Dienstag, 18. April 2017

Für Sarah Adam ist die Teilzeitausbildung bei der Theodor-Fliedner-Stiftung ein Volltreffe

Sarah Adam
Teilzeitarbeit. Das ist jedem ein Begriff. „Doch Teilzeitausbildung. Das hatte ich bisher nicht auf dem Schirm“, gibt der Personalchef der Theodor-Fliedner-Stiftung, Lars Borchert zu. Doch das hat sich mit Sarah Adam geändert. Denn die 30-jährige Mutter absolviert seit dem 1. August 2016 bei der Fliedner-Stiftung eine Teilzeit-Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement.
„Meine Arbeit macht mir Spaß, weil ich hier verständnisvolle Kollegen und Vorgesetzte und eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit gefunden habe“, freut sich Adam. Buchhaltung, Bauverwaltung, Eingliederung, Altenhilfe, Klinik und Finanzabteilung. All diese Bereiche der Fliedner-Stiftung durchläuft sie während ihrer auf zweieinhalb Jahre angelegten Ausbildung.

„Frau Adam ist für uns ein Volltreffer. Sie bringt Berufs- und Lebenserfahrung, aber auch Natürlichkeit und soziale Kompetenz mit“, bestätigt Borchert seiner Mitarbeiterin.

Die arbeitet zwischen 7.30 Uhr und 13.30 Uhr in der Fliedner-Verwaltung in Selbeck und hat dadurch am Nachmittag Zeit für ihre fünf und neun Jahre alten Söhne, zum Beispiel. Um mit ihnen Fußball zu spielen. Auch wenn ihr in Wechselschicht arbeitender Mann frei hat, ist er mit von der Partie und die Wochenenden gehören der Familie.

Abends macht Mutti ihre Hausaufgaben


Doch abends hat die Mutter und Ehefrau keine Zeit für ihre Leben. Denn dann muss sie für die Berufsschule lernen. „Das ist hart, aber ich weiß wofür ich es tue“, sagt Sarah Adam. Denn in ihrem ersten Berufsleben, das sie nach einem Fachabitur an der Kasse eines Supermarktes begann und später am Empfang eines Industrieunternehmens fortsetzte, waren Zwölf- und 13-Stunden-Tage oder Bereitschaftsdienste keine Seltenheit. Das war Gift fürs Familienleben. Und das wollte Adam irgendwann nicht mehr. Und deshalb wagte sie mit 29 den beruflichen Neustart.

Eine Informationsveranstaltung der Agentur für Arbeit und die Beratung durch deren Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Marion Steinhoff, wiesen ihr den Weg in eine vom Land NRW finanzierte Vorbereitungsmaßnahme, die die Agentur für Arbeit in Kooperation mit örtlichen Bildungsträgern anbietet, um Menschen mit einer oft familiär bedingt gebrochenen Erwerbsbiografie in Ausbildung und Arbeit zu bringen. „Vor allem das Bewerbungstraining in der Berufsbildungswerkstatt war für mich sehr wertvoll“, erinnert sich Adam.

Doch all das hätte vielleicht nicht geholfen, wenn nicht Marion Steinhoff, Adams heutigen Vorgesetzten von den Vorzügen ihrer Klientin und von den Vorteilen einer familienfreundlichen Teilzeitausbildung überzeugt hätte. Ähnlichen Erfolg hatte sie auch mit einer Bewerberin, die nach einer langen Familienpause, in der sie ihr Mutter gepflegt hatte, mit der Teilzeit-Ausbildung bei einem anderen Arbeitgeber den Wiedereinstieg ins Berufsleben schaffte.

Begegnungen und Chancen schaffen


„Wir schaffen Begegnungen und räumen Vorurteile aus dem Weg, damit qualifizierte Menschen, die sonst mit ihrer gebrochenen Berufsbiografie vielleicht aus dem Bewerbungsstapel aussortiert würden, eine Chance bekommen, die sie verdienen“, erklärt Steinhoff ihre Arbeit.

„Erst durch das Gespräch mit Frau Steinhoff habe ich erfahren, dass Ausbildung in Teilzeit nicht 50 Prozent Arbeits- und Berufsschulzeit, sondern 75 Prozent Arbeits- und 100 Prozent Berufsschulzeit bedeutet. Und schon im Vorstellungsgespräch haben mich die Motivation und die Menschlichkeit von Frau Adam überzeugt. Besonders gut gefallen hat mir, dass sie sich vorab sehr gut über die Theodor-Fliedner-Stiftung und deren soziale Arbeit informiert hatte“, erinnert sich Personalchef Borchert.

Mit der Motivation, die Sarah Adam, während ihrer bisherigen Ausbildung an den Tag gelegt hat, rechtfertigt sie sein Vertrauen und macht ihn aufgeschlossen für künftige Teilzeit-Lehrlinge. „Wir haben jedes Jahr etwa 15 Auszubildende und bilden damit über unseren eigenen Bedarf aus, weil wir das als Teil unserer sozialen Verantwortung sehen“, erklärt Borchert.
Auch wenn das bedeutet, dass es nach einer erfolgreichen Ausbildung bei der Fliedner-Stiftung keine Übernahme-Garantie geben kann, bereut Sarah Adam ihre Entscheidung für eine Teilzeit-Ausbildung bei der Fliedner-Stiftung nicht. „Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung habe ich ein viel besseres Standing auf dem Arbeitsmarkt und kann auch meinen Kindern vorleben, dass eine Berufsausbildung der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit ist“, betont die angehende Kauffrau für Büromanagement.

Mehr Familienfreundlichkeit


Jürgen Koch, Vorstandsvorsitzender der für Mülheim und Oberhausen zuständigen Agentur für Arbeit, sieht die vom Gesetzgeber bereits 2005 geschaffene Möglichkeit einer Ausbildung in Teilzeit als Chance „unsere Stadt und ihren Arbeitsmarkt familienfreundlicher zu machen und sie damit auf die langfristigen Folgen des demografischen Wandels vorzubereiten.“

Weniger Lehrstellen


Mit Sorge sieht der örtliche Agenturchef aber, dass die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen schwächelt. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze ist im Jahresvergleich um 67 zurückgegangen, so dass derzeit auf 775 freie Lehrstellen 805 Bewerber kommen. Weitere Informationen zum Thema Ausbildung in Teilzeit findet man im Internet unter: www.regionalagentur-meo.de/teilzeitberufsausbildung-tep


Dieser Text erschien in der Mülheimer Woche und im Lokalkompass vom 2. April 2017

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