Eva Gerhardy und Peter Brill im Saarner Flüchtlingsdorf des Deutschen Roten Kreuzes |
65 Millionen
Menschen sind derzeit weltweit als Flüchtlinge unterwegs. 2500 von
ihnen sind bei uns in Mülheim angekommen. Allein 450 Flüchtlinge
aus Afghanistan, Syrien, Irak, Iran, Albanien und Eritrea haben ein
Obdach im Flüchtlingsdorf des Deutschen Roten Kreuzes an der
Mintarder Straße gefunden.
Damit ihnen das
Dach nicht auf den Kopf fällt, während sie auf die Anerkennung
ihres Asylanspruchs warten, sorgen unter anderem 200 ehrenamtliche
Helfer dafür, dass sie sinnvoll beschäftigt werden. Zwei von ihnen
sind der 70-jährige Peter Brill und die 48-jährige Eva Gerhardy.
Beide kommen, wie der stellvertretende Vorsitzende des DRKs, Frank
Langer, aus der Saarner Nachbarschaft des Flüchtlingscamps. Beide
haben sich von ihm für eine ehrenamtliche Mitarbeit in der
Flüchtlingshilfe des Roten Kreuzes gewinnen lassen und es bis heute
nicht bereut.
„Ich habe hier
viele interessante Menschen kennen gelernt, die mit mir auf einer
Wellenlänge sind“, erzählt Eva Gerhardy. Mit ihrem Vorbild hat
sie inzwischen auch ihren 18-jährigen Sohn für die ehrenamtliche
Mitarbeit im Camp an der Mintarder Straße begeistern können.
„Helfen verbindet und erweitert den persönlichen Horizont“,
beschreibt Peter Brill seine Erfahrung im Ehrenamt. Während sich der
pensionierte Sozialarbeiter und Psychotherapeut zusammen mit acht
anderen Männern in einer Fahrradgruppe engagiert, arbeitet Eva
Gerhardy als eine von 50 Sprachpaten im DRK-Dorf.
„Wir können
hier als Ehrenamtler sehr entspannt ans Werk gehen, weil wir hier in
gut funktionierende hauptamtliche Strukturen eingebunden sind“,
sind sich Brill und Gerhardy einig. Beide kommen zwei bis dreimal für
zwei bis drei Stunden ins Flüchtlingsdorf, so wie es ihre
anderweitigen Verpflichtungen erlauben. Gerhardy erarbeitet in
Kleingruppen mit je drei bis fünf Flüchtlingen das kleine
Einmaleins der deutschen Sprache. Ihr Lehrmaterial hat sich die
Mutter und Hausfrau aus dem Internet besorgt. „Die Flüchtlinge
sind sehr dankbar für jedes Angebot, dass ihre schwierige
Lebenssituation erleichtert und ihnen hilft, hier bei uns
anzukommen“, unterstreicht Eva Gerhardy.
„Sprich
deutsch“, sagen mir die Flüchtlinge immer wieder, wenn wir bei
unseren Radtouren Mülheim entdecken“, erzählt Brill. Sie lieben,
so hört man auch von seiner Kollegin Gerhardy, die so grüne,
hügelige und friedliche Stadt Mülheim. Dabei stellt der Name
Mülheim für viele Flüchtlinge einen echten Angang dar, da sie aus
ihren Sprachen keine üs, äs oder ös kennen. „Wenn wir durch die
Stadt radeln, sprechen mir die Flüchtlinge Sätze nach, die ich
ihnen vorspreche. Es sind Sätze, die sich spontan aus der jeweiligen
Situation ergeben. Sätze, wie etwa: „Da sehe ich eine Frau mit
Hut“ oder: „Da kommt ein Mann mit einem Hund.“ Auch
Verkehrsschilder oder Busfahrpläne sind auf den Touren zum
Entenfang, zum Auberg oder nach Kettwig beliebte, weil anschauliche
Lernobjekte. In der Regel sind dabei 15 bis 20 Radfahrer mit von der
Partie. Die Räder, auf denen man unterwegs ist und die auch schon
mal gemeinsam repariert werden, sind übrigens alle von Mülheimer
Bürgern gespendet worden, die sich von Brill und seinen
ehrenamtlichen Kollegen aus der Fahrradgruppe ansprechen ließen.
„Wenn man mit
den Lebens- und Leidensgeschichten der Flüchtlinge konfrontiert
wird, begreift man schnell, dass viele Probleme, über die wir uns in
unserer Wohlstandsgesellschaft aufregen („Warum kommt der Bus schon
wieder zu spät?“) eigentlich keine Probleme sind“, schildert
Brill seine Erfahrung. Auch Sprachpatin Gerhardy hat durch ihre
Arbeit im Flüchtlingsdorf gelernt, „dass im Leben nichts
selbstverständlich ist, auch nicht, sicher in einer friedlichen
Stadt zu leben.“ Brill und Gerhardy empfehlen allen Mülheimern,
die Angst vor den Flüchtlingen haben, einfach mal ins DRK-Dorf zu
kommen, um zu erleben, „dass sie Menschen wie wir sind.“
„Man begegnet
sich hier als Mensch auf Augenhöhe und überwindet damit mögliche
Berührungsängste“, berichtet Gerhardy, die inzwischen auch schon
mal den gemeinsamen Einkauf oder das gemeinsame Kochen in ihren
Sprachunterricht einbezogen hat. Schließlich wollen auch Äpfel und
Birnen nicht miteinander verwechselt werdeDer leitende
Sozialarbeiter des DRK-Flüchtlingsdorfes, Marc Gronenberg, sieht
Brill und Gerhardy als zwei von vielen Beispielen dafür, „mit
welcher Energie sich die Ehrenamtlichen hier einbringen und sich auch
nicht von dem einen oder anderen Problem davon abhalten lassen, immer
wieder dran zu bleiben."
Dieser Text erschien im August 2016 im Magazin des Deutschen Roten Kreuzes
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