Donnerstag, 8. September 2016

Menschen. die uns Mut machen: Peter Brill und Eva Gerhardy engagieren sich ehrenamtlich im Saarner Flüchtlingsdorf

Eva Gerhardy und Peter Brill im Saarner
Flüchtlingsdorf des Deutschen Roten Kreuzes
65 Millionen Menschen sind derzeit weltweit als Flüchtlinge unterwegs. 2500 von ihnen sind bei uns in Mülheim angekommen. Allein 450 Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, Irak, Iran, Albanien und Eritrea haben ein Obdach im Flüchtlingsdorf des Deutschen Roten Kreuzes an der Mintarder Straße gefunden.
Damit ihnen das Dach nicht auf den Kopf fällt, während sie auf die Anerkennung ihres Asylanspruchs warten, sorgen unter anderem 200 ehrenamtliche Helfer dafür, dass sie sinnvoll beschäftigt werden. Zwei von ihnen sind der 70-jährige Peter Brill und die 48-jährige Eva Gerhardy. Beide kommen, wie der stellvertretende Vorsitzende des DRKs, Frank Langer, aus der Saarner Nachbarschaft des Flüchtlingscamps. Beide haben sich von ihm für eine ehrenamtliche Mitarbeit in der Flüchtlingshilfe des Roten Kreuzes gewinnen lassen und es bis heute nicht bereut.
„Ich habe hier viele interessante Menschen kennen gelernt, die mit mir auf einer Wellenlänge sind“, erzählt Eva Gerhardy. Mit ihrem Vorbild hat sie inzwischen auch ihren 18-jährigen Sohn für die ehrenamtliche Mitarbeit im Camp an der Mintarder Straße begeistern können. „Helfen verbindet und erweitert den persönlichen Horizont“, beschreibt Peter Brill seine Erfahrung im Ehrenamt. Während sich der pensionierte Sozialarbeiter und Psychotherapeut zusammen mit acht anderen Männern in einer Fahrradgruppe engagiert, arbeitet Eva Gerhardy als eine von 50 Sprachpaten im DRK-Dorf.
„Wir können hier als Ehrenamtler sehr entspannt ans Werk gehen, weil wir hier in gut funktionierende hauptamtliche Strukturen eingebunden sind“, sind sich Brill und Gerhardy einig. Beide kommen zwei bis dreimal für zwei bis drei Stunden ins Flüchtlingsdorf, so wie es ihre anderweitigen Verpflichtungen erlauben. Gerhardy erarbeitet in Kleingruppen mit je drei bis fünf Flüchtlingen das kleine Einmaleins der deutschen Sprache. Ihr Lehrmaterial hat sich die Mutter und Hausfrau aus dem Internet besorgt. „Die Flüchtlinge sind sehr dankbar für jedes Angebot, dass ihre schwierige Lebenssituation erleichtert und ihnen hilft, hier bei uns anzukommen“, unterstreicht Eva Gerhardy.
„Sprich deutsch“, sagen mir die Flüchtlinge immer wieder, wenn wir bei unseren Radtouren Mülheim entdecken“, erzählt Brill. Sie lieben, so hört man auch von seiner Kollegin Gerhardy, die so grüne, hügelige und friedliche Stadt Mülheim. Dabei stellt der Name Mülheim für viele Flüchtlinge einen echten Angang dar, da sie aus ihren Sprachen keine üs, äs oder ös kennen. „Wenn wir durch die Stadt radeln, sprechen mir die Flüchtlinge Sätze nach, die ich ihnen vorspreche. Es sind Sätze, die sich spontan aus der jeweiligen Situation ergeben. Sätze, wie etwa: „Da sehe ich eine Frau mit Hut“ oder: „Da kommt ein Mann mit einem Hund.“ Auch Verkehrsschilder oder Busfahrpläne sind auf den Touren zum Entenfang, zum Auberg oder nach Kettwig beliebte, weil anschauliche Lernobjekte. In der Regel sind dabei 15 bis 20 Radfahrer mit von der Partie. Die Räder, auf denen man unterwegs ist und die auch schon mal gemeinsam repariert werden, sind übrigens alle von Mülheimer Bürgern gespendet worden, die sich von Brill und seinen ehrenamtlichen Kollegen aus der Fahrradgruppe ansprechen ließen.
„Wenn man mit den Lebens- und Leidensgeschichten der Flüchtlinge konfrontiert wird, begreift man schnell, dass viele Probleme, über die wir uns in unserer Wohlstandsgesellschaft aufregen („Warum kommt der Bus schon wieder zu spät?“) eigentlich keine Probleme sind“, schildert Brill seine Erfahrung. Auch Sprachpatin Gerhardy hat durch ihre Arbeit im Flüchtlingsdorf gelernt, „dass im Leben nichts selbstverständlich ist, auch nicht, sicher in einer friedlichen Stadt zu leben.“ Brill und Gerhardy empfehlen allen Mülheimern, die Angst vor den Flüchtlingen haben, einfach mal ins DRK-Dorf zu kommen, um zu erleben, „dass sie Menschen wie wir sind.“
„Man begegnet sich hier als Mensch auf Augenhöhe und überwindet damit mögliche Berührungsängste“, berichtet Gerhardy, die inzwischen auch schon mal den gemeinsamen Einkauf oder das gemeinsame Kochen in ihren Sprachunterricht einbezogen hat. Schließlich wollen auch Äpfel und Birnen nicht miteinander verwechselt werdeDer leitende Sozialarbeiter des DRK-Flüchtlingsdorfes, Marc Gronenberg, sieht Brill und Gerhardy als zwei von vielen Beispielen dafür, „mit welcher Energie sich die Ehrenamtlichen hier einbringen und sich auch nicht von dem einen oder anderen Problem davon abhalten lassen, immer wieder dran zu bleiben."

Dieser Text erschien im August 2016 im Magazin des Deutschen Roten Kreuzes

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