Es lässt die Zuhörer aufhorchen, wenn Inaya Chahrour, sagt: „Es ist super, hier
ehrenamtlich in der Kantine arbeiten zu können, aber es wäre schön, wenn sich
der Arbeitsmarkt mal wieder so verändern würde, dass ich mein eigenes Geld in
der Gastronomie verdienen könnte.“ Nachdenklich macht es auch, wenn Vorarbeiter
Roland Eifler feststellt: „Es gibt Arbeit genug. Das sieht man an den
schmutzigen Straße. Die Regierung müsste dafür aber Geld in die Hand nehmen,
aber sie würde dafür auch viel zurückbekommen.“ Beide haben den Satz: „Wir
melden uns, wenn wir für Sie Arbeit haben“, im Ohr. Inaya Chahrour wartet seit
einem Jahr auf einen Beratungstermin bei der Agentur. Und Eifler hat über zwei
Jahre nichts vom Amt gehört.
Dass etwas schief läuft auf dem
Arbeitsmarkt, macht der Geschäftsführer des Diakoniewerkes deutlich. Ulrich
Schreyer sagt, dass der Bund seine Investitionen in den sozialen Arbeitsmarkt in
den letzten 20 Jahren halbiert habe, während der Anteil der Beschäftigten, die
das Diakoniewerk in Richtung erster Arbeitsmarkt verlassen konnten im gleichen
Zeitraum von 30 bis 40 auf 3 oder 4 Prozent abgestürzt sei. Wenn er von
Mitarbeitern, deren Verträge ausgelaufen sind, das Angebot bekommt: „Ich komme
auch für 50 Cent“, empfindet er das als unwürdig.
Was tun? Darüber wurde
nach dem Podiumsgespräch in der Kranhalle des Diakoniewerkes angeregt
diskutiert. „Wir haben als Gesellschaft die Pflicht, so gut funktionierende
Einrichtungen wie das Diakoniewerk zu unterstützen, weil hier Menschen ihre
Fähigkeiten einbringen können und Zufriedenheit gewinnen. Das ist eine
langfristige Investition in den sozialen Frieden“, findet der Stiftungsdirektor
des Evangelischen Krankenhauses, Nils B. Krog. Seinen Hinweis auf die sozialen
Beschäftigungspotenziale im großen Bereich der Grünpflege, kontert der Apotheker
und Vorsitzende der Bürgerstiftung, Patrick Marx, mit dem Hinweis: „Das darf
aber nicht dazu führen, dass Garten- und Landschaftsbauer auf dem ersten
Arbeitsmarkt ihre Mitarbeiter entlassen, weil sie nicht mehr genug Aufträge
bekommen.“
Marx wünscht sich „unbürokratischere
Lösungen bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, wenn man hier etwa
ein syrischen Apotheker zum Pharmazeutisch-Technischen Assistenten umschulen
will, weil man ihn dringend braucht.“
Die Dümptener Pfarrerin Gundula
Zühlke ist überzeugt: „Investitionen in einen sozialen Arbeitsmarkt lohnen sich.
Denn es gibt nicht nur in der Grünpflege, sondern auch bei der Begleitung von
alten und behinderten Menschen genug zu tun.“
Der Geschäftsführer des
Diakonischen Werkes, Hartwig Kistner, sieht das genauso. Er plädiert „für
staatliche Förderprogramme, die auch in kleineren Betrieben Arbeitgebern und
Arbeitnehmern Planungssicherheit geben könnten.“ Kistner sähe es als lohnende
Aufgabe für einen großen Mathematiker, der mal ausrechnen könnte, „ob man
vielleicht gar nicht so weit weg wäre, wenn man alle Sozial- und Wohnhilfekosten
in einen zweiten Arbeitsmarkt investieren würde.“
Für die
stellvertretende Geschäftsführerin der Caritas, Margret Zerres ist dagegen ,
dass ein sozialer Arbeitsmarkt nicht ohne massive Bundesmittel installiert
werden kann. „Man sollte das Grundrecht auf Arbeit ins Grundgesetz schreiben.
Denn die ständige Befristung von Arbeit ist menschenunwürdige. Die
Arbeitssituation muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt“ MBI-Ratsmitglied
Lothar Reinhard fordert auf allen politischen Ebenen „eine ehrliche Diskussion,
die neue Schwerpunkte setzt“, wenn es darum gehe, Arbeit statt Arbeitslosigkeit
zu finanzieren. Diakonie-Mann Kistner und Caritas-Frau Dagmar Auberg fühlen sich
durch die Diskussion bestärkt: „Langzeitarbeitslose können und wollen arbeiten.“
Auberg ist überzeugt, dass „Wirtschaft und Gesellschaft von den Arbeitnehmern
des zweiten Arbeitsmarktes profitieren können, auch wenn sie nicht die volle
Schlagzahl erreichen.“ Das größte Problem sieht sie darin, dass die Betroffenen
keine Lobby haben.
„Das Geld und die Werte sind doch da, um allen
Menschen gerecht bezahlte Arbeit zu geben, die mit ihrer Tagesstruktur zur Würde
des Menschen gehört“, sagt Pastor Michael Clemens aus St. Engelbert in
Eppinghofen mit Blick auf die Rekordsteuereinnahmen des Staates und die
Vermögenswerte der Kirche. „Wir müssen unser gesamtes Sozial- und Arbeitssystem
vereinfachen und uns angesichts sprudelnder Steuereinnahmen fragen, wie viel
Geld wir in die Verwaltung von Arbeitslosigkeit investieren“, beschreibt der
Katholikenratsvorsitzende Rolf Völker die politische Ausgangslage. Sein Fazit am
Ende der Veranstaltung: „Wir sind in einem Denkprozess, haben aber noch keine
Lösung.“
Dieser Text erschien am 25. August in der Neuen Ruhr Zeitung
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