Wie kann Kirche klingen? Das fragte sich die Katholische Akademie und
suchte Rat bei berufenen Experten. Rat tut Not. Denn die Frohe
Botschaft des Christentums kommt nicht mehr überall an. Rund 7500
Katholiken im Bistum Essen haben, laut Bischofskonferenz, im Jahr
2014 ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Die aktuelleren
Austrittszahlen aus dem Jahr 2015, die das Bistum Mitte Juli
veröffentlichen will, werden wahrscheinlich vergleichbar hoch sein.
Seit dem Jahr 2000 ist der Bevölkerungsanteil der katholischen
Christen im Ruhrbistum so um fünf auf jetzt noch 33 Prozent
gesunken.
Warum
verstehen viele Katholiken ihre Kirche nicht mehr? „In der Kirche
ist es meistens kalt und dunkel. Da wird von Tod, Angst und
Zuversicht gesprochen. Das verstehen viele Menschen nicht. Und sie
empfinden es als übergriffig“, schreibt der junge Katholik Erik
Flügge seiner Kirche ins Stammbuch. Der Germanist, Buchautor,
Blogger und Politikberater zeigt nicht nur an diesem Abend in der
Wolfsburg, dass er mit Sprache umgehen kann. Er wünscht sich
Pfarrer, „die nicht so salbungsvoll, sondern ganz normal, wie beim
Bier mit einem Freund über ihren Glauben sprechen.“ Neben der
Sprache ist dem jungen zornigen Mann auch das Erscheinungsbild so
manches Sandalen-Theologen im XXL-Schlabber-Look ein Dorn im Auge.
Sicher. Auch für Gottesmänner und Frauen gilt: „Wie du kommst
gegangen, so wirst du auch empfangen.“
Flügges
Forderung nach einer pointierter auftretenden Kirche kontert der
Pastoraltheologe Matthias Sellmann mit dem Hinweis: „Dass eine gute
religiöse Sprache nicht nur unterhalten, sondern auch trösten und
nachdenklich machen soll.“ Mit Blick auf die fragwürdigen
politischen Pointen der AFD warnt Sellmann seine Kirche davor, mit
anderen Meinungsführern und Sinnanbietern in einen
Pointen-Wettbewerb einzutreten. Auch der Hochschullehrer Sellmann
sieht die wissenschaftlich mit Fußnoten überladene Theologensprache
kritisch, fordert aber auch einen klaren Qualitätsstandard, „der
mir als Zuhörer geistige Nahrung gibt und mich sinnbildlich in den
Hintern tritt, damit ich gut durch die neue Woche komme.“ Der
Politikberater räumte ein, dass es auch vielen Politikern nicht
gelinge, ihre Botschaft verständlich an die Frau und den Mann zu
bringen. Deshalb, so Flügge, gehe für sie dann am Wahlabend der
Balken nach unten, während die Kirchenmitglieder mit den Füßen
abstimmten und einfach nicht mehr hin gingen oder sogar austräten.
Die
evangelische Theologin und Autorin Christina Brudereck empfiehlt
Christen, die im Namen ihrer Religion das Wort ergreifen wollen, sich
erst mal selbst zu positionieren: „Schreiben Sie doch mal in drei
Sätzen auf, was Ihre Religion für sie charmant macht“, empfiehlt
sie ihren Podiums-Kollegen und Zuhörern im vollbesetzten Auditorium
der Akademie. Aus ihrer Sicht täte die Kirche gut daran, die
schwierige Aufgabe der Predigt, nicht nur den Pfarrern aufzubürden,
sondern Menschen aus dem richtigen Leben, von der Krankenschwester
bis zum Manager, als Gastprediger einzuladen und so für mehr
Vielfalt und Lebensnähe zu sorgen. Brudereck sieht eine gute
theologische Sprache, „wie einen warmen Mantel, den man Menschen
tröstend umlegen kann.“ Beispielhaft zitiert sie die Gedichtzeilen
des evangelischen Pfarrers und 1945 von den Nazis ermordeten
Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer: „Von guten Mächten
wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Immer
wieder schön und wohltuend zu hören.
Theologe
Gereon Alter vom ARD-Sprecherteam des Wortes zum Sonntag ermutigt die
Gemeindemitglieder zu „einer Feedback-Kultur“, die Pfarrer nicht
nur mit dem Satz abspeist: „Sie haben wieder schön gepredigt!“
Seinen Kollegen empfiehlt er, „möglichst bildhaft und immer aus
ihrer eigenen Biografie heraus“ zu predigen, um mit ihrer frohen
christlichen Botschaft authentisch anzukommen.
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