Sonntag, 4. Dezember 2016

Stark trotz Handicap: Nicht nur in der Woche der Menschen mit Behinderung wirbt die Agentur für Arbeit um die Einstellung von Menschen mit Behinderung: Ein Erfolgsbeispiel

Restaurant-Inhaber Marcus Prünte (von links) Mitarbeiter Dominik Welzel, Personalleiterin
Ellen Patzwall, der Chef der örtlihen Arbeitsagentur, Jürgen Koch und Anett Schwoy,
die sich bei der Agentur für Arbeit speziell um Arbeitsplätzte für Menschen mit
Behinderung kümmert.
Heute ist der Welttag der Menschen mit Behinderung. Dominik Welzel (23) ist einer von ihnen. Er hat Epilepsie, kann also Krampfanfälle erleiden. „Doch diese Gefahr besteht jetzt nicht mehr, weil ich medizinisch richtig eingestellt bin“, freut sich Welzel.

Das war nicht immer so und führte dazu, dass er seine Berufsausbildung als Schumacher und Orthopädie-Mechaniker nicht beenden konnte. Eine weitere Arbeitsstelle in der Produktion eines Gebäckherstellers musste er aufgeben, weil das menschliche Umfeld nicht stimmte. Doch jetzt stimmt für ihn alles. Seit dem 1. August arbeitet er an der Grillstation eines McDonalds-Restaurants in Dümpten. Inhaber Marcus Prünte und seine Personalleiterin Ellen Patzwall gaben ihm nach einem dreimonatigen Probepraktikum eine Festanstellung.

„Ich bin glücklich, weil ich hier gebraucht werde und das Betriebsklima sehr familiär ist“, sagt Welzer nach vier Monaten im neuen Job. Der Chef der Agentur für Arbeit, Jürgen Koch, kennt die Vorurteile, die viele Arbeitgeber gegenüber Menschen mit Behinderung haben: „Die sind nicht leistungsfähig. Die sind öfter krank. Und die werde ich nie wieder los.“ Koch weist darauf hin, „dass aktuell 409 Pflichtstellen für Menschen mit Behinderung noch unbesetzt sind.“ Pflichtstellen sind die Stellen, die Arbeitgeber mit Schwerbehinderten besetzen müssen, um den gesetzlich vorgeschriebenen Fünf-Prozent-Anteil von Mitarbeitern mit Behinderung zu erreichen und keine Ausgleichabgabe bezahlen zu müssen. Nach Angaben der Agentur für Mülheim haben derzeit rund 2000 von 17.600 Mülheimern mit Behinderung eine sozialversicherte Vollzeit-Stelle, während 385 eine solche noch suchen. Gegenwärtig gibt es in der Ruhrstadt insgesamt rund 58.000 sozialversicherte Vollzeit-Beschäftigte.

Marcus Prünte, der insgesamt 16 Mitarbeiter mit Handicap beschäftigt und sich zur „sozialen Verantwortung der Unternehmer“ bekennt, bestätigt aus seiner praktischen Erfahrung die Einschätzung von Agentur-Chef Koch: „Arbeitnehmer mit Behinderung wissen den Wert eines Arbeitsplatzes und die damit verbundene soziale Teilhabe besonders zu schätzen und sind deshalb auch sehr motiviert.“

Anett Schwoy, die sich bei der Agentur für Arbeit um die Vermittlung von Arbeitssuchenden kümmert, die eine Behinderung haben oder aus einer Rehabilitationsmaßnahme zurück auf den ersten Arbeitsmarkt kommen, sieht in den letzten Jahren eine steigende Bereitschaft der Arbeitgeber, Menschen mit Handicap einzustellen. „Wir stellen die Fähigkeiten und nicht die Behinderung des Arbeitssuchenden in den Vordergrund und beraten Arbeitgeber auch mit Blick auf mögliche Zuschüsse“, erklärt Schwoy. Nicht nur Lohnkosten, sondern auch die barrierefreie Umgestaltung eines Arbeitsplatzes kann von der Agentur für Arbeit finanziell unterstützt werden. Personalleiterin Ellen Patzwall empfiehlt Arbeitnehmern mit Handicap dazu, offen mit ihrer Behinderung umzugehen, damit Hilfsmittel rechtzeitig installiert werden und Missverständnisse vermieden werden könnten.


Dieser Text erschien am 3. Dezember 2016 in NRZ/WAZ

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