Freitag, 14. April 2017

Der Karfreitag und Ostern als eine Kraftquelle fürs Leben: Ein Gespräch mit Nikolaus Schneider

Nikolaus Schneider (Foto EKIR)


Am 10. April beginnt die Karwoche um 18.30 Uhr mit einer Trauermette in St. Mariae Geburt. Die Gastpredigt hält der ehemalige Präses der Rheinischen Landeskirche und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. Vorab stellte er sich den Fragen dieser Zeitung.

Warum predigen Sie im Reformationsjahr in einer katholischen Fastenmesse?
Schneider: Das ist weniger außergewöhnlich, als die Frage vermuten lässt: Seit dem „2. Vatikanischen Konzil“ hat sich das Verhältnis zwischen den Kirchen der Reformation und der katholischen Kirche grundlegend verändert: Wir sind freundschaftlich verschieden! Und Freunde laden sich ein, auch zum Predigen. Und Freunde kommen dann auch zum Predigen. Außerdem macht die Predigt-Einladung der katholischen Stadtkirche an mich klar: Die Feier des Reformationsjubiläums wird nicht als Abgrenzung verstanden. Den Reformatoren ging es um Christus. Und in ihrer gemeinsamen Konzentration auf Christus können evangelische und katholische Christenmenschen heute gemeinsam Gottesdienst feiern.

Sie predigen zum Auftakt der Karwoche. Was kann uns der Karfreitag heute noch sagen?
Der Karfreitag trägt die Botschaft in sich: Im Schrecken und im Tod sind Menschen nicht von Gott verlassen. Gott war in Christus, auch am Kreuz. Diese Botschaft brauchen Menschen, weil die Welt und das Leben ihnen Schrecken und Schreckliches, Unrecht, Leiden und Todeserfahrungen zumuten – auch heute noch.

Und worin sehen Sie die aktuelle Botschaft von Ostern?
Ostern trägt die Botschaft in sich: Das Kreuz hat nicht das letzte Wort. Gottes Lebensmacht ist stärker als der Tod. Christus ist auferstanden. Wir werden auferstehen. Ostern hebt Karfreitag nicht auf, und die Osterbotschaft macht die Karfreitagsbotschaft nicht überflüssig. Karfreitage zu erleben – am eigenen Leib oder bei Menschen, die uns wichtig sind –, das führt auch Christenmenschen an ihre Grenzen. Aber bis heute spüren Menschen: die Osterbotschaft ist eine Kraftquelle, in den Karfreitagen unseres Lebens Zukunftshoffnung und Gottvertrauen nicht preiszugeben. Und in der Freude des Osterjubels nicht zu vergessen, dass auch die Karfreitage zum Leben gehören.

2017 werden 500 Jahre Reformation gefeiert. Werden wir die Einheit der Christen noch erleben?
In Christus können christliche Konfessionen und Kirchen schon jetzt ihre Einheit erleben. Aber die Frage zielt wohl auf die über Jahrhunderte gewachsenen unterschiedlichen kirchlichen Strukturen. Diese haben schon ihr Eigengewicht und lassen sich nicht so einfach harmonisieren. Aber: Einheit ist nicht Einheitlichkeit. Viele konfessionelle Unterschiede können wir gegenseitig als Herausforderungen und Bereicherungen verstehen und eine versöhnte Verschiedenheit anstreben. Dabei habe ich die Hoffnung, dass unsere Kirchen noch zu meinen Lebzeiten die eucharistische Gastfreundschaft auch „offiziell“ ermöglichen!

Nikolaus Schneider wurde 1947 in Duisburg geboren. Dort trat er 1977  nach seinem Theologie-Studium in Wuppertal und Göttingen seine erste Pfarrstelle an und engagierte sich an der Seite der Stahlarbeiter von Rheinhausen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, am Ende ohne Erfolg. Von 2003 bis 2013 stand Schneider als Präses an der Spitze der Rheinischen Landeskirche und zwischen 2010 und 2014 als Ratsvorsitzender an der Spitze der Evangelischen Kirche. Sein Amt gab er aufgrund der schweren Erkraankung seiner Frau Anne auf. Das Eltern- und Ehepaar, das heute in Berlin lebt, schenkte drei Töchtern das Leben. Die jüngste Tochter starb 2005 an den Folgen einer Krebserkrankung.

Dieser Text erschien am 10. April 2017 in NRZ und WAZ

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