Was kann man von Kellnern lernen? Nicht viel! Das dachte ich bisher. Doch seit ich jetzt bei schönstem Sonnenschein am Pflasterstrand Ruhrbanias ein leckeres Eis genießen und ganz nebenbei einem Kellner des dortigen Eiscafés bei der Arbeit zuschauen konnte, habe ich meinen grundlegenden Irrtum eingesehen.
Wie der Mann unter selbstlosem Einsatz seiner körperlichen Unversehrtheit sowie mit Augenmaß und eiserner Nervenstärke Eis, Kaffee, Kuchen und andere Leckerbissen an ihr Ziel brachte, ließ mich staunen und nötigte mir den größten Respekt ab.
Eigentlich musste der Mann ja nur wenige Meter Ruhrpromenade mit seinen Tabletts überqueren. Das hört sich leichter an, als es ist. Denn die weniger Meter seines Arbeitsweges hatten es in sich, weil sie im Sekundentakt von Fahrradfahren, Roller-Piloten und Inlineskatern passiert wurden.
Sie zwangen den Kellner immer wieder zu schon fast olympiareifen Pirouetten und Wendemanövern. Obwohl der tapfere Mann, den einen oder anderen Promenaden-Passanten, der ihm an diesem schönen, aber für ihn schweißtreibenden Tag in die Quere kam, innerlich als Eisheiligen verflucht haben mag, blieb er äußerlich ruhig, gelassen und freundlich.
Also für mich hätte dieser starke Ober, der ein Paradebeispiel dafür abgab, wie man, trotz Hürden und Hindernissen an das Ziel seines Weges kommt und dabei auch noch Menschen, mit der Erfüllung ihrer Wünsche glücklich macht, an diesem Tag eine Goldmedaille und eine Titelschlagzeile als Held der Arbeit verdient. Doch dem Mann war ein gutes Trinkgeld verständlicherweise lieber.
Dieser Text erschien am 17. August 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung
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