9. November 1989. Manfred Mons und seine Freunde von der Ruhr-River-Jazzband spielen im Grünen Gewölbe von Dresden. Ihr Auftritt wurde bereits ein Jahr zuvor vereinbart, als die Band aus Mülheim beim Dresdner Dixieland-Festival zu Gast war.
Die Anreise war, wie damals üblich, nervenaufreibend. „An der deutsch-deutschen Grenze mussten wir zweieinhalb Stunden warten. Da haben wir das ganze Programm erlebt. Die DDR-Grenzer schauten in jedes Instrument”, erinnert sich Mons an die Anreise.
Doch die Jazzmusik überwindet alle Grenzen und Schickanen. Das Konzert der Ruhr-River-Jazzer in Dresden kommt gut an. Doch dann kommt plötzlich jemand in den Saal und sagt, dass die Mauer offen sei und die Reisfreiheit unverzüglich in Kraft trete. „Da konnten wir unser Konzert vergessen. Die Leute sind sich spontan um den Hals gefallen und sind raus auf die Straße. Alle wollten zur Grenze”, erinnert sich Mons.
Am Tag darauf folgen die Mülheimer Jazzer einer Einladung der Papa-Binnes-Jazz-Band und spielen im Ost-Berliner Haus der sowjetischen Offiziere. Schon zehn Kilometer vor Berlin sehen Mons und seine Mannen Menschenmassen ohne Ende, die zu Fuß in Richtung Mauer strömen und ihre Autos auf den Grünstreifen zurücklassen, um schnell nach West-Berlin zu kommen. „Das war Wahnsinn. Da war der Teufel los, aber die Leute waren trotzdem sehr diszipliniert”, erzählt Mons.
Zufall der Geschichte. Beim Konzert am Abend ist auch der spätere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf unter den Zuhörern. Man diskutiert die politische Lage und verspricht den Berliner Jazzfreunden, an dem Tag, an dem Deutschland wiedervereinigt wird, spielen wir gemeinsam in Berlin. Auf der Heimreise nach Mülheim erleben die Ruhr-Rivver-Jazzmusiker am Grenzübergang Helmstedt „zum ersten Mal freundliche Grenzer” und: „eine ausgelassene Stimmung mit Sekt und Luftschlangen, wie im Karneval.” Die Ausweise will niemand mehr sehen. Die Volkspolizisten winken die Menschenmassen nur noch durch.
Dass der Tag der Deutschen Einheit schon ein Jahr später kommen wird, ahnen Mons und seine Jazz-Kollegen nicht, aber sie halten ihr Versprechen. Am 3. Oktober 1990 wird zusammen mit der Papa-Binnes-Jazzband vor dem Palast der Republik und am Potsdamer Platz geswingt. Für Mons ist es „das wohl bewegendste Erlebnis in meinem Leben.” An diesem Wochenende war Mons übrigens wieder in Berlin, um mit seinen Freunden der Papa-Binnes Jazzband deren goldenes Bandjubiläum zu feiern.
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Ja, man soll es nicht glauben, aber heute habe ich mal wieder nach meinen alten Freunden von der Ruhr River Jazzband gegoogelt. Und ich kann den obigen Bericht nur bestätigen, da ich diese Zeit mit der Band erlebt habe. Wir haben uns im Jahr 1988 beim Dixielandfestival kennen gelernt. Wir waren ein paar ostdeutsche Jugendliche, die die RRJB zuerst auf der Prager Strasse spielen gehört haben. Wir haben es uns nicht nehmen lassen, sie anzusprechen. Sie waren so freundlich uns mit auf ein weiteres Konzert zu "schleusen". Ich habe dann eine Brieffreundschaft mit der Tochter von ich glaube Manfred begonnen, die aber leider nicht allzu lange angehalten hat. Ich denke, es war genau bis zum Tag nach der Maueröffnung..., wo wir uns persönlich kennengelernt hatten ;-) Zu ihrem Konzert in Dresden zur Zeit der Maueröffnung bin ich extra hingefahren. Habe neben Biedenkopf am Tisch gesessen. Ich denke, das war noch in Dresden und nicht in Berlin. In der gleichen Nacht bin ich dann noch mit Ulf Drexel und seiner Freundin nach Berlin gefahren und in der Nähe des Ku´damm haben sie mich dann rausgeschmissen. Ganz genau weiss ich es nicht mehr, aber ich wurde dann noch eingeladen von der Band mit der Papa-Binnes-Jazzband im Palasthotel zu Abend zu essen. Das waren für mich sehr bewegende Erlebnisse mit der Band zur damaligen Zeit, wofür ich mich noch mal herzlich bedanken möchte.
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