Samstag, 2. Januar 2010

Aber bitte mit Sahne: Das Stadtcafe Sander am Kohlenkamp feiert seinen 250. Geburtstag




"Aber bitte mit Sahne", sang einst Udo Jürgens. So eine genussvolle Lebenseinstellung ist ganz nach dem Geschmack von Friedhelm Großenbeck uund seiner Frau Anke Holthaus. Das Konditorenehepaar führt das Stadtcafe Sander am Kohlenkamp bereits in der siebten Generation.

Anno 1760, also vor sage und schreibe 250 Jahren eröffnete der Bäcker und Bergmann Georg Sander am Kohlenkamp seine kleine Bäckerei, aus der sein Urenkel August Sander 1868 das Cafe Sander machte. Das Markenzeichen des Cafes am Kohlenkamp, den Baumkuchen, führte Gustav Sander ein, der das Traditionsunternehmen von 1910 bis zu seinem Tode 1950 führte.

Gustav brachte das Familienunternehmen nicht nur kulinarisch, sondern auch technisch voran. Dabei musste er schwere Rück- und Schicksalsschläge verkraften. Im Ersten Weltkrieg musste Sander wegen Rohstoffmangels immer wieder auf Ersatzstofrfe zurückgreifen. Und seine beiden Söhne Gustav und Helmut, die das Konditorenhandwerk erlernt hatten, fielen im Zweiten Weltkrieg. Es war seine Witwe Hermine, die das Cafe nach Gustavs Tod zusammen mit ihren vier Töchtern fortführte, ehe ihr Tochter Marie zusammen mit ihrem Mann, dem Konditormeister Friedhelm Großenbeck, 1963 die Leitung des Cafehauses übernahm.

Friedrich Großenbeck und Marie Sander, beide Jahrgang 1921, übergaben das Geschäft mit den süßen Sachen, 1983 dann an ihren Sohn Friedhelm und deren Frau Anke. Ob die achte Sander-Generation, Sohn Martin und Tochter Anja, die Cafehaus-Tradition fortführen, steht noch in den Sternen.

Für Friedhelm Großenbeck, der bereits mit 14 nach der Schule in die Konditorenlehre ging, war es seinerzeit keine Frage, die Familientradition fotzuführen. Warum auch nicht? Das Geschäft mit Kuchen und Torten boomte. "Zwei Stückchen Kuchen pro Cafebesuch waren damals Standard", erinnert sich der 50-jährige Konditormeister an die Hochzeiten des Stadtcafes.

Die begannen in den Wirtschaftswunderjahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Menschen ausgehungert waren und kulinarischen Nachholbedarf hatten und dauerten bis in die 80er Jahre. Dann kam die Gesundheits- und Schlankheitswelle. Heute ist nach einem Stückchen Kuchen in der Regel Schluss mit Genuss. Die Konditoren vom Kohlenkamp haben sich auf die Kundenwünsche eingestellt, kreieren ihre Torten heute zum Beispiel mit wesentlich weniger Zucker, als anno dazumal.

Dass die Familie Sander-Großenbeck, Schlankheitswelle hin oder her, aber auch im 250. Jahr ihres Unternehmens nicht am Hungertuch nagen muss, hat sie ihren vielen Stammkunden und kulinarischen Überzeugungstätern zu tun, die immer wieder gerne ins Cafe kommen, dass sie als entspannende und gesellige Oase im hektischen Alltagsgetriebe empfinden.

"Es gibt Gott sei Dank genug Menschen, die sich nicht verrückt machen lassen und wissen: Was ich in Maßen genieße, ist auch gut für mich", sagt Konditormeister Großenbeck, der seinen eigenen Kuchen nicht nur backt, sondern während der Arbeit auch immer wieder nascht. "Schließlich muss ich ja probieren", sagt er mit einem Augenzwinkern.

Nach seinem Umbau im Jahr 1981 legte sich das Cafe Sander ganz bewusst ein gutbürgerliches und gediegenes Ambiente zu, das vor allem die ältere Kundschaft ansprach und anspricht. Großenbecks älteste Stammkundin ist gerade 100 geworden und kommt bis zu fünfmal pro Woche ins Cafe.

Dass seine Stammkunden alle zur Generation 50 und 60 Plus gehören, sieht der Konditormeister mit Blick auf den demografischen Wandel durchaus als Vorteil. Mehr alte Menschen bedeuten für ihn auch potenziell mehr Cafehausbesucher. Neben Qualität und Service hat Großenbeck dabei auch das Thema Barrierefreiheit im Blick. Denn immer mehr betagte Cafehausbesucher sind auf einen Rollator oder einen Rollstuhl angewiesen. Da müssen die Zugänge ebenderdig und die Toilettenräume größer sein.

Dass Cafe Sander sich inzwischen auch über Mülheims Grenzen hinaus einen Namen gemacht hat, zeigt die Tatsache, dass die Zeitschrift "Feinschmecker" Sander 2005 als eines der besten Cafes in Deutschland empfahl.

Einen ausführlichen Beitrag über das Traditionsunternehmen Cafe Sander finden Sie auch im Mülheimer Jahrbuch 2010.

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