Sonntag, 19. März 2017

"Luther wollte mehr": Eugen Drewermann zu Gast in der Immanuelkirche

Eugen Drewermann bei seinem Vortrag in der Styrumer
Immanuelkirche.
Ein katholischer Ex-Priester, der seine Kirche inzwischen verlassen hat, spricht in einer evangelischen Kirche. Und die Kirche, in diesem Fall die Immanuelkirche an der Kaiser-Wilhelm-Straße, ist voll, wie an Weihnachten. 150 Menschen hören gebannt einem Mann zu, der 90 Minuten, ohne Manuskript spricht, ohne dabei auch nur einmal langatmig zu werden.

Der Ex-Katholik Drewermann würdigt die historischen Verdienste des protestantischen Urvaters Luther, ohne dabei der Versuchung zu erliegen, ein Heiligenbild des Reformators zu zeichnen. Seinen Antisemitismus und seine Rechthaberei spricht Drewermann ebenso an, wie Luthers Mut und Beharrlichkeit, gegen alle Widerstände, seinen Landsleuten die Bibel und damit den christlichen Glauben verständlich und damit nachvollziehbar zu machen.

„Luther wollte eigentlich keine  Kirchenspaltung, sondern eine offene Diskussion über die Grundlagen des Glauben. Er hat Jesus von Nazareth und sein Evangelium neu entdeckt, als sich die katholische Kirche schon in Siebenmeilen-Stiefel von der Bergpredigt entfernt hatte“, stellt Drewermann fest.
Bibelbelesen und auch psychoanalytisch fundiert wandert Drewermann durch das von Mut, Glaube und Wahrheitsliebe, aber auch von starken Zweifeln geprägte Leben Luthers und macht deutlich, wo wir heute an Luther anknüpfen können und sollen.

Er nennt an erster Stelle Luthers Freilegung und Bekenntnis zu der in Jesus Christus offenbarten unbedingten Gnade, Liebe und Vergebung Gottes, aus der der zwangsläufig fehlerhafte Mensch alleine leben, glauben und auf ein ewiges Leben bei Gott hoffen kann.

Aktuell ist für den Theologen und Psychoanalytiker Drewermann auch Luthers Erkenntnis, dass die Theologie des Neuen Testaments keine selbstgerechte und strafende, sondern nur eine verstehende und vergebende sein kann. Christliche Kirche müsse als seelsorgerischer und menschenfreundlicher Hirte, wie im biblischen Gleichnis Jesu auch den verlorenen Schafen nachgehen. Deren Schuld, so Drewermann, müssten Christen als „einen Schrei der Verzweiflung und einen Schrei nah Liebe und menschlicher Zuwendung begreifen.“ Daraus folgert er, „dass kein Mensch, wie schuldig er auch immer geworden sein mag, aus der allumfassenden Gnade und Liebe Gottes herausfallen kann.“

Für Drewermann steht fest, dass keine Strafe und keine Gewalt, sondern allein Liebe und Verständnis Menschen bessern können. „Wir müssen versuchen, Menschen und ihre biografische Prägung zu verstehen, statt über sie den Stab zu brechen“, sagt der 76-Jährige Gottesmann aus Paderborn.

Und dann beleuchtet er Luther  als einen Kapitalismuskritiker. Er beleuchtet dessen Kritik am Zinswucher, der mittellose Menschen weiter ins Elend stürzt, und ihre Kreditgeber reicher und unmenschlicher macht. Dies sieht Drewermann als einen auch heute aktuellen Denkanstoß.

Dieser Text erschien am 11. März 2017 im Neuen Ruhrwort

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