An ihrem letzten Amtstag kann man sagen, dass die meisten Mülheimer die
scheidende Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld mit Ruhrbania verbinden. Das
zumindest zeigte eine Straßenumfrage in der Innenstadt.
Deutlich wurde dabei auch, dass sich nach wie vor an dem
Stadtentwicklungsprojekt, das Mühlenfeld maßgeblich vorangetrieben hat, die
Geister scheiden. Die Kritiker sprechen von einer Fehlinvestition, die Mülheim
nicht vorangebracht habe. Die Befürworter sehen in Ruhrbania aber einen ersten
Schritt in die richtige Richtung.
Für sie sind das neue Ruhrquartier und
seine Promenade mit ihren Lokalitäten Teile eines entwicklungsfähigen Projekts,
das noch nicht abgeschlossen ist. Horst Kampmann etwa empfindet die Realisierung
des neuen Ruhrquartiers als „eher erdrückend“. Fotograf Carsten Andre hat im
Vergleich mit dem Duisburger Innenhafen oder mit dem Düsseldorfer Medienhafen
den Eindruck gewonnen, „dass die Investitionen, die in dieses
Stadtentwicklungsprojekt geflossen sind, bisher zumindest in keinem Verhältnis
zu den Ergebnissen steht“. Der pensionierte Richter Raymund Krause warnt vor
Ungeduld. Er weist darauf hin, „dass man erst noch mal abwarten muss, wie sich
das Projekt in seinen Details weiterentwickelt“.
Allgemein wird die
scheidende Oberbürgermeisterin als kompetente, verbindliche und immer
ansprechbare Verwaltungschefin wahrgenommen. Ein wichtiger Aspekt der Rückschau
auf ihre zwölfjährige Amtszeit ist das Thema Bürgernähe. Die von Mühlenfeld
initiierte Bürgeragentur an der Schollenstraße wird als ihr Verdienst und als
eine echte Innovation gewürdigt. Obwohl viele Bürger Mühlenfeld in der
persönlichen Begegnung als verbindlich und an den jeweiligen Problemen
interessiert erlebt haben, spürten sie gleichzeitig, dass die erste Dame der
Stadt doch immer auch persönliche Distanz bewahrt hat. „Aber die Leute sind eben
unterschiedlich. Jeder hat sein eigenes Temperament. Sie gehörte sicher nicht zu
den Bürgermeister-Typen, die auf der Straße jeden Bürger mit Handschlag
begrüßen,“ sagt zum Beispiel Ingeborg Hülser.
Der Vorsitzende der im Bereich Suchtvorbeugung arbeitenden
Ginko-Stiftung, Hans-Jürgen Hallmann, hat Dagmar Mühlenfeld bei verschiedenen
Projekten immer wieder als motivierende und moderierende Verwaltungschefin
erlebt. Sie habe es, so Hallmann, zum Beispiel im Rahmen der Leitbilddiskussion
geschafft, Vertreter aus ganz unterschiedlichen Gruppen an einen Tisch zu
bringen. Dadurch seien viele kompetente Bürger dazu gebracht worden, sich
persönlich für die weitere Entwicklung der Stadt zu interessieren und zu
engagieren.
Hildegunde Schüttler, die sich ehrenamtlich in der
katholischen Ladenkirche engagiert, hat den Eindruck, dass die Konzentration auf
das Vorzeigeprojekt Ruhrbania zu Lasten anderer Alltagsaufgaben der Kommune
gegangen sei. Als Beispiel nennt sie den Zustand der Innenstadt und dort
speziell die marode Verfassung des Straßenpflasters. Rentnerin Hildegard
Kampmann, die ebenso, wie Mühlenfeld aus Heißen kommt, ärgert sich darüber,
„dass sich die Oberbürgermeisterin so wenig um ihren alten Stadtteil gekümmert
hat“. Das sehe sie immer wieder daran, wenn sie beim Rundgang durch ihr Viertel
auf viele Schmuddelecken stößt.
Auf der Haben-Seite der scheidenden OB
verbucht Kampmann Mühlenfelds Engagement als Vizepräsidentin des Deutschen
Städtetages. In dieser Funktion habe sie sich mit viel Energie dafür eingesetzt,
dass die notleidenden Städte finanzielle Hilfen von Bund und Ländern bekommen
sollen.
Auch das Management der Flüchtlingsunterbringung habe sie zusammen mit
Sozialdezernent Ulrich Ernst beispielhaft in den Griff bekommen.
Dieser Text erschien am 20. Oktober 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung
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