Wo, bitte, ist der Spargel? Statt weißer Stangen sieht man an diesem Nachmittag
auf den Feldern von Birgit und Jochen Unterhansberg nur 180 bis 200 Meter lange
Erdhügel, die mit Folien überdeckt sind.
„Wir haben heute schon einiges
an Spargel gestochen. Aber wir haben frühen, mittleren und späten Spargel, der
in unterschiedlichen Intervallen wächst und deshalb mit zwei Folien warmgehalten
werden muss“, erklärt der 54-jährige Landwirt.
Wenn Jochen Unterhansberg
„wir“ sagt, meint er seine Frau Birgit, seine beiden landwirtschaftlich
ausgebildeten Töchter Anne (25) und Lea (23), die Mitarbeiter seines Hofladens
und seine zehn bis zwölf Erntehelfer. Deutsche Erntehelfer, die zwischen sechs
Uhr morgens und 16 Uhr nachmittags Spargel stechen oder auch Erdbeeren pflücken,
sucht man nicht nur auf den Feldern der seit 1848 in Raadt und Kettwig
ansässigen Familie Unterhansberg vergeblich.
„Für Deutsche ist die körperlich anstrengende und zeitlich auf drei
Monate befristete Arbeit nicht attraktiv, weil ihnen von ihrem Bruttolohn noch
Sozialabgaben abgezogen werden und sie so am Ende bei einem Netto-Stundenlohn
von 5,90 Euro landen. Aber die polnischen Erntehelfer, die meisten von ihnen
sind Hausfrauen oder Rentner, verdienen hier etwa doppelt so viel wie in ihrer
Heimat“, weiß Jochen Unterhansberg. Auch wenn der Stundenlohn seiner Erntehelfer
2017 auf 8,50 Euro steigen wird, sieht er schon jetzt die Tendenz, dass sich die
polnischen und deutschen Löhne immer mehr angleichen, so dass künftig auch
weniger Helfer aus Polen zur Ernte nach Deutschland kommen. „Vielleicht werden
wir dann langfristig Erntehelfer aus Rumänien bekommen, die hier ein Vielfaches
von dem verdienen können, was sie in ihrer Heimat erhalten würden“, vermutet der
Familienunternehmer.
An einer etwas krummen Spargelstange, die aus einem
der 50 Zentimeter hohen Erdwälle schaut, führt Unterhansberg vor, wie gezielt
und mit wie viel Fingerspitzengefühl man den Spargel stechen muss, um nicht die
in etwa 35 Zentimeter Tiefe sitzende Wurzel oder die noch nicht reifen
Nachbar-Spargel-Stangen zu verletzen.
„Unser Spargel wächst in einem
Lehm-Ton-Boden. Dieser Boden hat den Vorteil, dass er Feuchtigkeit gut speichern
kann. Das hat aber auch den Nachteil, dass die im Erdreich wachsenden Stangen
nicht so schnell die Wärme bekommen, die sie für ein optimales Wachstum
eigentlich brauchen“, erklärt Unterhansberg die Ausgangslage bei der
Spargelernte.
Vor allem, wenn die
Nachttemperaturen noch an die Frostgrenze heranreichen, sind die doppelten
Folien, die wie ein Treibhaus wirken, für den Spargel überlebenswichtig. Auf der
anderen Seite müssen die Erntehelfer mit einer sogenannten Spargelspinne dafür
sorgen, dass die Folien rechtzeitig angehoben werden, um den reifen Spargel aus
der Erde zu holen. „Denn wenn dem Spargel unter der Folie zu heiß wird, verfärbt
er sich violett und hat nicht mehr die strahlend weiße Farbe, die die Kunden
haben wollen, auch wenn der violette Spargel nicht schlechter schmeckt als der
weiße“, betont Unterhansberg.
Spargel, Erdbeeren, Kürbisse und Getreide
baut Unterhansberg auf insgesamt 70 Hektar an. Außerdem legen rund 8000 Hühner
für ihn Eier. Seine Produkte und die befreundeter Partnerbetriebe aus der Region
vermarktet der Landwirt nicht im Supermarkt, sondern im eigenen Hofladen, der
wie ein zu groß geratendes Blockhaus wirkt und ein ganz eigenes Flair hat.
Mitten zwischen den Holzregalen lädt eine Sitzgruppe zum Verweilen ein. Kaffee
und Kuchen sind nicht weit. „Für den Großhandel sind wir Ruhrstadtbauern zu
klein, denn für ihn zählen nur Masse und ein möglichst niedriger Preis, von dem
wir nicht leben könnten. Wir sind auf Kunden angewiesen, für die nicht der
Preis, sondern die Qualität und der Geschmack des Produktes wichtig sind“,
erklärt Jochen Unterhansberg. Daher setzt er wie fast alle Kollegen aus der
Region auf Direktvermarktung. Dass aus dem kleinen Verkaufsstand, mit dem seine
Eltern in den frühen 1960er-Jahren an der Meisenburgstraße begannen, inzwischen
ein großer und gut frequentierter Hofladen geworden ist, beweist den Erfolg
seines Konzeptes. Und wer den weiten Weg zur Raadter Stadtgrenze scheut, dem
kommt Unterhansberg mit einem Verkaufsstand im Forum entgegen.
Zitat: Wir
leben von Kunden, denen es vor allem um Qualität und Geschmack geht. Jochen
Unterhansberg, Landwirt
Dieser Text erschien am 3. Mai 2016 in der NRZ/WAZ-Sonderbeilage
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