Klaus Beisiegel |
Ist der Grünflächenanteil in den letzten Jahren zurückgegangen und wird er auch in den kommenden Jahren zurückgehen, weil Mülheim eine beliebte Wohnstadt ist?
Der Versiegelungsgrad steigt noch immer, aber deutlich langsamer als noch vor zehn Jahren. Dabei geht das fast nie zu ungunsten von Grünflächen, sondern eher zu Lasten von Landwirtschaftsflächen, Höfen und Gärten. Parks und Grünanlagen sind im Grundsatz tabu, Natur- und Landschaftsschutzgebiete sowieso.
Setzt die Stadt auf Wohnraumverdichtung, um den Verbrauch von Grünflächen zu minimieren?
Ein Ansatz ist in der Tat, weniger „Frischflächenverbrauch“ zu planen und mehr Innenraumverdichtung vorzunehmen. Dies ist aber kleinklimatisch und sozial oft auch nicht sinnvoll. Ein immer wichtigerer Ansatz ist das Flächenrecycling, was an Bedeutung gewinnt und in den letzten Jahren häufiger als öffentlich wahrgenommen planerisch umgesetzt wurde, etwa an der Sellerbeckstraße oder an der Pilgerstraße in Dümpten, am Klöttschen in Eppinghofen oder beim Bau der Hochschule Ruhr-West und der Neuen Feuerwache auf dem ehemaligen Broicher Bahngelände. Hier wurden Neubauten ohne zusätzliche Flächenversiegelung realisiert.
Muss die Stadt aufgrund ihrer Finanzanlage künftig an der öffentlichen Grünpflege sparen?
Die Finanzlage erfordert einen restriktiven und verantwortlichen Umgang mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Deshalb schreibt das Grünflächenamt sämtliche Pflege – und Unterhaltungsarbeiten aus. Grundlage sind die von den politischen Gremien beschlossenen Pflegestandards für die Grünflächen. Hier befinden wir uns bereits auf einem sehr niedrigen Niveau. Der Status Quo der Anlagen wird gehalten. Bisher ist es uns durch die langjährige Ausschreibung der Pflege und Unterhaltungsarbeiten gelungen, die Kosten stabil zu halten. Trotzdem muss weiter gespart werden. Oft werden nur noch Verkehrssicherungsarbeiten vorgenommen, auf Dauer führt dies zu weiteren Substanzverlusten.
Wären vor diesem Hintergrund künftig auch Bürgerpatenschaften im Bereich der öffentlichen Grünpflege denkbar und wünschenswert?
Pflegepatenschaften bestehen bereits. Dabei handelt es sich aber meist um kleine Flächen, wie Baumscheiben vor der Haustür des Pflegepaten. Umfangreichere Patenschaften wurden mit Unternehmern für größere Rasenflächen entlang von Hauptverkehrsstraßen geschlossen. Es geht hier aber nicht nur um die „eigentliche Pflege“, die findet statt. Wichtig sind Investitionen in die Substanz der Grünflächen. Und es muss im Anschluss sichergestellt werden, dass ausreichende finanzielle Mittel für eine sach- und fachgerechte Pflege und Unterhaltung zur Verfügung stehen.
Müssen öffentliche Gründflächen aus Kostengründen zurückgebaut oder sich selbst überlassen bleiben?
Seit mehreren Jahren wandeln wir nicht mehr pflegbare Gehölzflächen im Straßenraum in Rasenflächen um, oder legen bei Neuanlagen Flächen mit geringem Pflegeaufwand an, um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auszukommen. Grünflächen werden nicht sich selbst überlassen. Verkehrssicherungsarbeiten müssen und finden immer statt. Dies deckt sich natürlich nicht mit den Wünschen der Bürgerschaft.
Wie sieht Mülheims Natur 2030 aus, wenn es gut läuft?
Wenn es gut läuft, dann wird die Internationale Gartenbauausstellung IGA 2027 einen ähnlichen Effekt auf die Stadt ausüben, wie die Landesgartenschau von 1992. Und mit den Fördermitteln für die IGA wird es möglich sein, Park- und Grünflächen zu überarbeiten, zeitgemäß zu entwickeln und zu ergänzen. Grün- Spiel- und Naturflächen sind gut mit Fuß- und Radwegen vernetzt. Der Masterplan Spielen und Bewegen konnte zu 80 Prozent umgesetzt werden und im Witthausbusch hat das Umweltbildungszentrum den Betrieb aufgenommen.
Und wenn es schlecht läuft?
Wenn es schlecht läuft, werden die Grünflächen nicht an Fläche, aber an Substanz verlieren. Dies wird sich in einer steigenden Anzahl schlecht nutzbarer oder geschlossener Wegen, fehlender Bänke und Papierkörben, gesperrter oder fehlender Spielgeräte sowie einer zunehmenden Vermüllung äußern. Immer mehr nicht pflegbare Flächen werden dann umgewandelt werden müssen, gärtnerische Gestaltung, ursprüngliche Planungsinhalte, die Attraktivität von Grünflächen gehen verloren und damit auch die Wohnqualität der Stadt.
Dieser Text erschien am 24. Mai 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung
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