Mittwoch, 9. Dezember 2015

Theater, das unter die Haut geht: Träume und traumatische Erlebnisse auf der Volxbühne

Szene-Foto der Volxbühne
„Trauma“ – der Titel ließ es ahnen. Das würde kein leicht verdauliches Theaterstück, weder für die Zuschauer noch für die Schauspieler der Volxbühne. Zwei Stunden voller Monologe, eingebettet in eine ausgeklügelte bühnentechnische Komposition aus Licht,- Klang- und Filmcollagen. 17 Darsteller zwischen 15 und 83 lassen Träume und traumatische Erlebnisse aus gut 100 Jahren Revue passieren. Auf einem durchsichtigen Vorhang im hinteren Bühnenbereich laufen Jahreszahlen und Interviewsequenzen der einzelnen Schauspieler. Diese sitzen mal schemenhaft an einer Theke hinter dem Vorhang, um dann wieder hervorzutreten und an der Bühnenkante das Publikum anzusprechen. Schlaglichtartige Zeitreise Die schlaglichtartige Zeitreise durch gut 100 Jahre bringt alles auf die Bühne, was das pralle Menschenleben zu bieten hat. Die Sehnsucht nach einem glücklichen Familienleben, das Auf und Ab des Berufslebens. Da reflektiert ein Schauspieler zum Beispiel darüber, wie es war, Hitler zu spielen. Und ein Kollege malt sich aus, wie es sein könnte, König Ödipus zu spielen. Drogensucht und sexueller Missbrauch oder die Erlebnisse von Flucht und Vergewaltigung durch Sowjetsoldaten im Jahr 1945. 

Kein Darsteller spielt sich in den Vordergrund. Alle Rollen sind angenehm gleichwertig. Und die Situation wird dadurch entspannt, dass nie ganz deutlich wird, wem welches Trauma zuzuordnen ist. Manchmal, wenn die Grenzen zwischen Traum und Trauma auf banale und zugleich urkomische Weise verwischt werden, ist auch der eine oder andere spontane Lacher aus dem Publikum zu hören. „Ich träume davon, dass ich nie mehr einen Wasserrohrbruch erleben muss.“ „Ich habe davon geträumt, die Pubertät meiner Kinder unbeschadet zu überleben.“ Oder: „Ich träume davon, dass ich dieses Stück bis zum Ende fehlerfrei über die Bühne bringe.“ Ein traumatisierter Ingenieur Besonders bewegend ist die Reflexion eines beruflich erfolgreichen Ingenieurs, den seine Mitschuld an der Herstellung des Senfgases verfolgt, dass der irakische Diktator Saddam Hussein 1988 im nordirakischen Halabdscha gegen die dort lebenden regimekritischen Kurden einsetzen ließ. „Noch heute habe ich den Geruch des Senfgases in der Nase, das anfangs in geringen Dosen wie eine frischgemähte Wiese riecht. Ich träume davon, dass ich alles rückgängig machen und an einer frischgemähten Wiese vorbeigehen könnte, ohne an die Opfer von Halabdscha zu denken“, lässt der traumatisierte Ingenieur dem Publikum sagen.

Dieser Text erschien am 4. Dezember 2015 in NRZ und WAZ

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