Samstag, 24. September 2016

Hat der Gesprächsprozess der vergangenen fünf Jahre die Katholische Kirche vorangebracht? Eindrücke einer Diskussion in der katholischen Akademie Die Wolfsburg

Auf dem Podium des Akademie-Auditoriums (von links): Der ZDK-Vorsitzende Thomas Sternberg, Generalvikar Klaus Pfeffer, Journalist Joachim Frank, Bischof Gebhard Fürst und der Fundamentaltheologe Hans-Joachim Höhn. 
Haben die Gesprächsprozesse der letzten fünf Jahre die Katholische Kirche in Deutschland weiter gebracht? Das Ergebnis einer Diskussion, die rund 160 engagierte Christen aus dem gesamten Bundesgebiet jetzt in der Katholischen Akademie die Wolfsburg zu eben dieser Frage führten, brachte ein klares: „Ja, aber!“ zu tage.

„Das Reden darf kein Ersatz für das Handeln sein“, mahnte der katholische Journalist Joachim Frank von der DuMont-Medien-Gruppe. Als Beispiel für die Stagnation in der katholischen Kirche nannte er „die Murmeltier-Debatte: 6 Uhr morgens. Und schon wieder wird über den Pflichtzölibat diskutiert.“ Als positives Gegenbeispiel für Aktion in der Kirche führte er das christliche Engagement für Flüchtlinge ins Feld: „Da werden Christen mal wieder positiv wahrgenommen.“

Auch der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, machte deutlich „Gott wird nur in der gelebten Nächstenliebe, etwa in der Hilfe für Flüchtlinge oder Obdachlose, erfahrbar. Wir kommen als Kirche nur weiter, wenn wir für Frieden, Gerechtigkeit und den Dienst an den Armen eintreten.“ Den Dialogprozess der vergangenen fünf Jahre, so Fürst, habe nach dem Schock der 2010 öffentlich gewordenen Missbrauchsfälle neues Vertrauen, neue Offenheit und neuen Respekt geschaffen. Fürst: „Vor 2010 haben wir in der Bischofskonferenz zwar miteinander geredet, aber nicht über die entscheidenden Dinge. Jetzt sind aber alle heißen Eisen auf den Tisch gekommen. Und wir können hinter die Ergebnisse des Dialogprozesses nicht mehr zurück.“

Der Bischof spürt durch Papst Franziskus Rückenwind aus Rom, wenn es zum Beispiel um Reformschritte, wie die Einführung synodaler Strukturen oder um das Diakonat der Frau gehe. „Das Homosexuelle jetzt im kirchlichen Dienst zugelassen werden, kann man kaum als Fortschritt heraus hängen. Das sollte doch das Normalste von der Welt sein. Und wenn man Frauen den Zugang zum Priesteramt verweigert, darf man sich nicht wundern, wenn sich viele von ihnen fragen, ob das noch die Kirche ist, in der sie leben und mitarbeiten wollen“, merkte die Essener Diözesanvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Stephanie Schulze an.

Auch der Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, forderte die Kirche auf, die Anregungen des Dialogprozesses zu nutzen: Sternberg: „Wir müssen unsere internen Hausaufgaben machen, damit wir nach außen besser auftreten können.“ Neben dem offeneren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen, nannte der ZDK-Vorsitzende auch die Ablehnung der kirchlich unterstützten Schwangerschaftskonfliktberatung, das Frauendiakonat und den Pflichtzölibat, die als Bremsklötze aus dem Weg geräumt werden müssten. „Es reicht heute nicht mehr, den Deckel des Topfes zu heben, um Dampf abzulassen, weil uns als Kirche an vielen Stellen bereits der Topf weggeflogen ist. Denn die junge Generation ist heute nicht mehr bereit, sich an verkrusteten kirchlichen Strukturen abzuarbeiten“, betrachtete die Sternberg den gesellschaftlichen Ist-Zustand. Darüber hinaus liegt für ihn das Ende des Pflichtzölibates angesichts des akuten Priestermangels auf der Hand. „Wenn das so weiter geht, wie bisher, können wir selbst die heutigen XXL-Gemeinden, die keine Lösung sind, nicht mehr aufrechterhalten“, untermauerte Sternberg seine Position.
Mit einer evangelischen Christin, die sich aus dem Publikum zu Wort meldete, war sich der ZDK-Chef einig, „dass wir heute mit dem alten Konfessionalismus nicht mehr weiter kommen und eine gemeinsame christliche Lobbyarbeit brauchen, weil wir heute in vielen Teilen der Gesellschaft nicht mehr als Katholiken und Protestanten, sondern nur noch gemeinsam als Christen wahrgenommen werden.“

Nicht nur in diesem Zusammenhang wiesen kritische Stimmen aus dem Auditorium darauf hin, dass die katholische Kirche in den letzten 50 Jahren durch immer wiederkehrende Widerstände aus der Amtskirche, die Zeit verpasst habe, die durch das Zweite Vatikanische Konzil erreichten Fortschritte in die Tat umzusetzen.

So wollte auch der Fundamentaltheologe, Hans-Joachim Höhn von der Universität Köln, den Dialogprozess der vergangenen Jahre „nicht als Fortschritt, sondern nur als ein Aufholen von Rückschritten“ bewerten. Angesichts „einer massenhaften Gottlosigkeit“ fürchtet er, dass der Franziskus-Effekt verpuffen und der Papst mit seiner Wiederbelebung der Befreiungstheologie keine große Resonanz finden werde.

„Gott ist nicht in der Krise. Denn die meisten Menschen sind nicht gottlos, sondern spirituell Suchende. Deshalb brauchen wir christliche Lebenszeugnisse, die berühren. Und wir müssen uns mehr gegenseitig von unserem Glauben erzählen“, hielt der Generalvikar des Bistums, Klaus Pfeffer, dagegen. Ein zentrales Problem sieht er darin „dass wir noch alle selbstverständlich in eine Volkskirche hineingewachsen sind und es oft nicht gelernt haben, über unseren Glauben zu sprechen.“

Für Pfeffer steht nicht nur die Ortskirche des Ruhrgebietes angesichts des gesellschaftlichen und demografischen Wandels vor der grundsätzlichen Frage: „Wie können und wollen wir in Zukunft Kirche leben, damit auch die kommenden Generationen noch von Jesus Christus erfahren?“ Dass sich der Tanker Kirche sehr wohl bewegt, machte der Generalvikar zum Beispiel daran deutlich, dass das Ruhrbistum mehr Frauen in seine Führungspositionen bringt, Laien zum Beerdigungsdienst zulässt und darüber nachdenkt, Kirchen auch für Heiratswillige zu öffnen, die keiner Gemeinde angehören.

Für die stellvertretende Leiterin der Katholischen Akademie, Judith Wolf, stand nach der Diskussion über den Dialogprozess fest: „Es liegt Veränderung in der Luft. Und es gibt auch eine große Bereitschaft zur Veränderung.“
  

 Dieser Text erschien am 10. September 2016 im Neuen Ruhrwort

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 1929 als Gasbehälter errichtet, dient der 117 Meter hohe Gasometer in Oberhausen seit 30 Jahren als extravaganter Ausstellungsraum. Dieser ...