Haben die Gesprächsprozesse der letzten fünf Jahre die Katholische
Kirche in Deutschland weiter gebracht? Das Ergebnis einer Diskussion, die rund
160 engagierte Christen aus dem gesamten Bundesgebiet jetzt in der Katholischen
Akademie die Wolfsburg zu eben dieser Frage führten, brachte ein klares: „Ja,
aber!“ zu tage.
„Das Reden darf kein Ersatz für das Handeln sein“, mahnte der katholische
Journalist Joachim Frank von der DuMont-Medien-Gruppe. Als Beispiel für die
Stagnation in der katholischen Kirche nannte er „die Murmeltier-Debatte: 6 Uhr
morgens. Und schon wieder wird über den Pflichtzölibat diskutiert.“ Als
positives Gegenbeispiel für Aktion in der Kirche führte er das christliche
Engagement für Flüchtlinge ins Feld: „Da werden Christen mal wieder positiv
wahrgenommen.“
Auch der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, machte deutlich
„Gott wird nur in der gelebten Nächstenliebe, etwa in der Hilfe für Flüchtlinge
oder Obdachlose, erfahrbar. Wir kommen als Kirche nur weiter, wenn wir für
Frieden, Gerechtigkeit und den Dienst an den Armen eintreten.“ Den
Dialogprozess der vergangenen fünf Jahre, so Fürst, habe nach dem Schock der
2010 öffentlich gewordenen Missbrauchsfälle neues Vertrauen, neue Offenheit und
neuen Respekt geschaffen. Fürst: „Vor 2010 haben wir in der Bischofskonferenz
zwar miteinander geredet, aber nicht über die entscheidenden Dinge. Jetzt sind
aber alle heißen Eisen auf den Tisch gekommen. Und wir können hinter die
Ergebnisse des Dialogprozesses nicht mehr zurück.“
Der Bischof spürt durch Papst Franziskus Rückenwind aus Rom, wenn es zum
Beispiel um Reformschritte, wie die Einführung synodaler Strukturen oder um das
Diakonat der Frau gehe. „Das Homosexuelle jetzt im kirchlichen Dienst
zugelassen werden, kann man kaum als Fortschritt heraus hängen. Das sollte doch
das Normalste von der Welt sein. Und wenn man Frauen den Zugang zum Priesteramt
verweigert, darf man sich nicht wundern, wenn sich viele von ihnen fragen, ob
das noch die Kirche ist, in der sie leben und mitarbeiten wollen“, merkte die
Essener Diözesanvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend
(BDKJ), Stephanie Schulze an.
Auch der Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Thomas
Sternberg, forderte die Kirche auf, die Anregungen des Dialogprozesses zu
nutzen: Sternberg: „Wir müssen unsere internen Hausaufgaben machen, damit wir
nach außen besser auftreten können.“ Neben dem offeneren Umgang mit
wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen, nannte der ZDK-Vorsitzende
auch die Ablehnung der kirchlich unterstützten
Schwangerschaftskonfliktberatung, das Frauendiakonat und den Pflichtzölibat,
die als Bremsklötze aus dem Weg geräumt werden müssten. „Es reicht heute nicht
mehr, den Deckel des Topfes zu heben, um Dampf abzulassen, weil uns als Kirche
an vielen Stellen bereits der Topf weggeflogen ist. Denn die junge Generation
ist heute nicht mehr bereit, sich an verkrusteten kirchlichen Strukturen
abzuarbeiten“, betrachtete die Sternberg den gesellschaftlichen Ist-Zustand.
Darüber hinaus liegt für ihn das Ende des Pflichtzölibates angesichts des
akuten Priestermangels auf der Hand. „Wenn das so weiter geht, wie bisher,
können wir selbst die heutigen XXL-Gemeinden, die keine Lösung sind, nicht mehr
aufrechterhalten“, untermauerte Sternberg seine Position.
Mit einer evangelischen Christin, die sich aus dem Publikum zu Wort
meldete, war sich der ZDK-Chef einig, „dass wir heute mit dem alten
Konfessionalismus nicht mehr weiter kommen und eine gemeinsame christliche
Lobbyarbeit brauchen, weil wir heute in vielen Teilen der Gesellschaft nicht
mehr als Katholiken und Protestanten, sondern nur noch gemeinsam als Christen
wahrgenommen werden.“
So wollte auch der Fundamentaltheologe, Hans-Joachim Höhn von der
Universität Köln, den Dialogprozess der vergangenen Jahre „nicht als
Fortschritt, sondern nur als ein Aufholen von Rückschritten“ bewerten.
Angesichts „einer massenhaften Gottlosigkeit“ fürchtet er, dass der
Franziskus-Effekt verpuffen und der Papst mit seiner Wiederbelebung der
Befreiungstheologie keine große Resonanz finden werde.
„Gott ist nicht in der Krise. Denn die meisten Menschen sind nicht gottlos,
sondern spirituell Suchende. Deshalb brauchen wir christliche Lebenszeugnisse,
die berühren. Und wir müssen uns mehr gegenseitig von unserem Glauben
erzählen“, hielt der Generalvikar des Bistums, Klaus Pfeffer, dagegen. Ein
zentrales Problem sieht er darin „dass wir noch alle selbstverständlich in eine
Volkskirche hineingewachsen sind und es oft nicht gelernt haben, über unseren
Glauben zu sprechen.“
Für Pfeffer steht nicht nur die Ortskirche des Ruhrgebietes angesichts des
gesellschaftlichen und demografischen Wandels vor der grundsätzlichen Frage:
„Wie können und wollen wir in Zukunft Kirche leben, damit auch die kommenden
Generationen noch von Jesus Christus erfahren?“ Dass sich der Tanker Kirche
sehr wohl bewegt, machte der Generalvikar zum Beispiel daran deutlich, dass das
Ruhrbistum mehr Frauen in seine Führungspositionen bringt, Laien zum
Beerdigungsdienst zulässt und darüber nachdenkt, Kirchen auch für
Heiratswillige zu öffnen, die keiner Gemeinde angehören.
Für die stellvertretende Leiterin der Katholischen Akademie, Judith Wolf,
stand nach der Diskussion über den Dialogprozess fest: „Es liegt Veränderung in
der Luft. Und es gibt auch eine große Bereitschaft zur Veränderung.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen