet wird, damit rechnen, dass ihr Regelsatz angehoben wird. Derzeit steht Kinder unter 14 Jahren ein monatlicher Regelsatz von 215 Euro und Jugendlichen über 14 Jahren ein Regelsatz von monatlich 287 Euro zu.

Martina Pattberg, die die Familien- Kinder- und Jugendhilfe der Caritas Sozialdienste leitet, begrüßt die juristische Überprüfung. Auch wenn sie sich nicht auf einen bestimmten Betrag festlegen möchte, ab dem der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder und Jugendliche aus ihrer Sicht tatsächlich bedarfsdeckend wäre, steht für sie außer Frage, dass die öffentlichen Zuwendungen von Kindern aus Elternhäusern im Arbeitslosengeld-II-Bezug erhöht werden müssten, um die soziale Stigmatisierung der Betroffenen zu überwinden. "In dem Warenkorb, der dem Regelsatz zugrunde liegt, ist zum Beispiel nicht berücksichtigt, dass Kinder, die wachsen, eben auch schon mal zwei oder drei Paar neue Schuhe im Jahr brauchen oder dass ein ordentlicher Tornister heute locker 50 bis 100 Euro kostet", kritisiert Pattberg.

Einen weiteren Nachteil, der in der Praxis oft zu einer sozialen Ausgrenzung von Kindern aus Hartz-IV-Familien führt, sieht sie darin, dass das Arbeitslosengeld II im Gegensatz zur alten Sozialhilfe in der Regel keine einmaligen Beihilfen mehr vorsieht. "Wenn zum Beispiel eine Waschmaschine kaputt geht, und eine neue angeschafft werden muss, gibt es dafür keine Beihilfe mehr", berichtet Pattberg. Dann versuchen sie und ihre Kolleginnen den Betroffenen mit Stiftungsgeldern aus der Notlage heraus zu helfen. Doch wenn das nicht gelingt, kann es passieren, dass die Kinder aus den betroffenen Familien plötzlich mit unreiner Kleidung im Kindergarten oder in der Schule auftauchen, was ebenso zu Ausgrenzung und Benachteiligung führt, wie das fehlende Geld "für die auch immer teurer werdenden Schulmaterialien" vom Heft über Stifte bis zum Buch. Auch die möglichen Beihilfen für die Erstausstattung eines Säuglings, einer neuen Wohnung oder für die Teilnahme an einer Klassenfahrt, sind, laut Pattberg, inzwischen keine Muss,- sondern nur noch eine Kann-Bestimmung.
Auch wenn Pattberg aus der Praxis der flexiblen Familienhilfe weiß, dass viele Hartz-IV-Familien "Multi-Problem-Familien" sind, denen es nicht nur am Geld fehlt, lässt sie doch keinen Zweifel daran, dass in letzter Konsequenz eben doch vieles am Geld hängt und die drängensten Nöte der betroffenen Familien und ihrer Kinder mit einem angemesseneren Regelsatz gelindert werden könnten.

Wenn Geld keine Rolle spielte, würde sich Pattberg auch eine flächendeckende und kostenfreie Kinderbetreuung in Kindergärten und Schulen wünschen. Aus der Praxis der Familienhilfe weiß sie, dass finanzielle Nöte und die soziale Isolation der betroffenen Familien und ihrer Kinder oft zwei Seiten der selben Medaille sind, etwa wenn das Geld für das gemeinsame Mittagessen in der Schule oder in der Kindertagesstätte fehlt.
Weitere Informationen über die Caritas Sozialdienste finden Sie im Internet unter: www.caritas-muelheim.de

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