Montag, 28. Dezember 2015

12 Uhr an der Friedrichstraße: Ein Rundgang ab der ehemaligen Straße der Millionäre

Das Hotel Handelshof an der Friedrichstraße 15 bis 19
Die Friedrichstraße, die ihren Namen seit 1859 trägt, ist heute eine der zentralen stark befahrenen Verkehrsachsen der Innenstadt. Hier fahren täglich unzählige Autos und die Straßenbahnlinie 104. Letztere bringt ihre Fahrgäste nach Essen-Borbeck und zum Hauptfriedhof nach Holthausen.

"Hier wohnt es sich gut. Die Wohnungen sind geräumig und haben hohe Decken. Das gibt einem das Gefühl von Freiheit. Aber über die Energiekosten brauchen wir nicht zu reden. Solche Altbauwohnungen aus der Gründerzeit sind eben nichts für Leute, die zu jeder Jahreszeit im T-Shirt in ihrer Wohnung sitzen wollen", erzählt die Lehrerin Annette Lostermann-DeNil.

Die Lehrerin, die viele Mülheimer durch ihr politisches Engagement bei den Grünen kennen, lebt in einem der schmucken Altbauten, die den ehemaligen Unternehmer-Villen an der oberen Friedrichstraße gegenüber liegen. Ihr früheren Bewohner, Fabrikanten, Bankiers, Verleger gaben der Friedrichstraße einst im Volksmund den Beinamen "Straße der Millionäre." Mit den bis heute sehr repräsentativen Villen, die heute zum Teil in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden sind, hat sich der Architekt und Bauunternehmer Franz Hagen ein Denkmal gesetzt.

Auch das heutige Hotel Handelshof an der Friedrichstraße 15 bis 19 wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Hagen geplant und errichtet, zunächst als Haus der Evangelischen Kirche und später als Hotel. Seit 1934 wird das Hotel mit rund 50 Gästezimmern und einem Restaurant von der Familie Hesse geführt. Das Gros ihrer Gäste sind Geschäftsreisende. Das ist ein Geschäft, das zunehmend schwieriger wird, weil die Unternehmen bei den Übernachtungskosten sparen und auch die Zahl der Messen zurückgegangen ist.

In einer der alten Unternehmervillen, die zuletzt im Besitz der Familie Thyssen war, findet man seit dem November 2012 das stationäre Hospiz. Das vom Diakoniewerk und vom Evangelischen Krankenhaus betriebene Hospiz wird bis heute zu einem erheblichen Teil durch Spenden aus der Bürgerschaft getragen und durch aktuell rund 40 ehrenamtliche Mitarbeiter tatkräftig unterstützt. In der alten Villa an der Friedrichstraße 40, die um einen modernen und lichtdurchfluteten Anbau erweitert worden ist, kümmern sich 15 hauptamtliche Fachkräfte um jeweils bis zu zehn schwerst- und sterbenskranke Menschen, um ihnen bis zu letzt ein Leben in Würde und ohne Schmerzen zu ermöglichen.

Bis zu ihren Arbeitsplatz hat es Annette Lostermann-DeNil nicht weit. Denn sie unterrichtet als Lehrerin am ehemaligen städtischen Gymnasium, das seit 1974 den Namen des Mülheimer Chemie-Nobelpreisträgers Karl Ziegler trägt. Die Schule, die vor einigen Jahren als Ganztagsschule ausgebaut und modernisiert worden ist, wird derzeit von rund 1000 Jugendlichen besucht. Lostermann-DeNil leitet dort unteranderem eine internationale Förderklasse für Zuwanderer und Flüchtlinge, die dort an den deutschsprachigen Regelunterricht herangeführt werden.

Mitte der 70er Jahre haben auch die Mülheimer Gewerkschaften ihre Hauptverwaltung an der Friedrichstraße errichtet. Im Erdgeschoss des Gewerkschaftshauses ist auch das Mülheimer Arbeitslosenzentrum MALZ untergebracht. Dessen Arbeit wird im Wesentlichen von der Leonhard-Stinnes-Stiftung finanziert. Und unweit des Gewerkschaftshauses residiert im ehemaligen Haus des Unternehmerverbandes an der Friedrichstraße 50 residiert heute eine islamische Gemeinde mit ihrer Moschee.

Ein echter Hingucker an der Friedrichstraße, die während der Nazi-Zeit den Namen Adolf-Hitler-Straße trug, ist die Bronzeskulptur eines Laternenanzünders. Diese Skulptur wurde 20006 von der Mülheimer Energiedienstleistungsgesellschaft Medl gestiftet. Anlass war der 150. Jahrestag der Einführung von Gaslaternen zur öffentlichen Straßenbeleuchtung. Die Ära der Gaslaternen dauerte in Mülheim noch bis ins Jahr 1961. Wo heute, an der Ecke zwischen Friedrichstraße, Friedrich-Ebert-Straße und Bachstraße der Laternenanzünder und eine Sitzbank stehen, stand bis zum Jahr 2006 die Jobs-Statue. Sie kehrte damals mit Hilfe der Freunde und Förderer der Altstadt zu ihrem historischen Standort, einem Brunnen an der Petrkirche zurück.



Dieser Text erschien am 11. November 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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