Konrad
Adenauer. Das war der Mann, der seiner Heimatstadt Köln als
Oberbürgermeister eine neue Universität, international beachtete
Messehallen und die Ansiedlung der Ford-Werke bescherte. Er war der
Mann, der mit Hilfe seiner eigenen Stimme 1949 im Alter von 73 Jahren
zum ersten Bundeskanzler gewählt wurde. Er war der Bundeskanzler,
der in seinen 14 Amtsjahren die Bundesrepublik Deutschland in die
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und in die Nato führte, der
zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Charles De Gaulle
aus einer alten Feindschaft eine Freundschaft machte. Er war der
Kanzler, der die diplomatische Annäherung an Israel einleitete und
er war vor allem der Kanzler, den die Wähler 1957 mit der absoluten
Mehrheit belohnten, weil er 1955 die letzten deutschen
Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion heim holte.
So
ist der vor 140 Jahren – am 5. Januar 1876 – geborene Konrad
Adenauer in das kollektive Gedächtnis seiner Landsleute eingegangen.
Was weniger in Erinnerung blieb, ist sein christlich-katholischer
Glaube, aus dem Konrad Adenauer immer wieder Kraft schöpfte.
Der
Besuch der Heiligen Messe war für ihn lebenslang mehr als ein
Ritual. Es war ihm ein inneres Bedürfnis. Seine Biografen Dorothea
und Wolfgang Koch zitieren ihn mit der Erkenntnis: „Ohne die
richtige lebendige seelische Haltung wird alles andere nicht richtig.
Nichts ist aber so sehr geeignet, auf die seelische Haltung
einzuwirken, als die richtig verstandene Pflege des liturgischen
Gedankens.“ Und sie zitieren ihn auch mit der Konsequenz, die er
als christlicher Demokrat aus dieser Einsicht zog: „Die Lehre vom
Wert und der Würde der menschlichen Person ist zuerst vom
Christentum aufgestellt worden und rund 2000 Jahre hindurch von ihm
bewahrt und siegreich verteidigt worden.“
Als
Kölner Schüler besuchte Adenauer das katholische Apostelgymnasium
und die Gottesdienste in St. Aposteln. Als Jurastudent in Freiburg,
Bonn und München schloss er sich den katholischen Studentenvereinen
des Kartellverbandes an. Als 30-jähriger Rechtsanwalt wurde Adenauer
in der katholischen Zentrumspartei aktiv. Die machte ihn erst zum
Beigeordneten und 1917 zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt.
Obwohl er seine Antrittsrede als Oberbürgermeister noch mit einem
Hoch auf Kaiser Wilhelm II. schloss, verteidigte Adenauer als
Präsident des Katholikentages 1922 die Republik von Weimar gegen die
Anwürfe der monarchistisch gesonnenen Katholiken. Damals stellte er
fest: „Manchen
katholischen Kreisen fällt es schwer, das richtige Verhältnis zur
heutigen Staatsform zu finden. Sie können sich nicht dazu
entschließen, unter Beiseitelassung gefühlsmäßiger Erwägungen
und Erinnerungen sich entschieden auf den Boden der Tatsachen zu
stellen und auf diesem Boden positiv mitzuarbeiten. Es
muss auf das ernsthafteste versucht werden, die politische Einigkeit
der deutschen Katholiken wieder herzustellen. Dass die deutschen
Katholiken politischen Einfluss nur dann ausüben können, wenn
sie auf dem Boden der heutigen Verfassung mitarbeiten, nicht aber,
wenn sie in eine fruchtlose Opposition treten, liegt auf der Hand.“
Es
kam bekanntlich anders. 1933 wurde Adenauer von den Nazis als
Oberbürgermeister zwangspensioniert und drangsaliert. Adenauer hatte
sich als Oberbürgermeister geweigert, die öffentlichen Gebäude und
Brücken der Stadt bei einem Besuch Hitlers mit Hakenkreuz-Fahnen zu
beflaggen. Nach dem das Zentrum 1933 mit der Zustimmung zum
Ermächtigungsgesetz seinen eigenen politischen Untergang besiegelte,
schrieb Adenauer lakonisch und bitter: „Ich weine dem Zentrum keine
Träne nach. Es hat versagt und es versäumt, sich rechtzeitig mit
neuem Geist zu erfüllen.“
Nach
der Machtübernahme der NSDAP suchte und fand Adenauer
zwischenzeitlich Zuflucht in der von seinem Mitschüler, Abt Ildefons
Herwegen geleiteten Abtei Maria Laach. Dort besuchte ihn auch ein
anderer Schulfreund, Adolf Amelunxen, der später erster
Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden sollte. Als er auf
Anfrage Adenauers erklärte, er vermute, dass die Nazis zehn oder
zwölf Jahre an der Macht bleiben würden, stellte Adenauer
resigniert fest: „Dann werde ich zu alt sein, um noch mal neu
anzufangen.“
Auch
Adenauer konnte sich irren. Er überlebte, auch mit Hilfe des Kölner
Kardinals Josef Frings, seine Inhaftierung nach dem am 20. Juli 1944
gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler. Als der Krieg und die
Diktatur am Ende waren, fing Adenauer erst richtig an. Während seine
zweite Amtszeit als Oberbürgermeister in Köln Episode blieb, sollte
er an der Spitze der neuen deutschen Christdemokratie für fast zwei
Jahrzehnte zur prägenden politischen Gestalt der Bundesrepublik
werden. Dabei verstand er seine Absage an das neugegründete Zentrum
und sein Eintreten für eine überkonfessionelle christliche
Volkspartei und sein vehementes Eintreten für die Westbindung als
Konsequenz aus der deutschen Geschichte und als eine Garantie für
die Zukunft eines demokratischen Deutschlands. Das sollte aus seiner
Sicht kein neutraler Spielball der kommunistischen Sowjetunion
werden. Deshalb lehnte er auch Stalins Angebot einer deutschen
Einheit 1952 ab.
1946
machte Adenauer bei einer CDU-Veranstaltung in Bonn deutlich: „Es
ist doch so, die Geschichte der letzten Jahrhunderte hat es eindeutig
gezeigt: nur die Befolgung christlicher Grundsätze vermag die
Menschheit vor dem Rückfall in schlimmste Barbarei, ja vor der
Selbstvernichtung zu retten.“ Auch wenn es 1948/49 bei der
Verfassungsgebung im Parlamentarischen Rat Kontroversen um das
Eltern- und Schulrecht gab, so konnte sich Adenauer später doch auf
die grundsätzliche Unterstützung der katholischen Kirche und ihrer
Bischöfe verlassen. Und als „der Alte“, wie er vom Volksmund
liebevoll genannt wurde, im April 1967 gestorben war, stellte
Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier in seiner Trauerrede zu recht
fest: „Die kraftvolle Orientierung, die von Konrad Adenauer
ausging, war ein Element seiner staatsmännischen Autorität. Ohne
sein subtiles, niemals problemloses, in entscheidenden Momenten aber
doch immer festes Verhältnis zum christlichen Glauben nicht
denkbar.“
Dieser Text erschien am 5. Januar 2016 in der katholischen Tageszeitung DIE TAGESPOST
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