Reinigungskraft Birgit Audersch an ihrem Arbeitsplatz |
16 Uhr. Audersch schließt die Tür eines kleinen Abstellraumes auf. Zum Vorschein kommen ein Waschbecken, Kanister mit Reinigungsmitteln, ein Rollwagen mit einer Feuchtwischpresse, Feuchtwischgestelle und ein Industriestaubsauger. Der sieht auf den ersten Blick sehr kompakt aus, wiegt aber auch seine gefühlten fünf Kilo.
Erst saugen, dann wischen
Vor dem großen Wischen von Fluren, Gruppen-, Besprechungs-, Büro- und Waschräumen kommt das große Staubsaugen. Sieht leicht aus, ist es aber nicht. Denn die wunderschön weichen und farbenfrohen Hochflorteppiche, auf denen die lieben Kleinen den Tag über herumtollen oder es sich auch einfach nur gemütlich machen können, sind sehr widerstandsfähig, wenn man sie mit dem Saugrüssel des Industriestaubsaugers bearbeiten will. Die Reinigungskraft lädt den Zeitungsmann zum Selbstversuch ein und nötigt ihm Respekt ab für eine Arbeit, die nicht nur in die Arme geht.
Die gut trainierten Oberarme Auderschs zeigen, dass sie ihre Arbeit nicht erst seit gestern macht. „Ursprünglich habe ich im Lebensmittel-Einzelhandel eine Ausbildung gemacht und als Verkäuferin gearbeitet. Nach der Geburt meiner Tochter kam ich dann aber 1994 durch meine damals schon dort tätige Schwiegermutter zum Reinigungsdienst der Stadt“, berichtet Audersch. Nach drei Jahren als Aushilfe bekam sie dann 1997 eine Festanstellung als Teilzeitkraft. „Mir gefällt meine Arbeit, weil ich sie gut mit meinem Familienleben verbinden kann. Denn anders als im Einzelhandel habe ich feste Arbeitszeiten und ein freies Wochenende“, sagt sie, während sie sich ihren Putzeimern nähert.
Gut dosiert
Ein spezielles System mit Schlauch und Dosierungsdüse sorgt dafür, dass sich Reinigungsmittel und Wasser automatisch und in genau der richtigen Mischung in die Eimer ergießen. Erst ist Audersch mit den blauen Eimern unterwegs, mit denen sie Böden und Oberflächen wischt. Die roten Eimer sind erst später an der Reihe, wenn sie zu den Sanitärräumen übergeht.
Je nach Bedarf und Oberfläche arbeitet Audersch mit Neutral,- Sanitär oder entkalkendem Reinigungsmittel.
Der sogenannte „Achternschlag“, mit dem sie auch große oder lange Bodenflächen relativ schnell reinigen kann, in dem sie mit ihrem Feuchtwischgestell gedachte Achten auf die zu reinigenden Flächen zeichnet, zeigt den Reinigungsprofi, der schnell in jede Ecke kommt ohne sich an einzelnen Stellen zu verzetteln. „Im Laufe der Jahre geht man systematischer an seine Arbeit heran und macht nicht hier mal was und da mal was“, erzählt Audersch.
Auch wenn sie ihren schon durch das Kistenschleppen im Supermarkt belasteten Rücken zu schonen versucht, kommt sie nicht am Bücken und Beugen vorbei, wenn hier mal ein Papierkorb geleert oder eine Spielzeugkiste hochgestellt werden muss.
Gute Vorarbeit
„Die Erzieherinnen unterstützen mich, in dem sie die kleinen Stühle auf die Tische stellen, so dass ich mich nicht erst bücken muss, wenn ich die Stühle abwische, ehe ich sie wieder abstelle und zu den Tischen komme“, erklärt sie.
Aber auch beim späteren Sanitärreinigungsdurchgang durch Waschräume und Toiletten, kommt Audersch als ausgewachsenes Menschenkind ganz schön ins Schwitzen, wenn sie alles vom Stuhl, über das Waschbecken bis zur Toilette drei Etagen tiefer en miniature bearbeiten muss. Beim Dreckwegmachen steckt der Teufel im Detail. Bei der Toilettenreinigung zieht Audersch eine Schutzbrille an, die sie, wie eine Chemie-Laborantin aussehen lässt. „Aufgrund der Arbeitsschutz-Regeln müssen wie diese Schutzbrille bei der Toiletten-Reinigung tragen, damit uns nicht versehentlich ein Tropfen des Sanitärreinigungsmittels ins Auge spritzen kann. Deshalb wischen wir auch immer mit kaltem Wasser, damit wir bei der Arbeit keine heißen Dämpfe einatmen“, erklärt Audersch.
Doch auch eine erfahrene Reinigungskraft stößt manchmal an ihre Grenzen. „Da muss mal unser Gebäudereinigermeister, Dirk Langenheim, drauf schauen“, sagt sie angesichts einer schwarzen Schmutzspur auf einer Fliese im Waschraum, die auch nach intensivster Bearbeitung nicht verschwinden will. Da ist der Spinatfleck auf dem Boden des Speiseraum schon nachgiebiger. „Auch wenn ich schon mal Sand oder Steine zusammenkehren muss, die die Kinder vom Außengelände in die Räume tragen, geht es hier in der Kindertagesstätte doch viel familiärer und sauberer zu, als an mancher weiterführenden Schule“, weiß Audersch aus Gesprächen mit ihren Kolleginnen aus dem Reinigungsdienst der Stadt. Dass es bei der Stadt nur weibliche Reinigungskräfte gibt, führt die 51-Jährige auf die nicht gerade üppig bezahlte Teilzeitarbeit zurück, die sich zwar deutlich oberhalb des gesetzlichen Mindestlohnes bewegt, aber auch nicht dazu angetan ist, damit den Lebensunterhalt einer Familie zu bestreiten. Hier können die Auderschs Gott sei Dank auch auf das Berufskraftfahrergehalt zurückgreifen, das Birgit Auderschs Ehemann mit nach Hause bringt.
Dieser Text erschien am 6. August 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung
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