Hafenleiter Dieter Schulten (links) und der Geschäftsführer der städtischen Betriebe Joachim Exner |
Über seine Arbeit, die er um 6.45 Uhr beginnt und irgendwann am frühen Abend beendet, sagt Schulten: „Ich sitze hier nicht nur an meinem Schreibtisch, um mit Kunden zu telefonieren, Materialbestellungen zu organisieren, unsere Dienstpläne zu stricken oder Abrechnungen zu erledigen, sondern ich bin auch regelmäßig auf dem 220 Hektar großen Hafengelände unterwegs. Meistens mit dem Auto, aber auch zu Fuß, und wenn ich Glück habe und eine unserer zwei Lokomotiven vorbeikommt, werde ich ein Stück des Weges auf der Schiene mit genommen.“
Er selbst hat keinen Lokführerschein, kennt sich aber mit Lok- und Gleistechnik aus, und ist sich als gelernter Betriebsschlosser im Schadensfall auch nicht zu schade, selbst mit Hand anzulegen. Auch für die Sicherheitsschulungen der Rangierer — Helm auf — und der Lokomotivführer, die während der Fahrt den Kopf aus dem Führerhaus stecken, denn der Gegenverkehr kommt öfter als man denkt, ist der Hafen- und Eisenbahnbetriebsleiter verantwortlich.
Heute schaut er in den Werkstätten der Hafenbetriebe vorbei. Dort wird ein neuer Ponton für den neuen Schiffsanleger in Mintard gebaut. Auch die Friedrich-Freye liegt derzeit nicht am Wasserbahnhof vor Anker, sondern - entkernt - auf dem Trockendock der Werkstatt, wo sie einen völlig neuen Innenraum, inklusive Bordküche, erhält. Als der 50 Tonnen schwere Schiffskoloss mit einem wassertauglichen Spezialwaggon der Hafenbahn aus der Ruhr in die Werkstatt gezogen werden musste, war Schulten vor Ort dafür verantwortlich, dass das 60 Jahre alte Schiff an den richtigen Stellen auf dem Waggon auflag und montiert war, um nicht abzurutschen. Verantwortung pur.
„Wir machen heute hier fast alles selbst, egal, ob die Schiffe der Weißen Flotte, eine Hafenbahnlokomotive oder ein Gleisbruch repariert werden muss. Das spart Geld“, erzählt Schulten.
Als er 1985, nach Bundeswehr und Ingenieursstudienjahren als Disponent und Hafenmeister zu den Betrieben kam, „waren wir noch doppelt so viele Kollegen wie heute“. Heute trägt der Hafen- und Eisenbahnbetriebsleiter der städtischen Betriebe Personalverantwortung für vier Disponenten in der Leitstelle, für drei Lokomotivführer, sechs Werkstatt-Mitarbeiter und zehn Rangierer. „Wir haben in unserer Mannschaft einen breiten Berufsmix - vom Schlosser und Elektrotechniker bis zum Bäcker. In den Sommermonaten sind einige Kollegen dann auch noch als Schiffsführer der Weißen Flotte auf der Ruhr unterwegs.
Unterwegs ist Schulten an diesem Tag auch, um in einigen der 16 Betriebe vorzusprechen, die an das 27 Kilometer lange Gleisnetz der Hafenbahn angeschlossen sind. Mal geht es um die jüngsten Prüfungsprotokolle des Eisenbahnbundesamtes, das beim Gleisanschluss eines Betriebsgeländes die Aufstellung eines neuen Prellbocks angemahnt hat. Dann dreht sich alles um eine anstehende Lieferung oder an einem anderen Standort um die Überwachung einer Güter-Entladung.
„Hier werden jährlich rund vier Millionen Tonnen angeliefert“, berichtet Schulten. Die zwölf Güterwaggons der Hafenbahn, die eine Leihgabe der Deutschen Bahn sind, haben ein Fassungsvermögen von jeweils 62 Tonnen. Geliefert werden riesige und tonnenschwere Halb- und Fertigprodukte aus Eisen und Stahl, Recyclinggüter, Wertstoffe, Schrott, Altpapier und Getreide. „Die Güter sind in der Regel so groß und schwer, dass sie über das Wasser und die Schiene viel einfacher und kostengünstiger, als auf der Straße transportiert werden können“, erklärt Schulten.
Obwohl die Hafenbahn an drei ampeltechnisch oder mit einem Wachposten abgesicherten Stellen den Straßenverkehr im Speldorfer Gewerbehafen kreuzt – Schulten klopft auf Holz – ist es dort bisher nur zu Blech,- aber noch nie zu Personenschäden gekommen. „Einmal wurde ich zu einem Schienenübergang gerufen, weil dort ein Autofahrer gegen eine stehende Lok gefahren war. Als ich dort ankam, fragte mich der Autofahrer: ,Was machst du denn hier?’ Und ich antwortete ihm: ,Das wollte ich dich gerade fragen.’ Denn der Unglücksrabe war ausgerechnet ein Schulfreund“, erinnert sich Schulten an eine berufliche Begegnung der besonderen Art.
Und wenn Dieter Schulten mal nicht im Mülheimer Hafen unterwegs ist, dann findet man ihn vielleicht in seinem Garten, in seiner Küche oder beim Angeln in einer Flusslandschaft. Denn das ist für ihn Entspannung pur, weil dann garantiert kein Handy klingelt.
Dieser Text erschien am 4. Februar 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen