Was für Deutschland
die Helden von Bern, das waren für Mülheim die Helden von Berlin.
Die Rede ist von der Elf des VfB Speldorf, die vor 60 Jahren
Vizemeister der deutschen Fußball-Amateure wurde.
Nur den „Roten“
aus Neu-Isenburg mussten sich die Grün-Weißen aus Speldorf im
Berliner Finale geschlagen geben. Auch wenn es für die von Kurt
Biesenkamp trainierte Mannschaft nach 90 Minuten 2:3 hieß, sahen
viele der 75 000 Zuschauer die vom Verletzungspech und von
umstrittenen Schiedsrichter-Entscheidungen gebeutelten Speldorfer als
„moralische Sieger.“ Auch Bundestrainer Sepp Herberger und
Torwart-Legende Bernd Trautmann diktierten der Presse den Satz: „Die
Speldorfer waren eine Klasse besser“ in den Block.
VfB-Leistungsträger
und Nationalspieler Theo Klöckner, erlitt gleich zu Beginn des
Spiels einen Wadenbeinbruch, machte aber unbeirrt weiter und schoss
später sogar noch ein Tor.
Helmut Hirnstein,
Heinz Riepe, Ernst Stroß, Hans Otto Bösebeck, Georg Hanselmann,
Horst Riemenschneider, Walter Krogel, Werner Höttger, Walter
Reichert, Theo Klöckner, Kurt Zimmermann, Heinz Brands, Harro Weiß
Die Spieler-Namen
der Vizemeister-Elf von 1956 klingen für Speldorfer
Fußball-Nostalgiker noch heute, wie Musik oder wie Fritz Walter,
Toni Turek und Helmut Rahn.
Nach ihrer Rückkehr
aus Berlin wurden die Verlierer, wie Sieger gefeiert. Ihr Triumphzug
durch die Stadt dauerte eineinhalb Stunden. Tausende säumten die
Straßen. In vielen Fenstern wurde Grün und Weiß geflaggt. Der
Verkehr kam zeitweise völlig zum Erliegen.
Spieler des
Vizemeisters und VfB-Präsident Heinz Otten sprachen später von
einem „100-prozentigen Mülheimer Ereignis“ und von einem nie
zuvor und nie danach erlebten „Rausch“ der Fußball-Euphorie.
„Die Menschen feierten die Mannschaft auf eine Art, wie es Mülheim
bisher noch nie erlebt hatte“, schrieb die lokale Sportpresse.
Das Speldorfer
Sommermärchen 1956 hatte mit dem Gewinn der
Niederrhein-Meisterschaft begonnen. Als Niederrhein-Meister hatte
sich der VfB Speldorf für die ab 1951 ausgetragene Deutsche
Meisterschaft der Fußball-Amateure qualifiziert.
Siege über Duisburg
08, Dortmund 95, die Spielvereinigung Hagen und Eintracht
Braunschweig sowie ein Unentschieden bei Troisdorf 05 hatten Speldorf
den Weg zum Deutschen Vizemeister der Fußball-Amateure geebnet.
Auch wenn die
Speldorfer nach ihrer umjubelten Vizemeisterschaft für eine Saison
in der Zweiten Liga West und viele Jahre später immerhin auch in der
NRW-Liga spielen sollten, konnten sie bis heute nie wieder die Fans
so begeistern, wie sie es im Sommer 1956 getan hatten.
Während ein in
Speldorf verwurzelter Spieler, wie Kurt Zimmermann Angebote von
Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf ablehnten und noch bis 1963 in den
Reihen der Grün-Weißen kickten, spielte Theo Klöckner nach der
Einführung der Bundesliga (1963) unter anderem für Werder Bremen
und wurde so in der Saison 1964/65 Deutscher Fußballmeister.
Stichwort: VFB Speldorf
Das VFB im
Vereinsnamen der Speldorfer steht für „Verein für
Bewegungsspiele.“ Der 1919 gegründete VFB Speldorf trat als
Zusammenschluss die Nachfolge der Clubs Rheinland und Preußen an.
Die Grün-Weißen, deren erste Mannschaft zurzeit in der Landesliga
spielt, kickten in den 30er Jahren in der Bezirksklasse Niederhein,
die sie zweimal als Meister abschlossen, ohne in die Gauliga
aufsteigen zu können. Der kriegsbedingte Spielermangel führte 1943
dazu, dass der VFB Speldorf zusammen mit dem TSV Broich 85 und dem
MSV 07 eine Kriegsspielgemeinschaft Linksruhr bildete. Nach dem Krieg
spielte der VFB zunächst in der Bezirksliga Niederrhein. Nach seinem
1956 erreichten Aufstieg in die Zweite Oberliga West konnte sich der
VFB nur eine Saison lang in dieser Klasse halten. Ursprünglich am
Blötter Weg beheimatet, spielen und trainieren die Grün-Weißen
seit 2010 im Ruhrstadion und auf dem Sportplatz an der Saarner
Straße. 2009 konnte sich VFB Speldorf als Niederrhein-Pokalsieger
für den DFB-Pokal qualifizieren.
Dieser Text erschien am 20. August 2016 in NRZ/WAZ
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