Ursula König (links) und Andrea Guntermann vom Ambulanten Hospiz |
Warum brauchen wir in Mülheim ein ambulantes Hospiz, wenn es doch auch ein stationäres Hospiz gibt?
Ursula König: Weil die zehn Plätze des stationären Hospizes bei weitem nicht ausreichen, um den tatsächlichen Bedarf bei der Begleitung und Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen abzudecken. Wir sind eine vergleichsweise alte Stadt mit 170 000 Einwohnern. Deshalb ist das Ambulante Hospiz auch als Hospizverein ins Leben gerufen worden.
Die meisten Ihrer Klienten rufen Sie erst mal an. Welche Fragen hören Sie am Telefon als erste?
Andrea Guntermann: Was kostet das? Und: Wann können Sie kommen? Viele staunen, wenn ich ihnen sage, dass wir ehrenamtlich arbeiten und unser Dienst deshalb kostenlos ist.
Muss man lange auf eine Begleitung warten?
Ich fahre so schnell, wie möglich zu den Betroffenen, um mir vor Ort ein genaues Bild von den individuellen Bedürfnissen der Schwerstkranken und Sterbenden und ihrer Angehörigen zu machen und zu überlegen, welche Begleiterin oder welcher Begleiter zu den jeweiligen Menschen am besten passen könnte. In der Regel dauert es nur wenige Tage, ehe unsere Ehrenamtlichen ins Haus kommen.
Sind sie so etwas, wie ein ambulanter Pflegedienst?
Ursula König: Nein. Wir übernehmen zwar kleine Handreichungen. Aber wir pflegen nicht. Wir bringen vor allem Zeit mit, Zeit, um zuzuhören, da zu sein, vielleicht um eine Hand zu halten, mit dem Sterbenden zu sprechen oder ihm etwas vorzulesen. Dabei ist für uns immer entscheidend, was der Schwerstkranke selbst braucht und will.
Und was haben die Angehörigen davon?
Andrea Guntermann: Sie werden vor allem entlastet und bekommen Zeit, in der sie Arztbesuche und Einkäufe erdledigen oder sich auch mal mit Freunden treffen und ausspannen können. Das ist in dieser extremen Ausnahmesituation sehr wichtig, weil die Arbeit, die hier zu leisten ist, oft auf sehr wenige Schultern verteilt ist.
Ursula König: Hinzu kommt, dass sich Sterbende, aber auch deren Angehörigen oft eher einem Fremden, als einem Angehörigen öffnen, weil sie bei ihm oder ihr einfach alles sagen können, was sie bedrückt und bewegt, ohne jemanden schützen zu müssen, der ihnen nahe steht.
Wie werden die Ehrenamtlichen des Ambulanten Hospizes auf ihre schwierige Aufgabe vorbereitet?
Ursula König: Zunächst führen wir ein Auswahlgespräch mit Bewerbern, um auszuschließen, dass sie der Aufgabe vielleicht psychisch nicht gewachsen sind, weil sie zum Beispiel selbst noch eine unbewältigte Trauerarbeit zu leisten haben. Alle Bewerber durchlaufen eine aus 100 Stunden bestehende Ausbildung, die etwa ein halbes Jahr dauert und sowohl psychologische, soziale, rechtliche, medizinische und ethische Anteile beinhaltet. Entscheidend ist, dass jeder Ehrenamtliche, der Sterbende begleitet, sich selbst mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt. Zur Ausbildung gehört auch ein 30-stündiges Praktikum, dass die Ehrenamtlichen wahlweise in einem Krankenhaus, in einem Altenheim oder in einem Hospiz absolvieren.
Warum engagieren sich Menschen im Ambulanten Hospiz?
Ursula König: Weil sie selbst in einer vergleichbaren Situation Hilfe erfahren oder vielleicht auch keine Hilfe erfahren haben, die sie sich damals gewünscht hätten. Es sind oft Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die eine Menge Lebenserfahrung und viel Einfühlungsvermögen mitbringen oder die nach einem erfüllten Berufsleben etwas Sinnvolles tun und etwas zurückgeben wollen. Wir haben aber auch eine 22-jährige Studentin der Heilpädagogik in unseren Reihen.
Wie umfangreich ist die Sterbebegleitung und wie verhindern Sie eine seelische Überforderung der Helfer?
Andrea Guntermann: In der Regel kommen die Begleiter ein bis zweimal pro Woche zu den Sterbenden und Schwerstkranken nach Hause. Sie vereinbaren aber meistens selbst ganz individuell mit den Betroffenen, wie oft sie gebraucht werden.
Was macht einen guten Begleiter oder eine gute Begleiterin aus?
Ursula König: Sie oder Er müssen sich zurücknehmen und vor allem zuhören können. Es geht darum, zu erkennen und zu erspüren, was der Schwerstkranke in seiner aktuellen Situation braucht. Außerdem können die ehrenamtlichen Sterbebegleiter regelmäßig das Angebot einer Supervision wahrnehmen.
Arbeitet das Ambulante Hospiz gänzlich ohne Geld?
Andrea Guntermann: Nein. Die Ausbildung der Ehrenamtlichen muss ebenso finanziert werden wie meine Halbtagsstelle als Koordinatorin des Ambulanten Hospizes. Außerdem müssen wir unsere Büromiete und die Supervision für die ehrenamtlichen Begleiter bezahlen. Deshalb sind wir als Ambulantes Hospiz, das heißt als derzeit 260 Mitglieder zählender und gemeinnütziger Verein, auf Mitgliedsbeiträge, Spenden und die finanzielle Förderung durch die Krankenkassen angewiesen.
Hier findet man das Ambulante Hospiz:
Das Ambulante Hospiz hat sein Büro an der Leineweberstraße 37 bis 39. Die Bürozeiten sind montags, dienstags, donnerstags, freitags von 9 bis 12 Uhr
Telefonisch erreichbar ist es unter der Rufnummer 0208/30 448 680 oder unter der Rufnummer 0160 - 78 688 45
Weitere Informationen über das für die Betroffenen kostenlos und ehrenamtlich arbeitende Ambulante Hospiz findet man auch im Internet auf: www.ambulantes-hospiz-mh.de
Dieser Text erschien am 22. März 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung
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