Sonntag, 31. Juli 2016

Wie ein warmer alter Mantel: Eine Veranstaltung in der katholischen Akademie Die Wolfsburg stellte die Frage, wie Kirche klingen muss, wenn sie von Gott spricht.

Auf dem Podium: (von links) Der Pastoraltheologe Prof. Dr. Matthias Sellmann, Wort-zum-Sonntag-Sprecher Gereon Alter, die evangelische Theologin und Autorin Christina Brudereck, Politik-Berater Erik Flügge und Moderator Jens Oboth von der katholischen Akademie.

Wie kann Kirche klingen? Das fragte sich die Katholische Akademie und suchte Rat bei berufenen Experten. Rat tut Not. Denn die Frohe Botschaft des Christentums kommt nicht mehr überall an. Rund 7500 Katholiken im Bistum Essen haben, laut Bischofskonferenz, im Jahr 2014 ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Die aktuelleren Austrittszahlen aus dem Jahr 2015, die das Bistum Mitte Juli veröffentlichen will, werden wahrscheinlich vergleichbar hoch sein. Seit dem Jahr 2000 ist der Bevölkerungsanteil der katholischen Christen im Ruhrbistum so um fünf auf jetzt noch 33 Prozent gesunken.
Warum verstehen viele Katholiken ihre Kirche nicht mehr? „In der Kirche ist es meistens kalt und dunkel. Da wird von Tod, Angst und Zuversicht gesprochen. Das verstehen viele Menschen nicht. Und sie empfinden es als übergriffig“, schreibt der junge Katholik Erik Flügge seiner Kirche ins Stammbuch. Der Germanist, Buchautor, Blogger und Politikberater zeigt nicht nur an diesem Abend in der Wolfsburg, dass er mit Sprache umgehen kann. Er wünscht sich Pfarrer, „die nicht so salbungsvoll, sondern ganz normal, wie beim Bier mit einem Freund über ihren Glauben sprechen.“ Neben der Sprache ist dem jungen zornigen Mann auch das Erscheinungsbild so manches Sandalen-Theologen im XXL-Schlabber-Look ein Dorn im Auge. Sicher. Auch für Gottesmänner und Frauen gilt: „Wie du kommst gegangen, so wirst du auch empfangen.“
Flügges Forderung nach einer pointierter auftretenden Kirche kontert der Pastoraltheologe Matthias Sellmann mit dem Hinweis: „Dass eine gute religiöse Sprache nicht nur unterhalten, sondern auch trösten und nachdenklich machen soll.“ Mit Blick auf die fragwürdigen politischen Pointen der AFD warnt Sellmann seine Kirche davor, mit anderen Meinungsführern und Sinnanbietern in einen Pointen-Wettbewerb einzutreten. Auch der Hochschullehrer Sellmann sieht die wissenschaftlich mit Fußnoten überladene Theologensprache kritisch, fordert aber auch einen klaren Qualitätsstandard, „der mir als Zuhörer geistige Nahrung gibt und mich sinnbildlich in den Hintern tritt, damit ich gut durch die neue Woche komme.“ Der Politikberater räumte ein, dass es auch vielen Politikern nicht gelinge, ihre Botschaft verständlich an die Frau und den Mann zu bringen. Deshalb, so Flügge, gehe für sie dann am Wahlabend der Balken nach unten, während die Kirchenmitglieder mit den Füßen abstimmten und einfach nicht mehr hin gingen oder sogar austräten.
Die evangelische Theologin und Autorin Christina Brudereck empfiehlt Christen, die im Namen ihrer Religion das Wort ergreifen wollen, sich erst mal selbst zu positionieren: „Schreiben Sie doch mal in drei Sätzen auf, was Ihre Religion für sie charmant macht“, empfiehlt sie ihren Podiums-Kollegen und Zuhörern im vollbesetzten Auditorium der Akademie. Aus ihrer Sicht täte die Kirche gut daran, die schwierige Aufgabe der Predigt, nicht nur den Pfarrern aufzubürden, sondern Menschen aus dem richtigen Leben, von der Krankenschwester bis zum Manager, als Gastprediger einzuladen und so für mehr Vielfalt und Lebensnähe zu sorgen. Brudereck sieht eine gute theologische Sprache, „wie einen warmen Mantel, den man Menschen tröstend umlegen kann.“ Beispielhaft zitiert sie die Gedichtzeilen des evangelischen Pfarrers und 1945 von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Immer wieder schön und wohltuend zu hören.

Theologe Gereon Alter vom ARD-Sprecherteam des Wortes zum Sonntag ermutigt die Gemeindemitglieder zu „einer Feedback-Kultur“, die Pfarrer nicht nur mit dem Satz abspeist: „Sie haben wieder schön gepredigt!“ Seinen Kollegen empfiehlt er, „möglichst bildhaft und immer aus ihrer eigenen Biografie heraus“ zu predigen, um mit ihrer frohen christlichen Botschaft authentisch anzukommen.

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